Bremen ist zwar noch keine andere Welt, aber doch immer wieder eine willkommene Abwechslung zur Metropole, Entfremdung von der Entfremdung gewissermaßen, doppelte Negation von Schein und Sein, deutlich zu unterscheiden von der Rückkehr zum Urschleim, die auch ihr anheimelndes hat, aber dann doch lieber nicht übertrieben werden sollte (soll heißen: Nach Bremen war ich in meiner alten Heimat Göttingen, jetzt wieder glücklich in berlin angekommen).
Wer meinen Blog fleißig liest, weiß auch, warum ich in Bremen war: Anlässlich des 5. Out-of-this-world-Kongresses, auf dem ich Lesen, Vortragen und Klugscheißen durfte. Klar, dass ich Spaß hatte. Am Freitag ging's los mit Eike Pierstorffs Vortrag zur Holocaustrezeption in der SF, erwartungsgemäß deprimierend - es gibt sie praktisch nicht, obwohl es in der SF von Nazis wimmelt, scheint "die Sache mit den Juden" dann irgendwie meistens doch nicht interessant genug zu sein. Tja, man kann sein Genre noch so lieben, manchmal kann es einem trotzdem gehörig auf die Nerven gehen ... guter Vortrag, kein Grund, sich für die Qualität der Präsentation zu entschuldigen (was der Referent ein paar mal gemacht hat ...)
Ich vergesse jetzt sicher einige, wenn ich assoziativ durchgehe, wo ich so war, also nicht böse sein: Dankbar erinnere ich mich an den Firefly-Vortrag von Benjamin Moldenhauer und Dieter Wiene. Zwar konnte man die angedeutete These der Referenten, Firefly sei ein hübsches Beispiel für vorsichtige Versuche in freier Kooperation so nicht stehen lassen, aber für eine angeregte Diskussion hat sie gesorgt. Fazit für mich: Firefly scheint doch eher ein konservativ-libertäres, autoritäres Menschenbild zu verbreiten, aber auf diskutierbare Weise ... und natürlich macht's Spaß.
Die Diskussion zu Utopien der Arbeit mit Claudia Bernhard und Margareta Steinbrücke fing ganz interessant an, aber letztere Referentin hat's mir ehrlich gesagt nicht angetan: Eigentlich hatte ich den Eindruck, sie hat immer nur wiederholt, dass man auf dem heutigen Stand der Produktivkräfte mit einem 6-Stunden-Tag für alle Auskäme. Hm. Tolle Utopie. Kein Wort über Produktionsverhältnisse (Kapitalismus, irgendwer?). Da war mir Claudia Bernhards Vorschlag, nicht nur über technokratische Arbeitsverteilungspläne nachzudenken, sondern auch über das "Wie?" der Arbeit, doch sehr viel sympathischer.
"SF und Musik" von Doris Achelwilm war auch ziemlich spannend, sonderbarerweise sind wir am Ende in eine Diskussion über Aggro Berlin und Authenzitätsfetisch reingerutscht, die eher wenig mit SF zu tun hatte ...
Kai Kaschinskis Input zu Biology Fiction war auch ziemlich interessant, da wurde darüber diskutiert, wie das Genre des Wissenschaftsthrillers Wissenschaft objektiviert und wie es sich da vielleicht von der SF auf der einen und der Populärwissenschaftlichen Literatur auf der anderen Seite unterscheidet. Sehr offene, anregende und noch fortzuführende Diskussion. Und Kais Videoabende sind natürlich über jeden Zweifel erhaben: im Anschluss haben wir Code 46 gesehen, ein sonderbarer Film mit einigen Plotschwächen (wurde in der nahen Zukunft eigentlich das Wissen um Verhütungstechniken verlegt oder so?), aber interessant, langsam und ein bisschen "magisch".
Bei mir lief's OK, würde ich sagen - bei meinem Vortrag über die neuere Englische Sf und das Thema der Sprache hat Jürg Djuren mir einige interessante Einwände zur Psychoanalyse gegeben, und Christoph Spehr hat ziemlich treffend darauf verwiesen, dass die von mir vorgestellten AutorInnen (Mieville, Duncan, Robson) es anscheinend alle darauf anlegen, es den Lesern nicht leicht zu machen und was das über ihre Rolle in der SF sagt. Auch noch eine offene Diskussion ...
Und meine Lesung: Ich hatte so ein Publikum von nem Dutzend, die meisten haben tapfer durchgehalten. ich hatte Spaß dran (abgesehen von den regelmäßig aufflackernden Momenten totaler Panik), sonst sag ich mal nix dazu ...
So verbleibe ich in der Hoffnung auf ein nächstes Mal!