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Exploitation SF


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312 Antworten in diesem Thema

#241 Stormking

Stormking

    Giganaut

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Geschrieben 16 Oktober 2010 - 12:11

Allgemein und abstrakt impliziert jede "Grenze" etwas "jenseits der Grenze".

Das spielt überhaupt keine Rolle, weil "grenzenlos" noch lange nicht "unendlich" ist.

#242 fictionality

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    Illuminaut

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Geschrieben 16 Oktober 2010 - 13:03

ZITAT(Beverly @ 16.10.2010, 11:29)
there is no limit!


Allgemein und abstrakt impliziert jede "Grenze" etwas "jenseits der Grenze". Somit ist das Setzen einer Grenze der Anfang von ihrer Überschreitung. In der Phantastik ist das eine seit Jahr und Tag übliche Praxis. So gilt seit Einstein die Lichtgeschwindigkeit als oberste Grenze - in der SF wird sie ständig überschritten.


Aber wenn man sagt "There is no limit!" meint man die Unendlichkeit. Und die ist nicht beweisbar.

#243 fictionality

fictionality

    Illuminaut

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Geschrieben 16 Oktober 2010 - 13:04

Aber solche Probleme manchen die Unendlichkeit zu einem nie versiegenden Quell der Inspiration, auch, weil sie sich jeder Determiniertheit entzieht.


Da hast du natürlich recht.

#244 Clauss-Hausen

Clauss-Hausen

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Geschrieben 16 Oktober 2010 - 14:16

Ich habe mal irgendwo gelesen, dass es nur zwei große Themen in der Literatur gibt:

1) Jemand geht auf Reisen
2) Jemand Fremdes kommt in die Stadt

Ein interessanter Ansatz, wie ich finde ... Denn was ist wirklich NEU?



Man kann auch alles zutode reduzieren ;)

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#245 Frank

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Geschrieben 16 Oktober 2010 - 14:28

Man kann auch alles zutode reduzieren

Nun ja. Ist doch was dran! Die Szenarien mögen sich ändern, aber die menschlichen Schicksale bleiben die gleichen ... Diesbezüglich beutet sich Herr Iwoleit übrigens von Novelle zu Novelle selber aus ... "Selbst-Exploitation" sozusagen ... ;)
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#246 molosovsky

molosovsky

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Geschrieben 16 Oktober 2010 - 14:39

Derartige Reduktion funktioniert freilich bei Themen ganz gut. Literatur ist aber nicht nur Handlung, Plot, Thema und Figuren, sondern eben auch Sprache, Struktur, knüpfen eines Bedeutungsgeflecht. In dem Sinne traue ich mich auch mal wieder ein Wort für einen Teil des Kerns der Iwoleit'schen Thesen zu sprechen: dass nämlich die Stangenware sprachlich eintönig, gleichförmig ist. Vergessen wir nicht, dass es schon lange eine Tradition gibt, dem Erfolgsrezept erfolgreicher Romane auf die Schliche kommen zu wollen, und dass Verlage, Schreibtrainer, Agenturen ect. solchen Rezepten zu folgen trachten. Ich will gar nicht bezweifeln, dass eine gewisse Glätte, Leicht-Bekömmlichkeit &-Zugänglichkeit des Stiles fein ist, wenn es gilt, einfach nur eine flotte Geschichte zu erzählen. Aber damit engt man das Wirkungsspektrum dessen, zu was Literatur im Stande ist, eben für den Zweck der Flutschigkeit ein. Grüße Alex / molo

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#247 Andreas Eschbach

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Geschrieben 16 Oktober 2010 - 14:54

ein Wort für einen Teil des Kerns der Iwoleit'schen Thesen zu sprechen: dass nämlich die Stangenware sprachlich eintönig, gleichförmig ist.


Ich kann nicht sehen, inwiefern das Kern der Iwoleit'schen These sein soll. Dass "Stangenware" eher sprachlich eintönig ist (in dem Sinne, wie McDonalds-Hamburger eigentlich nach nichts schmecken, weil ein Geschmack das Kauferlebnis stören könnte), ist ja nun weiß Gott nichts Neues. Iwoleits These ist, dass dies von der ominösen "Exploitation" herrühren soll.

#248 Clauss-Hausen

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Geschrieben 16 Oktober 2010 - 15:08

Ist auch was dran, dass Menschen meist fuenf Finger pro Hand haben ;) Jemand reist nach Amerika, oder zum Mars, oder macht eine mehr geistige Entwicklung durch, auch ne Reise... irgendwie, oder irgendwas anderes hininterpretiertes. Noch weiter reduziert koennte man sagen, dass Buecher in deutscher Sprache immer aus einer Aneinanderreihung von Buchstaben bestehen. Potzblitz :) Ist schon irgendwie interessant, das mal zu reduzieren, aber es bringt halt nix :)

Bearbeitet von Clauss-Hausen, 16 Oktober 2010 - 15:10.

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#249 molosovsky

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Geschrieben 16 Oktober 2010 - 15:20

Ich habe geschrieben, dass die sprachliche Ver-Mainstreaming ein Teil des Kernes der Iwoleit'schen These ist, nicht der Kern.
Iwoleit betont ja, dass ein Autor mit Sprache arbeitet. Im hier gestartetren Thread ist die Referenzstelle von Michael folgende Passage:

Problematisch ist dabei, daß eine Tendenz zur Exploitation meist einhergeht mit einer stilistischen Verarmung, einer Neigung zu allzu großer Glätte und Eingängigkeit und oberflächlichen Effektion statt zu Nuancen und Individualität, Qualitäten zumindest, die mir bei einem Schriftsteller wichtig sind.

Und da stimme ich ihm so ungefähr zu.

Was Iwoleits Exploitation-These als Ganzes betrifft, schließe ich mich der in diesem Thread bereits geäußerten Meinung an, dass Iwoleit da einiges durcheinanderwirbelt und (leider: ungeschickt) vermengt. Im Grunde stimmt er die (mir eigentlich nicht unsympathische) Klage dazu an, dass es originelle, ungewöhnliche und ambitioniertere Werke schwer haben auf dem Markt, also dem Markt als ganzen, sprich: bei den Lesern, der Literaturvermittlung (besonders im Genre-Fandom), bei den Agenturen, Lektoren und Programmmachern.

Grüße
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#250 Frank

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Geschrieben 16 Oktober 2010 - 16:02

Ist auch was dran, dass Menschen meist fuenf Finger pro Hand haben smile.gif
Jemand reist nach Amerika, oder zum Mars, oder macht eine mehr geistige Entwicklung durch, auch ne Reise... irgendwie, oder irgendwas anderes hininterpretiertes.
Noch weiter reduziert koennte man sagen, dass Buecher in deutscher Sprache immer aus einer Aneinanderreihung von Buchstaben bestehen. Potzblitz smile.gif
Ist schon irgendwie interessant, das mal zu reduzieren, aber es bringt halt nix

Ganz ehrlich: Ich finde das einen recht brauchbaren Ansatz! Es gibt so eine Faustregel: Schreibe das Kernthema deiner Story/deines Buchs in 3 Sätzen hin! Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich DIESE - nun - Zusammenfassungen - bei Exploitation-Literatur aller sehr sehr ähneln ... also nicht Stil, sondern INHALT, PERSONEN, PLOT!
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#251 Ronald

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Geschrieben 16 Oktober 2010 - 18:24

Ich habe mal irgendwo gelesen, dass es nur zwei große Themen in der Literatur gibt:

1) Jemand geht auf Reisen
2) Jemand Fremdes kommt in die Stadt

Ein interessanter Ansatz, wie ich finde ... Denn was ist wirklich NEU?



Ich kenn noch eins: Boy Meets Girl. (Oder ist das in 2. schon drin? ;) )
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#252 Clauss-Hausen

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Geschrieben 16 Oktober 2010 - 18:42

Ganz ehrlich: Ich finde das einen recht brauchbaren Ansatz! Es gibt so eine Faustregel: Schreibe das Kernthema deiner Story/deines Buchs in 3 Sätzen hin! Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich DIESE - nun - Zusammenfassungen - bei Exploitation-Literatur aller sehr sehr ähneln ... also nicht Stil, sondern INHALT, PERSONEN, PLOT!


Ja mei, das schrammt alles an der Exploitation herum, weil es da mehr als weniger um Kopien geht und wenn etwas kopiert wird, dann sieht es dem Original recht aehnlich. Sprich wenn Du Plot, etc als Unterscheidungsmerkmal herannimmst, dann klassifizierst Du das Original gleich mit rein und kannst hernach wie einst der liebe Gott im Logikwoelkchen verpuffen ;)

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#253 Clauss-Hausen

Clauss-Hausen

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Geschrieben 16 Oktober 2010 - 18:45

Ich kenn noch eins: Boy Meets Girl. (Oder ist das in 2. schon drin? :) )


Ein guter Expoitatant (kann man das sagen?) wuerde daraus das Genre girl meets boy creieren.
Wenn sich das dann etabliert hat kommt der naechste und setzt ein boy meets boy durch, dann kommen die girls dran - und wenn die Geschlechter ausgehen, wirds unappetitlich ;)

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#254 ShockWaveRider

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Geschrieben 16 Oktober 2010 - 22:05

Mal ein weiterer Versuch, sich von anderer Seite an etwas anzunähern, was kaum zu fassen ist... Bleiben wir mal beim Werk von Andreas Eschbach. Grundsätzlich gehe ich mit Michaels Einschätzungen konform. Er hat genau die beiden Eschbachschen Romane herausgehoben, die auch ich zu den Top 10 der deutschen SF in den letzten 20 Jahren zähle: "Die Haarteppichknüpfer" und "Der Letzte seiner Art" (hat übrigens DSFP, KLP und DPP abgesahnt!). In beiden Fällen begeistert die Grundidee, vor allem beim zweiten prägt sich der Protagonist nachhaltig in die Hirnwindungen ein, und beide haben ein rundes, im ersten Fall absolut überraschendes, aber alles erklärendes Ende. Eine Idee wie die "Haarteppichknüpfer" - darauf kommt man nicht, indem man in "P.M.", "National Geographic" oder ähnlichen Wissenschaftszeitungen blättert. Das kommt ganz tief aus dem Innern des Autors. Auch bei "Der Letzte seiner Art" spürt man, wie sehr der Autor seinen Protagonisten liebt, hegt und pflegt. Der Roman entwickelt sich aus der Person des Helden und seiner konkreten Situation. Hingegen die Themen von "Ausgebrannt" oder "Ein König für Deutschland" - Peak Oil schwappt seit einigen Jahren immer mal wieder hoch, und die Wahlcomputer stehen seit der Wiederwahl von George W. Bush in der Schusslinie. Figuren und Plots scheinen um das Thema herumkonstruiert; in beiden Fällen fühlte ich mich in der Figurenzeichnung, in der Gestaltung mancher Szenen und in den Grundzügen des Plots an Vorabend-Soaps erinnert. Kaum zu glauben, dass diese vier Werke vom gleichen Autor stammen. Mein Liebling Hans Erich Nossack sprach von der "inneren Notwendigkeit" eines Kunstwerks - eine schwer zu greifende Qualität. Damit meinte er aber genau das: ein Kunstwerk ergreift vom Autor Besitz und lässt ihn erst wieder los, nachdem er es manifestiert hat. Dahinter steckt eine tiefere Motivation als reines, kopfgesteuertes "Interesse" an einem Thema. Ein von Nossack genanntes Indiz, das einen interesse-motivierten Autor entlarvt: er spricht von "den Lesern" im Plural. Nicht von "dem einzelnen Leser", der sich in selbstgewählter Einsamkeit allein mit dem Buch auseinandersetzt. Aber das ist in der Tat nichts Handfestes, kein klares Kriterium; auch hier tragen Vorurteile und Prägungen des Wertenden mit zum Urteil bei. Deshalb führen solche Diskussionen auch zu nichts. Wer spürt, worum es geht, versteht es auch ohne die Ausführungen von Michael. Und wer keine Ahnung davon hat, dem werden Michaels Ausführungen auch nicht weiterhelfen. Der Ausdruck "Exploitation" trifft das Phänomen m.E. nicht oder nur zum Teil. Ratloser Gruß Ralf

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#255 Konrad

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Geschrieben 16 Oktober 2010 - 22:33

Hallo, vielleicht verstehe ich ja die These falsch, aber für mich tönt dies schon wieder sehr stark nach der spezifischen SF-Brille auf Literatur. Die These stellt mal wieder die Originalität der Idee über alle anderen Qualitätskriterien von Literatur. Ich wette, daß Jorge für eine Menge vermeintlich "origineller" SF-Highlights Vorgänger von anderen (wahrscheinlich häufig unbekannten) Autoren aufstöbern könnte. Sorry, ich schätze durchaus Literaten, die beim Lesen eines anderen Buchs sagen, "toller Stoff, aber das kann man besser machen" und dann ihren Hut in den Ring werfen. Grüße in die Runde, Konrad

#256 Andreas Eschbach

Andreas Eschbach

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Geschrieben 17 Oktober 2010 - 11:04

@Ralf: Endlich mal ein gehaltvoller Beitrag zur Diskussion!

#257 Beverly

Beverly

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Geschrieben 17 Oktober 2010 - 12:03

In dem Sinne traue ich mich auch mal wieder ein Wort für einen Teil des Kerns der Iwoleit'schen Thesen zu sprechen: dass nämlich die Stangenware sprachlich eintönig, gleichförmig ist. Vergessen wir nicht, dass es schon lange eine Tradition gibt, dem Erfolgsrezept erfolgreicher Romane auf die Schliche kommen zu wollen, und dass Verlage, Schreibtrainer, Agenturen ect. solchen Rezepten zu folgen trachten.

Ich will gar nicht bezweifeln, dass eine gewisse Glätte, Leicht-Bekömmlichkeit &-Zugänglichkeit des Stiles fein ist, wenn es gilt, einfach nur eine flotte Geschichte zu erzählen. Aber damit engt man das Wirkungsspektrum dessen, zu was Literatur im Stande ist, eben für den Zweck der Flutschigkeit ein.

Grüße
Alex / molo


Was da "flutschig" sein soll, ist mir in den letzten Jahren nur zu oft im Halse stecken geblieben. Ich kann daraus nur schließen, dass solche Bücher für eine Zielgruppe geschrieben werden, zu der ich nicht gehöre.

#258 Gast_Frank W. Haubold_*

Gast_Frank W. Haubold_*
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Geschrieben 18 Oktober 2010 - 06:10

Ich kenn noch eins: Boy Meets Girl. (Oder ist das in 2. schon drin? :thumb: )


In der deutschen SF treffen die Boys keine Girls und wenn doch, ist die Mehrzahl der Leser peinlich berührt. :thumb:

Im übrigen bin ich Ralfs Ansicht, was die "Innere Notwendigkeit" eines Textes anbetrifft. Man sollte als Autor einen Grund haben, eine Geschichte zu schreiben, oder sogar die Notwendigkeit dazu verspüren. Fehlt diese, merkt man das dem Resultat meistens an.

FWH

Bearbeitet von Frank W. Haubold, 18 Oktober 2010 - 06:15.


#259 ShockWaveRider

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Geschrieben 18 Oktober 2010 - 06:15

In der deutschen SF treffen die Boys keine Girls und wenn doch, ist die Mehrzahl der Leser peinlich berührt. :thumb:

Wenn man den Weltraum erobert, bleibt keine Zeit mehr für Fortpflanzung. :thumb:

Alberner Gruß
Ralf

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#260 molosovsky

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Geschrieben 18 Oktober 2010 - 07:36

Was da "flutschig" sein soll, ist mir in den letzten Jahren nur zu oft im Halse stecken geblieben. Ich kann daraus nur schließen, dass solche Bücher für eine Zielgruppe geschrieben werden, zu der ich nicht gehöre.


Von der hier gar so arg damnierten deutschen SF kenne ich nur Andreas »Der Letzte seiner Art« (sowohl Buch als auch Hörbuch), sein »Jesus Video« (Hörbuch) und Frank Schätzings »Der Schwarm« (Hörbuch/spiel). †” Ich finde all diese Romane ganz unterhaltsam, auch wenn ich mich gewundert habe, wie vorhersehbar sie sind. †” Das »Der Schwarm«-Hörbuch ist ja gekürzt, und somit für mich erträglich, eben auch unterhaltsam. Im Laden durchstöbert stellte ich fest, dass ich das Teil wohl keine 100 Seiten ertragen hätte (wie ich dann eben ein ander Mal Schätzings »Tod und Teufel« abgebrochen habe).

Aber zum Thema: ich denke nicht, dass man auf fruchtbare Weise einen Blick auf dieses (unglücklicherweise) ›Exploitation‹ genannte Phänomen ›flutschiger‹ SF-Erfolgsware werfen kann, wenn man lediglich seinen eigenen Geschmack als Messlatte anlegt. †” Man sollte sich vielleicht eher ganz Leibnizisch fragen, ob dies eben doch die beste mögliche populäre SF-Literatur ist, die das derzeitige Zusammenwirken der verschiedenen Kräfte (Ambition der Autoren, Positionierung der Verlage, Nachfrage der Kunden) hergibt. (Und wie auch bei Leibzig kann man dann diese ›beste aller möglichen Welten‹-These schön anzweifeln und auf die kleinen, verdrängten Nebenwelten deuten.

Grüße
Alex / molo

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#261 Beverly

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Geschrieben 18 Oktober 2010 - 09:53

In der deutschen SF treffen die Boys keine Girls


wie vermehren sich die Deutschen?

und wenn doch, ist die Mehrzahl der Leser peinlich berührt. :thumb:


Wie kann eine ganze "Welt" oder auch nur eine Figur aus Fleisch und Blut ohne Sexualität komplett sein? Wenn Sexualität da ist, muss auf sie eingegangen werden. Ist sie nicht da, muss ihre Nichtexistenz erklärt.

n. B: mehr als nur "peinlich berührt" sind viele Menschen vom Gebaren einer gewissen Institution, die ihren Angehörigen im Zeichen des Zölibats Sexualität verwehrt und damit einen Skandal nach dem Anderen produziert. Weil die Jungs doch tun, was sie nicht dürfen und so der Welt unfreiwillig demonstrieren, dass Menschen ohne Sexualität nicht leben können und wollen.
Demzufolge funktioniert eine Literatur ohne Sexualität auch nicht bzw. ihre Figuren bleiben steril.

Aber zum Thema: ich denke nicht, dass man auf fruchtbare Weise einen Blick auf dieses (unglücklicherweise) ›Exploitation‹ genannte Phänomen ›flutschiger‹ SF-Erfolgsware werfen kann, wenn man lediglich seinen eigenen Geschmack als Messlatte anlegt. †” Man sollte sich vielleicht eher ganz Leibnizisch fragen, ob dies eben doch die beste mögliche populäre SF-Literatur ist, die das derzeitige Zusammenwirken der verschiedenen Kräfte (Ambition der Autoren, Positionierung der Verlage, Nachfrage der Kunden) hergibt. (Und wie auch bei Leibzig kann man dann diese ›beste aller möglichen Welten‹-These schön anzweifeln und auf die kleinen, verdrängten Nebenwelten deuten.

Grüße
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Die von dir genannte SF ist primär ein Produkt der Geistehaltung und der Interessen derer, die sie als Autoren schreiben und als Verleger auf den Markt bringen. Die Rolle des Buchkäufers beschränkt sich darauf, als Masse eine statístische Größe zu sein. So nach dem Motto: Wenn man einen Autor pusht und sich die Leute Frank Schätzings überflüssiges Gelaber sogar bei einer Doku über Haie anhören müssen, dann bringt ein Text von ihm, der bestimmte Kriterien erfüllt, soundsoviel Auflage und soundsoviel Gewinn. Das hat aber nichts mit einer bewussten Entscheidung mündiger Bürger zu tun, sondern die Käufer werden zu einer im Rahmen der Parameter beliebig zu manipulierenden Masse degradiert.

Es kann gut sein, dass bei diesem Spielchen viele vergrault werden, die eigentlich gern ihr Geld für gute und originelle Bücher ausgeben würden. IMHO ist es so: um 100 Prozent abzudecken, müsste man viele Titel mit verschiedener Ausrichtung und geringen Auflagen bringen. Das macht den Verlagen einen Haufen Arbeit und killt bei den Autoren die Illusion, davon leben zu können. Entweder bräuchten wir einen "Brotberuf", der uns Zeit zum Schreiben lässt, vielleicht sogar noch inspiriert oder wir müssten von Rente, Hartz IV, Bürgergeld oder Stipendien leben. Meines leben "hauptberufliche" deutsche SF-Autoren nicht allein von ihren Büchern, sondern von Übersetzungen. Wie auch immer, der Ertrag aus den Büchern wäre nur ein Teil des Einkommens. Man hätte hauptsächlich die Freude, veröffentlich zu werden und durch die Einbindung in einen Verlag eine Professionalisierung.

Derzeit wird aber folgendes Szenario gefahren: Man konzentriert sich auf wenige Autoren und pusht die im Falle von Frank Schätzing mitsamt Fernsehauftritt zur Prine Time bis zum Erbrechen. So haben die Verlage mit wenig Aufwand an dem, was zur Buchproduktion gehört, hohe Auflagen und große Gewinne. Sie decken damit nicht 100, sondern nur 60 oder gar 40 Prozent des potenzielles Marktes ab, aber die, die außen vor bleiben, haben zu verschiedenen Geschmäcker, um sie zu bedienen. Die müssen sich im Antiquariat bedienen oder werden mit Neuauflagen von Klassikern abgefüttert.

Irgendwann stöhnen die Verlage dann, dass es ihnen ja so schlecht geht. Aber der Schuldige ist dann auch schnell gefunden: die dummen Massen, die ja nicht mehr lesen.

Off Topic: Zu Leibnitz hier der Verweis auf "Candide" von Voltaire:

"Diese Satire wendet sich unter anderem gegen die optimistische Weltanschauung von Leibniz, der die beste aller möglichen Welten postulierte; stattdessen wird eine Auffassung sichtbar, die skeptischer und pessimistischer ist beziehungsweise welche Leibniz' Postulat in den Kontext der Zeit (Eindruck des Erdbebens von Lissabon 1755, der siebenjährige Krieg) stellt und dadurch relativiert."

Quelle: http://de.wikipedia...._der_Optimismus

Wobei mir ein Rätsel ist, was an Leibnitz Auffassung, wir leben in der besten aller möglichen Welten, optimistisch ist.

Bearbeitet von Beverly, 18 Oktober 2010 - 10:22.


#262 Lomax

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Geschrieben 18 Oktober 2010 - 15:02

Im übrigen bin ich Ralfs Ansicht, was die "Innere Notwendigkeit" eines Textes anbetrifft. Man sollte als Autor einen Grund haben, eine Geschichte zu schreiben, oder sogar die Notwendigkeit dazu verspüren. Fehlt diese, merkt man das dem Resultat meistens an.

Das habe ich früher auch mal gedacht - aber inzwischen arbeite ich zu lange im schreibenden Gewerbe und muss sagen, die Tatsache, dass man die Freude des Autors an seiner Arbeit oder etwas in der Art am Erfolg oder an der Rezeption oder an sonst einem messbaren Ergebnis merkt, ist eher eine Legende. Dazu habe ich im Laufe der letzten zehn Jahren zu viele Hintergründe mitbekommen und zu oft erlebt, wie eher lustlos geschriebene Bücher zu großen Erfolgen wurden und mit viel Herzblut geschriebene Herzensanliegen von Autoren später in den Lesermeinungen nur unter "halt das Übliche" abgelegt wurden. Was nicht heißt, dass die "geschäftsmäßig konstruierten Auftragsbücher" immer am besten ankommen - es kommt halt mal so, mal so, und man sieht es den Werken im Durchschnitt wirklich nicht an, was der Autor beim schreiben so "gefühlt" hat.
Diese "innere Notwendigkeit" halte ich auch für ein Qualitätsmerkmal, das mir sehr wichtig ist. Aber sie liegt halt eher im Auge des Betrachters als in der Intention des Autors - ganz im Gegenteil kann ein allzustarkes "Wollen" des Autors ein Werk allein schon dadurch konstruiert aussehen lassen, dass es eben auch "gewollt" wirkt. Wie eine innere Stringenz und ein Impetus im Werk zustandekommt, das kann ganz verschiedene Ursachen haben, es vollzieht sich im hermeneutischen Zirkel zwischen Werk und Leser ... Aber der Autor ist in diesem Zirkel meist schon so weit entfernt, sein "Empfinden" auch durch so viele handwerkliche Zwischenschritte gedämpft, dass es nur noch als ein Faktor von vielen auf den Dialog zwischen Leser und Werk einwirkt. Die "innere Notwendigkeit eines Textes" ist halt eine innere Notwendigkeit des Textes, nicht notwendigerweise des Autors.
Ich bin inzwischen ja zu dem Schluss gekommen, dass es nur einen gibt, auf den das Gefühl beim Schreiben eine echte Wirkung hat: Der Autor selbst. Es ist einfach gesünder, etwas zu schreiben, was man auch schreiben will, als wenn man das Gefühl hat, sich nur durch ein Pflichtprogramm kämpfen zu müssen oder etwas zu schreiben, was "der Leser" so möchte. Ich denke mal, Autoren, die Geschichten schreiben, die tief in ihnen brennen, sind einfach glücklicher beim Schreiben. ;)
Aber selbst das ist keine Aussage, für deren empirische Sicherheit ich jetzt meine Hand ins Feuer legen würde ...

wie vermehren sich die Deutschen?

Nun ja, sehr schlecht, wie man weiß.
Und die SF-Szene stirbt ja sogar aus. Darüber wird hier auf dem Board ja ständig geklagt.
Also, wenn es da keinen Zusammenhang gibt ... "Deutsche SF gefährdet die Geburtenrate" :(
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)

#263 Beverly

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Geschrieben 18 Oktober 2010 - 17:28

ZITAT(Beverly @ 18.10.2010, 10:53)
wie vermehren sich die Deutschen?

Nun ja, sehr schlecht, wie man weiß.


Um das Jahr 1000 lebten in Deutschland 6 Milionen Menschen, um 1500 waren es 15 Millionen und um 1848 noch 37 Millionen. Heute sind es 82 Millionen.

Und die SF-Szene stirbt ja sogar aus. Darüber wird hier auf dem Board ja ständig geklagt.


Warum strömen zu den CSD's der Schwulen und Lesben die Massen und warum jammern andere - Polit-Fundamentalisten, hier die SF-Szene - das zu ihnen keiner kommt?

Bearbeitet von Beverly, 18 Oktober 2010 - 17:28.


#264 Lomax

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Geschrieben 18 Oktober 2010 - 18:08

Um das Jahr 1000 lebten in Deutschland 6 Milionen Menschen, um 1500 waren es 15 Millionen und um 1848 noch 37 Millionen. Heute sind es 82 Millionen.

Hm, wenn man das so ansieht, stellt man ja fest, dass die großen Zuwachsraten vor dem Aufstieg der SF als Genre lagen. Und da sieht man erst so richtig, wie sehr die Geburtenrate seither gefallen ist.
Die Zahlen bestätigen meine obige Theorie also in schockierender Weise. :(

Ich suche immer noch nach einem geeigneten Buchtitel, um diese demographische Erkenntnis gebührend auszuschlachten (neudeutsch: zu exploiten). "SF - der demographische Untergang des Abendlandes"?
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)

#265 UdoTascher

UdoTascher

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Geschrieben 18 Oktober 2010 - 18:13

Ich suche immer noch nach einem geeigneten Buchtitel, um diese demographische Erkenntnis gebührend auszuschlachten (neudeutsch: zu exploiten). "SF - der demographische Untergang des Abendlandes"?


Vielleicht in Sarrazin-Sprech ganz lapidar: "Die Science Fiction schafft dich ab: Wie wir uns und unsere Literatur aufs Spiel setzen"

oder: "SOS Abendland: Die schleichende Science-Fictionalisierung Deutschlands" :(

Bearbeitet von UdoTascher, 18 Oktober 2010 - 20:38.


#266 leibowitz

leibowitz

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Geschrieben 18 Oktober 2010 - 20:22

Warum strömen zu den CSD's der Schwulen und Lesben die Massen und warum jammern andere - Polit-Fundamentalisten, hier die SF-Szene - das zu ihnen keiner kommt?



Ja, jetzt bin ich ja mal auf deine Antwort gespannt ... die Frage tönt reichlich rhetorisch ...
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#267 Naut

Naut

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Geschrieben 19 Oktober 2010 - 06:51

Sagt mal, so richtig ernsthaft kann man mit Euch ja nicht diskutieren, oder? Trotzdem danke an Lomax, Frank Böhmert, Molo, Ralf, Frank W. H. und natürlich Andreas Eschbach, die sich bemüht haben, hier noch etwas substantielles beizutragen. Da konnte man etwas lernen! Ich bin dann raus.
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#268 Gast_Frank Böhmert_*

Gast_Frank Böhmert_*
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Geschrieben 19 Oktober 2010 - 09:59

Sagt mal, so richtig ernsthaft kann man mit Euch ja nicht diskutieren, oder?
Trotzdem danke an Lomax, Frank Böhmert, Molo, Ralf, Frank W. H. und natürlich Andreas Eschbach, die sich bemüht haben, hier noch etwas substantielles beizutragen. Da konnte man etwas lernen!

Ich bin dann raus.

Ach, na ja, Naut, ein bisschen Dummschwätzen zwischendurch gehört schon dazu. Außerdem ist das Thema, glaube ich, soweit ausdiskutiert. Jetzt fehlt höchstens noch MKIs Antwort an Andreas Eschbach. <_<

Bearbeitet von Frank Böhmert, 19 Oktober 2010 - 10:04.


#269 Beverly

Beverly

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Geschrieben 19 Oktober 2010 - 14:46

(Beverly @ 18.10.2010, 18:28)
Warum strömen zu den CSD's der Schwulen und Lesben die Massen und warum jammern andere - Polit-Fundamentalisten, hier die SF-Szene - das zu ihnen keiner kommt?

Ja, jetzt bin ich ja mal auf deine Antwort gespannt ... die Frage tönt reichlich rhetorisch ...


Meine Antwort ist so gemeint, dass die Homo-Szene trotz Peinlichkeiten und innerer Querelen sowie einer zumindest teilweise nach wie vor feindlichen Umwelt soziale Orte schafft, Großveranstaltungen macht und sowohl den "Kern" als auch "Zaungäste" anspricht.

Die SF-Szene scheint dazu nicht in der Lage oder ist auch nicht Willens, das zu tun. Die Schuld für Marginalisierung und Misserfolg wird dann auf andere geschoben: die dummen Kids lesen nicht mehr, sie lesen nur noch Fantasy, die Gesellschaft interessiere sich nicht mehr für Raumfahrt und der Zeitgeist sei gegen utopische Visionen bla bla bla! Hätten sie in der Homo-Szene oder bei den Frauen vergleichbaren Bullshit abgesondert, hätten wir noch immer den §175 und, wie in Kuwait, kein Frauenwahlrecht.

Dabei läuft etwa "Perry Rhodan" noch immer und meines Wissens ist das ein kommerzielles Projekt, dass es nicht gäbe, wenn Heftchen und Romane dem Verlag kein Geld mehr bringen. Also kann es an den dummen Massen allein nicht liegen. Ich sehe für die selbst verschuldete Marginalisierung der Szene folgende Gründe:

1. Ich kann es mir nicht leisten, ständig zu irgendwelchen Cons durch die BRD oder auch noch ins Ausland zu tingeln. Zu den Eintrittspreisen kommt noch die Fahrt und das Hotel hinzu, ach ja, Essen und Trinken muss der Mensch auch. Dann ist man bei Kosten so zwischen 50 und 500 Euro - OK, da sind die Harten im Garten dann unter sich und es kommen allenfalls noch die nicht an SF interessierte Freundin oder Gattin. Die Allgemeinheit spricht man SO aber nicht an.

2. Unter dem Label SciFi wird oft Schund verbraten, verglichen damit waren sie bei Perry Rhodan schon zu Zeiten der "Meister der Insel" hochintellektuell. Dem steht am anderen Ende nicht Anspruch, sondern Abgehobenheit gegenüber. Die SF ist heute weder visionär noch kritisch - wer braucht sie da eigentlich?

3. Große Teile des Fandoms scheinen sich sowohl von der Vision besserer Zukunftswelten als auch der seit den Tagen von Wells und Samjatin, Huxley und Orwell üblichen harschen Kritik an einer miesen Gegenwart, die sie zu einer Horrorzukunft extrapolieren, verabschiedet zu haben. Dabei haben sie offenbar gar nicht gemerkt, dass sie sich selbst abgeschafft haben und Stränge wie "Wie kriegen wir den Nachwuchs an Bord" ungefähr so sinnvoll sind, wie wenn der Fliegende Holländer Schiffsjungen und junge Matrosen anwerben will.

Bearbeitet von Beverly, 19 Oktober 2010 - 14:51.


#270 UdoTascher

UdoTascher

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Geschrieben 20 Oktober 2010 - 10:13

2. Unter dem Label SciFi wird oft Schund verbraten, verglichen damit waren sie bei Perry Rhodan schon zu Zeiten der "Meister der Insel" hochintellektuell. Dem steht am anderen Ende nicht Anspruch, sondern Abgehobenheit gegenüber. Die SF ist heute weder visionär noch kritisch - wer braucht sie da eigentlich?

3. Große Teile des Fandoms scheinen sich sowohl von der Vision besserer Zukunftswelten als auch der seit den Tagen von Wells und Samjatin, Huxley und Orwell üblichen harschen Kritik an einer miesen Gegenwart, die sie zu einer Horrorzukunft extrapolieren, verabschiedet zu haben.


Anbei: Wenn wir darauf bestehen, dass nur der SF-Roman mit einer noch nie dagewesenen Idee "gültig" ist, dann können wir den Laden sowieso zumachen, denn spätestens Stanislaw Lem hat jede Idee schon gehabt.


Andreas Eschbachs Hinweis lässt sich auch auf den vom Threadstarter auf seinem Tastaturstövchen aufgewärmten Metadiskurs "Hochliteratur" versus "Trivialliteratur" übertragen. Hatte z.B. Lem nicht schon vor 30 Jahren seinen Frust, Purismus und Weltschmerz über die schlechte SF ausgeschüttet? Zum Teil mit denselben Kampf-Metaphern, der gleichen Abneigung gegen Vielschreiber, Genrevermischungen und die Fantasy, demselben unerquicklichen Versuch, einen SF-Hochliteraturkanon zu etablieren (Verne, Wells, Samjatin, Stapledon, Huxley, Orwell, Dick, Bellow...) nebst der willkürlichen Normsetzung natürlich, dass sich ein literarischer "Jemand" dadurch auszeichnet, dass er inhaltlich wie stilistisch etwas "grundsätzlich Neues" und "Visionäres" erschaffen muss:

Als Leser der SF erwartete ich das, was in evolutionären Abläufen der Natur eine neue Tiergattungen schöpfende, fächerartig divergierende Radiation (Speziation) genannt wird. In meiner Ignoranz hielt ich die Ära eines Verne, Wells und Stapledon für den Aufgang, nicht für den Untergang des souveränen Individualismus des Autors. Jeder von ihnen hat nicht nur etwas grundsätzlich Neues, sondern auch etwas völlig anderes geschaffen als seine Zeitgenossen. [...] Jeder von ihnen betrat das Niemandsland von einer anderen Seite, und jeder hat sich eine spezifische Provinz dieser terra incognita angeeignet. Die Nachfolger mußten sich einander in diesem Gedränge hingegen immer mehr angleichen. Sie mußten zu Ameisen in einem Ameisenhaufen werden, zu fleißigen Bienen, von denen jede zwar an einer anderen Zelle der Honigwabe baut, doch ähneln einander alle solchen Zellen im Bienenstock. Das ist eine Gesetzmäßigkeit der Massenproduktion. Die Entfernung zwischen den einzelnen Werken ist nicht weiter gewachsen, wie ich das irrtümlich erwartet habe, sondern hat sich verkleinert. Allein der Gedanke, daß Wells oder Stapledon abwechselnd visionäre Phantastik und typische Kriminalromane hätten schreiben können, ist ja unsinnig. Für die nächste Generation der Autoren war das aber etwas durchaus Normales!*1 Wells oder Stapledon waren wie diejenigen, die das Schach- oder Damespiel erfunden haben. Sie haben neue Spielregeln entdeckt, die Nachfolger haben lediglich diese Regeln mit kleineren oder größeren Variationen angewandt. Das Quellgebiet der Innovation wurde allmählich ausgeschöpft. Die Themenkreise erstarrten.*2 Es kam zur Hybridbildung (Science Fantasy) und zur mechanischen Befolgung fertiger Muster und Schemata im literarischen Spiel.

Obwohl ich Lem als Autor sehr schätze, ist mir der missionarisch-didaktische Impetus des Literaturkritikers SL, den trivialen Tintenklecksern und "Ameisen" mal zu zeigen, wie man schreiben soll, gehörig gegen den Strich gegangen. Denn was hat seine damaligen Schelte neben der vielen Polemik gebracht? - - Und auch das gegenwärtige Bashing von Heitz & Co. im Windschatten Lems, J. Blishs, D. Knights (und vor allem MRRs...) wird von ähnlichem Erfolg gekrönt sein. Und doch bleibt mir auch jetzt die Spucke weg, wenn etwa Heitz empfohlen wird, mal ausgiebig in den "Blumen für Algernon" zu schmökern. Aber warum bei einem Autor aufhalten: Und warum nicht gleich der gesamten Perry-Rhodan-Redaktion die Marcel Proust-Gesamtausgabe zum Lesen schenken? Es wird langsam absurd, nicht?


---
*1 @ShockWaveRider verzeih: an dieser Stelle musste ich an Deine Verwunderung denken, dass "Ausgebrannt" und die "Haarteppichknüpfer" von demselben Autor stammen.

*2 Bei MKI liest man untergangsschwanger: "Was aber passieren kann und immer wieder vorkommt, ist, daß einzelne Zweige am Baum der Kultur wegen mangelnder Pflege verdorren. Und das ist es, was gerade mit der SF geschieht."...

Bearbeitet von UdoTascher, 20 Oktober 2010 - 12:44.



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