

Antje Babendererde: Julischatten
Indianer Antje Babendererde Lakota
Sim, eigentlich Simona, die Heldin des Romans, ist so ziemlich das Gegenteil von allem, was die Lakota bisher an Touristen in ihrem Reservat kennen gelernt haben. Jimi und sein blinder Hunka-Bruder Lukas werden nicht schlau aus dem Mädchen mit der leuchtend roten Stachelfrisur und den provozierend kurzen Röcken. Jimi, der Champ, der alle Mädchen "flachlegt", ist erst mäßig, dann immer mehr an Sim interessiert. Aber auch der angehende Medizinmann Lukas entwickelt Gefühle für die junge Frau mit den Storchenbeinen. Dabei hatten sich beide doch geschworen, dass sie sich niemals wegen einer Frau streiten wollten.
Allerdings ist etwas an Sim ungewöhnlich, etwas, das selbst der blinde Lukas mit seinem überfeinen Gehör nicht zwischen ihren Worten herauslauschen kann. Nur langsam öffnet sich Sim so weit, ihm von jener Nacht zu erzählen, als sie zusammen mit Freunden ins Schwimmbad einbrach, sich hemmungslos betrank und Sex mit einem Jungen hatte.
Alkohol und Drogen im Lakota-Reservat
Sim ist zwangsweise aus Deutschland nach Amerika verschickt worden. Nach ihren Alkoholabstürzen wurde die Jugendliche vor ein Ultimatum gestellt: entweder Einlieferung und Entgiftung oder sechs Wochen Zwangsaufenthalt im Indianerland bei Tante Flo. Denn die Eltern hatten gehört, dass im Reservat striktes Alkoholverbot herrscht. Pech nur, dass das Bild von der heilen alkoholfreien Indianerwelt nicht stimmt. Sim bleibt nicht lange "trocken", und die Tatsache, dass es dort einen schwunghaften Handel mit härteren Drogen gibt, macht den Aufenthalt alles andere als ungefährlich. Kokain ist kein Spielzeug. Und Jimi ist alles andere als ein Unschuldslamm.
"Julischatten" erzählt von Gewalt und Bandenkriminalität
"Julischatten" ist ein Roman, der die dunklen Seiten des Reservatslebens zeigt. Antje Babendererde erzählt vom Sozialbetrug einer Pflegemutter, die scharenweise Kinder sammelt, von Drogenexzessen, Bandenkriminalität und Gewalt, von Besäufnissen, Vergewaltigung und irrsinnigen Mutproben. Sie zeichnet kein Bild der schönen, verklärten Idianerwelt, gleichzeitig hält sie Abstand zum anklagenden Bild des "Opfers Indianer". Opfer wie Täter sind Indianer, das System von Drogendealern und ihren Hintermännern bzw. -frauen ist rot, und die Freundschaft, die gebrochen wird, ist ein Verrat unter Stammesbrüdern. Auch die Beziehung, die sich zwischen Sim und den ungleichen Brüdern entspinnt, ist alles andere als eine rosafarbene Romanze.
Sehr viele Rückblenden
Etwas ungelenk wirken die außerordentlich langen Rückblenden, mit der die Autorin die Vorgeschichten der jeweiligen Personen erzählt. So wird dem Leser bereits nach dem ersten Absatz ein elfseitiges Referat über die Vergangenheit Sims serviert, sowie man das im Flugzeug sitzende Mädchen kennen gelernt hat. Dies hätte man handwerklich sicher etwas geschickter lösen können.
Trotzdem ist der Roman sehr spannend und zieht den Leser schnell in die Geschichte hinein. Die Sachkunde und der herbe, von künstlicher Stimmungsmache freie Tonfall der Autorin machen "Julischatten" zu einem Buch, das man gern zur Hand nimmt und nicht wieder weglegt, bevor die letzte letzte Seite erreicht ist.
Fazit: Ein gelungener Roman - einer von Babendererdes besten. Unbedingt empfehlenswert.
Antje Babendererde: Julischatten. Würzburg: Arena, 2012. 476 S., Euro 17,99.
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