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Greg Egans "Diaspora"


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#1 Holger

Holger

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Geschrieben 21 März 2002 - 20:28

Dark Horizons weiss zu berichten, dass Regisseur David Fincher möglicherweise plant, Greg Egans Hard-SF Meisterwerk "Diaspora" zu verfilmen. Das wäre natürlich eine interessante Sache, besonders, weil ich dem Material mal unterstelle unverfilmbar zu sein :D Und weil ich den Roman so toll fand, hier mein Senf dazu:

Zwar existieren am Ende des dritten Jahrtausends noch Menschen in ihrer biologischen Form, doch hat sich ein Großteil als Software in die virtuellen Räumen der Poleis zurückgezogen. Eine Variante der virtuellen Menschen bewohnt sogenannte Gleisner-Roboter und erschließt den Asteroidengürtel und das restliche Sonnensystem. Ein Gammastrahlensturm, bei der Kollision zweier 100 Lichtjahre entfernter Neutronensterne entstanden, zerstört die Biosphäre der Erde und mit ihr alles biologische Leben. So machen sich die virtuellen Nachkommen der Meschheit auf die Suche nach einer neuen Heimat in der Galaxis. Dabei treffen sie auf die Spuren einer technisch überlegenen Spezies. Getrieben von Wissensdurst und Sinnsuche nehmen vereinzelte Gruppen die Suche nach den Unbekannten auf. Aller Anfang ist schwer, so auch der Auftakt zu diesem Buch. Die Beschreibung der "Geburt" des virtuellen Waisenkindes Yatima in die Konishi-Polis empfand ich als unnötig anstrengend und langatmig. Doch schon bald gewöhnt man sich an Egans eigensinnigen Schreibstil und lernt mit seinen zahlreichen Termini umzugehen. Hat man nach anfänglicher Verwirrung erst den Faden der Handlung aufgenommen, ist es faszinierend, den Versuch zu unternehmen, den Ideen des Autors zu folgen. Schnell wird jedoch klar, das auch der interessierte Leser nur an der Oberfläche von Egans Gedankenkonstrukten kratzen kann. So ist an vielen Stellen unklar, ob Egan uns tragbare wissenschaftliche Hypothesen oder bloße Phantasiespielereien unterbreitet. Das ist in den meisten Fällen sehr spannend und reizvoll, doch hin und wieder ist der Leser überfordert, oder hält schlicht entnervt inne. Die Tatsache, dass virtuelles Leben zwangsläufig in einer anderen Beziehung zur Echtzeit steht, erlaubt Egan gewaltige Zeitsprünge zu vollziehen und in zeitliche Gefilde vorzudringen, an die man als Leser aus Fleisch und Blut nicht zu denken wagt. So liefert er, quasi im Schnelldurchlauf, eine umfassende Dokumentation der menschlichen fernen Zukunft ab. Klar, dass es unter diesen Umständen schwer ist, näher auf einen Charakter einzugehen. Doch vermisst man beim Lesen eine gewisse Bindung zu den algorithmischen Personen. Schade auch, dass die Handlung, die so zielstrebig auf ein Finale zuläuft ein eher fades Ende findet. Sicherlich gibt es bei einem Roman dieser Art eine Menge zu bemengeln, gerade was die schriftstellerische Komponente betrifft. Doch ist Greg Egan Mathematiker und kein Literat. Er hat auch bestimmt nicht im Sinne, eine zweite "Blechtrommel" zu schreiben, sondern will Ideen-Literatur an den Mann bringen. Und das gelingt ihm auf beeindruckende Weise. Der Die-Hard-SF-Leser frohlockt Stunde um Stunde, die er mit diesem Buch verbringt, und da nach dem Lesen vor dem Lesen ist werde ich mir "Diaspora" bestimmt noch einmal voller SF-Genuß zu Gemüte führen.


"Rezensionen: eine Art von Kinderkrankheit, die die neugeborenen Bücher befällt."
(Georg Christoph Lichtenberg)

#2 Dave

Dave

    Hamannaut

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Geschrieben 12 April 2002 - 19:30

Wirklich eine schöne Ansicht zu diesem Roman!Wer zu Greg Egan greifen will, sollte sich zunächst folgende Frage stellen: Möchte ich einen Roman immer wirklich verstehen?Die Schilderung eines virtuellen Lebens ist aus meiner Sicht her aufregend beschrieben.(was an großer Literatur nun wirklich immer so stilistisch ausreift sein soll, entzieht sich meinem Urteilsvermögen. Es erinnert mich an "Des Kaisers neue Kleider" und so manche Verfechter vom Briefwechsel Goethe und Schiller haben in Wahrheit meist den neuen S.King auf dem Nachttisch liegen [ich stichle ganz gerne mal...])Die Beschreibungen der multidimensionalen Räume allerdings verursachten bei mir  einen dumpfen Kopfdruck, womöglich aus einer Ãœberhitzung resultierend...Wenn zum Beispiel ein Molekularbiologe und ein Physiker ein Gespräch führen, dann liegt es in der Natur der Sache, dass ich davon kaum etwas verstehe. Ist es anders, dann bin ich tödlich beleidigt (ich hasse mainstream). Es bedarf dann einer geschickten Redewendung oder einer Zusammenfassung, um den nötigen Sinn doch noch zu verstehen. Ich bin ein großer Bewunderer von Greg Egan, besonders von "Qual" (allein die ersten Sätze sind der Wahnsinn!!) Als zuletzt "Teranesia" herauskam, bin ich mit Turbospikes nach Hause...allerdings war der Roman dann für mich völlig ungenießbar. Beim zweiten Anlauf ging es etwas besser und ich habe etwas mehr als die Hälfte geschafft. Ich brauche wohl noch einen Anlauf, um durch die Ziellinie zu kommen.


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