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Mieville, China: Perdido Street Station


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93 Antworten in diesem Thema

#31 Lomax

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    Illuminaut

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Geschrieben 27 August 2004 - 14:32

Macht die amazon-Sonderausgabe also einen Typo/Sprung bei Teil V Councils/Beratungen.

Nein ... das ginge auch ein wenig zu weit. Das haben sie schon vereinheitlicht.

Die zusammengelatschten hölzernen Holke auf dem Wasser dem Wasserwaren weit und breit das Schwärzeste in Sicht.

Ja, das ist ein typischer Fehler, wie er beim Einarbeiten von Korrekturen oder beim Umstellen von Sätzen geschieht. So was lässt sich leicht korrigieren, und ich versuche gerne, es für die nächsten Ausgaben zu berücksichtigen. Bei der Nuancierung von Begriffen oder auch beim Weglassen von Nebensätzen ist es schwieriger. Das ist oft tatsächlich eher ein Anlass für Sprachdiskussion als für Korrekturen, denn es gehört zu Routineoperationen, die durchaus im Ermessen des Übersetzers liegen. Wenn bei den "Piraten der Pantomime" eine spezielle Anspielung übersehen wurde, wäre es vielleicht nett, das zu ändern. Aber ich fürchte, wenn ich mit solchen Sachen ankomme, haut der Satz mir das um die Ohren. ;) Klare Rechtschreibfehler lassen sich nun mal leichter begründen, alles Weitere wäre wohl wirklich eher im Rahmen einer grundlegenden Überarbeitung der gesamten Reihe zu berücksichtigen. Aber ob sich so etwas bei PSS für den Verlag rechnet, ist dann eine andere Frage. Ansonsten wäre es natürlich ein Luxus, wenn man in jeder Reihe mit jedem Band alles noch mal komplett überarbeiten könnte. Dann wäre es z.B. auch möglich, Bezeichnungen zu ändern, die im ersten Band nur einmal am Rande vorkamen und dabei eine Übersetzung erfuhren, die man aus Sicht eines Folgebandes vielleicht anders gewählt hätte. Das habe ich schon bei einigen Reihen erlebt, das in einem Band ein Begriff geprägt wurde, der da ganz in Ordnung war - aber in den Folgebänden zunehmend nervte. Hm, der Nachteil wäre dann natürlich, wenn Leser nicht die ganze überarbeitete Reihe kaufen, sondern nur Folgebände. Die hätten dann Kontinuitätsfehler drin. Wie sehr das stört, habe ich als Leser selbst schon an Reihen gesehen, die von unterschiedlichen Übersetzern betreut wurden - und wo ich mitunter das Gefühl hatte, das ein Übersetzer die Arbeiten seiner Vorgänger nicht gelesen hatte. :(
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)

#32 Gast_Gerd_*

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Geschrieben 27 August 2004 - 15:50

Bei der Nuancierung von Begriffen oder auch beim Weglassen von Nebensätzen ist es schwieriger. Das ist oft tatsächlich eher ein Anlass für Sprachdiskussion als für Korrekturen, denn es gehört zu Routineoperationen, die durchaus im Ermessen des Übersetzers liegen.

Wobei man nicht vergessen sollte, dass so ein Nebensatz manchmal auch einfach rausfliegt, um ein Hurenkind zu vermeiden. Ich habe im Augenblick die Bastei-Ausgabe nicht greifbar, sonst würde ich selbst nachsehen, ob das eventuell bei diesem Beispiel der Fall war. Ganz grundsätzlich kann es nämlich schon sein, dass man sich eine wunderschöne Übersetzung ausgedacht hat - und dann in der Fahnenkorrektur aus satztechnischen Gründen etwas rausgeschmissen wird (oder man macht es blutenden Herzens selbst, wenn man denn die Fahnen bekommt und sich die Mühe dieser unbezahlten (!!) Zusatzarbeit machen will). Grüße Gerd

#33 Sullivan

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Geschrieben 11 November 2004 - 14:00

Nachdem "Perdido Street Station" auf meinem Lesestapel ständig hoch und runtergewandert ist, bin ich jetzt mitten drin.So richtig packen tut mich das Buch jetzt erst, wo das fliegende Etwas abgehauen ist. Davor war es zwar interessant, aber mit den vielen Details verpasst es China Mieville, eine spannende Story zu erzählen. Lin wird sehr gut beschrieben, Isaac dagegen kann ich nicht leiden. Die Charaktere sind zwar für sich allein originell, aber das Gesamtbild scheint nicht zu passen...Zum Thema Fremdwörter kann ich nur sagen, dass ich noch nie so häufig in einem Buch nachgeschlagen habe. Manchmal kannte ich jedes zweite Wort in einem Satz nicht (obwohl es häufig nur Synonyme waren).Ich hoffe es bleibt von nun an spannend, bis jetzt ist das Buch für mich eine leichte Enttäuschung. Wenn ich mir rückblickend die Reviews durchlese, dann ist das ständige Hervorheben der mit Dampf betriebenen Technik ein Indiz dafür, dass das Buch sonst eher schwächelt. Sullivan

#34 Mammut

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Geschrieben 11 November 2004 - 14:12

Tja, ich fand das Buch stellenweise auch sehr zäh, der zweite Band (in der Basteiausgabe) wird dann aber flotter. Allerdings wirkte das Buch bei mir nach, je größer der Abstand war, desto besser gefiel mir das Buch. Der Zauber musste sich erst entfalten. Vielleicht geht es dir ebenso.Konnte mich aber immer noch nicht durchringen, ein weiteres Buch des Autoren zu lesen.

#35 V.Groß

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Geschrieben 11 November 2004 - 15:10

Hallo!Also ich war damals am Anfang absolut begeistert vom ersten Band (Bastei), aber irgendwann wurde mir dann die Sprache zu schwülstig und zu aufgeblasen.Is ne zwiespältige Sache.GrußVolker
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#36 Rusch

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Geschrieben 11 November 2004 - 15:45

Also mir haben die Falter deutlich besser gefallen als der Weber. Der erste Band hat viele schöne Einzelstränge mit phantastischen Aspekten. Der zweite Teil dreht sich nur noch um Isaac und die ganze Handlung driftet in zu sehr in banale action ab. Ist eben Geschmacksache. Meine Wertung (max 10): Band 1 - 9 Punkte, Band 2 - 7 Punkte. Wer es genauer wissen will. Hier meine Rezis: Die Falter Der Weber

#37 Sullivan

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Geschrieben 11 November 2004 - 15:56

Zwei schöne Rezensionen, Rusch. Wenn ich bedenke, dass ich die interessantere Hälfte bereits hinter mir habe, wird mir ganz anders. :) Nach welchem Kapitel endet der erste Batei-Band "Die Falter"? Michael meinte:

Allerdings wirkte das Buch bei mir nach, je größer der Abstand war, desto besser gefiel mir das Buch. Der Zauber musste sich erst entfalten. Vielleicht geht es dir ebenso.

Das ging mir bei "Skinner" von Neal Asher so, rückblickend war das Buch ziemlich genial aber beim Lesen gab es einige Längen. Sullivan

#38 Rusch

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Geschrieben 11 November 2004 - 16:13

Nach welchem Kapitel endet der erste Batei-Band "Die Falter"?

In "Die Falter" sind die ersten vier Abschnitte. Übrigens ist es so, dass die meisten wohl doch die zweite Hälfte besser fanden als die erste. Ich bin da wohl eine Ausnahme, weil ich einen klein wenig anderen Geschmack habe. Mal sehen wie Du das siehst. Würde mich echt interessieren. Auf jeden Fall fand ich es viel interessanter zu lesen, wie Lin zu Vielgestalt ging und über die Kunstwerke ihrer Artgenossen nachdachte als über 40 Seiten zu lesen wie man am besten ein Kabel verlegt.

#39 Mammut

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Geschrieben 11 November 2004 - 16:14

Ja, Skinner fing auch zäh an, aber das brauchte die Geschichte wohl, um in Fahrt zu kommen.

#40 V.Groß

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Geschrieben 11 November 2004 - 17:28

Bist nicht alleine Rusch ... fand den ersten Teil auch wesentlich besser. Im Zweiten waren zwar noch ein paar interessante Szenen (den "Weber" selbst fand ich noch ganz gut), aber sonst. Dieses gigantische Schrottplatzwesen z.B. erschien mir doch sehr kitschig. Außerdem, so mein ich mal, nervt bzw. langweilt spätestens die dritte oder vierte Beschreibung "New Crobuzons" doch gehörig, egal wie mächtig die verwendete Sprache auch ist.Dennoch: Streckenweise ist das Ding großartig. Die Atmosphäre in Teil 1 hat mich phasenweise echt vom Hocker gerissen und ließ mich beinahe an ein grenzerweiterndes Werk glauben. Vielleicht sind zwei Bände einfach nur zu viel des Guten gewesen.Volker
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#41 Rusch

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Geschrieben 11 November 2004 - 23:38

Hi Volker,genau: 100 % Zustimmung. Der zweite Teil hätte 50 % kürzer sein sollen. In meiner Rezi habe ich glaube etwas von einem selbstverliebten Stil gesprochen. Das drückt genau das gleiche aus, was Du verfasst hast.

#42 Lomax

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Geschrieben 12 November 2004 - 12:00

Na ja, PSS ist vermutlich kein Buch für jeden. Ich fühlte mich beim Lesen, wie ich an anderer Stelle schon gesagt habe, in erster Linie an Mervyn Peake erinnert, und Peake steht ohne Zweifel für eine Spielart der literarischen Phantastik, die in Deutschland vermutlich keinen Markt hat. Es ist eine Mischung zwischen Wortkunst und auch der Besonderheit, einen Ort durch barocke Sprache lebendig werden zu lassen, und wer sonst eher handlungsorientierte Gebrauchsliteratur vorzieht, der dürfte dafür keinen Sinn haben. Trotzdem sind das keine Mängel des Buches, sondern Qualitätsmerkmale, die dafür gesorgt haben, dass der Roman über den engen deutschen Phantastikmarkt hinaus Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte. Es sind allerdings leider Qualitätsmerkmale, die zwar die eine Zielgruppe anziehen können, andere dafür aber eher abschrecken. Im Gegensatz zu Peake bietet PSS allerdings mehr und auch marktkonformere Qualitäten: Insbesondere ist es doch noch zugänglicher erzählt, es bietet eine spannende und durchaus actionbetonte Handlung und sehr viele Ideen. Insofern habe ich schon darauf vertraut, dass das Buch auch auf dem konventionellen Phantastik-Markt mehr Freunde finden dürfte als beispielsweise Peakes Gormenghast-Romane. Das hat sich ja auch weitestgehend bestätigt. PSS ist zumindest ein sehr reiches Buch, dem man sich aus vielen Perspektiven annähern kann. Dass gerade diese "Vielgestalt" ( ;-) ) von Inhalten und Form dazu führt, dass auch jeder Aspekte darin findet, die ihm nicht zusagen; und dass dann auch viele Leser über die nicht-zusagenden Aspekte nicht hinwegsehen können, sondern sich gestört fühlen - dass ist vermutlich ein Preis, denn man für jede Literatur bezahlen muss, die nicht stromlinienförmig genau eine Zielgruppe bedient. Mir tut es natürlich Leid, dass nicht jeder so begeistert von Mieville ist wie ich. Aber andererseits bin ich auch immer derjenige, der sagt, dass gute Bücher polarisieren müssen :-)

Allerdings wirkte das Buch bei mir nach, je größer der Abstand war, desto besser gefiel mir das Buch.

Das halte ich ohnehin ebenfalls immer für ein sicheres Qualitätsmerkmal. Viele Bücher lese ich mit Vergnügen, aber kurz danach und einige Bücher später habe ich sie auch schon wieder fast vergessen, weil sie nichts wirklich Neues und auch nichts wirklich Nachdenkenswertes bieten. Ein Buch braucht Widerhaken und Stacheln, um im Gedächtnis zu bleiben, und Perdido Street Station war sicher dass Buch, dass in meiner Erinnerung aus den Leseerfahrungen der letzten zehn Jahre monolithisch herausragt.

Das ging mir bei "Skinner" von Neal Asher so, rückblickend war das Buch ziemlich genial aber beim Lesen gab es einige Längen.

Den Skinner habe ich übrigens auch in guter Erinnerung, wenn auch aus anderen Gründen als Mievielle ;-) Aber das war ein Abenteuerroman, in dem ich regelrecht versunken bin. Eine sehr intensive Woche. Und Asher hat scheinbar eine große Vorliebe für allerhand Monster, wie ich gerade wieder am "Cowl" feststellen konnte.

Zum Thema Fremdwörter kann ich nur sagen, dass ich noch nie so häufig in einem Buch nachgeschlagen habe.

Nun, ich habe mich eigentlich schon bemüht, keine "Fremdwörter" stehen zu lassen, die sich nicht aus dem Kontext selbst erklärt haben oder die für das Verständnis des jeweiligen Satzes unumgänglich waren. Und ich kann versichern, dass da über jeden Ausdruck hart disktiert wurde :-) Die allgemeine Vorgabe für das Lektorat war, dass ich Worte, die im Duden stehen, im Zweifel ruhig stehen lassen sollte. Und da war ich selbst überrascht, was für Worte alles im Duden stehen ;-) Eine Rezension zu PSS habe ich übrigens auch im Netz: http://www.romanecke...do/perdido.html Die Rezi beruht eigentlich auf dem Gutachten, dass ich damals für Bastei-Lübbe erstellt hatte, ehe der Roman noch in England erschienen war. Gegenüber dem Gutachten habe ich allerdings einiges gekürzt, hauptsächlich, was Verweise auf Vergleichstitel und Märkte angeht; und ich habe noch Kommentare zur Übersetzung aufgenommen. Gerade beim Überfliegen ist mir doch aufgefallen, dass ich gegenüber dem Gutachten an der Rezension noch einiges geändert habe ;-) Lustigerweise hatte ich vor einigen Jahren auch Gelegenheit, das Gutachten meines Kollegen für Heyne zu lesen. Ich habe fasziniert festgestellt, dass wir im Großen und Ganzen genau dieselben Feststellungen getroffen haben und der Hauptunterschied eigentlich in einem Satz lag: Während der Kollege bedauernd feststellte, "dass es für dieses Buch in Deutschland derzeit vermutlich keinen Markt gibt", hatte ich damals bei der Besprechung des Gutachtens gesagt, "dass man für das Buch den Markt vermutlich noch schaffen müsste". Und dazu meinte Stefan Bauer ganz optimistisch: "Das schaffen wir" ;-) Seitdem habe ich mich manchmal schon gefragt, was für Nuancen letztlich für das Schicksal eines Buches in der Verlagswelt den Ausschlag geben können. Edit: Link korrigiert

Bearbeitet von Rusch, 12 November 2004 - 12:41.

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#43 molosovsky

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Geschrieben 12 November 2004 - 15:29

Zu den Meinungen wegen erster (Falter) und zweiter Teil (Weber) von Rusch, Volker:
Natürlich muß ich Miéville-Freak Euch ganz heftig zurechtrücken, denn Ihr beurteilt hier eine willkürliche Teilung †¦ es handelt sich ja bei »Perdido Street Station« um einen geschlossenen Roman und nicht etwa um zwei Teile.
Okey †¦ ich weiß, ich sollte Eure Meinung eben auch so vestehen: als Wertung über erste und zweite Hälfte eines Romanes. - Aber auch hier muß ich als ehrfürchtiger Miéville-Fan anderer Ansicht bleiben.

Meiner Meinung nach nennt Lomax völlig zu recht PSS in einem Zusammenhang mit »Gormenghast« †¦ und ergänzen möchte den Prosa-Raum den PSS aufmacht mit anglo-amerikanischen Klassikern des 19. Jahrhunderts: Herman Melville (Moby Dick), Charles Dickens und Wilkie Collins (Die Frau in Weiß).

EINE der für mich atemberaubenden Eigenschaften von PSS ist gerade dieses Pendeln zwischen Phantastik-Trash und dieser so mächtigen englischen Romantradition. Autoren mit weniger Mut auch Äktschn- und Spektakel-Anteile in ihr Werk mit aufzunehmen, würden wohl mehr in Sprachpoesie und Wortmalerei schwelgen †¦ Unterhaltungs-Routiniers andererseits hätten den Plot von PSS mit 200 bis 300 Seiten weniger aber auch nuancenärmer gewuppt.

Kleiner Ausflug: Eine Deutung zur schwülstigen Sprache, und warum man ihr vielleicht mit einiger Unsicherheit oder Ablehnung begegnet, bietet die diesjährige Nobelpreisträgerin Elfierde Jeliniek in ihrem großen F.A.Z.-Interview an. Sie bezieht sich zwar auf den jungen Wittgenstein, Karl Kraus, das Kabarett um Karl Farkas und die Wiener Schule †¦ ihre Aussage trifft aber auch auf PSS zu:

eine sehr sprachzentrierte Literatur, die eigentlich weniger mit Inhalten arbeitet als mit der Lautlichkeit, mit dem Klang von Sprache. Und das läßt sich nicht übersetzen.
†¦ Das ist ein unaufhörliches Sprachspiel.

Und sie vermutet, daß das verschwundene jüdische Biotop damit zu tun hat, daß eine derartige Literatur hierzulande so verkümmert ist und schief betrachtet wird.

Also, privat kann ich folgenden Deut geben: in der österreichischen Literatur finden sich fürwahr feine literarische Phantastik-Werke, die erahnen lassen, wie es sich heute lesen würde, wenn ein deutschsprachiger Autor die Welt der K&K-Monarchie (oder des wilhelminischen Deutschlands) so zu einer heutigen verdrehten Phantastik weiterspinnen würde, wie das Miéville entsprechend mit der Viktorianischen Ära gemacht hat.
Lesetip:
†¢ Alfred Kubin »Die andere Seite«
†¢ Herzmanovsky-Orlando »Die Österreichische Trilogie«
†¢ sowie im weiteren Kreise auch solche Autoren wie Leo Perutz, Egon Friedell und Gustav Meyrink.

Auch wenn ich mich damit dem Vorwurf ein elitärer Sack zu sein preisgebe: PSS war spannend, unterhaltend, intelligent, fetzig und bezaubernd †¦Â aber auch eine Herausforderung im Aufpassen und Mitdenken, im Beweglich-bleiben-beim-Lesen und sich in die emotionelle Magengrube punchen lassen. Solche Herausforderungen werden mir auch schnell zu anstrengend, depressiv und blöde - eben wenn ich das Gefühl habe, daß der Autor an Aufgeblasenheit oder Selbstverliebtheit leidet.

Doch bei PSS hats bei mir mächtig gefunzt †¦ gerade beim zweiten Mal Englisch-Deutsch-Lesen.

Grüße
Alex / molosovsky

Bearbeitet von molosovsky, 12 November 2004 - 15:30.

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

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#44 Rusch

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Geschrieben 12 November 2004 - 16:12

Er mag ja schön schreiben, aber 40 Seiten über das Verlegen eines Kabels ist zu viel. Überlege doch mal, wie wenig auf den 500 Seiten von "Der Weber" passiert. Miéville hat sein Werk gestreckt. Für meinen Geschmack - ich betone - für meinen Geschmack wäre weniger mehr gewesen. Und auch wenn es einige sehr schöne sprachliche Passagen im zweiten Buch gab, die ich mir gedanklich notierte, so bin ich doch an Handlung interessiert oder zumindest an interessanten Beschreibungen der Stadt. Ich denke, es liegt am Wesen eines SF Lesers, dass er vielleicht etwas andere Schwerpunkte setzt als Leser andere Genres.

#45 Pogopuschel

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Geschrieben 12 November 2004 - 17:04

Ich fand sowohl "Perdito Street Station" als auch "The Scar" großartig. Und zwar vor allem wegen der Sprache und der vielen "unverständlichen" oder schwierigen Wörter. Die Sprache passt hervorragend zu der Welt die Mieville erschaffen hat und trägt maßgeblich zur Atmosphäre bei. Die Sprache grenzt die Romane von allen Neuerscheinungen der letzten Jahre ab und hebt sie daraus hervor. Außerdem sprudeln die Bücher geradezu von einen Ideenreichtum, der in der zeitgenössischen phantastischen Literatur seines gleichen sucht. Die beiden Bücher sind mit Abstand das beste und innovativste was ich in den letzten Jahren gelesen habe, außer vielleicht noch Walter Moers Werke.Gruß Markus

#46 Lomax

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Geschrieben 12 November 2004 - 18:04

Ich denke, es liegt am Wesen eines SF Lesers, dass er vielleicht etwas andere Schwerpunkte setzt als Leser andere Genres.

Ungeteilte Zustimmung - zumindest in der Hinsicht, dass ich auch der Ansicht bin, dass Literaturbetrachtung unter der Perspektive "Sprachkunstwerk" in der SF keinen starken Stand hat. Allerdings denke ich doch, dass einige hier nicht nur SF-Fans, sondern auch Fans anderer Spielarten der Phantastik sind. Und da sieht die Lage durchaus anders aus. Ich persönlich habe PSS auch nie wirklich aus der Perspektive "SF-Literatur" gesehen. Natürlich habe ich mir mitunter gedacht: "He, das liest sich ja streckenweise wie SF"; und ich hatte sicher auch gehofft, dass PSS den einen oder anderen Leser aus dem SF-Bereich anspricht und dort seine Fans findet. Das war in Hinblick auf die Marktchancen schon eine bedeutsame Überlegung. Aber in erster Linie bin ich an PSS mit der Perspektive "Fantasy" herangegangen - es war ein Vertreter einer literarischen Fantasy, und es war trotzdem auch auf der Action-Ebene spannend genug. Und da ich in letzter Zeit den Markt für deutsche Fantasy zunehmend von eher einfach strukturierten Werken besiedelt finde, die sich sprachlich strikt an die Konventionen des Heftromans halten, um nur ja nirgendwo anzuecken, und die Emotion in erster Linie über Kitsch wecken, dachte ich, PSS wäre ein guter Titel, um eine Brücke zu schlagen und zu zeigen: Es geht auch anders, ohne langweilig zu werden! Nun stelle ich fest, dass PSS irgendwie von der SF-Szene adoptiert wurde. Das freut mich zwar sehr, aber natürlich lässt sich das Buch nicht auf die Traditionen dieses Genres reduzieren. Und ebenso natürlich enttäuscht es mich auch etwas, dass die Freunde von SF-Literatur solchen anspruchsvolleren Titeln gegenüber offenbar aufgeschlossener sind als die Fantasy-Fans, aus deren Bereich es eigentlich kommt. Da frage ich mich dann: Hilfe! Gibt es wirklich so wenig Fantasy-Fans, die einfach "mehr" wollen? ;-)
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#47 Pogopuschel

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Geschrieben 12 November 2004 - 18:16

Ich bin Fantasy-Fan seit meinem 15 Lebensjahr, zur Science-Fiction bin ich erst ein paar Jahre später gekommen. Ich habe die ganzen klassischen Fantasy-Reihen gerne gelesen (Feist, Jordan, Goodkind...), leide seit einigen Jahren aber an einem Fantasy-Überdruss, weil alles irgenwie ähnlich ist. Deswegen habe ich mich auch der Science-Fiction zugewannt. Perdito Street Station habe ich als Fantasyroman gelesen und als eine Erneurung des Genres verstanden, weil er aus dem üblichen Schema ausgebrochen ist. Ich finde die Einteilung in Genres eigentlich überflüssig, da sie aber vorhanden ist, muß man sich wohl dieser Realität stellen. Ich denken wenn ein Fantasyroman aus dem üblichen Schema ausbricht und auch noch anspruchsvoll geschrieben ist, dann wird er auch gerne dem Science Fiction Genre zugeordnet ( siehe Gene Wolfs "The Book of the New Sun"). Denn anspruchsvolle Fantasy kann es ja gar nicht geben, dass muß dann Science Fiction sein.

#48 TheFallenAngel

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Geschrieben 12 November 2004 - 20:20

... Perdido Street Station war sicher dass Buch, dass in meiner Erinnerung aus den Leseerfahrungen der letzten zehn Jahre monolithisch herausragt.

DAS haste jetzt wunderschön gesagt, denn genau so sehe ich das auch :( ich stelle mir die bücherwelt des öfteren als eine art flaches land vor (die masse halt), in dem die herausragendsten bücher/autoren dann türme wären - china mieville hätte einen der prachtvollsten/größten/am weitesten sichtbaren (ebenbürtig in größe und pracht denen neal stephensons und george martins zb) in büchern wie perdido street station und/oder stephensons diamond age & cryptonomicon braucht meinethalben auch überhaupt nix zu passieren - allein der stil macht diese bücher für mich zu einem unglaublichen lesevergnügen und diese bücher sind mir dann auch trotz ihres umfangs immer viel zu dünn - welch ein zwiespalt immer am ende: wow, welch ein grandioses buch! aber ach - schon vorbei ... gruß -TFA-

#49 Linda Budinger

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Geschrieben 13 November 2004 - 00:57

Ich denken wenn ein Fantasyroman aus dem üblichen Schema ausbricht und auch noch anspruchsvoll geschrieben ist, dann wird er auch gerne dem Science Fiction Genre zugeordnet ( siehe Gene Wolfs "The Book of the New Sun"). Denn anspruchsvolle Fantasy kann es ja gar nicht geben, dass muß dann Science Fiction sein.

Hallo,

am liebsten hätte ich dieses Zitat hier mindestens 5 mal hineingesetzt, so wahr ist es.
Wie Lomax schon im anderen Posting ansprach, dominiert im Augenblick die einfach gestrickte Fantasy, welche die Muster nicht einmal mehr variiert. Ich kann es den SF-Fans da nicht verdenken, dass sie Zahnschmerzen bekommen, wenn es zu kitschig und abgeschmackt daherkommt. Umso besser, wenn die SF-Leser auch mal andere Fantasy-Kost schmackhaft zubereitet finden...
Fantasy kann (minus Zwerge/Elfen/Assassine trifft EinhornDrachenPrinzessin) eben auch ganz anders aussehen. Es kann zum Beispiel PSS sein.

Gruß,

Linda
Neuster Roman:
Unter dem Vollmond (Sieben Verlag) Mystery/Romance
***************************************************

Die Kunst, Happy Ends zu schreiben, liegt darin, zum richtigen Zeitpunkt mit der Geschichte aufzuhören.

#50 V.Groß

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Geschrieben 13 November 2004 - 03:15

Aye, ich weiß gar nicht, ob man PSS überhaupt in eines der Untergenres der "Pahantastik" einordnen sollte.Das Buch enthält sowohl Elemente der "Fantasy", als auch der "SF" und der "klassischen phantastischen Literatur" bzw. des "Horror". Und gerade darin sehe ich eigentlich die besondere Stärke des Romans. Ich kann mich nicht erinnern, vor PSS eine dermaßen gelungene und beeindruckende Verschmelzung der Genres erlebt zu haben. GrußVolker
V

#51 molosovsky

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Geschrieben 13 November 2004 - 10:22

Ich kann nicht anders und zitier hier mal die Worterklärung zu WEIRD, weil China Miéville sich ja selbst am liebsten (wenn schon dann) als Autor von Weird-Fiction bezeichnet.

weird adj. 1. poet. Schicksals†¦: -sisters Schicksalsschwestern, Nornen; 2. unheimlich; 3. (umgangssprachlich) ulkig, »verrückt«; weirdo »irrer Typ«.

Übertragen auf Literatur und Phantastik kann man also kaum so übersichtlich abgrenzen, wie beispielsweise bei SF oder Fantasy {und da sind die Grenzverläufe ja auch Anlaß für rege Diskussionen}.
Grüße
Alex / molosovsky

P.S.: Und nein, ich bin kein Neu-Heide oder Marxist.

Bearbeitet von molosovsky, 13 November 2004 - 10:23.

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#52 V.Groß

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Geschrieben 13 November 2004 - 10:42

P.S.: Und nein, ich bin kein Neu-Heide oder Marxist.

:(
V

#53 molosovsky

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Geschrieben 13 November 2004 - 10:52

Waaaah, ich wieder einen Fettnapf im Dunkeln gefunden (denn Volker, ich habe Deine Seite erst kurz vor meinem letzten Beitrag besucht)
Weil ich die Schicksalsschwestern, Nornen im WEIRD-Eintrag anführte. Ich muß dabei an die Wurzeln in den Frühmenschenhöhlen denken (Filmimpression: die Bösen in »Der 13. Krieger«), sowie die Möglichkeit, daß die matriachalen Kulte in ihren Erdlöchern ihre langfristigen Aufzeichnungen in Knotenschüren festhielten.
Grüße
Alex / molosovsky

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#54 Lomax

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Geschrieben 13 November 2004 - 14:58

... leide seit einigen Jahren aber an einem Fantasy-Überdruss, weil alles irgenwie ähnlich ist. ... Perdito Street Station habe ich als Fantasyroman gelesen und als eine Erneurung des Genres verstanden, weil er aus dem üblichen Schema ausgebrochen ist. ... wenn ein Fantasyroman aus dem üblichen Schema ausbricht und auch noch anspruchsvoll geschrieben ist, dann wird er auch gerne dem Science Fiction Genre zugeordnet ( siehe Gene Wolfs "The Book of the New Sun"). Denn anspruchsvolle Fantasy kann es ja gar nicht geben, dass muß dann Science Fiction sein.

Das möchte ich am liebsten mit fünf Ausrufezeichen unterstreichen und noch ergänzen: Wenn ich mich recht erinnere, war es Andreas Eschbach auf der Buchmesse im letzten Jahr, der festgestellt hat, dass es auch keine literarisch anspruchsvolle SF gibt. Denn wenn ein Autor mal SF schreibt, die auch in literarischen Kreisen Anerkennung findet, dann kommen garantiert zuhauf die Kritiker daher, die ganz genau begründen können, warum das eigentlich keine SF mehr ist ;-)
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#55 Rusch

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Geschrieben 13 November 2004 - 21:43

PSS liegt zwischen den Genres genau wie Tore zu Anubis Reich, Pern oder Darkover. Wie sagt man so schön dazu: Science Fantasy. Blöder Begriff.

#56 Sullivan

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Geschrieben 15 November 2004 - 10:04

Ich bin zwar noch nicht ganz durch, aber wahrscheinlich wird sich meine Meinung nicht mehr großartig ändern.

Mit dem "literarischen Anspruch" des Buches habt ihr einen interessanten Aspekt aufgeworfen. Mir ist es nicht egal, wenn der Autor vor lauter Sprachbegeisterung vergisst, eine gute Story zu erzählen (und ich glaube nicht, dass man das bereits als "anbiedern an den Mainstream" bezeichnen kann). Zumindest sollte er mich mit seinen Beschreibungen begeistern können - bei PSS geht mir die Detailverliebtheit zu weit und erzeugt eher Langeweile. Anscheinend bin ich die falsche Zielgruppe, aber ich werde es trotzdem demnächst mit THE SCAR versuchen.

Lest mal Gene Wolfe oder Jeff Vandermeer - dort sind die Stories zwar auch etwas dünn, aber die Sprache berührt und die Details fügen sich viel besser zu einem Gesamtbild zusammen.

Sullivan

Bearbeitet von Sullivan, 15 November 2004 - 11:02.


#57 Lomax

Lomax

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Geschrieben 15 November 2004 - 15:32

Mir ist es nicht egal, wenn der Autor vor lauter Sprachbegeisterung vergisst, eine gute Story zu erzählen

Na ja, ich denke, da kommen wir dann in die Regionen des persönlichen Geschmacks, den man nicht mehr hinterfragen kann. Denn ich habe PSS gerade deswegen geschätzt, weil der Roman neben der Sprache auch die Story eben nicht vergessen hat. Ich fand die Geschichte spannend und den Hintergrund sehr ideenreich - also alles, was ein gutes Buch braucht.

Zumindest sollte er mich mit seinen Beschreibungen begeistern können

... und das ist wahrscheinlich der entscheidenden Punkt, der den Funken überspringen lässt oder auch nicht. Aber das liegt nicht nur am Buch, sondern offenbar am Wechselspiel zwischen Buch und Leser. Denn mich haben die Beschreibung begeistert. Die Darstellung der "Einkaufszene" nach dem Vorspann war das, was mich direkt in das Buch reingezogen hat. PSS war das erste Buch seit Jahrzehnten, bei dem ich förmlich das Gefühl hatte, am Ort des Geschehens zu stehen; wo ich nicht nur einen (blassen) Film ablaufen sah, sondern fast schon glaubte, die Umgebung auch riechen und hören zu können. Tja, und die Beschreibungen haben mich begeistert, obwohl ich sonst ein Leser bin, der so was eher überblättert - um mich mal hier zu outen ;-) Aber bei Mievielle kam eben mit den Worten auch etwas rüber, eine Empfindung, Atmosphäre; nicht nur eine trockene Auflistung.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)

#58 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 15 November 2004 - 15:42

Hallo Lomax,dann sind wir uns ja einig - nicht über das Buch, aber über die Grundlagen unserer Bewertungen. ;)Weil du Mervyn Peake erwähnt hast (der auch noch auf meiner Liste steht), inwiefern hat er Ähnlichkeit mit China Mieville?Sullivan

#59 molosovsky

molosovsky

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Geschrieben 15 November 2004 - 16:02

Sullivan, ich versteh Dich und zugleich versteh ich Dich nicht. :-)
Aber ich stimme Dir voll zu, daß Gene Wolfe und Jeff Vandermeer sehr gute Vergleichs-Autoren zu Miéville sind †¦ und ergänze um Ian Banks.
»The Scar« ist für mich der Höhepunkt der Anti-Trilogie, die die bisherigen Bas-Lag-Romane darstellen. »Iron Council« ist der wilde, ungebändigte und hochkomprimierte Abschluß.

Delikat bei PSS (und den zwei anderen Bas-Lag-Romanen): diese blumige und recht heterogene Sprache von Miéville nehme ich nicht ganz ernst. Oft hatte ich bei diesen Büchern den Eindruck, daß hier mit großem Form- und Stilwillen aufgetürmt wird, bis alles Over the Top erscheint †¦ buchstäblich wahn-witzig.

Zudem: in PSS gibt es für mich sozusagen zwei Story-Ebenen.

†¢ Einmal die üblichere Ebene um einzelne Figuren, oder Charakter-Ebene. Wird Yagharek wieder fliegen können?, schafft es Isaac Lin zu retten?, usw. --- Wie Lomax so fein in seiner Rezi schreibt, gibts hier spannende und ergreifende Schicksale von Charaktern, mit denen man sich identifizieren kann, und die halsbrecherische Abenteuer erleben.
Um einen Beispiels-Höhepunkt aus der zweiten Hälfte (Der Weber) zu nennen: die Ausräucherung des Falternests im Glasshaus der Kaktusmenschen ist eine Verbeugung und zugleich Parodie auf Rollenspiel-Abenteuerergruppen in einem Die Hard-Szenario †¦ ein kleiner Äktschn-Roman im Roman.

†¢ Dann die Metaebene (oder die Metaebenen) mit den Ereignissen und Hintergründen der Welt Bas-Lag als übergreifende Story. Zu dieser Ebene gehören beispielsweise der Streik der Kelltree-Docks, oder die Geschichte der Torque-Kriege.

Rusch bemerkt (für sich als negativ) zurecht die Länge der Verkabelungssequenz in der zweiten Hälfte (Kap. 48 & 49 in der englischen Ausgabe, Kap. 15 & 16 in »Der Weber«). ---- Mein (positiver) Eindruck dieser Passage: Miéville schildert das Remaking von New Crobuzon zu einer gigantischen Falterfalle. Die Schilderung ist sicherlich umfangreicher als es für die Charakter-Ebene nötig ist, ließt sich aber (z.B. für mich) spannend, wenn man es geschafft hat, New Crobuzon als Identifikations-Charakter zu rekrutieren.
Die Frage lautet hier: »Schafft Mieville es, den Leser (immer oder zumindest meistens) erfolgreich für diese epische Welt-Ebene anzufixen?«, oder andersrum: »Schafft es der Leser an diese Ebene zu seinem Gewinn anzudocken?«

Phantastik begibt sich gern und oft in solche Ebenen-Gegensätze, und liefert deshalb immer wieder durchaus literarisch ungewöhnliche Werke ab †¦ was gerne und meistens übersehen wird von den Kreisen, für die sich Literatur bevorzugt oder ausschließlich in sogenannten realistischen Fiktionen findet. --- Man denke an Asimovs »Tausendjahresplan«. Wer da nach Identifikations-Figuren sucht, verratzt bald, denn Individuen kommen und gehen hier oft bevor man drei Mal »Psychohistoriker« sagen kann.

Und der Gegensatz (oder die Ergänzung) »Charakter-Story und Welt-Story« ist ebenfalls ein Kernstück vieler Phantastik, seitdem das Welten-Bauen sich (seit Tolkien) zu einer eigenen beachtenswürdigen Kunstform emanzipiert hat. ---- Freilich nicht unexplosiv die Frage, wie man dieses Bauen von phantastischen Welten nun beurteilt, aber für mich besteht wenig Zweifel darüber, daß Phantastik-Leser eben genau DAS zu schätzen wissen:
†¢ eben nicht nur eine Geschichte zu lesen, zu beurteilen und sich davon unterhalten lassen;
†¢ sondern auch eine komplette Welt aus Fragmenten in der Vorstellung entstehen zu lassen, und dann diese Welt, sowie die Art und Weise ihrer Beschwörung durch das Buch/den Autor, zu beurteilen.

Ich denke, man darf durchaus den Unterwelt-König Mr. Motley (Vielgestalt) aus »PSS« als Sprachrohr der ästhetischen Weltenbau-Ambition von Miéville betrachten, siehe z.B. Motleys Rede an Lin in Kap. 4 »Die Falter«, S. 63 ff:

»Lassen Sie mich Ihnen helfen. Ich möchte Ihnen erklären, an welchen Inhalten mir gelegen ist. Anschließend können wir feststellen, ob Sie die Richtige sind für das Projekt, das mir vorschwebt.«

Motley spricht von Transistionen (also Übergängen) als DER fundamentalen Dynamik der Welt, wenn Quantität zu Qualität wird, von der hybriden Zone. Sein eigener monströs zusammencollagierter Körper ist eine Illustration dieses Gedankens, zugleich eine organische Variation des Themas hybride Zone †¦ deren nächstgrößere Beispiele der Maschinenrat (technisch) oder New Crobuzon (stationärer Urb) sind †¦ oder Armada (mobiler Urb) in »The Scar« oder Golemetrie (Programmierungs-Sprache für hybride Gebilde) in »Iron Council«.

Ich lauere wie ein Fuchs auf solche selbstbezüglichen Stellen in Romanen, wenn mehr oder weniger offen deutlich die Prämisse(n), Voraussetztung(en) zum Genuß des Werkes kund getan werden.
Miéville macht also keinen Hehl daraus, daß ihn das Monströse fasziniert, und man deshalb als Leser mit Monströsem zu rechnen hat. Da kann ein Kabelverlegen quer durch die Stadt schon mal ausarten †¦ und je nach Blickwinkel als Faszinosum oder als Banalität beim Leser ankommen.
So richtig es ist zu behaupten, daß PSS über die Stränge schlägt (ob langweilig, unglaubwürdig, garstig, wahnwitzig, aufregend oder sonstwie), so richtig ist meiner Meinung aber auch die Feststellung, daß eben erstaunlich wenig Phantastik den Mut aufbringt Grenzen überschreiten zu wollen (geschweigedenn: wirklich welche zu übertreten). ---- Nun, das ist nicht überraschend, wenn man sich der landläufigen jedes Gebiet besteht aus 90% Schrott-Regel erinnert. Das regt mich nur dazu an, vermehrt auf diese selteneren Phantastik-Bücher zu achten, die aus diesen 90%-Einerlei herausragen †¦ oder spezieller: die verschiedenen Welten der Phantastik zu vergleichen und die ungewöhnlichen, einzigartigeren zu bevorzugen.

Mal abgesehen von den Polarisierungen die Miévilles Bücher zeitigen, taugen die Bas-Lag-Romane ganz hervorragend zu einem: SF-, Fantasy- und Horror-Leser eine der raren Gelegenheiten anzubieten sich um einen Stoff zu versammeln, allen fruchtfleischreiche Kost zu offerieren, bzw. alle ein wenig zu verunsichern, was die scheinbar klaren Grenzen der Phantastik betrifft.

Grüße
Alex / molosovsky

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.

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#60 Rusch

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Geschrieben 15 November 2004 - 16:15

*ggg*Ich habe geschrieben, dass das Buch zum Ende an fahrt verliert. Als exemplarisches Beispiel führte ich die Kabel Sequenz an, die in sich nicht langweilig ist, aber aufgrund weiterer Szenen ähnlicher Art zieht sich das Buch auch wenn, wie gesagt, die einzelnen Passagen durchaus unterhalten können.Letztendlich hängt das ganz davon ab, was für ein Typ Leser man ist. Ich war jetzt nicht so davon angetan, auch wenn ich PSS eine Durchschnittsbewertung von 8 (von 10 Punkten) gab. Das entspricht einer 2+. Ich habe also das Buch durchaus nicht verrissen. ;)


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