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Übersetzungen


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32 Antworten in diesem Thema

#1 Dave

Dave

    Hamannaut

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Geschrieben 07 April 2002 - 07:14

Ein Gedanke:Des öfteren denke ich über die Übersetzungen der Romane nach, die wir so schätzen. SF-Romane sind mir im Original zu schwierig, aber immer wieder höre ich Kommentare wie: miserabel übersetzt...wunderbar übersetzt...Ich frage mich, wie es jemanden gelingen kann, dessen Muttersprache nicht Englisch ist, ein wirklich kompetentes Urteil abzugeben. Besonders natürlich in stilistischen Fragen.Oder kann ich mir ein Urteil erlauben, wenn ich das Original nicht gelesen habe? Ist das möglich? Öfters drängt sich mir der Gedanke auf, dass bei solchen Kommentaren eine gewisse Überheblichkeit eine Rolle spielen könnte.Ich habe z.B. einmal eine Meinung gehört, die besagt, das Dan Simmons Hyperion unter seiner ganz miserablen Übersetzung leidet und man solle es sich doch bitteschön im Original zu Gemüte führen.Nun, ich finde diese Romane auch stilistisch ganz wunderbar, ich glaube einiges hat seinen Ursprung im viktorianischen Englisch. Wer kann sich da schon ein Urteil erlauben? Und einem "normalen" Leser das Original zu empfehlen, halte ich für etwas verstiegen.Eine andere Meinung zu hören, würde mich brennend interessieren!!!Vergebens habe ich versucht zu erfahren, was Übersetzer selbst zu diesem Thema sagen. Im Netz habe ich leider rein gar nichts zu dazu gefunden.Hat jemand einen Tipp?

#2 MartinHoyer

MartinHoyer

    Temponaut

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Geschrieben 07 April 2002 - 09:26

Ich habe den Eindruck, daß ein guter Übersetzer von Romanen mehr als nur ein Übersetzer sein muß. Er muß vielmehr auch das Autorenhandwerk beherrschen und den Roman als Ganzes erfassen und entsprechend lokalisieren. Eine zeilenweise Übersetzung, und sei sie noch so wortgewandt, kann unmöglich alle Konstruktionen, alle stilistischen und inhaltlichen Elemente transportieren, die der eigentliche Autor im stillen Kämmerlein ausgebrütet hat ... Also muß ein guter Übersetzer den Roman teilweise regelrecht neu schreiben ohne ihn dabei zu verzerren oder sogar zu entstellen.

Ich für meinen Teil rate niemandem zum fremdsprachigen Original, den ich nicht gut kenne und weiß, daß er die Sprache wirklich beherrscht und dadurch tatsächlich ein schöneres Lese-Erlebnis hat. Was ich mache: Ich vergleiche gelegentlich für mich das Original mit der Übersetzung.

Übersetzer äußern sich offensichtlich selten über ihre Arbeit, aber vielleicht helfen Dir diese URL's weiter:
http://www.epilog.de...sDat....eit.htm
http://www.sf-fan.de...view_start.html

Unter http://www.autorenforum.de/ kannst Du Dich unter der Rubrik "Expertenfragen" an die Übersetzerin Barbara Slawig wenden.

Grüße,
Martin
Though my soul may set in darkness, it will rise in perfect light;
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)

#3 Dave

Dave

    Hamannaut

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Geschrieben 07 April 2002 - 12:56

Martin, recht herzlichen Dank für Deine Ansicht!Ich habe es so eigentlich noch gar nicht betrachtet, aber wenn ich darüber nachdenke, könnte ich mir vorstellen, dass wirklich etwas verloren geht, wenn man zu stur und konsequent bei einer Übersetzung vorgeht. Ich war wohl bisher immer der Ansicht, lieber Übersetzer, halte dich möglichst genau an das Original und veranstalte keine Experimente. Womöglich muß man den Geist eines Romanes erfassen und auch eine Liebe zu dem Genre haben, auch wenn es jetzt etwas naiv klingt.So weit ich weiß müssen einige Übersetzer auch Rat bei Kollegen einholen, um zum Beispiel Fragen zu den Naturwissenschaften zu erörtern. Ich glaube bei Greg Egan (wen wundert's) ist es so.Vielen Dank auch für die Links, die ich nun erst einmal studieren werde!cuDave

#4 Jürgen

Jürgen

    CyberPunk

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Geschrieben 07 April 2002 - 19:45

Das manche Übersetzungen wirklich einen Roman "zerfetzen" können, ist nun mal eine Tatsache.Als Freund von gebundenen Ausgaben bin ich selbst auch schon mal in die "Übersetzungsfalle" getappt.Die Cyberpunk-Triologie Neuromancer hatte ich erst als Taschenbücher gekauft und dann nochmal als gebundene Ausgabe bei Zweitausendeins bestellt.Die gebundene Ausgabe hat dabei auf ganzer Linie enttäuscht; der Übersetzer hat es einfach nicht geschafft, die teilweise schnoddrige und slanghafte Schreibweise, die übrigens Gibson im Original auch drin hat, rüber zu bringen.Ich bin NICHT der Meinung, das ein guter Übersetzer ein guter Schriftsteller sein sollte; im Gegenteil, er sollte es tunlichst unterlassen, seine eigene Interpretation eines gelesenen Satzes zu schreiben....nur dann kommt die Übersetzung nah ans Original. :wink:
Aus dem Weg! Ich bin Sys-Admin...

#5 Holger

Holger

    Temponaut

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Geschrieben 08 April 2002 - 09:15

Ich finde es klasse, dass dieses Thema hier mal angesprochen wird. Denn eigentlich lesen wir in deutschen Romanen tatsächlich "nur" eine Interpretation des Übersetzers. Gehen wir mal davon aus, dass der Roman ursprünglich in engl. Sprache verfasst ist (der häufigste Fall in der SF): hier gibt es oft für viele Bedeutungen nur ein Wort, Bsp.  "f o o l" - es kommt nun auf den Kontext und das Verständnis vom Tonfall des Autors an, wie man dieses Wort (heftig oder weniger heftig) übersetzt.Zu Daves erstem Beitrag:Ich finde, man kann manchmal, auch ohne Kenntnis des Originals ermessen, ob die Übersetzung gut ist oder nicht. Dann nämlich, wenn tatsächlich grammatikalische Fehler vorliegen, oder wenn z.B. bacterial strain (Bakterien Stamm) mit Bakterien Strang übersetzt wird. Gregory Benfords "Rennen zum Mars" (Heyne, TB) ist ein Beispiel für eine Übersetzung, in der sehr häufig grammatikalische Fehler oder "ungelenke" Satzstellung auftauchen.
"Rezensionen: eine Art von Kinderkrankheit, die die neugeborenen Bücher befällt."
(Georg Christoph Lichtenberg)

#6 Gast_Michael Iwoleit_*

Gast_Michael Iwoleit_*
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Geschrieben 14 Oktober 2010 - 20:00

Ich frage mich, wie es jemanden gelingen kann, dessen Muttersprache nicht Englisch ist, ein wirklich kompetentes
Urteil abzugeben. Besonders natürlich in stilistischen Fragen.


Bei ausreichender Schreib- und Leseerfahrung mit der fremden Sprache kann man das durchaus (auch
wenn solche Fähigkeiten hinter einem gebildeten Muttersprachler immer in mehr oder minder großem Maße
zurückbleiben werden). Man kann es deshalb, weil es einen Unterschied zwischen passivem und aktivem
Sprachvermögen, zwischen dem Verstehen und dem Selbst-Anwenden gibt. Gute Übersetzer sind sehr
sensible "Versteher", aber häufig, wenn auch nicht immer, eher mäßige Anwender der Fremdsprache(n),
aus der sie übersetzen. Diesen Unterschied gibt es übrigens auch in der Muttersprache selbst: das Vokabular
z.B., das eine Person verstehen kann, ist fast immer um ein Vielfaches größer als das selbst angewendete.
Nur bei extrem wortmächtigen und ekklektischen Autoren dürfte das Verhältnis annähernd ausgeglichen sein.

Oder kann ich mir ein Urteil erlauben, wenn ich das Original nicht gelesen habe? Ist das möglich?


Es ist nicht nur möglich, sondern sogar recht einfach, eine schlechte Übersetzung ohne Kenntnis des Originals
zu identifizieren. Weiit schwieriger ist es, eine mittelmäßige, aber in sich stimmige und saubere Übersetzung,
die jedoch dem Original nicht gerecht wird, von einer in jeder Hinsicht adäquaten guten Übersetzung zu unter-
scheiden. Da hilt oft nur noch der Blick ins Original.

Übersetzen ist kein Abschreiben eines Textes mit Worten in einer anderen Sprache. Es müssen, wie einfach
oder schwierig das Original sein mag, grundlegende Unterschiede in den grammatischen und stilistischen
Ausdrucksmöglichkeiten der Sprachen überwunden werden. Das ist manchmal bloße Kenntnissache, machmal
reines Handwerk, reicht aber bis in Bereiche, in denen der Übersetzer eine dem Originalautor ebenbürtige kreative
Leistung erbringen muß. Gerade bei zwei Sprachen wie Deutsch und Englisch, deren Ähnlichkeit gern überschätzt
wird, lauern hier zahlreiche Fallstricke, in die Stümper und Anfänger leicht hineintappen. Ich kann einige der
Grundsatzprobleme hier nur andeuten:

- Einem allgemeinen Konsens nach gibt es kein striktes "richtig" oder "falsch" beim Übersetzen. Man hat sich heute
auf eine Ideal geeinigt, das man "wirkungsadäquat" nennt d.h. der Übersetzer sollte sich bei jedem Satz fragen, wie
er ihn so wiedergeben kann, daß er beim Leser der Zielsprache möglichst dieselbe Wirkung hervorruft wie beim
Leser des Originals im gegebenen Zusammenhang. Wirkungsadäquat heißt zum Beispiel, daß keine grammatischen
Elemente, die in der Originalsprache einen Sinn haben, in die Zielsprache übernommen werden, wo sie schlicht
überflüssig sind.

Bsp. Es kommt in Übersetzungen aus dem Englischen immer wieder vor. daß eine Gruppe von Personen mit "ihr
Jungs" oder "ihr Leute" angesprochen wird, obwohl ein "ihr" völlig gereicht hätte. "You" kann sich sowohl auf
einen einzelnen wie auf eine Gruppe beziehen. In Fällen, wo das Plural explizit gemacht werden soll, hängt der
Englischsprecher also einfach noch eine Gruppenmarkierung an das "you", daher also "you guys" oder "you
people". Das Deutsche hat aber zwei getrennte grammatische Formen für das Singular ("Du") und das Plural
("Ihr"), das Anhängsel kann in der Übersetzung also verlustfrei weggelassen werden.

- Ein Wort ist keine Kapsel, in der eine Bedeutung unabänderlich fixiert ist. Jedes Wort ist eine Bedeutungswolke,
und die Bedeutung, auf die es dem Autor ankommt, entsteht an der Schnittstelle von Wort und dem jeweiligen
Kontext. Jede Sprache teilt die Wirklichkeit durch ihr Vokabular auf andere Weise in Bedeutungswolken ein, und
diese Unterschiede muß der Übersetzer berücksichtigen, wenn er die Sprachen nicht ineinander verwischen will.

Bsp.: Das einfach englische Wort "station" z.B. muß je nach Zusammenhang übersetzt werden als "Bushaltestelle",
"Polizeiwache", Radiosender", "Bahnhof" usw. Ich halte es z.B. auch für falsch, das englische "special"
immer als "speziell" und nicht, je nach Kontext, als "speziell" oder "besonders" zu übersetzen, was nicht dasselbe
bedeutet. "Speziell" ist eine sachliche Einschränkung: es gibt ein spezielles Werkzeug für etwas, man benötigt
eine spezielle Ausbildung für eine Arbeit, man eignet sich spezielle Fachkenntnisse für etwas an usw.
"Besonders" ist dagegen mit einer Wertung verbunden: man sagt zu jemandem "Du bist etwas ganz Besonders
für mich", man gibt sich bei etwas besondere Mühe, man erlebt einen besonderen Tag, lernt einen
besonderen Menschen kennen etc.

- Nicht nur die Bedeutungsfelder sondern auch die Bilder unterscheiden sich zwischen den Sprachen. Rosemarie
Hundertmarck hat dazu mal ein schönes Beispiel genannt: Wenn in der englischen Vorlage ein junges Mädchen
davonläuft "like a hare", ist es schlichtweg falsch, sie in der Übersetzung "wie ein Hase" davonlaufen zu lassen,
denn im Englischen assoziert man einen Hasen mit Schnelligkeit und Gewandheit, im Deutschen aber eher mit
Feigheit. Ein adäquates Bild wäre in diesem Fall also vielleicht "wie ein Reh". Hat man im Deutschen z.B. (außer
in miesen Übersetzungen) jemals jemanden "Ich will verdammt sein!" fluchen gehört? Sicher nicht: Wirkungs-
adäquate Möglichkeiten wären hier "Mich trifft der Schlag!" oder "Das kann doch nicht wahr sein!"

- Eine der häufigsten Fehlerquellen sind die sogenannten "falschen Freunde", besonders in näher miteinander
verwandten Sprachen: Worte und Wendungen, die sich ähnlich anhören, weil sie auf dieselben ethymologischen
Wurzeln zurückgehen, sich in ihrer aktuellen Bedeutung jedoch sprachgeschichtlich weit auseinander entwickelt
haben. "Sensible" bedeutet im Deutschen meist "vernünftig" und nicht "sensibel"; "genial" bedeutet "freundlich"
oder "großmütig"; "to realize" bedeutet "etwas erkennen", "sich über etwas klar werden" oder schlicht "etwas
merken"; die "Kosmischen Puppen" im deutschen Titel eines Dick-Romans sind im Original "puppets", also
"Marionetten" und nicht einfach "Puppen".

- All das sind Probleme, die sich durch solide Sprachkenntnisse und logisches Denken bewältigen lassen.
Ungleich schwieriger wird es, wenn der Autor ein originäres Vokabular entwickelt oder Begriiffe aus Subkulturen
entlehnt, die es in der Zielsprache möglicherweise gar nicht gibt. Der genannte Wiliam Gibson ist in dieser Hinsicht
ein gutes Beispiel.

Ein Beispiel aus dem Roman Eastern Standard Tribe von Cory Doctorow, den ich übersetzt habe. Am
Anfang des dritten Kapitels, nachdem sich die beiden Hauptfiguren kennengelernt haben, steht der eigenartige
Satz "Met cute, hah?", mit dem ich nichts anfangen konnte, bis ich im Internet einfach nach dem Infinitiv der
Wendung "met cute" gesucht habe. Und siehe da: ein "meet-cute" bezeichnet im Filmjargon den bewährten Trick,
wenn sich Held und Heldin am Anfang einer romantischen Komödie unter kuriosen oder komischen Umständen
kennenlernen und sich ernst einmal nicht leiden können. Mit dieser Information konnte ich Doctorows Satz
zumindest umschreiben und habe ihn übersetzt mit: "Na. wäre das nicht ein schöner Anfang für eine romantische
Komödie gewesen?"

Vieles ist heutzutage dadurch einfacher geworden, daß man übers Internet leichter mit den Autoren Kontakt
aufnehmen kann und die Autoren, die ich erlebt habe. gern bereit waren zu helfen.

Gruß
MKI

Bearbeitet von Michael Iwoleit, 15 Oktober 2010 - 08:11.


#7 Amtranik

Amtranik

    Hordenführer

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Geschrieben 14 Oktober 2010 - 20:15



Klasse Info Michael!

Das ist es was mich, neben vielem andern das mit Sf-Büchern etc. zu tun hat, interessiert.

#8 kah299887

kah299887

    Illuminaut

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Geschrieben 14 Oktober 2010 - 21:11

Gruß
MKI

Das waren doch mal sehr interessante Infos. Klar und verständlich geschrieben!

Solche Sachen würde ich gerne noch öfters lesen. ;)

Vielen Dank dafür!

Bearbeitet von kah299887, 14 Oktober 2010 - 21:13.


#9 Gast_Michael Iwoleit_*

Gast_Michael Iwoleit_*
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Geschrieben 15 Oktober 2010 - 02:18

Ich bin NICHT der Meinung, das ein guter Übersetzer ein guter Schriftsteller sein sollte; im Gegenteil, er sollte
es tunlichst unterlassen, seine eigene Interpretation eines gelesenen Satzes zu schreiben....nur dann kommt
die Übersetzung nah ans Original.


Ein Übersetzer sollte zumindest von den sprachlichen Fähigkeiten dem Autor, an den er sich wagt,
einigerma0en ebenbürtig, im Idealfall sogar überlegen sein. Ein Prosaverfasser, der über geringere sprachliche
Ausdrucksmöglichkeiten verfügt, kann an einem deutlich überlegenen Originalautor nur scheitern. Woher
sollte er die Ausdrucksmittel nehmen, die er für seine Arbeit braucht?

Zur Frage der Interpretation schrieb der Nabokov- und Joyce-Übersetzer Dieter E. Zimmer einmal:

"Jede Übersetzung ist eine Interpretation. Sie versucht wiederzugeben, was der Übersetzer von einem
Text verstanden hat, und das kann mehr, das kann weniger, das kann ganz etwas anderes sein, als
der Autor ausdrücken wollte. (...) Es ist gedankenlos, die 'interpretierende Übersetzung' zu verurteilen,
wie es dauernd geschieht. Die Übersetzung kann gar nicht umhin, Interpretation zu sein. Die Frage ist
nur, ob der Übersetzer richtig interpretiert hat - oder doch wenigstens im Rahmen der Plausibilität
geblieben ist."

Interpretation beim Übersetzen, meine ich, fängt schon bei den einfachsten Sätzen an, z.B. wenn
der Übersetzer bei einem Ehekrach den Ton beurteilen und entscheiden muß, ob er "Shut up!" mit
"Halt den Mund!" oder, schärfer, mit "Halt's Maul!" wiedergeben sollte.

Eins allerdings ist richtig: Übersetzen ist nicht der Ort für persönliche literarische Eitelkeiten. Ein
Übersetzer dient dem fremden Werk und Autor. Er sollte pragmatisch handeln und eigene schöpferische
Ambitionen nur insofern pflegen, als es der Vermittlung, also dem Erfüllen seiner Aufgabe dient.

Ein Übersetzer muß es verstehen, hinter dem Stil und den Intentionen des Originalautors zu verschwinden,
und deshalb sind ambitionierte Schriftsteller tatsächlich oft nicht die besten Übersetzer. Arno Schmidt war
ein großartiger Autor, aber als Übersetzer manchmal ein regelrechtes Fiasko. H.C. Artmann hat Lovecraft
in Deutschland zu einiger Publizität verholfen, seine Prosa aber in der Übersetzung oft noch barocker
gemacht, als es Lovecraft ohnehin schon ist (wo bei Lovecraft von einem "black abyss" die Rede ist,
schreibt Artmann von einem "schwarzschlundigen Abgrund"). Ein berühmter, geradezu tragischer Fall
dieser Art war Erich Frieds Übersetzung von Dylan Thomas' Hörspiel "Under Milk Wood". Ältere
Kollegen haben mir erzählt, daß Thomas seinerzeit bei einem Deutschlandbesuch völlig verdattert
gewesen ist, welche Begeisterung ihm entgegengebracht wurde.

Allerlei Interessantes zum Thema enthält übrigens Dieter E. Zimmers Aufsatz "Wettbewerb der
Übersetzer" in: Redens Arten, Haffmans TB 1988. Überhaupt ein sehr anregender, pragmatischer
und undogmatischer Sprachkritiker.

Gruß
MKI

Bearbeitet von Michael Iwoleit, 15 Oktober 2010 - 08:41.


#10 molosovsky

molosovsky

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Geschrieben 15 Oktober 2010 - 04:28

Weitere Lektüreempehlungen: Klaus Reichert: »Die unendliche Aufgabe« Umberto Eco: »Quasi dasselbe mit anderen Worten« Grüße Alex / molo

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.

Mehr Gesabbel von mir gibts in der molochronik

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#11 Gast_Michael Iwoleit_*

Gast_Michael Iwoleit_*
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Geschrieben 15 Oktober 2010 - 05:22

Klaus Reichert: »Die unendliche Aufgabe«
Umberto Eco: »Quasi dasselbe mit anderen Worten«


Danke, ist notiert.

#12 Gast_Frank Böhmert_*

Gast_Frank Böhmert_*
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Geschrieben 15 Oktober 2010 - 07:16

Bin sehr zufrieden mit allem, was MKI hier geschrieben hat, und möchte als Übersetzerkollege seine Ausführungen ausdrücklich bestätigen.

Nebenbei, Jürgen: Übersetzen ohne zu interpretieren?

Dann versuch mal zu lesen, ohne zu interpretieren!

#13 Lomax

Lomax

    Illuminaut

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Geschrieben 15 Oktober 2010 - 13:39

Bin sehr zufrieden mit allem, was MKI hier geschrieben hat, und möchte als Übersetzerkollege seine Ausführungen ausdrücklich bestätigen.

Kann ich auch nur bestätigen und finde die Ausführungen sehr umfassend ... und gar nicht pauschalisierend oder provokativ. :thumb: Da finde ich eigentlich alles wieder, was ich selbst unterstreichen würde.

Von Detailfragen abgesehen. Beispielsweise "deshalb sind ambitionierte Schriftsteller tatsächlich oft nicht die besten Übersetzer" ... Dabei fällt mir gerne ein, dass "Übersetzer" ja durchaus schon immer eine beliebte Nebenbeschäftigung von Autoren war, die dementsprechend auch schon vor Jahrhunderten oft die "Klassiker" übersetzt haben. Und da ist mir schon oft aufgefallen, wenn ich so ein Klassikerzitat suche, dass ich dann die besten, klangvollsten, sichersten Übersetzungen meistens bei den frühesten Übertragungen durch bekannte deutsche Schriftsteller finde. Spätere reine Übersetzer, die sich auch an den Klassikern versucht haben, fallen demgegenüber oft deutlich ab.
Wenn ich also nach vorhandenen deutschen Übersetzungen für Klassikerzitate in meinen Übersetzungen suche, dann finde ich meist gerade bei den namhaften Schriftstellern des 18./19. Jahrhunderts die Übertragung, bei der ich mir denke "Wow, das isses!", während ich bei den Übersetzungen des 20. Jahrhunderts dann oft nur denke, da übersetze ich das Klassikerzitat lieber selbst neu. Und das nicht nur, weil die älteren Übersetzungen rechtefrei sind :)
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)

#14 Lucardus

Lucardus

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Geschrieben 15 Oktober 2010 - 15:32

Ich finde, man kann manchmal, auch ohne Kenntnis des Originals ermessen, ob die Übersetzung gut ist oder nicht. Dann nämlich, wenn tatsächlich grammatikalische Fehler vorliegen, oder wenn z.B. bacterial strain (Bakterien Stamm) mit Bakterien Strang übersetzt wird.
Gregory Benfords "Rennen zum Mars" (Heyne, TB) ist ein Beispiel für eine Übersetzung, in der sehr häufig grammatikalische Fehler oder "ungelenke" Satzstellung auftauchen.

Es kommt gelegentlich vor, dass man bei einer Übersetzung die englische Satzstellung erkennen kann. Das hat mich vor Jahren mal an einem in einem Rollenspielverlag übersetzen Vampirroman verzweifeln lassen, weil ich immer dachte, es klingt komisch und die Satzstellung ist merkwürdig. Später habe ich dann dieses Phänomen verstärkt beim Korrekturlesen von englischen Handbüchern zu KDE-Software wiedergefunden. Redewendungen werden fast wörtlich übersetzt, die Satzstellung beibehalten. Allerdings habe ich noch nie einen Roman in einem größeren Verlag gelesen, bei dem mir das so aufgefallen ist.
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#15 Lucardus

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Geschrieben 15 Oktober 2010 - 16:03

Umberto Eco: »Quasi dasselbe mit anderen Worten«

Das ist auch in weiten Teilen für Laien empfehlenswert und lehrreich. Vor allem das erste Drittel ist ein Augenöffner. Man macht sich im Allgemeinen keine Vorstellung über die Schwierigkeiten, denen Übersetzer sich gegenübersehen. Eco bringt auch seine eigenen Werke als Beispiel. Dort standen z. B. die Übersetzer vor dem Problem, dass Eco im italienischen Original Zitate aus der italienischen Literatur bringt, die einigermaßen gebildete Muttersprachler sofort erkennen konnten, ein deutscher, russischer oder amerikanischer Leser aber wahrscheinlich nie erkannt hätte. Also blieb den Übersetzern der Weg das Original beizubehalten und die entsprechende Übersetzung einzufügen oder die Wirkung beizubehalten und nach einem Stück Literatur der eigenen Sprache zu suchen, dass im Kontext eine möglichst gleichgeartete Wirkung beim Leser erzielt. Ecos Übersetzer hatten dann noch das Glück, dass der Autor ihnen dabei sogar geholfen hat.

Früher habe ich ab und an auch mal schnell eine Übersetzung abgeurteilt. Mittlerweile (vielleicht auch das Alter) verkneife ich mir das. Zumal ich jetzt auch öfter das Original lese und mich z. B. bei Wolfe oft mit dem Gedanken quäle, wie man diese Texte adäquat ins Deutsche übersetzen kann, ohne dass zu viel verloren geht. Ich denke da z. B. an Urth (hört sich schwer nach einem verzerrten Earth vor). Bleibt man bei Urth, ist es für deutsche Leser ohne die Wirkung wie im Englischen. Nimmt man also besser Urdhe, weil es nach einer schwer dialektverwüsteten Erde klingt? Andererseits ist Urth die verenglischte Fassung des Namens einer Norne, der im Deutschen Urd entspricht. Bei Wolfe ist das sicher kein Zufall. Also Urth, Urdhe oder Urd?

Der ist nochmal ein interessanter Thread und auch von mir ein Danke an Michael für seine ausführliche Stellungnahmen! :lol:
Das ist ein Thema, dass mich interessiert, weil ich mich als Laie auch zuweilen daran versuche.

Bearbeitet von Lucardus, 15 Oktober 2010 - 16:04.

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#16 Pogopuschel

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Geschrieben 15 Oktober 2010 - 16:18

Früher habe ich ab und an auch mal schnell eine Übersetzung abgeurteilt. Mittlerweile (vielleicht auch das Alter) verkneife ich mir das. Zumal ich jetzt auch öfter das Original lese und mich z. B. bei Wolfe oft mit dem Gedanken quäle, wie man diese Texte adäquat ins Deutsche übersetzen kann, ohne dass zu viel verloren geht. Ich denke da z. B. an Urth (hört sich schwer nach einem verzerrten Earth vor). Bleibt man bei Urth, ist es für deutsche Leser ohne die Wirkung wie im Englischen. Nimmt man also besser Urdhe, weil es nach einer schwer dialektverwüsteten Erde klingt? Andererseits ist Urth die verenglischte Fassung des Namens einer Norne, der im Deutschen Urd entspricht. Bei Wolfe ist das sicher kein Zufall. Also Urth, Urdhe oder Urd?


Da würde ich von dem U weggehen und es eher mit Aerdhe versuchen. Da ist zwar der Zusammenhang zur Norne weg, aber welcher Leser würde den schon verstehen , ohne Nachzuschlagen (die Ausnahmen haben sicher die Edda gelesen). Alles mit U hört sich im Deutschen komisch an.
Gene Wolfe würde ich nicht übersetzen wollen. Das muss ein Alptraum sein.

#17 Lucardus

Lucardus

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Geschrieben 16 Oktober 2010 - 10:52

Da würde ich von dem U weggehen und es eher mit Aerdhe versuchen. Da ist zwar der Zusammenhang zur Norne weg, aber welcher Leser würde den schon verstehen , ohne Nachzuschlagen (die Ausnahmen haben sicher die Edda gelesen). Alles mit U hört sich im Deutschen komisch an.
Gene Wolfe würde ich nicht übersetzen wollen. Das muss ein Alptraum sein.

Na ja, sagen wir mal so, die Lust an Gene Wolfe ist doch das Nachschlagen, das Entdecken der versteckten Informationen im Text. Ich wusste das mit der Norne auch nicht von vornherein, aber da ich weiß, dass Wolfe hinter so ziemlich jedem Namen etwas "versteckt", schaue ich oft auch mal nach. Würde man das in einer deutschen Übersetzung weglassen, fehlt eine Ebene des Textes. Der Text funktioniert wahrscheinlich auch ohne diese Ebene, aber wie der Meister schon (angeblich) selbst gesagt hat:

"My definition of good literature is that which can be read by an educated reader, and reread with increased pleasure."

Wolfe wird kaum ein Leser auf Anhieb vollständig erfassen, auch wenn seine Texte auf den ersten Blick oft harmlos wirken, aber gleichzeitig häufig verwirrend sind. Das bedeutet nicht, dass Wolfe dumme Leser ausschließen möchte, eher dass er seine Leser nicht für dumm hält. Aber das wird jetzt Off Topic.
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#18 Pogopuschel

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Geschrieben 17 Oktober 2010 - 12:22

Gestern habe ich das Buch "Die Landkarte der Zeit" von Felix J. Palma angefangen. Da heißt es im Impressum: "Abweichungen der vorliegenden Übersetzung von der Originalausgabe wurden mit dem Autor abgestimmt." Hat jemand eine Ahnung, was das heißen könnte? Das Buch wurde von Willi Zurbrüggen aus dem Spanischen übersetzt. Kennt den jemand von den hießigen Übersetzern?

#19 Gast_Frank Böhmert_*

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Geschrieben 17 Oktober 2010 - 14:00

Das Buch wurde von Willi Zurbrüggen aus dem Spanischen übersetzt. Kennt den jemand von den hießigen Übersetzern?

Bekannter, weithin anerkannter Kollege:
http://de.wikipedia....illi_Zurbrüggen

#20 derbenutzer

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Geschrieben 08 November 2017 - 22:46

Wer "[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]Der Splitter im Auge Gottes" noch nicht kennt, ist vermutlich gut beraten vor einem beabsichtigten Kauf der neuen Übersetzung [/color]"Extraterrestrial - Die Ankunft" (siehe auch oben Enders ersten Beitrag in diesem Thread) die Amazon-Leseprobe anzusehen.

 

Die alte Heyne-Ausgabe ist antiquarisch noch immer (und nicht wild teuer) zu bekommen.


Austriae Est Imperare Orbi Universo


#21 lapismont

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Geschrieben 09 November 2017 - 07:09

Wer "[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]Der Splitter im Auge Gottes" noch nicht kennt, ist vermutlich gut beraten vor einem beabsichtigten Kauf der neuen Übersetzung [/color]"Extraterrestrial - Die Ankunft" (siehe auch oben Enders ersten Beitrag in diesem Thread) die Amazon-Leseprobe anzusehen.

 

Die alte Heyne-Ausgabe ist antiquarisch noch immer (und nicht wild teuer) zu bekommen.

Ist die Mantikore-Übersetzung so schlecht?


Überlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.
Fantasyguide
Saramee
Montbron-Blog
  • (Buch) gerade am lesen:Samuel R. Delany – Das Einstein-Vermächtnis

#22 Amtranik

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Geschrieben 09 November 2017 - 09:27

Wer "[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]Der Splitter im Auge Gottes" noch nicht kennt, ist vermutlich gut beraten vor einem beabsichtigten Kauf der neuen Übersetzung [/color]"Extraterrestrial - Die Ankunft" (siehe auch oben Enders ersten Beitrag in diesem Thread) die Amazon-Leseprobe anzusehen.

 

Die alte Heyne-Ausgabe ist antiquarisch noch immer (und nicht wild teuer) zu bekommen.

 

Ich hatte mir auch schon öfter überlegt warum Verlage ( zuletzt auch Guido Latz mit seinem Atlantis-Verlag mit den Romanen von H.D.Klein) offenbar so wenig ein Auge drauf haben ob die Romane nicht fürn Appel und n Ei antiquarisch zu haben sind, die Sie so neu auflegen. Mantikore hatte eigentlich nur zu Anfang den Coup mit dem in der Garage gefundenen Erstling von

Heinlein und vielleicht dem Galouye. Die anderen Romane die neu aufgelegt wurden lohnten eigentlich nicht, weil oftmals Antiquarisch für n paar Cent zu bekommen. Inwieweit da die Übersetzungsästheten und Fanatiker eine Rolle spielen weiß ich nicht. Ich habe mich bisher selten an schlechten Übersetzungen abgearbeitet.


Bearbeitet von Amtranik, 09 November 2017 - 09:28.


#23 derbenutzer

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Geschrieben 09 November 2017 - 13:16

Die Beiträge #20 bis #22 habe ich hierher verschoben, da eine Diskussion über Übersetzungen in einem Kondolenz-Thread (Jerry Pournelle, 1933 - 2017) nicht wirklich passend scheint. Schuld war natürlich ich mit meinem Beitrag. Sorry ...


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#24 lapismont

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Geschrieben 09 November 2017 - 13:24

Die Beiträge #20 bis #22 habe ich hierher verschoben, da eine Diskussion über Übersetzungen in einem Kondolenz-Thread (Jerry Pournelle, 1933 - 2017) nicht wirklich passend scheint. Schuld war natürlich ich mit meinem Beitrag. Sorry ...

Und ist sie nun so schlecht?


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#25 derbenutzer

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Geschrieben 09 November 2017 - 14:55

Und ist sie nun so schlecht?

Zu der oben erwähnten neuen Übersetzung

 

Mir ist eine Ein-Stern-Rezension bei Amazon aufgefallen, nämlich die von "frille", was sich hier nachlesen läßt:

 

https://www.amazon.d...#R2QI3LBI80PVXR

 

Interessant schienen mir die letzten drei Absätze in der Beschreibung, also habe ich die ausgesprochen ausführliche Leseprobe von Weltbild (6 Kapitel) angelesen und mit der alten Heyne-Übersetzung und dem Original verglichen.

 

Die Namensgebung ist sicher teilweise Geschmackssache ("Splitterer" und so weiter), aber die Übersetzung wirkt auf mich nicht schlecht, sondern eher noch etwas unfertig, vielleicht auch teilweise wenig elegant. 

 

Das mag auch daran liegen, dass die ältere Übertragung mit einem Deutsch, dem man die Entstehungszeit schon etwas anmerkt, ganz gut zu der beschriebenen, aristokratischen Gesellschaftsform passt.

 

Macht Euch bitte selbst einen (flüchtigen) Eindruck. Mehr ist (hier) aus Gründen des Urheberrechtes problematisch:

 

Extraterrestrial - Die Ankunft, Larry Niven, Jerry Pournelle. Mantikore-Verlag, 2017, Deutschsprachige Übersetzung: Jan Enseling. Erster Absatz des ersten Kapitels:

 

"Grüße vom Admiral, und Sie sollen sofort in sein Büro kommen", verkündete Fähnrich Staley.
Commander Roderick Blaine sah sich verzweifelt auf der Brücke um, wo seine Offiziere mit flüsternden und erregten Stimmen die Reparaturen leiteten wie Chirurgen, die bei einem schwierigen Eingriff assistieren. Das Abteil aus grauem Stahl war ein Wirrwarr aus Aktivität, jeder Helfer beschäftigt, aber der allgemeine Eindruck war Chaos. Bildschirme über der Ruderstation zeigten den Planeten unter ihnen sowie die anderen Schiffe im Orbit nahe der MacArthur, aber an allen anderen Stellen hatte man die Verkleidung abgenommen, Prüfinstrumente an die Innenseiten geklemmt, und Techniker standen mit farbkodierten Elektrobaugruppen bereit, um alles zu ersetzen, was fragwürdig erschien. Hämmern und Fiepen drangen durch das Schiff, da irgendwo achtern die Ingenieursmannschaft an der Außenhülle arbeitete.

 

 

 
 
Larry Niven & Jerry Pournelle, Der Splitter im Auge Gottes (Heyne Science Fiction & Fantasy Nr. 06/3531,Deutsche Übersetzung von Yoma Cap, 17. Auflage). Erster Absatz des ersten Kapitels:
 
"Empfehlungen des Herrn Admirals, Sir, Sie möchten unverzüglich in sein Büro kommen", verkündete Kadett Staley.
Commander Roderick Blaine blickte sich gehetzt auf der Brücke um, wo seine Offiziere wie Ärzte, die bei einer schwierigen Operation assistieren, mit halblautem eindringlichem Murmeln die Reparaturarbeiten leiteten. Der Raum aus grauen Stahlwänden wirkte wie ein aufgestörter Ameisenhaufen, ein Durcheinander von verschiedensten Tätigkeiten, jede für sich sinnvoll, und doch chaotisch im Gesamteindruck. Über dem einen Steuermannsplatz zeigten Schirme den Planeten unten sowie die anderen Schiffe, die in der Nähe der MacArthur im Orbit waren, aber überall sonst waren die Deckplatten von Instrumentenkonsolen entfernt worden, Prüfgeräte waren an ihrekomplizierten Innereien angeschlossen, und Techniker standen mit farbkodierten elektronischen Austauschsätzen bereit, um alles, was im geringsten verdächtig erschien, zu ersetzen. Dumpfe Schläge und gedämpftes Schrillen hallten durch das Schiff, denn weiter achtern arbeitete ein Mechanikerteam an den Schäden am Rumpf.

 

 

 
 
The Mote in God's Eye (Mote Series #1), Larry Niven, Jerry Pournelle, Pocket Books Reissue, 1991. Gleiche Stelle
 
“Admiral†™s compliments, and you†™re to come to his office right away,† Midshipman Staley announced.
 
Commander Roderick Blaine looked frantically around the bridge, where his officers were directing repairs with low and urgent voices, surgeons assisting at a difficult operation. The gray steel compartment was a confusion of activities, each orderly by itself, but the overall impression was of chaos. Screens above one helmsman†™s station showed the planet below and the other ships in orbit near MacArthur, but everywhere else the panel covers had been removed from consoles, test instruments were clipped into their insides, and technicians stood by with color-coded electronic assemblies to replace everything that seemed doubtful. Thumps and whines sounded through the ship as 
somewhere aft the engineering crew worked on the hull.
 

 

 


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#26 lapismont

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Geschrieben 09 November 2017 - 15:13

Ah, Danke Dir!


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#27 Naut

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Geschrieben 10 November 2017 - 21:09

Oha. Da ist die alte Übersetzung wirklich besser. Die neue hätte ein Lektorat gebraucht.
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#28 derbenutzer

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Geschrieben 10 November 2017 - 23:00

Oha. Da ist die alte Übersetzung wirklich besser. Die neue hätte ein Lektorat gebraucht.

Das sehe ich auch so. Da wären mal die sprachlichen Gepflogenheiten im militärischen Umgang miteinander. Hier ist die alte Übersetzung deutlich stimmiger. Immerhin wird hier gleich im ersten Satz des Buches ein Kommandant eines Schlachtkreuzers von einem "Midshipman" (eine ideale Übersetzung gibt es zwar nicht, jedenfalls ist ein Offiziersanwärter gemeint) auf eine Art angesprochen, die selbst in heutigen Marinen ziemlich schnell "rote Ohren" erzeugen könnte.

 

Bei einer gewissen Art von Military SF-werden typischerweise maritime Begriffe verwendet. Maritime Sprache ist so oder so eine Fremd- in der Muttersprache, wirklich bestialisch für Übersetzer sind beispielsweise Beschreibungen von Segelmanövern.

 

Hier ist es nur "helmsman†™s station", die als "Ruderstation" etwas holprig übersetzt wurde. Im aktuellen deutschen Sprachgebrauch versteht man darunter primär ein Fitness-Gerät. Die korrekte Bezeichnung wäre wohl "Steuerstand". Auch hier ist die alte Übersetzung stimmiger.

 

In einer idealen Welt hätten die Übersetzer mehr als ausreichend Zeit für ihren Job, könnten ausgedehnt Feinheiten recherchieren und würden gleichzeitig großzügig bezahlt. ;)

 

Ich glaube da eher an Terminnot, editorische Schlampigkeiten oder etwas in der Art, denn Jan Enseling ist ein ausgebildeter Übersetzer.


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#29 Pogopuschel

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Geschrieben 10 November 2017 - 23:44

Meiner Meinung nach tut es einem Buch auch nicht gut, wenn Lektorat und Korrektorat von der gleichen Person durchgeführt wird, auch wenn man ein Übersetzungslektorat nicht mit einem Autorenlektorat vergleichen kann.



#30 Valerie J. Long

Valerie J. Long

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Geschrieben 11 November 2017 - 13:05

Meiner Meinung nach tut es einem Buch auch nicht gut, wenn Lektorat und Korrektorat von der gleichen Person durchgeführt wird, auch wenn man ein Übersetzungslektorat nicht mit einem Autorenlektorat vergleichen kann.

 

Genau! Wenn der Lektor zum Korrektor wird, kann er sich nicht mehr auf seine Aufgabe konzentrieren, aber natürlich lässt kein Lektor grobe Fehler einfach stehen. Umgekehrt muss nach dem Lektorat nochmal ein Korrektorat folgen, weil sich unvermeidlicherweise neue Kleinigkeiten einschleichen. Man kann einfach nicht oft genug korrigieren.




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