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Klassische Erzählweise vs Postmoderne in der SF


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214 Antworten in diesem Thema

#31 lapismont

lapismont

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Geschrieben 14 Dezember 2010 - 12:05

Wahrscheinlich definiert jeder Leser für sich selbst, was er als klassisch erzählt empfindet oder postmodern. Mir geht es eher so, dass ich beginne, eigentlich klassische Texte als modern zu empfinden. So ging es mir bei Meyrinks "Golem" und Bergeracs Reisen zur Sonne und zum Mond oder Voltaires "Candide" sind experimenteller als manche Aufreger heute. Der Großteil der Leser ist konservativ und bevorzugt konservative Werke. Man sollte das auch nicht wieder mit U/E erschlagen, denn das trifft es nicht. Ob ich bei der Lektüre Spaß habe, ist ja von vielen Dingen abhängig, der Stil ist nur eines davon. Nehmen wir Vinges Tiefen-Romane. Klassischer Plot und jede Menge Transzendenz-Blabla. Der Autor bemühte sich, die Komplexität durch Kompliziertheit zu vermitteln. Das würde ich nicht als modern, sondern als Mittel bezeichnen. Ich hab mir jetzt mal das von Molo verlinkte pdf zu Zettels Traum angeschaut. Sowas verstehe ich unter Postmoderne - Postmoderne ist aber nicht gesetzmäßig hochintellektuel, voller sprachlicher Experimente und spannungsarm.
Überlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.
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#32 simifilm

simifilm

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Geschrieben 14 Dezember 2010 - 12:17

Wahrscheinlich definiert jeder Leser für sich selbst, was er als klassisch erzählt empfindet oder postmodern.
Mir geht es eher so, dass ich beginne, eigentlich klassische Texte als modern zu empfinden. So ging es mir bei Meyrinks "Golem" und Bergeracs Reisen zur Sonne und zum Mond oder Voltaires "Candide" sind experimenteller als manche Aufreger heute.
Der Großteil der Leser ist konservativ und bevorzugt konservative Werke.

Man sollte das auch nicht wieder mit U/E erschlagen, denn das trifft es nicht. Ob ich bei der Lektüre Spaß habe, ist ja von vielen Dingen abhängig, der Stil ist nur eines davon.

Nehmen wir Vinges Tiefen-Romane. Klassischer Plot und jede Menge Transzendenz-Blabla. Der Autor bemühte sich, die Komplexität durch Kompliziertheit zu vermitteln. Das würde ich nicht als modern, sondern als Mittel bezeichnen.


Ich bin jetzt nicht sicher, ob ich Dich missverstehe, aber "modern" und "Mittel" sind ja keine Gegensätze. Was ich hier als "modern" bezeichne, sind die Elemente, die in der Zeit aufgekommen sind, die gemeinhin als literarische Moderne bezeichnet werden. Darin ist noch keine Wertung enthalten und es sind in dem Sinne immer "Mittel"; ein Begriff wie "modern" ist hier lediglich der Versuch, bestimmte Veränderungen in der literarischen Landschaft zu beschreiben. Dass solche Begriffe immer heikel sind und dass es immer Ausnahmen und Gegenbeispiele gibt, gehört zum Geschäft. Dennoch lassen sich gewisse Entwicklungen - eben zB. vom Realismus zur Moderne zur Postmoderne - nachzeichnen und Verallgemeinerungen ableiten. Das schliesst aber keineswegs aus, dass uns gewisse ältere Texte äusserst aktuell erscheinen und bestimmte Entwicklungen vorwegnehmen.

Auch die E/U-Trennung war von mir nicht wertend gemeint. Ich würde aber dennoch darauf beharren, dass sich - ebenfalls mit Ausnahmen - Unterhaltungsliteratur primär klassischer und nicht moderner oder postmoderner Stilmittel bedient. Zumindest wäre es mir neu, dass beispielsweise Collagetechniken à la Döblin oder Stream of consciousness à la Joyce zum festen Repertoire populärer SF-, Fantasy- oder Abenteurromane gehören.

Bearbeitet von simifilm, 14 Dezember 2010 - 16:41.

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Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

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#33 Jasper

Jasper

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Geschrieben 14 Dezember 2010 - 13:14

Vielen Dank, simifilm, für deine klugen Ausführungen! Ich stimme zu, möchte aber die simple Frage anschließen: warum - ist all dies so, wie du es treffend beschreibst? Denn nach wie vor scheint mir, dass die SF als Literatur, die sich mit alternativen Welten dem Programm nach beschäftigen will, doch eigentlich ein Interesse haben müsste, die Erzählformen der letzten hundert Jahre stärker aufzugreifen, wenn sie die Konstitution von Welt wirklich zeigen will bzw. die Machbarkeit anderer Welten ausloten will. Das muss ja gar nicht in ein rein verkopftes, unsinnliches, unspaßiges Erzählen müden, sondern könnte im Gegenteil auch den Weg zu eher spielerischen, ironischen Texten öffnen. Ich finde überhaupt nicht, dass das Aufbrechen sprachlicher/erzählerischer Gewohnheiten per se öder Selbstzweck sein muss - er kommt doch wohl drauf an, ob man damit interessante Fragen berührt. Ich teile aber auch den Eindruck, dass viele Leser und Leserinnen von SF die Erzählformen zeitgenössischer Literatur nicht nur nicht berücksichtigen, sondern sogar ablehnen. Und da greift dann wohl einfach der Literaturmarkt: Wer was verkaufen will, geht besser nicht zu weit. Sollte es in der SF am Ende gar nicht um Alternativen zur bestehenden Welt gehen, sondern um den Wunsch, durch technische Mittel und die Einrichtung unberührter Planeten zu Eindeutigkeit, Machbarkeit, platter Durchschaubarkeit zu gelangen? Na, wahrscheinlich trägt das Genre beide Tendenzen in sich, und zurzeit gewinnt eben diese die Oberhand. Wie simifilm richtig aufzeigt, fällt die Entstehung der SF im eigentlichen Sinn ja auch gerade in die Wasserscheide der Moderne, wo viele Entwicklungen, grob gesagt, Fortschrittliches und Reaktionäres in sich vereinen. Und die Frage, warum unsere Träume von der Zukunft eher konservative Träume sind, hat wahrscheinlich mit außerliterarischen Gründen zu tun, was? Nachtrag zu E und U: Mir ist bewusst, dass es auf dem Markt und auch in den Köpfen vieler Lesender diese Unterscheidung gibt, mich stört sie aber maßlos. Ich sehe nicht ein, warum "Genre" anderen Maßstäben folgen soll, als "Literatur". Weder sollten sich SF-Geschichten die ganze Bandbreite erzählerischer Mittel versagen, noch sollte Literatur in den Grenzen des "Realen" verharren. Hülfe er nur was, der Hülferuf ;).

Bearbeitet von Jasper, 14 Dezember 2010 - 13:20.

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#34 simifilm

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Geschrieben 14 Dezember 2010 - 14:43

Vielen Dank, simifilm, für deine klugen Ausführungen! Ich stimme zu, möchte aber die simple Frage anschließen: warum - ist all dies so, wie du es treffend beschreibst?

Denn nach wie vor scheint mir, dass die SF als Literatur, die sich mit alternativen Welten dem Programm nach beschäftigen will, doch eigentlich ein Interesse haben müsste, die Erzählformen der letzten hundert Jahre stärker aufzugreifen, wenn sie die Konstitution von Welt wirklich zeigen will bzw. die Machbarkeit anderer Welten ausloten will. Das muss ja gar nicht in ein rein verkopftes, unsinnliches, unspaßiges Erzählen müden, sondern könnte im Gegenteil auch den Weg zu eher spielerischen, ironischen Texten öffnen. Ich finde überhaupt nicht, dass das Aufbrechen sprachlicher/erzählerischer Gewohnheiten per se öder Selbstzweck sein muss - er kommt doch wohl drauf an, ob man damit interessante Fragen berührt.

Ich teile aber auch den Eindruck, dass viele Leser und Leserinnen von SF die Erzählformen zeitgenössischer Literatur nicht nur nicht berücksichtigen, sondern sogar ablehnen. Und da greift dann wohl einfach der Literaturmarkt: Wer was verkaufen will, geht besser nicht zu weit.

Sollte es in der SF am Ende gar nicht um Alternativen zur bestehenden Welt gehen, sondern um den Wunsch, durch technische Mittel und die Einrichtung unberührter Planeten zu Eindeutigkeit, Machbarkeit, platter Durchschaubarkeit zu gelangen?

Na, wahrscheinlich trägt das Genre beide Tendenzen in sich, und zurzeit gewinnt eben diese die Oberhand. Wie simifilm richtig aufzeigt, fällt die Entstehung der SF im eigentlichen Sinn ja auch gerade in die Wasserscheide der Moderne, wo viele Entwicklungen, grob gesagt, Fortschrittliches und Reaktionäres in sich vereinen.

Und die Frage, warum unsere Träume von der Zukunft eher konservative Träume sind, hat wahrscheinlich mit außerliterarischen Gründen zu tun, was?

Nachtrag zu E und U: Mir ist bewusst, dass es auf dem Markt und auch in den Köpfen vieler Lesender diese Unterscheidung gibt, mich stört sie aber maßlos. Ich sehe nicht ein, warum "Genre" anderen Maßstäben folgen soll, als "Literatur". Weder sollten sich SF-Geschichten die ganze Bandbreite erzählerischer Mittel versagen, noch sollte Literatur in den Grenzen des "Realen" verharren. Hülfe er nur was, der Hülferuf ;).


Ich stimme Dir im Grunde in allem zu; das Aufbrechen erzählerischer Gewohnheiten muss überhaupt nicht Selbstzweck sein und kann gerade der SF gut zu Gesichte stehen (es gibt ja auch genug Autoren, die das zeigen). Zur Frage, warum da meiste SF stilistisch eher konservativ ist, eine (respektive mehrere) simple Gegenfragen: Warum verkauft sich belanglose Retortenpopmusik besser als avancierter Jazz, warum erreichen Filme von Michael Bay mehr Zuschauer als jene von Jim Jarmusch, warum hat Pro7 mehr Zuschauer als Arte? Weil es offensichtlich viele Leute gibt, denen das reicht, die nichts anderes wollen (oder meinen zu wollen). Mit Spekulationen, warum das so ist, welche psychischen Bedürfnisse da befriedigt werden, halte ich mich zurück. Schon wenn ich mir überlege, warum ich gewisse Dinge lese oder schaue, merke ich, dass ich das im Grunde nicht recht beantworten kann, und die ganze Eskapismus-Theorie hat mich nie wirklich überzeugt (oder vielmehr: mir ist nicht klar, warum anspruchsvolle Literatur nicht eskapistisch sein soll).

Noch einmal zur Trennung von E und U. Dass die Kategorien im Grunde idiotisch und doof sind, ist richtig. Dass sie aber dennoch wirksam sind, ebenfalls. Pynchon, Houllebecq oder Kracht haben alle Romane geschrieben, die unter SF fallen, sie schreiben aber nicht - oder nicht primär - für Genre-Fans, werden in der Buchhandlung nicht unter SF eingeordnet sein und werden im Feuilleton anders behandelt als genuine Genreautoren (dies ist bei Krimis auch nicht gross anders). Dass dies keineswegs so sein muss, zeigt etwa die englische Literatur: Autoren wie Wells, Huxley, Lewis oder Orwell wurden als "ernsthafte Autoren" wahrgenommen, sind aber zugleich auch unbestritten wichtige Figuren innerhalb ihrer Genres.

Bearbeitet von simifilm, 14 Dezember 2010 - 16:43.

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#35 Lucardus

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Geschrieben 14 Dezember 2010 - 17:45

Dass dies keineswegs so sein muss, zeigt etwa die englische Literatur: Autoren wie Wells, Huxley, Lewis oder Orwell wurden als "ernsthafte Autoren" wahrgenommen, sind aber zugleich auch unbestritten wichtige Figuren innerhalb ihrer Genres.

Diesen Autoren muss man aber auch zugestehen, dass sie auch einem größeren Leserkreis zugänglich sind. Im deutschsprachigen Raum habe ich aber den Eindruck, dass man Literatur lieber als Kunst verarbeitet und total vom normalen Leser abschottet, schon durch die Präsentation. Beispiel Fernsehen: Viele Buchsendungen sind eher elitär (Literarisches Quartet, die Vorleser, Bachmann-Preis) oder geben sich volksnah geben, aber zu den "trivialen Genres" ganz offen "so einen Mist muss man nicht lesen" verkündet (Heidenreich) , Leute wie Denis Scheck, die gerne und mit Wonne mal ein Loblied auf Genre-Literatur (egal welches) singen, sind in der deutschen Literaturszene selten und auch dann nur für Leute mit HD-Rekorder oder Einschlafschwierigkeiten zu sehen. Hierzulande wird Literatur eben als Literatur verkauft, das darf und kann offenbar nicht gemischt werden oder gleichbedeutend sein mit gewöhnlichen Romanen. Dadurch erhält der Leser den Eindruck einer unüberwindbaren Grenze. Das ist nichts für mich. Das ist mir zu hoch. Dass aber so ein Stück "hoher" Literatur vielleicht nur so unzugänglich erscheint, weil irgendwelche Vollgermanisten sich daran hochschwurbeln und unverständliche wortverliebte Kritiken in die Welt tönen, setzt oft schon eine psychologische Sperre beim potentiellen Leser.

Zum eigentlichen Thema zurück. Ich muss zugegeben, dass ich der Diskussion nicht mehr wirklich gut folgen kann, weil für mich als Laien

- der Begriff Postmodern nicht fassbar ist, offenbar aber auch für die Fachleute nicht
- hier diesmal dann doch Referenzen erwähnt werden, von denen ich nie von gehört habe (Filmbereich vermute ich)
- es wieder darauf hinauszulaufen scheint, dass die "Laien" sich hier nicht her trauen.

Aufgaben für die Experten:

Da der Begriff Postmoderne in der Überschrift auftaucht, muss er auch klar definiert sein oder darf nicht benutzt werden.
Schraubt euch bitte eine Ebene herunter, sonst hängt ihr 90% der Mitleser ab und es wird langweilig und unergiebig.

Liebe schweigende Mehrheit!

Je mehr ihr die Experten allein lasst, desto expertenhafter wird diskutiert. Also hertrauen, Maul aufreißen.

Oder stellt doch einfach mal in paar "doofe" Fragen. Nur dadurch kann eine Diskussion auch mehr bringen als, dass sich immer die selben Leute miteinander unterhalten. So kommt kein Informationsfluss zustande bzw. es bleibt ein geschlossener Kreis.

So jetzt muss ich warten, bis mir jemand wieder einen Ansatz bietet, bei dem ich mitdenken kann. ;)
Goodreads: Ich lese gerade" (sorry, nur für "Mitglieder" sichtbar)
Wer mal reinschauen will: http://www.goodreads.com/

#36 lapismont

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Geschrieben 14 Dezember 2010 - 18:01

Da der Begriff Postmoderne in der Überschrift auftaucht, muss er auch klar definiert sein oder darf nicht benutzt werden.


Ich bin kein Experte, aber der Meinung, das der Begriff Postmoderne in der Literatur schon längst überholt ist. Was mal als der Moderne folgende Stilistik gedacht ist, verwendet doch inzwischen jeder Autor nach Belieben ohne damit einer Bewegung angehören zu wollen.

;)
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#37 simifilm

simifilm

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Geschrieben 14 Dezember 2010 - 18:59

Diesen Autoren muss man aber auch zugestehen, dass sie auch einem größeren Leserkreis zugänglich sind. Im deutschsprachigen Raum habe ich aber den Eindruck, dass man Literatur lieber als Kunst verarbeitet und total vom normalen Leser abschottet, schon durch die Präsentation. Beispiel Fernsehen: Viele Buchsendungen sind eher elitär (Literarisches Quartet, die Vorleser, Bachmann-Preis) oder geben sich volksnah geben, aber zu den "trivialen Genres" ganz offen "so einen Mist muss man nicht lesen" verkündet (Heidenreich) , Leute wie Denis Scheck, die gerne und mit Wonne mal ein Loblied auf Genre-Literatur (egal welches) singen, sind in der deutschen Literaturszene selten und auch dann nur für Leute mit HD-Rekorder oder Einschlafschwierigkeiten zu sehen. Hierzulande wird Literatur eben als Literatur verkauft, das darf und kann offenbar nicht gemischt werden oder gleichbedeutend sein mit gewöhnlichen Romanen. Dadurch erhält der Leser den Eindruck einer unüberwindbaren Grenze. Das ist nichts für mich. Das ist mir zu hoch. Dass aber so ein Stück "hoher" Literatur vielleicht nur so unzugänglich erscheint, weil irgendwelche Vollgermanisten sich daran hochschwurbeln und unverständliche wortverliebte Kritiken in die Welt tönen, setzt oft schon eine psychologische Sperre beim potentiellen Leser.


Da sind nun so viele Pauschalisierungen und Verallgemeinerunegn drin, dass ich nur eines sage: jeder ist selbst für das verantwortlich, was er liest. Irgendwelchen ominösen Kritikern oder Germanisten die Schuld daran geben, dass man selbst nur Triviales liest, finde ich dann doch etwas zu einfach.

Zum eigentlichen Thema zurück. Ich muss zugegeben, dass ich der Diskussion nicht mehr wirklich gut folgen kann, weil für mich als Laien

- der Begriff Postmodern nicht fassbar ist, offenbar aber auch für die Fachleute nicht
- hier diesmal dann doch Referenzen erwähnt werden, von denen ich nie von gehört habe (Filmbereich vermute ich)
- es wieder darauf hinauszulaufen scheint, dass die "Laien" sich hier nicht her trauen.

Aufgaben für die Experten:

Da der Begriff Postmoderne in der Überschrift auftaucht, muss er auch klar definiert sein oder darf nicht benutzt werden.
Schraubt euch bitte eine Ebene herunter, sonst hängt ihr 90% der Mitleser ab und es wird langweilig und unergiebig.


Welche Laus ist denn Dir über die Leber gelaufen; warum der aggressive Tonfall? Hat Dir hier jemand was angetan? Niemand der hier im Thread Aktiven ist Schuld daran, dass der Begriff der Postmoderne alles andere als eindeutig ist.

Also, hier mal der Versuch einer allgemeineren Definition: Die Postmoderne folgt auf die Moderne; ihr Beginn ist zeitlich also irgendwann in den Fünfzigern anzusiedeln. Die PM kann historisch als Reaktion auf die Moderne verstanden werden, die formal und stilistisch bereits alle Extreme betrieben hat - komplette Abstraktion resp. nur noch aufgeschlitzte Leinwände in der Malerei, Zerstörung oder Collage der Sprache bei Dada oder Burroughs, Atonalität oder schlichter Lärm in der Musik. Kurz gesagt: Alles wurde schon versucht, es gibt keine neuen Formen mehr. Die Postmoderne reagiert darauf, indem sie spielerisch wieder alte Formen aufnimmt, zitiert, ironisiert etc. Als Stil kann postmodern somit als freies Spiel mit bereits bestehenden Formen verstanden werden.

In der Philosophie - Lyotard wurde bereits angesprochen - wird damit u.a. das Ende der "grossen Erzählungen" gemeint, der Zerfall des Glaubens an traditionelle Systeme wie Religion, politische Ideologien oder den Fortschrittsgedanken der Aufklärung aber generell die Idee, dass sich die Welt in einer einheitlichen wissenschaftlichen Sprache erklären lässt. Gemäss Lyotard haben wir es heute mit einer Vielzahl unvereinbarer, zersplitterter Wissensformen zu tun. Bei Lyotards Landsmann Baudrillard wird die Sache dann noch weiter getrieben: Die These hier wäre, dass in unserer medial geprägten Welt, die mediale Welt die reale ersetzt. Auch wenn ich Baudrillard für einen Schwafler halte, geht die Idee in die gleiche Richtung: Die eine "echte" Realität gibt es nicht mehr.

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#38 Susanne11

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Geschrieben 14 Dezember 2010 - 21:22

Welche Laus ist denn Dir über die Leber gelaufen; warum der aggressive Tonfall? Hat Dir hier jemand was angetan? Niemand der hier im Thread Aktiven ist Schuld daran, dass der Begriff der Postmoderne alles andere als eindeutig ist.

Es vielleicht ein Fehler von Dir, die Diskussion sofort mit formalen Kategorien und Einordnungen und historischen Sachverhalten zu überschütten. Versuch doch mal locker an die Diskussionen heranzugehen und die Begriffe nicht gleich so tierisch ernst zu nehmen und alles so eng zu sehen.

Dies ganze literaturwissenschaftliche Hintergrundwissen ist für die Diskussion nicht notwendig. Es geht eigentlich um ganz simple Sachen, für deren Diskussion man keinerlei "Fachwissen" braucht.

#39 simifilm

simifilm

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Geschrieben 14 Dezember 2010 - 21:36

Es vielleicht ein Fehler von Dir, die Diskussion sofort mit formalen Kategorien und Einordnungen und historischen Sachverhalten zu überschütten.


Der Thread mag ein bisschen anspruchsvoller ist als andere hier im Forum, ist mir bewusst. Na und? Das ist kein Grund, pampig zu werden. Niemand ist gezwungen mitzulesen. Und wenn jemand Verständnisschwierigkeiten haben sollte, kann er oder sie ganz einfach nachfragen.

Bearbeitet von simifilm, 14 Dezember 2010 - 22:29.

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#40 Gast_Frank Böhmert_*

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 09:07

Ich will, damit dieser Thread nicht ganz in der Metakommunikation verdorrt, auch mal meinen Senftopf aufmachen.


-----

Erstes Stichwort:

Mittel

Jemand, mir fällt nicht mehr ein, wer, hat mal als Tipp an angehende Schriftsteller gesagt: Wenn merkwürdigen Leuten merkwürdige Dinge passieren, ist das eine Merkwürdigkeit zu viel.

Das ist vielleicht der Grund, warum viele normale Leser aussteigen, wenn sie in ein Stück SF reinlesen.

Moderne und postmoderne Erzähltechniken steigern das Ganze noch: Dann passieren merkwürdigen Leuten merkwürdige Dinge, und wir erfahren in merkwürdigem Stil darüber.

Das ist vielleicht der Grund, warum viele SF-Leser aussteigen, wenn sie in so ein Stück SF reinlesen.


-----

Zweites Stichwort:

ganz simple Sachen

Es gibt, quasi unterhalb solcher Unterscheidungen wie "klassisch", "modern", "postmodern", zwei Strömungen, in denen sich die Autorenfische bewegen. Die einen begreifen sich als Künstler, die anderen als Erzähler.

Der Erzähler ist so alt wie die Sprache. Er ist Schamane. Er erzählt seinen Leuten, was war und was sein könnte; er positioniert sie in der Zeit, im Kosmos; er hilft ihnen, Entscheidungen zu fällen.

(Kommt euch das bekannt vor im Bezug auf SF?)

Der Erzähler greift zu jedem Mittel, das ihm hilft, seine Geschichte rüberzubringen. Er wird jedes Mittel sparsam verwenden, das dazu führt, dass die Leute am Lagerfeuer anfangen rumzuquatschen.


Besten Gruß in die Runde,
mit einem fröhlichen Winken zu simifilm und TrashStar, die ich beide als Mitforisten schätze, solange sie sich nicht in Metakommunikation ergehen,
Frank

#41 Naut

Naut

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 09:21

Jemand, mir fällt nicht mehr ein, wer, hat mal als Tipp an angehende Schriftsteller gesagt: Wenn merkwürdigen Leuten merkwürdige Dinge passieren, ist das eine Merkwürdigkeit zu viel.

Das ist vielleicht der Grund, warum viele normale Leser aussteigen, wenn sie in ein Stück SF reinlesen.

Moderne und postmoderne Erzähltechniken steigern das Ganze noch: Dann passieren merkwürdigen Leuten merkwürdige Dinge, und wir erfahren in merkwürdigem Stil darüber.

Das ist vielleicht der Grund, warum viele SF-Leser aussteigen, wenn sie in so ein Stück SF reinlesen.

Das ist genau das, was ich meinte.

"Mainstream"-Leser: Normale Dinge passieren normalen oder seltsamen Leuten, normal erzählt.
SF-Leser: Seltsame Dinge passieren normalen oder seltsamen Leuten, normal erzählt.
"Literatur"-Leser: Normale Dinge passieren normalen Leuten, seltsam erzählt.
"New Wave"-SF-Leser: Seltsame Dinge passieren seltsamen Leuten, seltsam erzählt.

Alles nur Kombinatorik. :thumb:
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#42 lapismont

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 09:29

yup, ich glaube der Lagerfeuer-Vergleich trifft es ganz gut. Je nach Lagerfeuergesellschaft kommt dann die Kunst oder die gute Erzählung an. Hab gestern einen Film über John Lennon in New York gesehen, da gab es eine Partyszene, bei der unter anderem auch Andy Warhol zu sehen war - den dürften andere Lagerfeuer interessiert haben, als etwa Ringo. :thumb:
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#43 Konrad

Konrad

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 10:37

Das ist genau das, was ich meinte.

"Mainstream"-Leser: Normale Dinge passieren normalen oder seltsamen Leuten, normal erzählt.
SF-Leser: Seltsame Dinge passieren normalen oder seltsamen Leuten, normal erzählt.
"Literatur"-Leser: Normale Dinge passieren normalen Leuten, seltsam erzählt.
"New Wave"-SF-Leser: Seltsame Dinge passieren seltsamen Leuten, seltsam erzählt.

Alles nur Kombinatorik. :thumb:

Uiii, hast du ein Praktikum bei Hugendubel gemacht? :P

Ich halte das noch nicht für ausgemacht, daß das ein Leser-Problem ist.
Da halte ich mal die These dagegen, daß der Weltenbau bei der SF ein so schwieriges Geschäft ist, daß es die Autoren wegen limitierter Gehirnkapazität nicht schaffen, sich auch noch mit komplizierten Vermittlungstechniken zu befassen. ;)

#44 Morn

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 11:00

Da sind nun so viele Pauschalisierungen und Verallgemeinerunegn drin, dass ich nur eines sage: jeder ist selbst für das verantwortlich, was er liest. Irgendwelchen ominösen Kritikern oder Germanisten die Schuld daran geben, dass man selbst nur Triviales liest, finde ich dann doch etwas zu einfach.


@ simifilm:

So sehr, wie du meinst, scheint mir Lucardus in seinem Post nicht zu verallgemeinern. Mir scheint, dass viele Leute tatsaechlich nur lesen, was "in" ist und viele Leute lesen oder was von mehr oder weniger renommierten Kritikern als lesenswert gepriesen wird. Ich hatte damals den Eindruck, dass die Buecher, die Elke Heidenreich besprochen hat, nach der Sendung sehr oft gekauft wurden.

Nebenbemerkung: Ich emfand Lucardus' Post nicht als aggressiv oder pampig. Und fand es gut, dass er sich gemeldet hat mit seinem Wunsch nach naeheren und fuer ihn verstaendlicheren Erlaeuterungen.


Back to Topic:
Frank Ansatz mit dem Erzaehlen am Lagerfeuer ist mMn sehr einleuchtend.

#45 simifilm

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 11:10

@ simifilm:

So sehr, wie du meinst, scheint mir Lucardus in seinem Post nicht zu verallgemeinern. Mir scheint, dass viele Leute tatsaechlich nur lesen, was "in" ist und viele Leute lesen oder was von mehr oder weniger renommierten Kritikern als lesenswert gepriesen wird. Ich hatte damals den Eindruck, dass die Buecher, die Elke Heidenreich besprochen hat, nach der Sendung sehr oft gekauft wurden.


So verstehe ich Lucardus' Post aber überhaupt nicht; ich lese da im ersten Absatz primär Gemotze gegen zu elitäre Kritiker, die "dem Leser den Eindruck einer unüberwindbaren Grenze" vermitteln.

Frank Ansatz mit dem Erzaehlen am Lagerfeuer ist mMn sehr einleuchtend.


Ich muss gestehen, dass ich mit der Unterteilung Erzähler/Künstler Mühe habe, weil sie eigentlich wenig aussagt. Respektive: Am Ende wird das dann wieder eine sehr subjektive Geschichte. Im Grunde kommt in dieser Unterscheidung auch nichts anderes zum Ausdruck, als wenn Amtranik zu Beginn dieses Threads schreibt, dass Lesen primär Spass machen soll. Ich behaupte: Es gibt wenig Leser, die nicht Spass am Lesen suchen, und die meisten wollen tatsächlich auch "etwas erzählt" und nicht l'art pour l'art vorgesetzt kriegen. Was man aber als spassbringende Erzählung oder als dröges Kunstgewerbe ansieht, ist wiederum sehr individüll.

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#46 Susanne11

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 11:18

Zweites Stichwort:

Es gibt, quasi unterhalb solcher Unterscheidungen wie "klassisch", "modern", "postmodern", zwei Strömungen, in denen sich die Autorenfische bewegen. Die einen begreifen sich als Künstler, die anderen als Erzähler.

Der Erzähler ist so alt wie die Sprache. Er ist Schamane. Er erzählt seinen Leuten, was war und was sein könnte; er positioniert sie in der Zeit, im Kosmos; er hilft ihnen, Entscheidungen zu fällen.

(Kommt euch das bekannt vor im Bezug auf SF?)

Der Erzähler greift zu jedem Mittel, das ihm hilft, seine Geschichte rüberzubringen. Er wird jedes Mittel sparsam verwenden, das dazu führt, dass die Leute am Lagerfeuer anfangen rumzuquatschen.

Das ist ein sehr schönes Bild und trifft mein Erleben beim Lesen haargenau. Viele Geschichten empfinde ich als wahr - auf einer sehr tiefen Ebene und eher unabhängig davon, in welchem Umfeld der Erzähler die Geschichte angesiedelt hat. Ein magischer oder tiefenpsychologischer Ansatz bei der Diskussion trifft meine Interessen viel mehr als ein literaturwissenschaftler oder naturwissenschaftlicher Ansatz.
Vielen Dank für den Ausweg aus meiner Sackgasse.

#47 Thomas Sebesta

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 11:33

... Ich muss gestehen, dass ich mit der Unterteilung Erzähler/Künstler Mühe habe, weil sie eigentlich wenig aussagt. ...


Nun, ich kann einer solchen Unterteilung schon etwas abgewinnen in der Form, dass bei dem einen (dem Erzähler) die Geschichte im Vordergrund steht. Er ist bemüht, die Geschichte in einer Form wieder zu geben, die dem durchschnittlichen daran Interessierten es ermöglicht, ihr zu folgen und sie zu begreifen.

Dem "Künstler" wiederum geht es mehr um die die Form der Erzählung. Es scheint nicht so wichtig zu sein, ob der Durchschnittsleser die Geschichte dahinter mitbekommt, sondern dass ein Gesamtkunstwerk geschaffen wird, in der eigentlich so viel Interpretationsraum für den Leser verbleibt, dass im Grunde jeder Leser seine eigene Geschichte macht.

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#48 simifilm

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 11:41

Nun, ich kann einer solchen Unterteilung schon etwas abgewinnen in der Form, dass bei dem einen (dem Erzähler) die Geschichte im Vordergrund steht. Er ist bemüht, die Geschichte in einer Form wieder zu geben, die dem durchschnittlichen daran Interessierten es ermöglicht, ihr zu folgen und sie zu begreifen.


Wenn es dem Erzähler um den "durchschnittlich Interessierten" geht, haben wir am Ende einfach eine weitere Bezeichnung der Unterscheidung Massenliteratur/hohe Literatur oder E und U oder was es da sonst noch an Begriffspaaren gibt. Wie ich schon gesagt habe, halte ich diese Unterscheidung nicht für grundlegend falsch (denn sie existiert im Literaturmarkt), sie nützt mir aber wenig, wenn ich tatsächlich einen konkreten Text vor mir habe. Im Grunde sagt die Unterscheidung Künstler/Autor ja nur etwas über die Absichten des Autors aus, allenfalls noch über die Wirkung beim individuellen Leser, aber nicht über den Text selbst.

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#49 lapismont

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 11:55

Im Grunde sagt die Unterscheidung Künstler/Autor ja nur etwas über die Absichten des Autors aus, allenfalls noch über die Wirkung beim individuellen Leser, aber nicht über den Text selbst.


Vielleicht doch. Der Text ist ja konzipert worden, um seine leser zu erreichen, er muss sich daher an gewisse Normen/Standards halten. Das Kunstwerk ist da komplett frei. Es benötigt keinen Adressaten.
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#50 simifilm

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 12:00

Vielleicht doch. Der Text ist ja konzipert worden, um seine leser zu erreichen, er muss sich daher an gewisse Normen/Standards halten. Das Kunstwerk ist da komplett frei. Es benötigt keinen Adressaten.


Streng genommen muss sich ja jeder Text an irgendwelche Normen halten, und sei es auch nur, dass da Buchstaben auf einem Blatt stehen. Und wenn wir von ganz extremen Fällen absehen - wobei mir da vor allem Lyrik einfällt -, sind viele dieser Normen auch relativ gut etabliert. Literarische Texte, die sich um jegliche Normen und Leser foutieren, sind nun wirklich die Ausnahme.

Bearbeitet von simifilm, 15 Dezember 2010 - 12:03.

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#51 Konrad

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 12:01

Es gibt, quasi unterhalb solcher Unterscheidungen wie "klassisch", "modern", "postmodern", zwei Strömungen, in denen sich die Autorenfische bewegen. Die einen begreifen sich als Künstler, die anderen als Erzähler.

Der Erzähler ist so alt wie die Sprache. Er ist Schamane. Er erzählt seinen Leuten, was war und was sein könnte; er positioniert sie in der Zeit, im Kosmos; er hilft ihnen, Entscheidungen zu fällen.

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Der Erzähler greift zu jedem Mittel, das ihm hilft, seine Geschichte rüberzubringen. Er wird jedes Mittel sparsam verwenden, das dazu führt, dass die Leute am Lagerfeuer anfangen rumzuquatschen.

Nun, das ist eine spaltende Betrachtung, die unterschwellig einem gewissen Vorurteilt frönt, nämlich daß ein Künstler sich selbst genügt, im Grunde nichts "rüberbringen" will, nur noch Freude an einer zwecklosen Form hat.
Ich bin der Überzeugung, daß moderne literarische Formen der Kommunikation zwischen Autor und Leser dienen, und nicht nur Selbstzweck sind.
Aber ebenso, wie einem Liebhaber naturalistischer Bilder die Interpretation abstrakter Bilder Mühe bereitet, findet oft ein Liebhaber der klassischen Erzähltradition keinen Zugang zu postmoderner Literatur.

#52 Gast_Frank Böhmert_*

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 12:31

haben wir am Ende einfach eine weitere Bezeichnung der Unterscheidung Massenliteratur/hohe Literatur oder E und U oder was es da sonst noch an Begriffspaaren gibt

Diese Begriffspaare bilden eine vertikale Achse. Erzähler/Künstler liegen auf einer horizontalen Achse.

Nun, das ist eine spaltende Betrachtung, die unterschwellig einem gewissen Vorurteilt frönt, nämlich daß ein Künstler sich selbst genügt, im Grunde nichts "rüberbringen" will, nur noch Freude an einer zwecklosen Form hat.

Siehe oben. Der Künstler, wie ich ihn hier meine, ist nichts Schlechteres.

Ich versuche mich mal an einer Beschreibung analog zu meiner Erzähler-Beschreibung:

Der Künstler ist so alt wie das Ich. Er ist Schöpfer, Gebärender. Er bringt nach außen, was innen ist.

Der Künstler greift zu jedem Mittel, das ihm hilft, sich in seiner Gänze auszudrücken. Er wird jedes Mittel sparsam verwenden, das, weil sattsam bekannt, diesen Ausdruck verschwimmen lässt.

#53 Gast_Frank Böhmert_*

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 12:41

Mir ging es beim Aufmachen dieser Achse Erzähler/Künstler vor allem darum:

Der Erzähler ist so alt wie die Sprache. Er ist Schamane. Er erzählt seinen Leuten, was war und was sein könnte; er positioniert sie in der Zeit, im Kosmos; er hilft ihnen, Entscheidungen zu fällen.

(Kommt euch das bekannt vor im Bezug auf SF?)

Ich denke, das ist eine der möglichen Antworten auf die Frage, warum in der SF die klassischen Erzählweisen bevorzugt werden: Sie dockt an diese schamanische Tradition an.

#54 Susanne11

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 13:03

Mir ging es beim Aufmachen dieser Achse Erzähler/Künstler vor allem darum:

Ich denke, das ist eine der möglichen Antworten auf die Frage, warum in der SF die klassischen Erzählweisen bevorzugt werden: Sie dockt an diese schamanische Tradition an.

Es geht darum, ob ein Autor Zugang zu dieser Ebene (der Ebene der archetypischen Inhalte) hat oder nicht.

Nehmen wir mal die Erlösungssehnsucht (Weltenrettung). Dieses Thema hat eine 2000jährige christliche Tradition und ist in kollektiven Bewusstseinsbereichen wahrscheinlich tief verankert. Die Sehnsucht nach einem Erlöser und nach dem Sieg über das Böse (was immer das auch sein mag) ist zutiefst durch christliche Mythologie kontaminiert.

Ein anderes Beispiel ist Neil Gaiman. Der hat einen sehr guten Zugang zu heidnischen Inhalten und kann das schriftstellerisch auch gut umsetzen.

#55 raps

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 13:11

Ich glaube, ich bin zu nüchtern für Schamanen ;) und in dieser Diskussion doch eher auf simifilms Seite. 1.) Zu simifilms 'abgehobener' Diskussionsweise: Wenn man über ein Thema redet, ist es halt oft nützlich, sich etablierter Terminologie zu bedienen, die einem lange Erklärungen erspart. Natürlich kann man in einer Diskussion auch ohne den Begriff der Postmoderne und andere Fachbegriffe auskommen, aber mir scheint in dem Fall die Gefahr groß, ständig nebulös leicht an einander vorbeizureden. 2.) Zu Franks schamanischer Tradition: Es ist sicher keine schlechte Idee, als Autor einen Prosastil zu benutzen, den man gut laut vorlesen kann (irgendein oller Russe hat das mal irgendwo geschrieben - Gogol? Puschkin?: Er verlangte von seinen Texten, sie sollten sich gut anhören, wenn man sie abends laut vor dem prasselnden Kamin vorlas). Aber dass die Sprache der meisten SF-Texte so schlicht ist, wie sie ist, dürfte doch primär vermarktungstechnische Ursachen haben. Das Genre begann halt als 'pulp fiction', und außerdem ist fast jeder Bestseller aus welchem Genre auch immer sprachlich für die große Masse verdaulich. Grüße, Rainer

#56 Naut

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 13:32

Ich denke, Frank geht es hier nicht um schamanistische Textzauberei, sondern um semiotische Ebenen in der Textkommunikation: "Klassische" SF tendiert stärker in Richtung der Vermittlung von Informationen ("was ist wirklich passiert, was hat XY dabei gefühlt"). Der Autor will eine Information an den Leser vermitteln, dazu sind klassische Erzählweisen gut geeignet. Der "Künstler" will seinen eigenen inneren Zustand externalisieren, er will sein Gefühlsleben nach draußen bringen. Rezipient ist im Extremfall nur er selbst, andere Betrachter können (müssen aber nicht) ihm dabei egal sein. Es ist also eher eine Achse Ich<->Du oder Innen<->Außen, die hier aufgemacht wird.
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#57 Thomas Sebesta

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 13:33

Um Interessierten weiter zu helfen - hier ein Link zur Wikipedia auf die Definition "Postmoderner Roman"

und als Beispiel ein Link auf Walter Moers und seinen Roman "Die Stadt der träumenden Bücher" und die Charakteristika der Postmoderne darin.

Und weitere Vertreter, insbesondere dabei Umberto Eco mit „Der Name der Rose“ oder „Das Foucaultsche Pendel“ und
Michael Ende mit „Die unendliche Geschichte“.

Das sollte u.U. weiterhelfen in der Diskussion, weil greifbare Unterlagen. Man sieht dabei, dass Postmoderne nicht ausschließt, dass ein Roman verständlich ist ;)

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#58 simifilm

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 13:44

Diese Begriffspaare bilden eine vertikale Achse. Erzähler/Künstler liegen auf einer horizontalen Achse.


Siehe oben. Der Künstler, wie ich ihn hier meine, ist nichts Schlechteres.

Ich versuche mich mal an einer Beschreibung analog zu meiner Erzähler-Beschreibung:

Der Künstler ist so alt wie das Ich. Er ist Schöpfer, Gebärender. Er bringt nach außen, was innen ist.

Der Künstler greift zu jedem Mittel, das ihm hilft, sich in seiner Gänze auszudrücken. Er wird jedes Mittel sparsam verwenden, das, weil sattsam bekannt, diesen Ausdruck verschwimmen lässt.


Das Problem, das ich mit solchen Begriffen habe - und da stehen sich mit uns zwei Wohl Wissenschaftler und Schriftsteller gegenüber -, ist, dass es letztlich nur Bilder sind. Es mögen durchaus treffende Bilder sein, sie sagen mir aber zu wenig darüber aus, was im Text und zwischen Text und Leser geschieht. Denn das ist das, was mich am Ende eigentlich interessiert: Wie funktioniert ein Text, wie erreicht er seine Wirkung, welche Techniken kommen zum Einsatz und wo kommen die her.

1.) Zu simifilms 'abgehobener' Diskussionsweise:
Wenn man über ein Thema redet, ist es halt oft nützlich, sich etablierter Terminologie zu bedienen, die einem lange Erklärungen erspart. Natürlich kann man in einer Diskussion auch ohne den Begriff der Postmoderne und andere Fachbegriffe auskommen, aber mir scheint in dem Fall die Gefahr groß, ständig nebulös leicht an einander vorbeizureden.


Dem kann ich nur zustimmen. Wenn wir mit Begriffen wie Schamane oder Künstler als gebärendes Ich hantieren, haben wir zwar schöne Bilder, aber zumindest ich kann mir da nur was sehr Nebulöses vorstellen.

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#59 Konrad

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 13:55

Ich denke, Frank geht es hier nicht um schamanistische Textzauberei, sondern um semiotische Ebenen in der Textkommunikation:

"Klassische" SF tendiert stärker in Richtung der Vermittlung von Informationen ("was ist wirklich passiert, was hat XY dabei gefühlt"). Der Autor will eine Information an den Leser vermitteln, dazu sind klassische Erzählweisen gut geeignet.

Der "Künstler" will seinen eigenen inneren Zustand externalisieren, er will sein Gefühlsleben nach draußen bringen. Rezipient ist im Extremfall nur er selbst, andere Betrachter können (müssen aber nicht) ihm dabei egal sein.

Es ist also eher eine Achse Ich<->Du oder Innen<->Außen, die hier aufgemacht wird.

Trotzdem halte ich das immer noch für eine marginale Unterscheidung.
Dieselbe Erscheinung gibt es auch beim Erzähler.
Wer kennt nicht in einer Unterhaltung den "Autisten", der sich gerne selber zuhört?
Ich glaube nicht an eine Entfremdung der Kommunikation durch eine "externe Speicherung" des Textes.

#60 simifilm

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Geschrieben 15 Dezember 2010 - 13:58

Um Interessierten weiter zu helfen - hier ein Link zur Wikipedia auf die Definition "Postmoderner Roman"

und als Beispiel ein Link auf Walter Moers und seinen Roman "Die Stadt der träumenden Bücher" und die Charakteristika der Postmoderne darin.

Und weitere Vertreter, insbesondere dabei Umberto Eco mit „Der Name der Rose“ oder „Das Foucaultsche Pendel“ und
Michael Ende mit „Die unendliche Geschichte“.

Das sollte u.U. weiterhelfen in der Diskussion, weil greifbare Unterlagen. Man sieht dabei, dass Postmoderne nicht ausschließt, dass ein Roman verständlich ist ;)


Ich weiss ja eigentlich gar nicht so recht, warum hier so auf dem Begriff der Postmoderne rumgeritten wird, denn zentral ist er für die Ausgangsthese nicht. ;) Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die von Dir angeführten Beispiele irreführend sein können, weil da nur eine bestimmte Spielart der Pomo-Literatur berücksichtigt wird (u.a. das, was im Wikipedia-Artikel unter "Intertextualität" läuft). Bei Eco beispielsweise geht es vor allem um das Verarbeiten, Zusammenbauen und Zitieren von bestehenden literarischen Texten und historischen Ereignissen (man nehme die Protagonisten von Sherlock Holmes, bringe Aristoteles verschollene Poetik, viele Anspielungen an mittelaterliche Texte etc.). Da ist es vor allem inhaltliche Ebene gemeint; stilistisch ist Eco ja noch relativ konventionell. Autoren wie Gaddis oder Pynchon (die auch auf der Liste aufgeführt sind) machen da ein ganz anderes Fass auf.

Andere Aspekte, die von Wikipedia aufgeführt werden - etwa "verweigert sich einer linearen Erzählweise" oder "dekonstruiert die Möglichkeit seiner Protagonisten, zu selbstbestimmten Subjekten zu werden" -, gelten für Eco oder Ende nicht wirklich. Dies scheint mir hier vor allem deshalb wichtig, weil die Begriffe "modern" und "postmodern" hier im Thread bislang eher zur Beschreibung von Stilmitteln als von Inhalten verwendet wurden.

Bearbeitet von simifilm, 15 Dezember 2010 - 14:03.

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