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Aberglaube ?


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132 Antworten in diesem Thema

#31 Traum3

Traum3

    Nanonaut

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 10:20

@ TrashStar Nur mal so als Hinweis. Der radikale Konstruktivismus ist Wissenschaftskritik als Wissenschaft. Diese Erkenntnisse so zu lesen, als schwörten sie der Wissenschaft ab, ist gewagt. Es geht hierbei lediglich um das Verhältnis von Erkenntnis und Realität (Epistemologie als Teil der Wissenschaft). Hier wurde nur eine neue Perspektive entwickelt, die sicher auch wieder eine begrenzte Halbwertzeit an den Tag legen wird. Wissenschaft ist ein neues Erklärungsprinzip und als solches natürlich nicht deckungsgleich mit der Realität. Dennoch liefert de Wissenschaft "viable" Modelle. Das heißt ihre Ergebnisse passen auf unsere Sinneswelt und helfen uns beispielsweise dabei Flugzeuge zu bauen usw. Ich wüßte nicht warum man diesen viablen Erkenntnissen mistrauen sollte oder sie gar verdammen möchte. @ Topic Aberglauben liegt mir fern, da ich jede Metaphysik ablehne. Dadurch wird die Welt nichtmal langweiliger, da man sich nicht mit gegebenen Wahrheiten abfinden muß (hiermit meine ich die angesprochenen Regeln wie das mit der schwarzen Katze usw.), sondern kann man sich aktiv eigene Erklärungszusammenhänge suchen. Mir ist klar dass man nicht allen Erkenntnisssen kritisch gegenübertreten kann, so ist der Mensch zum Beispiel auch auf Dinge wie Vorurteile angewiesen. Dennoch will ich eine möglichst kritische Herangehensweise wagen :-). Viel interessanter wäre vlt. die Frage nach dem starken Begehren großer Gruppen von Menschen nach metaphysischen Erklärungsmodellen.

Bearbeitet von Traum3, 29 Juni 2010 - 10:22.


#32 Stormking

Stormking

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 11:33

@ TrashStar
Nur mal so als Hinweis. Der radikale Konstruktivismus ist Wissenschaftskritik als Wissenschaft.

Vor allem ist er ein Vehikel von Laberologen Geisteswissenschaftlern, die sich von solchen Dingen wie Empirie eingeengt fühlen und gerne die Freiheit behalten möchten, allen möglichen Quatsch in die Welt zu posaunen, ohne sich jemals um so schnöde Dinge wie die Realität kümmern zu müssen. Daher wird die Realität kurzerhand zur Illusion erklärt und die wissenschaftliche Methode im Sinne des kritischen Rationalismus zu einem "Glaubenssystem" unter vielen. So ist es dann gleich viel behaglicher, im Elfenbeinturm.

Aberglauben liegt mir fern, da ich jede Metaphysik ablehne. Dadurch wird die Welt nichtmal langweiliger, da man sich nicht mit gegebenen Wahrheiten abfinden muß

Ich sage immer: Bier schmeckt auch dann noch, wenn man weiß wie es gemacht wird. Und ein Sonnenuntergang ist auch dann noch schön, wenn man die Physik der Sternentstehung im Hinterkopf hat.

Bearbeitet von Stormking, 29 Juni 2010 - 11:36.


#33 Lomax

Lomax

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 12:08

Und ein Sonnenuntergang ist auch dann noch schön, wenn man die Physik der Sternentstehung im Hinterkopf hat.

Echt? Also, seitdem ich weiß, was für ein atomares Höllenfeuer da oben brennt, kann ich mir keinen Sonnenuntergang anschauen, ohne Katastrophenszenarien auszumalen, was da alles möglicherweise schief laufen könnte.
Aber dann, wenn ich mir vorstelle, dass ich nach einer abergläubischen Vorstellung auch glauben könnte, dass die Sonne ein feuriger Ball ist, der von einem mehr oder minder qualifizierten und abgelenkten Fahrer über meinem Kopf über den Himmel gezogen wird, leidet mein Sicherheitsempfinden unter der wissenschaftlichen Betrachtung womöglich doch nicht so sehr, wie man glauben könnte http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/rolleyes.gif
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)

#34 Stormking

Stormking

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 12:13

Echt? Also, seitdem ich weiß, was für ein atomares Höllenfeuer da oben brennt, kann ich mir keinen Sonnenuntergang anschauen, ohne Katastrophenszenarien auszumalen, was da alles möglicherweise schief laufen könnte.

Da nimmt sich jemand aber gewaltig wichtig. Wieso sollte sowas nach reibungslosen viereinhalb Milliarden Jahren ausgerechnet zu Deinen Lebzeiten passieren? http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/laugh.png

#35 Traum3

Traum3

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 12:40

Vor allem ist er ein Vehikel von Laberologen Geisteswissenschaftlern, die sich von solchen Dingen wie Empirie eingeengt fühlen und gerne die Freiheit behalten möchten, allen möglichen Quatsch in die Welt zu posaunen, ohne sich jemals um so schnöde Dinge wie die Realität kümmern zu müssen. Daher wird die Realität kurzerhand zur Illusion erklärt und die wissenschaftliche Methode im Sinne des kritischen Rationalismus zu einem "Glaubenssystem" unter vielen. So ist es dann gleich viel behaglicher, im Elfenbeinturm.


Interessantes Statement... nur sehe ich neben Polemik keine Argumente. Aber trotzdem danke für die Anregungen emotionaler Art. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/biggrin.png Nebenbei bemerkt Foerster ist kein Geisteswissenschaftler. Achja und die Mutter aller Wissenschaften ist die Philosophie, folglich gibt es streng genommen keine exakten Naturwissenschaften. Es sei denn sie hätten sich zu einem unbekannten Termin mal völlig verselbständigt. Ich würde jetzt gerne Dieter Nuhr zitieren... Aber um nicht auf selbiges Niveau hinabzurutschen würde ich erneute Lektüre des Themas empfehlen ;-).

#36 Stormking

Stormking

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 13:04

Interessantes Statement... nur sehe ich neben Polemik keine Argumente. Aber trotzdem danke für die Anregungen emotionaler Art. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/biggrin.png

[...]

Ich würde jetzt gerne Dieter Nuhr zitieren... Aber um nicht auf selbiges Niveau hinabzurutschen würde ich erneute Lektüre des Themas empfehlen ;-).

Sollte ich Dir auf die Füße getreten sein, dann bitte ich hiermit um Entschuldigung. Ich habe auch nichts prinzipielles gegen die Geistestwissenschaft, nur erlebe ich sie eben derzeit als nahezu reine Laberologie. Es wird viel Politik gemacht und da stört der wissenschaftliche Ansatz, seine Thesen auch mal auf ihren Bezug zur Realität zu testen. Stattdessen geben sich die meisten Akteure reichlich Mühe, ihre Modelle gegen jedwede Kritik zu immunisieren. Ich als natur- und strukturwissenschaftlich gebildeter Mensch empfinde das als unredlich bzw. erbärmlich.

Und was das Threadthema anbelangt: Ich war es nicht, der auf Basis einer fragwürdigen philosophischen Denkschule Aberglaube und Naturwissenschaft auf eine Stufe gestellt hat.

Achja und die Mutter aller Wissenschaften ist die Philosophie, folglich gibt es streng genommen keine exakten Naturwissenschaften. Es sei denn sie hätten sich zu einem unbekannten Termin mal völlig verselbständigt.

Interessant! Du leitest also aus der historischen Entwicklung eine inhaltliche Hierarchie ab? Tut mir wirklich leid für Dich, aber die Mutter aller Wissenschaften ist und bleibt die Physik. Auch "Geist" ist und bleibt letztlich nur ein physikalisches Phänomen, wenn auch ein derart hochkomplexes, daß wir es in absehbarer Zeit wohl nicht vollständig entschlüsseln können.

Bearbeitet von Stormking, 29 Juni 2010 - 13:18.


#37 Heidrun

Heidrun

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 13:08

Darf ich auch ein Gegenbeispiel beisteuern? Ich habe meinem Mann im Laufe der Jahre vermutlich ein Dutzend Messer geschenkt - und er mag mich dafür! Schlimmer wäre, ich hätte für seine Macke kein Verständnis. Er hat mir auch eins geschenkt, das tut gute Dienste. Und bis eben wußte ich noch nicht einmal, wie gefährlich das Verschenken von Messern in einer Beziehung ist! Womit man zu der interessanten Frage kommt, ob einem ein Aberglaube auch dann Unheil bringt, wenn man gar nichts davon weiß. In der Wissenschaft gibt es schon einige Spielregeln: ich lasse den Ziegelstein los - er fällt mir auf den Fuß. Das kann ich wiederholen, bis mir die Steine oder Füße ausgehen. Klappt immer, solange ich auf der Erde stehe und nicht im freien Raum schwebe. Wissenschaft ist, wenn man eine Sache wiederholen und beweisen kann. Kein Mensch zweifelt an der Existenz des elektrischen Stroms. Schwierig wird es, wenn man nicht genug Daten hat oder sich Experimente verbieten (weil es z.B. moralisch unvertretbar wäre, ein Kind täglich zu schlagen, nur um zu sehen, ob es davon kriminell wird). Dann kann man nur mit Statistik arbeiten. Die sagt, am Freitag, dem 13., passieren wirklich mehr Unfälle. Weil sich Leute einreden lassen, daß es gefährlich ist, und damit unsicherer sind. Ein stärkerer Zusammenhang besteht aber mit den Wochentagen - ALLE Freitage und Sonnabende sind gefährlicher, besonders spätabends. Eine recht gute Beschwörung besteht darin, am Wochenende nicht betrunken Auto zu fahren. Und daß man Theorien gelegentlich umwerfen muß - nun, das Atom heißt Atom, weil man es für unteilbar hielt. Heute glaubt jeder, daß es Protonen gibt, und morgen sind Quarks das natürlichste von der Welt. Bis dahin sind Irrtümer erlaubt.
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#38 Lomax

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 13:48

Da nimmt sich jemand aber gewaltig wichtig. Wieso sollte sowas nach reibungslosen viereinhalb Milliarden Jahren ausgerechnet zu Deinen Lebzeiten passieren?

Wer sagt mir denn, dass die letzten viereinhalb Milliarden Jahre reibungslos verliefen? Es gab in der Zeit genug Massensterben, deren Ursachen nicht in jedem Fall abschließend geklärt sind. Und selbst dieser Indikator, der zumindest die Wahrscheinlichkeit kritischer Störungen der Sonnenaktivität begrenzt, ist erst seit maximal einer Milliarde Jahren aktiv. Für mehr als dreeinhalb Milliarden Jahre haben wir also fast gar keine Hinweise darauf, wie häufig solche Störungen vorkommen, die die Biosphäre beeinträchtigen können.
Ne, ne, die nachprüfbare Empirie überzeugt mich nicht. Ich trau dem Ball da oben nicht. Kommt mir außerdem schon verdächtig heiß vor, in den letzten Tagen ... wenn da mal nicht was im Busch ist! ;)

Womit man zu der interessanten Frage kommt, ob einem ein Aberglaube auch dann Unheil bringt, wenn man gar nichts davon weiß.

Ich denke, diese Frage beantwortest du am besten, indem du deinem Mann jetzt noch ein weiteres Messer schenkst. In einem Jahr oder so weiß man dann mehr zu dem Thema http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/rolleyes.gif
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#39 Traum3

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 14:28

Interessant! Du leitest also aus der historischen Entwicklung eine inhaltliche Hierarchie ab? Tut mir wirklich leid für Dich, aber die Mutter aller Wissenschaften ist und bleibt die Physik. Auch "Geist" ist und bleibt letztlich nur ein physikalisches Phänomen, wenn auch ein derart hochkomplexes, daß wir es in absehbarer Zeit wohl nicht vollständig entschlüsseln können.


Jede Wissenschaft ist auf Axiome angewiesen die nicht mehr Theorieintern beweisbar sind. Das interpretiere ich als die philosophische Wurzel jeder Wissenschaft (selbst Mathematik und Physik sind auf diese Axiome noch angewiesen). Zudem hat der Konstruktivismus gezeigt, dass kein Zusammenhang zwischen Sinneswahrnehmung und Realität besteht (zumindest kein bislang beweisbarer). Anstatt jetzt weiter gegen diese Verdrängung der Realität zu wettern hätte ich dann doch mal gerne ein Argument.

Edit: Das die Philosophie die Mutter aller Wissenschaften ist ist doch wohl klar. Sie ist nicht nur die Älteste sondern auch die Schönste und überragt damit die Naturwissenschaften um Längen :-P.

Bearbeitet von Traum3, 29 Juni 2010 - 14:31.


#40 Stormking

Stormking

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 15:13

Jede Wissenschaft ist auf Axiome angewiesen die nicht mehr Theorieintern beweisbar sind.

Richtig. Die naturwissenschaftliche Methode, der Kritische Rationalismus und mit ihm der Kritische Realismus bringen aber seit rund hundert Jahren regelmäßig funktionierende Anwendungen hervor, während andere Denkschulen jahrtausendelang vor allem viel Papier produziert haben. Das mag kein Beweis sein, aber zumindest ein starker Hinweis, daß ihre Axiome so falsch nicht sein können.

Zudem hat der Konstruktivismus gezeigt, dass kein Zusammenhang zwischen Sinneswahrnehmung und Realität besteht (zumindest kein bislang beweisbarer).

Konsequent zu Ende gedacht landet man beim Solipsismus. Der ist genauso unwiderlegbar und genauso hilfreich.

Edit: Das die Philosophie die Mutter aller Wissenschaften ist ist doch wohl klar. Sie ist nicht nur die Älteste sondern auch die Schönste

Vor allem die beliebigste. An den meisten Geisteswissenschaftlern ist Hans Albert jedenfalls unberührt vorbeigegangen. Falsifizierbare Philosophie, das wäre ja noch schöner.

Bearbeitet von Stormking, 29 Juni 2010 - 15:24.


#41 Morn

Morn

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 15:41

Mathematik kann man als Geistes- oder Naturwissenschaft zaehlen und hat z.B. mit der Logik eine Ueberschneidung mit der Philosophie. Und auch die Physik hat Beruehrungspunkte mit der Philosophie.

#42 Stormking

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 15:45

Mathematik kann man als Geistes- oder Naturwissenschaft zaehlen und hat z.B. mit der Logik eine Ueberschneidung mit der Philosophie.

Deshalb ordnet man die Mathematik heute auch als "Strukturwissenschaft" ein, genauso wie die Logik als Teilbereich der Strukturwissenschaft "Informatik".

Und auch die Physik hat Beruehrungspunkte mit der Philosophie.

Vor allem dort, wo sie deren Traumschlösser einreißt. Deshalb ja auch der Versuch einer Revanche seitens der Philosophie, indem das Betätigungsfeld der Physik einfach wegerklärt wird. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/tongue.png

#43 Lomax

Lomax

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 16:04

Zudem hat der Konstruktivismus gezeigt, dass kein Zusammenhang zwischen Sinneswahrnehmung und Realität besteht (zumindest kein bislang beweisbarer).

Ähm, hüstel. Wenn ich eine Wand sehe und gehe weiter, tu ich mir weh. Wenn ich davor stehen bleibe und drumherumgehe, kann ich den Zusammenstoß meist vermeiden. Das ist vielleicht kein beweisbarer Zusammenhang zwischen Sinneswahrnehmung und Realität, zumindest aber ein sehr fühlbarer http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/tongue.png
Angesichts konkreter Belege und Praktikabilität würde ich sagen, dass eher Beweise erforderlich sind, um diesen Zusammenhang zu widerlegen, und zwar für jeden Einzelfall mitsamt konkreter Benennung der Stelle, an der die Kausalkette zwischen Sinneswahrnehmung und Realität unterbrochen ist. Es ist ja die komplexere These, die ihre größere Aussagekraft beweisen muss; als widerlegt kann sie schon gelten, wenn man sie nicht braucht, um die Empirie zu deuten.
Für ein generelles Infragestellen und eine pauschale Relativierung sämtlicher wissenschaftlicher Erkenntnis ohne nähere Betrachtung eignet sich der Konstruktivismus also nicht. Es ist doch eher eine Perpektive, aus der man manches noch mal hinterfragen kann - was man dann aber auch jeweils sehr konkret tun muss, will man auf diese Weise tatsächlich Zusammenhänge und Erkenntnisse in Frage stellen.

Das die Philosophie die Mutter aller Wissenschaften ist ist doch wohl klar. Sie ist nicht nur die Älteste sondern auch die Schönste und überragt damit die Naturwissenschaften um Längen

Dazu muss ich leider, leider sagen - wenn ich mir konkrete Beiträge der Philosophie zu naturwissenschaftlichen Diskursen der letzten beiden Jahrzehnte anschaue - dass ich immer öfter das Gefühl bekommen habe, dass man die Altersschwäche der Disziplin immer deutlicher spüren kann. Da ist es leider irgendwie in Mode gekommen, bei heiklen Fragen (wie beispielsweise zum menschlichen Geist, wenn er durch neuere Erkenntnisse der Neurologie in Frage gestellt wird) erst mal alle einschlägigen Begriffe ganz anders zu definieren, als alle anderen das tun (Definition ist ja eine Stärke der Philosophie), auf Grundlage dieser Definitionen dann Schlussfolgerungen zu ziehen - und am Ende dann zu dem Ergebnis zu kommen, dass der Philosoph recht hat, wenn man nur die Begriffe so definiert, dass sie zu seinen Erkenntnissen passen ;)
Das fand ich, ehrlich gesagt, regelmäßig enttäuschend und wenig geeignet, um einen sinnvollen Einfluss auf gesellschaftlich relevante Fragen zu nehmen.
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#44 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 16:23

Dazu muss ich leider, leider sagen - wenn ich mir konkrete Beiträge der Philosophie zu naturwissenschaftlichen Diskursen der letzten beiden Jahrzehnte anschaue - dass ich immer öfter das Gefühl bekommen habe, dass man die Altersschwäche der Disziplin immer deutlicher spüren kann. Da ist es leider irgendwie in Mode gekommen, bei heiklen Fragen (wie beispielsweise zum menschlichen Geist, wenn er durch neuere Erkenntnisse der Neurologie in Frage gestellt wird) erst mal alle einschlägigen Begriffe ganz anders zu definieren, als alle anderen das tun (Definition ist ja eine Stärke der Philosophie), auf Grundlage dieser Definitionen dann Schlussfolgerungen zu ziehen - und am Ende dann zu dem Ergebnis zu kommen, dass der Philosoph recht hat, wenn man nur die Begriffe so definiert, dass sie zu seinen Erkenntnissen passen ;)
Das fand ich, ehrlich gesagt, regelmäßig enttäuschend und wenig geeignet, um einen sinnvollen Einfluss auf gesellschaftlich relevante Fragen zu nehmen.


Diesen - sehr pauschalen - Vorwurf kann man oft genug auch in die andere Richtung machen. Was die Neurobiologie in den letzten Jahren so alles schon entdeckt oder widerlegt hat: Den gesamten freudschen Seelen-Apparat kann man im Hirn messen und der freie Wille wurde auch bereits widerlegt. Und wenn man sich's genauer ansieht, merkt man allzu oft, dass da einfach sehr unbedarfte, naive Definitionen dahinterstecken, die mit den jeweiligen Konzepten, wie sie in Psychologie oder Philosophie verwendet werden, wenig zu tun haben.

Aber bevor wir da einmal in den üblichen Kleinkrieg Geisteswissenschaft vs. Naturwissenschaft abdriften, würde mich doch wundernehmen, was Michel zu der ganzen Sache (bevor sie in die Wissenschaftstheorie abgedriftet ist) meint. Er ist ja derzeit gerade etwas still - sitzt vielleicht eine schwarze Katze mit Jagdmesser zwischen den Zähnen vor dem Computer? http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/wink.png

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#45 Stormking

Stormking

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 16:36

Diesen - sehr pauschalen - Vorwurf kann man oft genug auch in die andere Richtung machen. Was die Neurobiologie in den letzten Jahren so alles schon entdeckt oder widerlegt hat

Wobei die sensationellsten Deutungen oft genug aus der Feder von Wissenschaftsjounalisten stammen und nicht von den eigentlichen Forschern.

Den gesamten freudschen Seelen-Apparat kann man im Hirn messen

Wer hat das denn behauptet? Vor allem da Freud selbst unter Geisteswissenschaftlern schon lange als widerlegt gilt.

und der freie Wille wurde auch bereits widerlegt.

Was gibt's da groß zu widerlegen? "Freier Wille" ist doch schon ein Widerspruch in sich.

Und wenn man sich's genauer ansieht, merkt man allzu oft, dass da einfach sehr unbedarfte, naive Definitionen dahinterstecken, die mit den jeweiligen Konzepten, wie sie in Psychologie oder Philosophie verwendet werden, wenig zu tun haben.

Siehe Lomax' letzter Beitrag. Der Philosoph hat immer recht, denn er beansprucht die Definitionshoheit.

#46 Lomax

Lomax

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 16:58

Diesen - sehr pauschalen - Vorwurf kann man oft genug auch in die andere Richtung machen. Was die Neurobiologie in den letzten Jahren so alles schon entdeckt oder widerlegt hat: Den gesamten freudschen Seelen-Apparat kann man im Hirn messen und der freie Wille wurde auch bereits widerlegt. Und wenn man sich's genauer ansieht, merkt man allzu oft, dass da einfach sehr unbedarfte, naive Definitionen dahinterstecken, die mit den jeweiligen Konzepten, wie sie in Psychologie oder Philosophie verwendet werden, wenig zu tun haben.

Nun ja, die Thesen der Neurobiologie haben ja meist einen Apparat an Theorie hinter sich, den man betrachten kann, um die genauen Details und die Reichweite der Aussagen einzuschätzen. Und vor allem gibt es Empirie zu deren "pauschalen Aussagen", die alleine oft schon, hm, interessant und anregend ist.
Und ich stelle fest, wenn ich mir die Aussagen anschaue, die dort zum menschlichen Geist getroffen werden, dass die Definitionen meist mehr mit den für den Alltag relevanten Begriffen zu tun haben - und dass dort vor allem keine Ausweichtaktiken betrieben werden, sondern Erkenntnisse präsentiert. Wenn die Neurobiologie andere Definitionen verwendet als die Philosophie, ist das okay - wenn diese Definitionen präzisere Kategorien für die Phänomene liefern, die sich messen lassen.
Wenn allerdings philosophische Repliken zu den Erkenntnissen bedeutsame Begriffe jedes Mal wieder umdefinieren, und zwar so, dass ich sie nicht mal innerhalb der eigenen Disziplin wiedererkenne, dann finde ich das schon bedenklicher. Und wenn die Philosophie sich von den Naturwissenschaften treiben lässt und sich eher in Abgrenzung und Definition zu behaupten versucht denn in einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den erklärungsbedürftigen Inhalten, dann wirkt sie nun mal wenig konkurrenzfähig. Es ist eben nicht die Philosophie, die noch den Takt der Entdeckungen vorgibt oder den Diskurs über die Erkenntnisse bestimmt. Sie rennt nicht mal besonders gut hinterher. ;)
Im konkreten Vergleich der öffentlichen Beiträge sieht die Philosophie in letzter Zeit gegenüber den Naturwissenschaften ziemlich peinlich aus - sage ich als Geisteswissenschaftler. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/wink.png Und da muss man schon eine sehr dunkle Sonnenbrille des Lagerdenkens aufhaben, um ernsthaft noch Punktgewinne da sehen zu wollen ...
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#47 Traum3

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 17:13

Beschäftige mich gerade recht oberflächlich mit Motivationspsychologie. Dabei bin ich auf die recht simple Erklärung Skinners von abergläubischen Verhalten gestoßen. Demnach entstehe entsprechendes Verhalten, wenn es mit einem Verstärker gekoppelt werde. Das Beispiel hier spricht von einer Taube in einer Skinnerbox. Eine erste Verstärkung zu einem beliebingen Zeitpunkt bei beliebiger Tätigkeit der Taube führte zu einem beliebigen Verhalten. Beispielsweise schaut die Taube nach oben. Dementsprechend wird die Taube selbiges Verhalten mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut zeigen. Unter weiterer Verstärkung dieses Verhaltens (Schauen zur Decke) könnte sich das Tier beliebige Futtermengen erspielen. So dass die Taube bald sehr oft zur Decke schauen wird. Das wäre nach Skinner Aberglauben. Da die Taube von einem Zusammenhang zwischen Licht und Futter ausgehen würde.

#48 Turbinenreiter

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 17:40

Mal gefragt: Gibt es auch jungen Aberglauben? Mir fällt spontan kein Aberglaube ein der seinen Ursprung nicht in grauer Vorzeit hat. Kennt jemand von euch welche? Ich denke Aberglaube (genauso wie viele andere Dinge, z.b. Verschwörungstheorien, Pseudowissenschaft, ... ) entsteht aus Langeweile, als Witz oder unterhaltsame Geschichte und breitet sich dann aus. Viele Mythen und Sagen wurden ja zur Unterhaltung erdacht, aus dramaturgischen Gründen so erzählt, als wären es wahre Berichte und deswegen bei der Weiterverbreitung dann plötzlich als bare Münze genommen.

#49 Stormking

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 19:27

Und ich stelle fest, wenn ich mir die Aussagen anschaue, die dort zum menschlichen Geist getroffen werden, dass die Definitionen meist mehr mit den für den Alltag relevanten Begriffen zu tun haben - und dass dort vor allem keine Ausweichtaktiken betrieben werden, sondern Erkenntnisse präsentiert.

Das ist für mich der zentrale Punkt. Die Philosophie wehrt sich mit Händen und Füßen gegen ein Kriterium, mit welchem purer Nonsens von validen Theorien unterschieden werden kann, unabhängig davon ob sich letztere später bestätigen oder widerlegt werden. Und deshalb wird sie auch immer wieder vorgeführt, wie etwa seinerzeit von Alan Sokal.

Bei den Naturwissenschaften hat sich vor rund hundert Jahren ein solches Kriterium endgültig durchgesetzt und wird seitdem praktisch von allen Wissenschaftlern anerkannt. Die Folge war eine beispiellose Blüte des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts, allerdings auch das Ende vieler Scharlatane. Wie bitte soll man also den kategorischen Widerstand der Geisteswissenschaften im allgemeinen und der Philosophie im speziellen gegen ein solches Kriterium deuten?

#50 Stormking

Stormking

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 19:33

Mal gefragt: Gibt es auch jungen Aberglauben?
Mir fällt spontan kein Aberglaube ein der seinen Ursprung nicht in grauer Vorzeit hat.
Kennt jemand von euch welche?

Spontan fällt mir da ein, daß es die glücksbringenden Schornsteinfeger in grauer Vorzeit noch nicht gab.

#51 simifilm

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 19:34

Mal gefragt: Gibt es auch jungen Aberglauben?
Mir fällt spontan kein Aberglaube ein der seinen Ursprung nicht in grauer Vorzeit hat.
Kennt jemand von euch welche?


Ich denke Aberglaube (genauso wie viele andere Dinge, z.b. Verschwörungstheorien, Pseudowissenschaft, ... ) entsteht aus Langeweile, als Witz oder unterhaltsame Geschichte und breitet sich dann aus. Viele Mythen und Sagen wurden ja zur Unterhaltung erdacht, aus dramaturgischen Gründen so erzählt, als wären es wahre Berichte und deswegen bei der Weiterverbreitung dann plötzlich als bare Münze genommen.


Es kommt wahrscheinlich darauf an, wo Du die Grenze zwischen Aberglaube und Pseudowissenschaft ziehst, aber wenn Du den ganzen Esoterikbereich anschaust, gibst da zahlreiche neue Erscheinungen (oder vielleicht auch nur alte in neuer Verpackung).

Oder nimm Leute, die mit ihrem Computer sprechen, wenn der nicht so tut, wie er sollte - das ist vielleicht nicht Aberglaube, aber definitiv Ausdruck eines magischen Weltbilds. Ich habe vor etwa 12 Jahren in einer Filmproduktion gearbeitet, da war digitaler Schnitt noch relativ neu und ich war damals der einzige, der was von Computer verstand. Unser Schnittsystem war damals ziemlich fragil und absturzfreudig. Eine der - älteren - Mitarbeiterinnen entwickelte da ganz interessante Rituale gegen Abstürze bei bestimmten Aktionen. So im Stil von: Bevor ich auf diesen Knopf klicke, klicke ich zuerst zweimal links unten am Menü ins Leere. - Ich habe ihr mehrfach zu erklären versucht, dass das, was sie tut, unmöglich einen Einfluss auf die Stabilität des Systems haben kann, aber sie war davon nicht abzubringen.

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#52 simifilm

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 19:39

Das ist für mich der zentrale Punkt. Die Philosophie wehrt sich mit Händen und Füßen gegen ein Kriterium, mit welchem purer Nonsens von validen Theorien unterschieden werden kann, unabhängig davon ob sich letztere später bestätigen oder widerlegt werden. Und deshalb wird sie auch immer wieder vorgeführt, wie etwa seinerzeit von Alan Sokal.

Bei den Naturwissenschaften hat sich vor rund hundert Jahren ein solches Kriterium endgültig durchgesetzt und wird seitdem praktisch von allen Wissenschaftlern anerkannt. Die Folge war eine beispiellose Blüte des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts, allerdings auch das Ende vieler Scharlatane. Wie bitte soll man also den kategorischen Widerstand der Geisteswissenschaften im allgemeinen und der Philosophie im speziellen gegen ein solches Kriterium deuten?


Es wird in den Geisteswissenschaften genug Mist produziert, aber ich habe grosse Mühe, wenn von der Philosophie oder den Geisteswissenschaften die Rede ist. Nicht nur gibt es grosse Unterschiede von Fach zu Fach, es gibt vor allem grosse Unterschiede zwischen den Leuten, die in den jeweiligen Fächern tätig sind. Zu behaupten, dass sich die Philsophie gegen etwas wehrt, ist grosser Unsinn, dazu sind die Unterschiede zu gross.

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#53 Lomax

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 20:27

Oder nimm Leute, die mit ihrem Computer sprechen, wenn der nicht so tut, wie er sollte ... Ich habe vor etwa 12 Jahren in einer Filmproduktion gearbeitet, da war digitaler Schnitt noch relativ neu ...

Ich denke, solche abergläubischen Vorstellungen entstehen jederzeit ständig bei jedem Individuum. Und wenn mehrere Individuen in einem geschlossenen Bereich einen so ähnlichen Erfahrungshorizont teilen, dass sie ähnliche Vorstellungen entwickeln, dann entsteht auch heute noch ein "Aberglaube", der über das Individuum hinausreicht und eine gewisse "Allgemeingültigkeit" beansprucht. Ich denke mal, Simis Beispiele gehen in die richtige Richtung.
EDV ist so ein Bereich, wo ich es selbst noch erlebt habe - "Rituale", die sich ausbreiten und noch nicht mal einen greifbaren Ursprung haben. Filmschnitt mag so was sein. Ein weiterer Bereich ist das Rollenspiel - ganz extrem. Was es da an "Würfelritualen" gibt ... Auf den ersten Blick mag man meinen, da hat jeder Spieler und jede Spielrunde seine eigenen, ganz persönlichen abergläubischen Marotten. Und da war ich echt überrascht, als ich irgendwann feststellte, wie viele dieser scheinbar individuellen und völlig absurden Marotten von tausenden Spielern auf der Welt geteilt werden, sich scheinbar unabhängig voneinander an vielen Orten einfach aus derselben Tätigkeit heraus entwickelt haben und irgendwann zum "Standardglauben" gehören, den jeder Spieler kennt und an den jeder Betroffene so viel oder so wenig glaubt wie an Horoskope. :D
Wie viele von diesen Aberglauben sich dauerhaft etablieren und den Sprung in die "Allgemeinheit" schaffen - wer weiß? Aber ich vermute mal, alle diese Vorstellungen haben so angefangen und wurden dann verallgemeinert, wenn es keine "Sondersituation", sondern die "Allgemeine Lebenswirklichkeit" war, aus der sie entstanden sind. 1% Rollenspieler oder 1 % EDVler schaffen es vielleicht nicht, ihren "Gruppenaberglauben" zum Volksaberglauben zu machen. Aber in einer Welt, wo 95% der Bevölkerung Bauern sind, ist der "Gruppenaberglaube" der Bauern bald ein tradierter Volksglaube. Und das dürfte auch das einzige sein, was heutzutage darüber entscheidet, ob ein neuer Aberglaube sich durchsetzt - Gruppengröße, Gruppeneinfluss, Gruppenbeständigkeit (die einem Aberglaube überhaupt erst die Zeit gibt, zumindest innerhalb seiner Gruppe so lange stabil zu exisitieren, dass er tradiert wird).
Wir haben heute eine recht zersplitterte und schnellebige Gesellschaft, das könnten Hürden sein. Aber entstehen tut neuer Aberglaube ständig - man muss sich nur mal umschauen. Es ist nur die Frage, ob er wie viel davon sich weit genug stabilisiert, dass er ein "tradierter Aberglaube" ist - das Problem ist, dass natürlich jeder Aberglaube, bei dem man das sagen kann, definitionsgemäß so aussieht, als käme er aus "grauer Vorzeit" :P
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)

#54 Kaffee-Charly †

Kaffee-Charly †

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Geschrieben 29 Juni 2010 - 23:57

....aber die Mutter aller Wissenschaften ist und bleibt die Physik.


Das ist sachlich falsch.
In der Antike war die Physik noch eine Disziplin der Philosophie.
Sie ist erst später eine eigenständige Wissenschaft geworden.

Da die meisten heutigen Wissenschaften ursprünglich Disziplinen der Philosophie waren, kann man sie durchaus als "Mutter der Wissenschaften" bezeichnen.

:D
Kaffee-Charly

Bearbeitet von Kaffee-Charly, 30 Juni 2010 - 00:05.


#55 Pogopuschel

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Geschrieben 30 Juni 2010 - 00:10

Das ist sachlich falsch.
In der Antike war die Physik noch eine Disziplin der Philosophie.
Sie ist erst später eine eigenständige Wissenschaft geworden.

Da die meisten heutigen Wissenschaften ursprünglich Disziplinen der Philosophie waren, kann man sie durchaus als "Mutter der Wissenschaften" bezeichnen.

:P
Kaffee-Charly


Und ich dachte immer, die Mutter aller Wissenschaften sei die Neugierde. :D

#56 Traum3

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Geschrieben 30 Juni 2010 - 00:25

Zum Wohle Kaffee-Charly! :D

#57 Kaffee-Charly †

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Geschrieben 30 Juni 2010 - 00:25

Und ich dachte immer, die Mutter aller Wissenschaften sei die Neugierde. :D


Neugier ist wohl der Ursprung.
Aber Neugier fragt nur danach, WIE etwas ist.
Das Nachdenken darüber, WARUM etwas so ist wie es ist, das ist Philosophie.
Und die Spezialisierung wird dann zu Wissenschaft.

Das beste Beispiel ist Archimedes.

Und jetzt geh' ich pennen....

:P
Kaffee-Pott

Bearbeitet von Kaffee-Charly, 30 Juni 2010 - 00:31.


#58 Stormking

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Geschrieben 30 Juni 2010 - 08:22

Das ist sachlich falsch.
In der Antike war die Physik noch eine Disziplin der Philosophie.
Sie ist erst später eine eigenständige Wissenschaft geworden.

Du hast schon mitbekommen, daß ich mich auf inhaltliche Hierarchien und Zusammenhänge bezog und eben gerade *nicht* auf die historische Entwicklung. Und inhaltlich ist Physik die Grundlage von allem, von Chemie, von Biologie, von "Geist".

#59 Morn

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Geschrieben 30 Juni 2010 - 08:40

Mal gefragt: Gibt es auch jungen Aberglauben?
Mir fällt spontan kein Aberglaube ein der seinen Ursprung nicht in grauer Vorzeit hat.
Kennt jemand von euch welche?


Im Fussball (und allgemein im Sport) duerften neuerer Aberglaube auch weit verbreitet sein. Spieler ziehen ihre Gluecksschuhe an, Trainer das Hemd, mit dem sie bisher immer gewonnen haben und Fans haben ihr Rituale, um den Sieg zu garantieren. Ich habe z.B. das Achtelfinalspiel von Deutschland in einem Biergarten gesehen. Ein anderer Zuschauer hatte eine Nachbildung des Pokals dabei und dieser musste auf der linken Box neben dem Fernseher stehen (was nur mit etwas Gewalt ging). Damit war der Sieg gegen England laut der Aussage dieses Fans gesichtert.

#60 Theophagos

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Geschrieben 30 Juni 2010 - 08:48

Du hast schon mitbekommen, daß ich mich auf inhaltliche Hierarchien und Zusammenhänge bezog und eben gerade *nicht* auf die historische Entwicklung. Und inhaltlich ist Physik die Grundlage von allem, von Chemie, von Biologie, von "Geist".


Dann erkläre mir mal nur mithilfe von Physik, ob die jüdischen Ältestenräte richtig handelten, als sie einige Juden an Nazis auslieferten, um nach eigenen Angaben größeres Leid zu verhindern.

Theophagos
"Cool Fusion? What is 'Cool Fusion'?" - "As Cold Fusion is beyond our grasp, we should reach for something ... less ... cold. Cool Fusion."
- Dr. Karel Lamonte, Atomic Scientist (Top of the Food Chain, Can 1999)
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