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Verheitzen

Geschrieben von T. Lagemann , 13 Oktober 2011 · 422 Aufrufe

Momentan stellt sich mir die Frage, wie ich Oberon schreibe. Schon klar, es geht nur Wort für Wort. Satz für Satz. Absatz für Absatz usw., aber das meine ich nicht. Sondern den Stil. Und da kann es nicht schaden, wenn ich mir anschaue, wie denn andere so schreiben. Und Markus Heitz als Anschauungsobjekt zu nehmen, dürfte nur die wundern, denen Auflagenzahlen egal sind.

Schon ein Blick auf seine Homepage macht eigentlich alles klar. Heitz macht dort keinen Hehl aus seinem Ansatz an das Schreiben: "Ich habe mich für eine einfache, klare Sprache entschieden, auch im Fantasy-Bereich." findet sich als Einleitungssatz zum Unterpunkt Das Schreiben bei seinen Schreib-Tipps. Später heißt es „Die meisten Menschen möchten sich beim Lesen entspannen, und das gelingt nach einem anstrengenden Schultag, einem Tag im Büro, an der Uni oder sonst wo nur, wenn der Autor das auf Hochtouren gelaufene Leser-Hirn nicht neuerlich zum Kreiseln bringt und es durch Schachtelsätze verwirrt.“

Wie sieht das in der Praxis, also z.B. in Collector aus? In der Tat, mit verschachtelten Sätzen hat es Heitz nicht. Oft kommt er sogar ohne Nebensatz aus. Das liest sich flott, da muss man nicht denken. Die Handlung rauscht nur so an einem vorbei, da machen auch die mehr als 600 Seiten keine Angst. Und damit man sich nicht langweilt, garniert Heitz die Sätze munter mit Adjektiven. Dabei greift er gerne zu denen der Marke „plakativ“. Und auch sonst geht es eher dick aufgetragen zu. Hier mal ein paar Beispiele von der ersten Seiten des Romans:

„breite Frontscheibe“
„titanischen Antigrav-Trucks“
„jahrhundertealten Palallazo-“
„zerstörerischen Maschine“
„knallrot gestrichene Truck“
„dumpf brummender Antigravitationspulsatoren“
„tonnenschweren Giganten“

Der Truck ist dreihundert Meter lang. Die Kanzel zehn Meter hoch. Und donnert mit zweihundertachtzig Stundenkilometern über den einstigen Meeresgrund des Golfs von Venedig. Das geht natürlich nur, weil es schwenkbare Hochleistungsrotoren gibt. Ach ja, knallrot ist das gute Ding gestrichen.

Wunderbar! Dass das ganze dann doch da und dort etwas unlogisch ist, stört offensichtlich die Verkaufszahlen nicht. Mein Exemplar von Collector ist aus der 4. Auflage. Nicht schlecht für einen Roman, in der ein 300 Meter langer Truck, der locker schlappe 280km/h fährt – und das 10cm über Grund – dann doch nur ein „tonnenschwerer Gigant“ ist. Hey, schon ein Mercedes der 124er Baureihe wiegt 1260-1710 kg bei einer Länge von 4,80m. Wie viele Tonnen müsste da ein dreihundert Meter langer Antigrav-Truck wiegen? Da scheint mir die Beschreibung als "tonnenschweren Gigant“ doch arg untertreibend, das Ding dürfte sich eher im vierstelligen Tonnenbereich bewegen. Aber genau darum scheint es nicht zu gehen, um Logik. Denn es macht ja auch nicht viel Sinn, dass der Truck mit 'nem Irrsinnstmepo auf die "letzten ausgeblichenen Ruinen" von Venedig zudonnert. Es macht aber viel Sinn, auf diese Weise den Text mit Worten zu spicken, die Bilder erzeugen. Unter einem „tonnenschweren Giganten“ kann sich eben jeder etwas vorstellen. Der Truck klingt doch gleich richtig knackig. Und dass der Fahrer beim Steuern von dem Teil mal eben noch einhändig einen Schokoriegel auspackt, wow, das umreißt denn doch gleich als richtig tollen, coolen Typen. Und da bin ich wieder bei den Schreibt-Tipps, die sich auf der HP von Markus Heitz finden und dem dort zu findenden. „Die fünf Sinne des Menschen sollten auch im Buch genutzt werden.“ Ein paar andere Sinne spricht Heitz locker flockig mit an, z.B. den, den Jungs und Mädels irgendwie dann doch teilen: Große Karren wirken beeindruckend.

Und jetzt lese ich mal ganz, ganz aufmerksam die restlichen 617 Seiten des Romans. Da kann ich viel lernen :-)



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