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»Es muss nicht immer Weltenrettung sein«


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46 Antworten in diesem Thema

#1 molosovsky

molosovsky

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Geschrieben 10 Dezember 2010 - 07:18

EDIT: Danke Frank für die Anregung, dieses Gespräch vom Urspungsthread zu trennen.

So, nun habe ich es endlich geschafft, ein paar Zeilen zu "Kahlschlag" zu schreiben. Ich bin schwer begeistert von dem Roman (und dem schönen Buch). Man verzeihe mir, dass mich die Lektüre zu einer Abschweifung betreffs Genre-Phantastik verleitet hat. Aber die Tugenden von Lansdale Provinz-Krimi haben mir (wieder mal) deutlich gemacht, woran viele Fantasy- und Space Opera-Stoffe kranken.

http://molochronik.a...tories/2035066/

Grüße
Alex / molo

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#2 Christian Günther

Christian Günther

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Geschrieben 10 Dezember 2010 - 07:55

@molo Ich habe deinen Text zu "Kahlschlag" gerade gelesen (welches mich schon in der verfügbaren Leseprobe begeistert hat) und muss sagen, in deiner "Abschweifung" bezüglich der Fantasy sprichst du mir aus dem Herzen - was du beschreibst, sind Dinge, die mir auch in der gemeinen Fantasy abgehen. Ich denke, das Sub-Genre "Low-Fantasy" ist dafür geeignet, diesen Mangel zu beheben - einfache Menschen, die in der Fantasy-Welt "leben" und nicht ständig die Welt retten müssen. Da ich mich selbst gerade mit der Entwicklung einer Fantasy-Welt beschäftige, freut mich deine Schilderung sehr und lässt mich hoffen, auf dem richtigen Weg zu sein mit dem, was da entsteht.

Bearbeitet von Christian Günther, 10 Dezember 2010 - 07:55.


#3 molosovsky

molosovsky

    Phantastik-Fachdepp

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Geschrieben 10 Dezember 2010 - 09:35

Danke für die Zustimmung. Ich rudere mal ein wenig zurück. Natürlich ist die Konzentration von Fantasy (aber auch Space Opera) für Weltretten und Kampf gegen das absolute Böse nicht an und für sich ein Makel. Ich habe dieser Tage z.B. die meine Sichtung von "Buffy" beendet, und finde diese TV-Sage großartig, obwohl es in jeder Staffel um eben genau dieses 08/15-Thema der (in diesem Fall Urban) Fantasy geht. Aber bei "Buffy" machen die der Serie eigenen sonstigen Tugenden (Dialoge, Figuren, Alltags- und Beziehungs-Drama) die Vorghersehbarkeit des Grundschemas wett. Auch M. John Harrisons "Viriconium"-Geschichten haben mich dieses Jahr sehr entzückt, auch wenn sich in im ersten Roman dieser seltsamen Endzeit Fantasy-SF wiederum alles um den Kampf gegen das Böse dreht (noch dazu mit Militär und Adelstypen als Figuren). -- Hier aber ist es der Stil und die kunstvolle Art der Präsentation des Weltenbaus, die diesen Makel wett macht. Grüße Alex / molo

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#4 Gast_Frank Böhmert_*

Gast_Frank Böhmert_*
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Geschrieben 10 Dezember 2010 - 09:37

Diese eure Abschweifung verdient, glaube ich, einen eigenen Thread.

#5 Gast_Frank Böhmert_*

Gast_Frank Böhmert_*
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Geschrieben 10 Dezember 2010 - 10:35

EDIT: Danke Frank für die Anregung, dieses Gespräch vom Urspungsthread zu trennen.

Gern geschehen. Es ist ein Thema, das mich selbst immer wieder beschäftigt.

Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich diese deine Abschweifung hier jetzt komplett zitiere:

»Kahlschlag« hat mir wieder Mal deutlich vor Augen geführt, was mir bei vielen Fantasy- und SF-Genrestoffen prinzipiell missfällt: nämlich, dass phantastische Genre-Stoffe allzuflott mit der großen Schicksalskeule aufwarten und sich bei ihnen die Handlung mindestens um die Rettung der Welt und den Kampf gegen das absolute Böse dreht. Ich finde, dass die Genre-Phantastik viel von ihrem Potential verschenkt, wenn sie thematisch so hoch pokert. Wie ich in »Abenteuer Phantastik« schrieb, machen uns alle Romane, egal ob realistischer oder phantastischer Weltenbau, das Angebot, uns aus dem eigenen Alltag auf eine Reise in andere Welten aufzumachen. Ich halte es bei dabei für nebensächlich, ob diese ›entführende Verzauberung durch Sprache & Handlung‹ uns nun in phantastische oder realistische Gefilde versetzt. †” Die Tugenden, mit denen mich ein realistischer Genre-Roman wie »Kahlschlag« (oder auch »Mitten in Amerika« von Annie E. Proulx, »Manituana« von Wu Ming oder »Sunnyside« von Glenn David Gold) begeistert, sind, sei's Zufall oder tieferes Sinnmuster, genau die, welche ich bei Genre-SF & -Fantasy oftmals vermisse oder eben als Un-Tugenden wahrnehme:

  • Die Details des AlltagsLebens, die vielleicht auch, vor allem was Landschaft und Wetter angeht, in vorsichtiger aber athmosphärisch kraftvoller Dosierung mit einer Priese Poesie dargestellt werden;
  • Figuren, die erst in zweiter Instanz Funktionen erfüllen um eine (spannende, romantische, komische ect.) Handlung voranzutreiben, sondern die vor allem erst mal eben Charaktere, Typen, Personen sind die sich eben durch ihr jeweiliges Leben wurschteln. †” Gerade die konservativ-naive Einfallslosigkeit, der folgend viel Genre-Phantastik (vor allem Fantasy & Space Opera) durch stark kontrastierte Gut- & Böse-Verteilungen geprägt wird, muss mit funktionalen Figuren operieren und es ist kein Wunder, wenn zumindest ich das dann meist unglaubwürdig finde und/oder mich schnell langweile.
»Kahlschlag« sei also sowieso allen empfohlen, die Lust auf ein kurzweiliges gutes Buch haben, dass sich durch seinen makellosen Stil, glaubwürdige & überraschende Figuren und eine spannende Handlung auszeichnet; ganz besonders aber möchte ich es Freunden der Genre-Phantastik zur inniglichen Beherzigung anraten, damit sie ein Gespür für Dinge entwickeln können, deren Mangel viele (Epic) Fantasy & Space Opera zu einer mauen Lektüre macht.

So weit mal Molo. Nun lässt sich bequemer darauf antworten.

Bearbeitet von Frank Böhmert, 10 Dezember 2010 - 10:36.


#6 Konrad

Konrad

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Geschrieben 10 Dezember 2010 - 11:03

Lieber molo, du sprichst mir ebenfalls, völlig aus der Seele. Es gibt im Kino und der Literatur zwei Szenarien, die bin ich sowas von leid, daß ich bereit bin, meilenweit zu humpln, um einen anderen Plot zu bekommen: - Eine apokalyptische Situation droht und der Retter der Welt darf sich ungestraft über alle Regeln des gesitteten Umgangs hinwegsetzen, um der entweder grenzdebilen oder offen feindseligen Mitwelt ihre völlig unverdiente Rettung aufzuzwingen - Ein unglaublich mächtiger und reicher Bösewicht, erarbeitet sich die Ergebenheit seines Bösenteams durch vorhersehbaren Verrat und qualitätssteigernde Morde an seinen Mitarbeitern, die dann darauf brennen, sich von einem saufenden Underdog mit totalem Durchblick die Butter vom Brötchen nehmen zu lassen. Viele Grüße, Konrad

#7 Theophagos

Theophagos

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Geschrieben 10 Dezember 2010 - 11:13

Ich habe so ein vage Zustimmgefühl, finde aber, dass die Sache zu komplex ist, um einfach: "Ja, genau!" zu sagen. Also, ganz generell gebe ich dir dahingehend recht, dass ich der Rettung der Welt bzw. des Universums, also der Menschheit an sich, nicht mehr viel abgewinnen kann. Im Allgemeinen. Woran liegt das nun? Deiner Ansicht nach an den Figuren. Wenn ich dich richtig verstanden habe, gibt es zwei Arten von Figuren: Eigenwillige Figuren und Handlanger der Handlung. So per se kann ich nicht sagen, dass die eine oder andere Art besser oder schlechter als die andere wäre; in Krimis gehen mir die Eigenwilligen zumeist auf den Keks: Ein Profi-Kommissar, der weiß, was er macht, und sich seinem Job widmet, finde ich allemal besser als einen Gaudi-Kommissar, der mehr mit sich selbst, dem Kochen und der Liebe beschäftigt ist. (Das heißt natürlich nicht, dass eine Figur, gleich ob Eigenwilliger oder Handlanger, psychologisch unplausibel Handeln darf - das geht gar nicht.) In Charakterplots gehen Handlanger dann wiederum nicht - eine richtige Queste mit Handlanger ist schlicht langweilig. Damit zu Buffy. Ich glaube nicht, dass die Eigenwilligkeit maßgeblich für die Akzeptanz der Serie ist; genauer gesagt: Ohne eigenwillige Figuren wäre die Serie zweifellos nicht so gelobt worden, wie es der Fall war, aber es ist das, was Whedon aus der Eigenwilligkeit macht, dass zur Akzeptanz führte. Ich glaube, ein wichtiger Grundstein der Akzeptanz ist die ironische Brechung der Klischees - und diese funktioniert nicht ohne die eigenwilligen Figuren. (Anders gesagt: Buffy in der Frittenbude funktioniert nur deshalb so gut, weil die Folge zu den komischen gehört; andererseits würde Blade nie Hamburger & Fritten verkaufen.) Zurück zu Epic Fantasy/Space Opera. Richtig ist, dass ich mit der Rettung der Menschheit nicht mehr viel anfangen kann. Etwas kleiner wäre mir lieber - aber wie kombiniert man "episch" und "klein"? (Für die SP gilt ja im Wesentlichen dasselbe.) Ich glaube nicht, dass ein paar eigenwillige Figuren das Problem lösen würden (s. Buffy; obwohl ich das für den ersten Schritt hielte). Eine ironische Brechung wäre zwar auch nett, aber Brechungen funktionieren nur mit einem soliden zu brechenden Grundstock. Eine generelle Verbesserung kann das nicht sein. Abschließend vielleicht soviel: Ich habe kein Problem damit, dass es so viel epische Fantasy/Space Opera gibt, ich bedaure, dass es so wenig anderes gibt. Ja zu mehr "Kleinheit", aber nicht unbedingt in der eF/SP. Theophagos Auch nach mehrmaligen Verbesserungen klingt das immer noch schräg; irgenwie meine ich etwas anderes. Es bleibt beim vagen Zustimmungsgefühl zu Alex. Ich poste das trotzdem mal, vielleicht kann ja jemand was damit anfangen.

Bearbeitet von Theophagos, 10 Dezember 2010 - 11:13.

"Cool Fusion? What is 'Cool Fusion'?" - "As Cold Fusion is beyond our grasp, we should reach for something ... less ... cold. Cool Fusion."
- Dr. Karel Lamonte, Atomic Scientist (Top of the Food Chain, Can 1999)
  • (Buch) gerade am lesen:Annick Payne & Jorit Wintjes: Lords of Asia Minor. An Introduction to the Lydians
  • (Buch) als nächstes geplant:Che Guevara: Der Partisanenkrieg
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#8 simifilm

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Geschrieben 10 Dezember 2010 - 11:18

Lieber molo,

du sprichst mir ebenfalls, völlig aus der Seele.
Es gibt im Kino und der Literatur zwei Szenarien, die bin ich sowas von leid, daß ich bereit bin, meilenweit zu humpln, um einen anderen Plot zu bekommen:
- Eine apokalyptische Situation droht und der Retter der Welt darf sich ungestraft über alle Regeln des gesitteten Umgangs hinwegsetzen, um der entweder grenzdebilen oder offen feindseligen Mitwelt ihre völlig unverdiente Rettung aufzuzwingen
- Ein unglaublich mächtiger und reicher Bösewicht, erarbeitet sich die Ergebenheit seines Bösenteams durch vorhersehbaren Verrat und qualitätssteigernde Morde an seinen Mitarbeitern, die dann darauf brennen, sich von einem saufenden Underdog mit totalem Durchblick die Butter vom Brötchen nehmen zu lassen.


Das erinnert mich an die sehr amüsante Liste The Top 100 Things I'd Do
If I Ever Became An Evil Overlord
.

Auch wenn ich sehr gut verstehe, was Dich nervt, denke ich, dass es auch hier sehr darauf ankommt, wie man die Sache umsetzt. Will sagen: Man kann sowohl den Retter als auch den Bösewicht interessant inszenieren - wenn man es denn kann. Gerade in Sachen Bösewicht denke ich immer wieder gerne an Goldfinger, der für mich den nach wie vor besten Bond-Bösewicht bietet. Diesen Bösewicht sehe ich mir immer wieder gerne an, obwohl der Film nun ja schon einige Jahre auf dem Buckel hat, und Goldfinger vollkommen idiotische Dinge tut (er lädt seine Geldgeber ein, erzählt ihnen, dass er in Fort Knox einbrechen will, nur, um sie dann anschliessend zu vergasen. Absolut sinnlos, dient nur dazu, Bond und dem Zuschauer zu erklären, was Sache ist). Warum sehe ich diesem Bösewicht aber dennoch gerne zu? Weil die Szenen mit Fröbe und Connery einfach ein Genuss sind, weil wir charismatische Schauspieler sehen, die äusserst witzige Dialoge sprechen.

Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

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#9 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 10 Dezember 2010 - 12:19

Ehm, simifilm, Goldfinger wollte alle Zeugen ausschalten, die ihn nach dem Coup als Kopf der Sache identifizieren konnten. Dass er davor noch mit der Größe seines Plans angibt, passt ins Bösewichts-Größenwahn-Muster. Sozusagen "Weltenvernichtung" als Antithese des Thementitels. Ich hab schon als Teenie gedacht, dass, sollte ich je ein "evil overlord" werden, ich erst den Start der Vernichtung einleiten würde - durch Drücken des großen giftgelben Knopfes o.ä. - und DANN allen erkläre, warum ich so großartig bin... ;) Aus Bondfilmen lernen, die Devise, genau wie bei deinem Link! :D

/KB

Yay! Fantasy-Dialog Ende Januar...
Prof.: Dies sind die Bedingungen meiner Vormundschaft. (schiebt 2 Seiten über den Tisch) [..]

Junge: (schockiert, aber er nickt)

Prof.: Sehr gut... Noch eine Sache. Es fällt auf, dass du noch keinen Namen hast. Du benötigst einen.

Junge: Ich habe einen! -...

Prof.: Nein, das genügt nicht. Kein Engländer kann das aussprechen. Hatte Fräulein Slate dir einen gegeben?

Junge: ... Robin.

Prof.: Und einen Nachnamen. [..]

Junge: Einen [anderen] Nachnamen... aussuchen?

Prof.: Englische Leute erfinden sich namentlich ständig neu.

(Studierter Brite in besten Jahren, vs. dem Jungen, den er vor kurzem vorm Verenden in einem chinesischen Slum rettete, grob übersetzt aus Babel, im Harper-Voyager-Verlag, S. 11, by Kuang)


#10 Naut

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Geschrieben 10 Dezember 2010 - 12:36

Hey, mir fällt dazu ein Buch ein, das ich gerade gelesen habe: "Der Wald der tausend Augen" von Carrie Ryan Bisher (erster Band einer geplanten Trilogie) hat es die Protagonistin gerade mal geschafft, sich selbst zu retten. Auch hier eine angenehme Abwechslung von Harry-Potter-Großmachtsfantasien, vielleicht aber symptomatisch für das Sub-Genre (Zombie-Survival, diesmal als Young Adult).
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#11 Konrad

Konrad

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Geschrieben 10 Dezember 2010 - 13:44

Das erinnert mich an die sehr amüsante Liste The Top 100 Things I'd Do
If I Ever Became An Evil Overlord
.

Auch wenn ich sehr gut verstehe, was Dich nervt, denke ich, dass es auch hier sehr darauf ankommt, wie man die Sache umsetzt. Will sagen: Man kann sowohl den Retter als auch den Bösewicht interessant inszenieren - wenn man es denn kann. Gerade in Sachen Bösewicht denke ich immer wieder gerne an Goldfinger, der für mich den nach wie vor besten Bond-Bösewicht bietet. Diesen Bösewicht sehe ich mir immer wieder gerne an, obwohl der Film nun ja schon einige Jahre auf dem Buckel hat, und Goldfinger vollkommen idiotische Dinge tut (er lädt seine Geldgeber ein, erzählt ihnen, dass er in Fort Knox einbrechen will, nur, um sie dann anschliessend zu vergasen. Absolut sinnlos, dient nur dazu, Bond und dem Zuschauer zu erklären, was Sache ist). Warum sehe ich diesem Bösewicht aber dennoch gerne zu? Weil die Szenen mit Fröbe und Connery einfach ein Genuss sind, weil wir charismatische Schauspieler sehen, die äusserst witzige Dialoge sprechen.

Ja, du hast insofern recht, als man den ebenfalls hervorstechenden Parameter, die Humorlosigkeit, unbedingt erwähnen muß.
Goldfinger oder "Mit Schirm, Charme und Melone" bewegt sich in der schönen Reihe der feinen selbstironischen Thriller.
Diese Kunstform ist leider auch auf den Hund gekommen, weil die Regisseure die hochsensible Gratwanderung zwischen Klamotte und Krimi nicht mehr hinkriegen.

#12 molosovsky

molosovsky

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Geschrieben 10 Dezember 2010 - 13:56

Wegen Klamotte & Krimi: ich finde, dass Soderbergh diese Mischung mit seinen "Ocean"-Filmen ganz vorzüglich hinbekommen hat (zumindest bei "11" und "12", ... "13" war nicht mehr soooo gut).

Kurze Schnipsel zum Thema:
"Buffy": Richtig, die Genre-*Klischees* werden u.a. erträglich, ja sogar aufgewertet, durch die ironische Behandlung. Andererseits schwenkt die Serie aber auch ins Gegenteil, sprich: versieht die Genre-Formeln mit einem erfrischenden Anteil *echter* Lebensweltlichkeit und Realismus. -- Ich verweise auf die grandiose Folge "The Body", einer der für mich besten genre-phantastischen Behandlungen des Themas *plötzlicher natütlicher Tod eines Familienangehörigen*.

Grüße
Alex / molo

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#13 Theophagos

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Geschrieben 10 Dezember 2010 - 14:25

Alex, ich gebe dir in beiden Fällen im Wesentlichen recht. Aber mit einem gewissen Dreh. Bei den Krimis ging es mir darum, die Verwendung von Handlangern zu verteidigen. Ich meine, es hängt vom Plot ab, ob es Handlanger oder Eigenwillige bedarf. Plots, die Handlanger brauchen, finden sich meiner Erfahrung nach am häufigsten beim Krimi. Aber natürlich hast du recht: Es gibt auch gute Krimis mit eigenwilligen Protagonisten; O11 könnte man dazu zählen. Auch bei Buffy gege ich dir insofern recht, als dass die realistischen Folgen/Momente zum Erfolg der Serie beigetragen haben. Ob das nun i-Tüpfelchen oder gleichrangig ist, spielt, glaube ich, für deine Grundthese keine Rolle. Ich denke, in diesen beiden Punkten sind wir zu dicht bei einander, als dass sich weiteres Diskutieren lohnen würde. Theophagos

Bearbeitet von Theophagos, 10 Dezember 2010 - 14:26.

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#14 Anubizz

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Geschrieben 10 Dezember 2010 - 14:56

Auch wenn ich sehr gut verstehe, was Dich nervt, denke ich, dass es auch hier sehr darauf ankommt, wie man die Sache umsetzt. Will sagen: Man kann sowohl den Retter als auch den Bösewicht interessant inszenieren - wenn man es denn kann.


Sehe ich ähnlich. Manchmal hat auch die gute alte Weltrettungsqueste noch ihren Charme. Andererseits weiß ich nicht, ob ich es beispielsweise einem Markus Heitz abnehmen soll, dass seine Romane lesenswert sein sollen, wenn sie etwa einen originellen Schauplatz (z.B. die Weimarer Republik) haben. Mir drängt sich ein wenig der Eindruck auf, als kranke SFF immer noch daran, dass man sie als Ideenliteratur sieht, infolgedessen vorrangig die Originalität der Ideen beurteilt und manchmal vergisst, den Dingen Aufmerksamkeit zu schenken, die halt bei jeder Literatur ihre Rolle spielen: Stilistisches Können, erzählerische Stringenz, überzeugende Charaktere, ein bewusster und kritischer Umgang mit der Tradition u.ä. Das sage ich jetzt mal so, ohne generell leugnen zu wollen, dass das ewige Recycling von Plots und Motiven einfach nur nervtötend sein kann.

#15 molosovsky

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Geschrieben 10 Dezember 2010 - 20:10

Gedankensplitter (extrem unzusammenhängend).

Die Probleme von Genre-Konventionen beschäftigen mich schon seit einiger Zeit, vor allem angeregt durch ›nicht-phantastische‹ Romane, die mir aufgrund ihrer Tugenden mehr ›sense of wonder‹ zu verbreiten scheinen, als viele ›phantastische‹ Romane die ich anlese.

Vorsicht: das Wort ›Tugenden‹ soll signalisieren, dass ich noch sehr vom Gefühl geleitet das Terrain erkunde.

Wegen Krimis: Nicht umsonst bemüht das Englische bei weiter unterteilenden Genre-Ettiketierung den Begriff ›detective procedure, womit eine Gruppe von Kriminal-Fiktionen gemeint ist, die sich dem Ermittlungs-›Prozedere‹ (= einem bestimmten Vor-Gehen) folgen. †” Dies im Sinn meine ich, dass der Unterschied zwischen der (mehr oder minder deutlich strengen) Schematik einer Detektiv-Geschichte, und der Schematik der Fantasy-Queste überraschend gering ist.

Figuren: Die Anzahl an Fiktionen, bei denen die Figuren ›nur für sich‹ einfach sind, wenn sie also keine die Handlung vorantreibende Funktion haben, dürfte ziemlich überschaubar sein †¦ zudem auch gefährdet, ziemlich langweilige Prosa zu liefern. †” Trivialliteratur, wenn sie als denunziatorischer Begriff ins Feld geführt wird, meint ja zumeist solche Stoffe, in denen die Figuren eben ausschließlich, oder kaum etwas anderes als Handlungs-Treibmittel sind. Figuren, die sich ohne großen Aufwand runterkürzen lassen auf die einfachsten Archetypen, sprich: auf die einfachsten, vorhersehbaren und naheliegendsten Typen.

Lustgewinn findet beim Lesen ja unter anderem statt, dass man nachvollzieht (oder vorhersieht) wie und warum sich Dinge entwickeln (wobei hiermit auch Figuren gemeint sein können). Beim dramaturgischen Verlauf kann man entsprechend Phasen des Komplexitäts-Anstieges und der -Auflösung ausmachen.

Details: Auch Trivialliteratur und Genre-Stoffe die ihren Formeln und Konventionen treu bleiben, erreichen Tiefe, Abwechslung, Grenzüberschreitung, ›sense of wonder‹ und andere Fiktions-Tugenden, wenn sie es verstehen, ihrem Grundgerüst an Wohlbekannten und dem von ihr Erwarteten mittels wohldurchdachter, ordentlich recherchierter und somit oftmals überraschender Einzelheiten einen Mehrwert zu verleihen. †” Phantastische Weltenbauten, aber auch historische Stoffe, oder solche, die in einer anderen Weltgegend spielen als der Leserschaft vertraut ist, haben es da meiner Meinung nach schwerer, als ›herkömmliche, realistische, gegenwärtige‹ Stoffe.

Grüße
Alex / molo

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#16 † Christian Weis

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 10:40

Die Probleme von Genre-Konventionen beschäftigen mich schon seit einiger Zeit, vor allem angeregt durch ›nicht-phantastische‹ Romane, die mir aufgrund ihrer Tugenden mehr ›sense of wonder‹ zu verbreiten scheinen, als viele ›phantastische‹ Romane die ich anlese.

Der sense of wonder stellt sich doch meist dann ein, wenn die Figuren / der Hintergrund / die Story so lebendig werden, dass einem beim Lesen plötzlich die Augen aufleuchten wie bei einem kleinen Kind, das an Weihnachten ein Päckchen auspackt und etwas vorfindet, das es sich unbedingt gewünscht hat oder auch etwas anderes, das eine wirklich gelungene Überraschung darstellt. Wo man denkt: Jaa, genau das isses! Oder: Das ist ja noch viel besser als ich erwartet hatte! Es muss etwas sein, das einen bewegt, fasziniert, packt, mitreißt, amüsiert, erschreckt, gruselt oder oder oder ... Und das im Grunde ziemlich genreunabhängig.

#17 molosovsky

molosovsky

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 11:10

Sehr richtig. Genau diese Feststellung, dass der *sense of wonder* eigentlich etwas Genre-Übergreifendes ist, reizt mich. Die Freude am *sense of wonder* wird ja gerne als eine der Haupt-Attraktionen der phantastischen Genre genannt. Wenn diese Freude auch durch nicht-phantastische, ja sogar nicht-fiktionale Stoffe geliefert werden kann (siehe z.B. Dokumentationen wie "Unser Kosmos"), dann bleibt als Frage, was denn die speziefischen *sense of wonder*-Tugenden von SF, Fantasy, Horror usw sind. Das ist nur eine Möglichkeit, diesen Gedanken weitezuspinnen und anzuwenden. Grüße Alex / molo

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#18 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 11:21

Sense of Wonder bei SF wird meistens durch das "Novum", das eingeführt wird, und den Verlauf der Geschichte wesentlich beeinflusst, getragen. Dune wäre z.B. ein eher normales Königskinderepos in einem zukünftigen Arabien, wenn es nicht die Sandwürmer und das bewusstseinserweiterte "Spice" gäbe. (Obwohl ich auch besonders die Absage an Computer und entspr. die Mentats mochte.) S. auch Roberts' Science Fiction.

P.S.: Ich unterstütze auch das Thema im Sinne von besserer phantastischer Schreibe. Mich interessiert als Leser eher der Alltag in einer fremd(artig)en Welt. Bestimmt ja auch ein Grund warum Blade Runner (und Cyberpunk per se) so erfolgreich ist: Man fokussiert auf das (Über)Leben in der voll-mechanisierten Welt; es mag große (Welt-)Bewegungen irgendwo im nahen oder fernen Umfeld geben, die die Story beeinflussen, aber durch den persönlicheren Fokus ist das Dasein und die Entwicklung der betroffenen Menschen/Wesen das Wichtigste.

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Junge: (schockiert, aber er nickt)

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Junge: Ich habe einen! -...

Prof.: Nein, das genügt nicht. Kein Engländer kann das aussprechen. Hatte Fräulein Slate dir einen gegeben?

Junge: ... Robin.

Prof.: Und einen Nachnamen. [..]

Junge: Einen [anderen] Nachnamen... aussuchen?

Prof.: Englische Leute erfinden sich namentlich ständig neu.

(Studierter Brite in besten Jahren, vs. dem Jungen, den er vor kurzem vorm Verenden in einem chinesischen Slum rettete, grob übersetzt aus Babel, im Harper-Voyager-Verlag, S. 11, by Kuang)


#19 † Christian Weis

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 12:23

Sense of Wonder bei SF wird meistens durch das "Novum", das eingeführt wird, und den Verlauf der Geschichte wesentlich beeinflusst, getragen.

Ja, aber auch durch Figuren, die sich anders verhalten, als man zunächst vermutet. Und das muss dann nicht unbedingt an die SF geknüpft sein, sondern kann auch durch menschlich/unmenschlich geprägt sein. Natürlich auch durch komplett andersartig, was dann schon wieder ureigenstes SF-Thema ist (oder Fantasy-Thema, wenn man das dazunehmen will). Oder auch einfach nur das Zusammenspiel der Figuren - Beispiel dazu die ersten Episoden aus Hyperion, das ist ganz ganz großes Kino.

P.S.: Ich unterstütze auch das Thema im Sinne von besserer phantastischer Schreibe. Mich interessiert als Leser eher der Alltag in einer fremd(artig)en Welt.

Beispiel dazu: Träume von Pallahaxi (Der Sommer geht), wobei "Alltag" nicht unbedingt der Alltag der kleinen (=einfachen) Leute sein muss. Der Alltag von Paul Atreides oder Ender Wiggin können ebenso interessant sein.

Bearbeitet von ChristianW, 11 Dezember 2010 - 12:25.


#20 Konrad

Konrad

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 12:42

Ich habe mich schon oft gefragt, ob die Notwendigkeit mit SF-Klischees zu arbeiten nicht der eigentliche Pferdefuß der SF darstellt. Nach meinem Geschmack zeichnet einen guten Roman eine verborgene Wahrheit auf, den ein Leser in der Realität wiedererkennt. Der Roman führt im Leser vorhandene Bilder der Realität zusammen und läßt ihn einen neuen Zusammenhang erkennen. Nun hat die SF das Problem der Novae, die keine Realbilder sind, sondern meistens variierte Klischees aus anderen SF-Quellen. Zusammenhänge sind oft nur tradierte SF-Pseudologik, die selten eine neue Wahrheit in der Realwelt aufdeckt.

Bearbeitet von Konrad, 11 Dezember 2010 - 15:33.


#21 † Christian Weis

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 13:03

Ich habe mich schon oft gefragt, ob die Notwendigkeit mit SF-Klischees zu arbeiten nicht der eigentliche Pferdefuß der SF darstellt.

Eine Notwendigkeit besteht ja nicht unbedingt, jedenfalls nicht was das Klischeeaufwärmen betrifft - aber das mit dem Pferdefuß ist ganz sicher recht häufig so.

Wann sich der sense of wonder einstellt, ist allerdings auch sehr stark vom jeweiligen Leser und seinen Erwartungen abhängig. Ein Hardcore-SFler erwartet da möglicherweise etwas anderes als ein Genrespringer. Das ist wie beim Fußball - dem einen macht das Zugucken nur Spaß, wenn möglichst viele (und schöne) Tore fallen, der andere kann auch einem 0:0 etwas abgewinnen, wenn er sich an taktischen Spielchen erfreuen kann.

Bearbeitet von ChristianW, 11 Dezember 2010 - 13:04.


#22 Konrad

Konrad

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 14:07

Eine Notwendigkeit besteht ja nicht unbedingt, jedenfalls nicht was das Klischeeaufwärmen betrifft - aber das mit dem Pferdefuß ist ganz sicher recht häufig so.

Der Begriff Klischee wird ja häufig als Totschläger verwendet, was nicht meine Intention ist.
Die meisten SF-Szenarien sind aber nun mal tradierte Kunstbilder, also Klischees.
Und auch die Vorstellungen der Leser entstehen überwiegend durch Klischeewissen.

Bearbeitet von Konrad, 11 Dezember 2010 - 14:15.


#23 Susanne11

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 14:20

Vielleicht darf man an die Masse der erscheinenden Phantastik- und SciFi-Bücher nicht so hohe Ansprüche stellen. Herausragende Romane gibt es nur selten, so wie herausragende Leistungen in anderen Bereichen auch eher selten sind. Gestern hatte ich Zeit und Lust in einer großen hiesigen Buchhandlung etwas zu stöbern. Es hat keinen Spass gemacht. Die Nachahmer beherrschen das Feld und zwar in einem stetig wachsenden Umfang. Und die meisten Nachahmer sind nun mal Nachahmer und keine Innovatoren. Das Thema hatten wir neulich schon mal. Um in der Masse der Bücher etwas zu finden, was ich lesen wollte, hätte ich wahrscheinlich stundenlang stöbern müssen. Dazu hatte ich keine Lust. Zuviel Gute, zuviele Böse, zuviel Waisenkinder, zuviel zu rettende WasWeissIchWas und vor allen Dingen zuviel Vampire. (Was Frauen an Vampiren finden ist mir unverständlich.) Ein wirklich gut gelungener Sci-Fi-Roman ist "Gewitter über Pluto". Warum der den deutschen Krimi Preis bekommen hat verstehe ich nicht. Es gab sogar Kritiker, die haben das Buch für eine Satire auf Sci-Fi gehalten. Steinfest ist schlichtweg innovativ und kümmert sich nicht um Genregrenzen.

Bearbeitet von TrashStar, 11 Dezember 2010 - 14:20.


#24 Konrad

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 15:01

Vielleicht darf man an die Masse der erscheinenden Phantastik- und SciFi-Bücher nicht so hohe Ansprüche stellen. Herausragende Romane gibt es nur selten, so wie herausragende Leistungen in anderen Bereichen auch eher selten sind.

Hm, ich merke schon, ich habe den Gedanken nicht gut rübergebracht.
SF-Autoren sind so unglaublich Stolz und fokussiert auf die Innovation bei der Variation eines SF-Klischees.
Für mich kommt es aber auf einen anderen Anteil eines SF-Romans an, als der, den man als SF-spezifisch benennen würde.
Ich möchte über Menschen und Situationen lesen, wie es sie auch in der Realität geben kann.
Die SF-Bühne ist für mich ein netter Rahmen, mehr nicht.
Komischerweise scheint das die Mehrzahl der SF-Autoren anders zu sehen. :P

#25 molosovsky

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 15:04

TrashStar hat freilich Recht damit, dass der Großteil der phantastischen Ware aus Nachahmern besteht. Bei meinen Gedanken geht es mir aber nur zum geringeren Teil darum, das Feld zu kritisieren. Interessant fand ich meine eigene Erfahrung damit, wie nicht-phantastische Romane mir als Leser den Blick dafür schärfen konnten, was im Rahmen der *üblichen* Ideen der Phantastik innovative Kraft zu entwickeln vermag. -- Können sich freilich auch Autoren oder Kritiker zu Herzen nehmen :-) Grüße Alex / molo

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#26 Anubizz

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 15:14

Für mich kommt es aber auf einen anderen Anteil eines SF-Romans an, als der, den man als SF-spezifisch benennen würde.
Ich möchte über Menschen und Situationen lesen, wie es sie auch in der Realität geben kann.
Die SF-Bühne ist für mich ein netter Rahmen, mehr nicht.



Ungefähr das meinte ich, als ich von SF als Ideenliteratur sprach, die andere literarische Qualitäten oft vernachlässigt. Ich würde für mich aber dennoch nicht sagen, dass die SF-Bühne nur einen netten Rahmen darstellt. Ebenso wie in der Fantasy der Schauplatz eine eigenständige Rolle spielt, kommt es in der SF schon auch auf die Idee an †” in meinen Augen aber nicht so sehr, dass sie langweilige Charaktere und einen holprigen Stil wettmachen würde (zumal die verwendeten Ideen oft ja tatsächlich nicht besonders originell sind, sondern der x-te Aufguss).

#27 Lucardus

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 16:58

Ungefähr das meinte ich, als ich von SF als Ideenliteratur sprach, die andere literarische Qualitäten oft vernachlässigt. Ich würde für mich aber dennoch nicht sagen, dass die SF-Bühne nur einen netten Rahmen darstellt. Ebenso wie in der Fantasy der Schauplatz eine eigenständige Rolle spielt, kommt es in der SF schon auch auf die Idee an †” in meinen Augen aber nicht so sehr, dass sie langweilige Charaktere und einen holprigen Stil wettmachen würde (zumal die verwendeten Ideen oft ja tatsächlich nicht besonders originell sind, sondern der x-te Aufguss).

Ich denke, ein großes Problem für die meisten SF-Autoren (auch Fantasy) ist, dass sie zwar eine Handlung produzieren, aber da die Figuren in einer "fremden" Welt agieren, die dem Leser nicht so vertraut ist wie die seine, findet er weniger leicht emotionale Andockpunkte (Der Protagonist hört die selbe Musik, hat die selben Probleme in der Schule, sammelt ???-Kassetten). Dazu kommt, dass manche "Welten" nur wie Potjemkinsche Dörfer wirken, in denen auch die Handlungsträger nur herumlaufen wie vor einem toten, mit groben Strichen gemalten Hintergrund, auf dem ab und an ein paar Stühle verschoben werden oder ein Bösewicht im Aufzug hochgefahren wird. Ein SF / Fantasy Autor muss neben seiner Fähigkeit einen "Plot" zu fabrizieren nebenbei auch noch ein Demiurg, ein Weltenschöpfer sein, er kann oft nicht auf eine ihm und dem Leser vertraute Umgebung zurückgreifen, in der viele Dinge implizit bekannt sind. Das ist verdammt schwierig und fällt natürlich stärker ins Gewicht, wenn man als erfahrener Leser schon den Großteil des Sense of Wonder, der zumindest für mich die Anziehungskraft von SF und Fantasy ausmacht, schon erlebt hat und dann hinter das wackelige Gerüst schaut. "Mainstream-Romane" habe es da einfacher, den Zugang zum normalen Leser zu finden. Genre-Romane retten sich dann leichter mal in die Weltretter-Plots, was auch irgendwie paradox ist, wenn diese Welt dem Leser eher fremd als emotional vertraut ist. Wie kriegt man es hin, dass der Leser um eine Welt bangt, die völlig anders ist als die eigene?
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#28 Konrad

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 17:33

Wie kriegt man es hin, dass der Leser um eine Welt bangt, die völlig anders ist als die eigene?

Das ist die entscheidende Frage und da setzen viele Autoren auf das falsche Pferd.
Wenn ich mir die geschwätzigen 1000 Seiten Romane ansehe, scheinen diese zu glauben, man müsse die fremde Welt noch genauer, noch detaillierter beschreiben.
Ich halte das für ein falsches Konzept.
Eine hohe emotionale Bindung erreicht man nur mit den Phantasiefiguren, die sich der Leser in seinem Kopf an seine Vorstellungswelt angepaßt hat.
Je detaillierter diese im Roman beschrieben sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit Identifikationsbrüche zu setzen.

#29 Lucardus

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 17:50

Das ist die entscheidende Frage und da setzen viele Autoren auf das falsche Pferd.
Wenn ich mir die geschwätzigen 1000 Seiten Romane ansehe, scheinen diese zu glauben, man müsse die fremde Welt noch genauer, noch detaillierter beschreiben.
Ich halte das für ein falsches Konzept.
Eine hohe emotionale Bindung erreicht man nur mit den Phantasiefiguren, die sich der Leser in seinem Kopf an seine Vorstellungswelt angepaßt hat.
Je detaillierter diese im Roman beschrieben sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit Identifikationsbrüche zu setzen.

Ja und nein, irgendwie glaube ich schon, dass man z. B. den Herrn der Ringe ohne diese "tiefe" Welt nicht so sinnlich erleben würde, als hätte Tolkien alle Verweise auf andere Zeitalter, Sagen und dergleichen Beiwerk rausgelassen.

Die meisten 1000 Seiten Wälzer leiden meiner Erfahrung eher darunter, dass man z. B. Action-Szenen oder bestimmte Szenarien endlos auswalzt, nicht so sehr an den Details der Weltschöpfung. Mich hat z. B. beim Armageddon-Zyklus extrem genervt, dass Hamilton endlos die Eroberung einer Welt durch die Besessenen durchkaut und sich dabei in Einzelschicksale verliert, die letztlich in jedem Horror-Film ähnlich produziert werden. Zu viele "Handlungsträger", die eine Handlung durchleben, die mich aber letztlich irgendwann nicht mehr interessiert, weil andere Protagonisten es auch schon durchlebt haben, bloß auf einer anderen Welt und etwas anders. Das sind dann für mich Figuren, die mir emotional fremd bleiben, ich bleibe kalt dabei.
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#30 † Christian Weis

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Geschrieben 11 Dezember 2010 - 18:15

Eine hohe emotionale Bindung erreicht man nur mit den Phantasiefiguren, die sich der Leser in seinem Kopf an seine Vorstellungswelt angepaßt hat.

Für manchen SF-Fan ist aber genau das nicht so interessant - er/sie kriegt dann leuchtende Augen, wenn die Welt möglichst andersartig ist, die Figuren nicht an Menschen bzw. menschliches Verhalten erinnern, eine außerirdische/künstliche Intelligenz eben so ganz anders agiert und reagiert, als man es aus seiner eigenen (Vorstellungs)Welt kennt. Der sense of wonder stellt sich hier vielleicht genau dann ein, wenn es nicht um Personen oder Situationen geht, die man aus der eigenen Realität kennt. Zu dieser Leserspezies gehöre ich nicht, kann aber nachvollziehen, dass eben genau das auch seinen Reiz haben kann (auch wenn ich den oftmals nicht finde).

Bearbeitet von ChristianW, 11 Dezember 2010 - 18:17.



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