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Faschos & Anti-Faschos †¦ der ewige Streit


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380 Antworten in diesem Thema

#331 Diboo

Diboo

    Kaisertentakel

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Geschrieben 12 Mai 2011 - 18:13

Aber wenn Du Dir die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte anschaust, ist die Richtung relativ klar: das System wird feinmaschiger und für Gewaltherrscher wird es immer schwieriger (was nicht heisst, dass es nicht noch grosse Löcher gibt).


Die Frage ist, ob es solcher Löcher nicht dringend bedarf.

Denn das größte Problem eines mehr oder weniger gut funktionierenden internationalen ex-post-Strafrechtssystems für Gewaltherrscher ist ja, dass diese in zunehmendem Maße danach bestrebt sind, ihren Präsidentenpalast mit den Füßen voran zu verlassen und die Idee eines möglichen Exils für zu gefährlich zu halten, was die Beseitigung solcher Herrscher zukünftig weiter erschweren bzw. blutiger machen wird.

Charles Taylor ist ein gutes Beispiel dafür. Er wurde durch den nigerianischen Präsidenten Obasanjo mit dem Versprechen zum Abdanken und zur Ausreise bewegt, dass er im nigerianischen Calabar ein sicheres - und luxuriöses - Exil bekommen würde. Dann wurde klar, dass Obasanjo dieses Versprechen nicht einhalten würde, woraufhin Taylor zu entkommen versuchte und an der nigerianisch-kamerunischen Grenze mehr aus Zufall geschnappt wurde.

Wir wollen uns nicht wundern, warum niemand Menschen wie Mugabe oder Ghaddafi ein Exil schmackhaft machen kann, was bedeutet, dass diese in ihren Ländern bis zum bitteren Ende ihr Unwesen treiben werden, inkl. aller damit verbundenen Opfer.

Es ist also nicht alles Gold, was da zu glänzen scheint.

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#332 Anubizz

Anubizz

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Geschrieben 12 Mai 2011 - 20:10

Ein Beispiel fuer was? Hast Du das Zitat gelesen, oder liest Du meine Worte nicht in dem Zusammenhang (eine Pappnase denkt vielleicht, ich zitiere einfach so irgendwas)? Verstehst Du, oder versuchst Du auch nur zu verstehen, was ich sagen will? Oder willst Du Dich bloss aufspielen? Natuerlich willst Du Dich bloss aufspielen :jumpgrin:

Diese Streitkultur hier ist schon sehr seltsam.


Kein Grund, gleich hysterisch zu werden. Ich habe den Zusammenhang durchaus wahrgenommen. Es ging mir jedoch darum, dass ich dein Beispiel schon an sich unangemessen finde.

Aber davon mal abgesehen, wirft Frank eine in der Tat interessante Frage auf.

Interessant? Nö, vorhersehbar. Und - sofern es sich wirklich nur ums Beispiel im Kontext der ursprünglichen Frage und nicht doch um seinen spezifischen Inhalt dreht - ziemlich weit am Thema vorbei.

Edit: Typo.

Bearbeitet von Anubizz, 12 Mai 2011 - 20:46.


#333 MartinHoyer

MartinHoyer

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Geschrieben 12 Mai 2011 - 20:28

Denn das größte Problem eines mehr oder weniger gut funktionierenden internationalen ex-post-Strafrechtssystems für Gewaltherrscher ist ja, dass diese in zunehmendem Maße danach bestrebt sind, ihren Präsidentenpalast mit den Füßen voran zu verlassen und die Idee eines möglichen Exils für zu gefährlich zu halten, was die Beseitigung solcher Herrscher zukünftig weiter erschweren bzw. blutiger machen wird.

Ist da nicht eher ein zeitweiliges Problem? Irgendwann sind die letzten derzeit amtierenden Diktatoren, die diese Entwicklung bei der Planung ihres Abgangs berücksichtigen müssten auf die eine oder andere Weise abgesägt oder weggestorben und neue Machthaber wachsen in die Situation hinein, dass es eine internationale Gerichtsbarkeit gibt, vor der sie sich ggf. verantworten müssten, wenn sie sich schuldig machen - was sie dann womöglich unterlassen oder zumindest gemäßigter angehen.

Einen anderen Umstand, der hier bereits genannt wurde, halte ich für viel reelvanter: Ein internationales Gericht, das Vorladungen nicht gegen jeden Angeklagten durchsetzen kann, bleibt ein stumpfes Werkzeug.
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#334 lapismont

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 07:19

Ist da nicht eher ein zeitweiliges Problem? Irgendwann sind die letzten derzeit amtierenden Diktatoren, die diese Entwicklung bei der Planung ihres Abgangs berücksichtigen müssten auf die eine oder andere Weise abgesägt oder weggestorben und neue Machthaber wachsen in die Situation hinein, dass es eine internationale Gerichtsbarkeit gibt, vor der sie sich ggf. verantworten müssten, wenn sie sich schuldig machen - was sie dann womöglich unterlassen oder zumindest gemäßigter angehen.

Einen anderen Umstand, der hier bereits genannt wurde, halte ich für viel reelvanter: Ein internationales Gericht, das Vorladungen nicht gegen jeden Angeklagten durchsetzen kann, bleibt ein stumpfes Werkzeug.

Was heißt hier schon international?
Für wen und wessen Recht- und Wertesystem steht denn das "internationale" Gericht? Es zerrt ja nicht mal Bush vor Gericht.
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#335 simifilm

simifilm

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 07:27

Einen anderen Umstand, der hier bereits genannt wurde, halte ich für viel reelvanter: Ein internationales Gericht, das Vorladungen nicht gegen jeden Angeklagten durchsetzen kann, bleibt ein stumpfes Werkzeug.


Diese Kritik ist berechtigt, aber ich denke, man sollte hier die historische Dimension nicht vergessen: Wie lange hat es gedauert, bis sich zumindest in der westlichen Welt ein mehr oder weniger funktionierendes Strafrecht etabliert hat? Und wie lange gibt es den internationalen Gerichtshof schon?

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#336 Diboo

Diboo

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 08:39

Ist da nicht eher ein zeitweiliges Problem?


Nein.


Irgendwann sind die letzten derzeit amtierenden Diktatoren, die diese Entwicklung bei der Planung ihres Abgangs berücksichtigen müssten auf die eine oder andere Weise abgesägt oder weggestorben und neue Machthaber wachsen in die Situation hinein, dass es eine internationale Gerichtsbarkeit gibt, vor der sie sich ggf. verantworten müssten, wenn sie sich schuldig machen - was sie dann womöglich unterlassen oder zumindest gemäßigter angehen.


Die Todesstrafe hält auch niemanden vom Morden ab. Die potentiellen Vorteile, eine gepflegte Diktatur zu führen, überwiegen die fernen und für einen amtierenden Despoten irrelevanten Nachteile. Andere mögen ja stürzen - aber ich nicht, denn ich bin ja meinem Volke heilig.
Nein, es ist ein wachsender Konsens, dass man gerade aus Gründen der Vermeidung unnötiger weiterer Opfer rechtsfreie Räume benötigt, in die sich willige Diktatoren, die merken, dass ihre Zeit gekommen ist, zurückziehen können, ohne Strafverfolgung zu erwarten. Jemand wie Mugabe hätte dann möglicherweise ein einigermaßen komfortables Exil schon vor Jahren vorgezogen. Das deuten zumindest einige kenntnisreiche Beobachter der zimbabwischen Innenpolitik der letzten Jahre. Da Mugabe aber davon ausgehen muss, dann verhaftet und dem Strafgerichtshof vorgeführt zu werden, wird er bis zum letzten Blutstropfen kämpfen. Und da das dann meist nicht seine Blutstropfen sind, halte ich das Argument eines "zeitweiligen Problems" für ein ganz klein wenig zynisch. Mit Verlaub.

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#337 simifilm

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 08:45

Die Todesstrafe hält auch niemanden vom Morden ab. Die potentiellen Vorteile, eine gepflegte Diktatur zu führen, überwiegen die fernen und für einen amtierenden Despoten irrelevanten Nachteile. Andere mögen ja stürzen - aber ich nicht, denn ich bin ja meinem Volke heilig.
Nein, es ist ein wachsender Konsens, dass man gerade aus Gründen der Vermeidung unnötiger weiterer Opfer rechtsfreie Räume benötigt, in die sich willige Diktatoren, die merken, dass ihre Zeit gekommen ist, zurückziehen können, ohne Strafverfolgung zu erwarten. Jemand wie Mugabe hätte dann möglicherweise ein einigermaßen komfortables Exil schon vor Jahren vorgezogen. Das deuten zumindest einige kenntnisreiche Beobachter der zimbabwischen Innenpolitik der letzten Jahre. Da Mugabe aber davon ausgehen muss, dann verhaftet und dem Strafgerichtshof vorgeführt zu werden, wird er bis zum letzten Blutstropfen kämpfen. Und da das dann meist nicht seine Blutstropfen sind, halte ich das Argument eines "zeitweiligen Problems" für ein ganz klein wenig zynisch. Mit Verlaub.


Macht sich da bei Dir so etwas wie ein ethisches Empfinden jenseits von Titten und Porsches bemerkbar? Welche wohltuende Abwechslung!

Aber direkter zum Thema: Hypothetische Geschichtsschreibung ist immer eine schwierige Angelegenheit. Vielleicht wären die Dinge anders gekommen, wenn die Situation anders gewesen wäre, vielleicht aber auch nicht.

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#338 Diboo

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 08:56

Macht sich da bei Dir so etwas wie ein ethisches Empfinden jenseits von Titten und Porsches bemerkbar? Welche wohltuende Abwechslung!


Es betrifft meine berufliche Tätigkeit, daher fühle ich mich angesprochen :-)

Aber direkter zum Thema: Hypothetische Geschichtsschreibung ist immer eine schwierige Angelegenheit. Vielleicht wären die Dinge anders gekommen, wenn die Situation anders gewesen wäre, vielleicht aber auch nicht.


Da es sich nur um begrenzt hypothetische Annahmen handelt, greift das Argument zu kurz. Das erwähnte Beispiel Charles Taylor wird in Subsahara-Afrika als negativer Präzedenzfall angesehen, der alle verbleibenden Despoten - so viele sind es derzeit zum Glück nicht mehr - von Verhandlungen eher abhält, da er sich gut als warnendes Beispiel benutzen lässt.

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#339 Oliver

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 08:57

Nein, es ist ein wachsender Konsens, dass man gerade aus Gründen der Vermeidung unnötiger weiterer Opfer rechtsfreie Räume benötigt, in die sich willige Diktatoren, die merken, dass ihre Zeit gekommen ist, zurückziehen können, ohne Strafverfolgung zu erwarten. Jemand wie Mugabe hätte dann möglicherweise ein einigermaßen komfortables Exil schon vor Jahren vorgezogen. Das deuten zumindest einige kenntnisreiche Beobachter der zimbabwischen Innenpolitik der letzten Jahre. Da Mugabe aber davon ausgehen muss, dann verhaftet und dem Strafgerichtshof vorgeführt zu werden, wird er bis zum letzten Blutstropfen kämpfen. Und da das dann meist nicht seine Blutstropfen sind, halte ich das Argument eines "zeitweiligen Problems" für ein ganz klein wenig zynisch. Mit Verlaub.

Das läuft argumentativ letztlich auf ein "Aussitzen" von Diktatoren hinaus, das finde ich aber auch ein zynisches Denken, zumal viele dieser Brüder sehr alt werden. Inwiefern kann man denn so Opfer vermeiden? Dikatoren sitzen doch nicht still und lassen in der Regel auch dann Menschen umbringen, wenn sie gerade keinen äußeren Druck bekommen. Dann haben sie inneren Druck, sonstwas, oder schlicht und einfach aus Langeweile. Meine Konsequenz aus Deiner Annahme wäre viel mehr, dass man sich einfach mit dem fassen/verhaften oder erlegen/entsorgen mehr anstrengen muss. Allem "Hätte bei Bin Laden nicht auch eine gerichtliche Arbeitsauflage im Altenheim als Strafe gereicht"-Genöle der letzten Wochen zum Trotz.
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#340 simifilm

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 08:59

Es betrifft meine berufliche Tätigkeit, daher fühle ich mich angesprochen :-)


Bist Du von Beruf Diktator? Wohl nur in Deinen Tentakel-Phantasien. :jumpgrin:

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#341 Diboo

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 09:04

Das läuft argumentativ letztlich auf ein "Aussitzen" von Diktatoren hinaus, das finde ich aber auch ein zynisches Denken, zumal viele dieser Brüder sehr alt werden.


Die Frage ist doch, wo sie es aussitzen - irgendwo im Exil in einem Landhaus wie Mengistu Haile Mariam, aber am Leben, in relativem Wohlstand und ohne Repressalien, oder im Amt, und zwar bis zum letzten Augenblick.
Mariam wäre nicht gegangen, wenn es so etwas wie eine Aussicht gegeben hätte, dass er vor Gericht gestellt werden würde. Es geht lediglich um die Vermeidung weiterer Opfer bei Aufstands- und Protestbewegungen wie in Zimbabwe, Libyen oder Liberia, wo man dem Gewaltherrscher ein Zuckerbrot hinhält, das dieser ggfs. unter Abwägung möglicher schlimmerer Folgen - Augen ausstechen und beim Verbluten zusehen (Samuel Doe) - für wünschenswerter hält. Und diese Option des "easing out" verbaut das derzeitige System immer stärker.

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#342 Diboo

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 09:05

Bist Du von Beruf Diktator? Wohl nur in Deinen Tentakel-Phantasien. :jumpgrin:


Nein, aber ich lehre (oft afrikabezogene) Politikwissenschaft an der Universität Münster und arbeite als Consultant in der Entwicklungs- und Migrationspolitik. Da wird man recht direkt und offensichtlich mit dieser und ähnlichen Problematiken konfrontiert.

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#343 Pirx

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 09:55

Nein, aber ich lehre (oft afrikabezogene) Politikwissenschaft an der Universität Münster und arbeite als Consultant in der Entwicklungs- und Migrationspolitik. Da wird man recht direkt und offensichtlich mit dieser und ähnlichen Problematiken konfrontiert.


Verdammt! Zu meiner Zeit an der Uni in Münster gab es keine Titten und Laserkanonen im Vorlesungsverzeichnis der Politikwissenschaftler :jumpgrin:
Gruß

Pirx
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#344 Diboo

Diboo

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 09:56

Verdammt! Zu meiner Zeit an der Uni in Münster gab es keine Titten und Laserkanonen im Vorlesungsverzeichnis der Politikwissenschaftler :jumpgrin:


Gibt es jetzt auch nicht.
Aber im kommenden Semester biete ich eine "Einführung in den Anarchismus". Da gibt es bestimmt auch Action :-)

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#345 MartinHoyer

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 11:37

Nein, es ist ein wachsender Konsens, dass man gerade aus Gründen der Vermeidung unnötiger weiterer Opfer rechtsfreie Räume benötigt, in die sich willige Diktatoren, die merken, dass ihre Zeit gekommen ist, zurückziehen können, ohne Strafverfolgung zu erwarten.

Das beinhalte jedoch den faulen Konsens, Diktatoren Zeit zu lassen, bis sie selbst merken, dass ihre Zeit gekommen ist.

Ich sehe das so: Anzeige --> Beweissichtung --> Strafverfahren und erst einmal eine Vorladung ... Und ein internationaler Haftbefehl, wenn sich der Vorgeladene renitent verhält. Dabei sollte es irrelevant sein, wie viel Schutz der Angeklagte um sich aufgebaut hat und welche Funktion er erfüllt, die Vollstreckung des Haftbefehls müsste allerdings durchsetzbar sein. Und da fehlen ganz klar die Exekutivkörper. Polizei fühlen sich meistens nur national zuständig oder ist, wenn sie denn international arbeitet, in ihren Kompetenzen zumindest auf Mitgliedsländer beschränkt. Ein Haftbefehl könnte im Prinzip in ein UN-Mandat münden, aber die UN ist ja auch ein überwiegend zahnloser Tiger.

Jemand wie Mugabe hätte dann möglicherweise ein einigermaßen komfortables Exil schon vor Jahren vorgezogen. Das deuten zumindest einige kenntnisreiche Beobachter der zimbabwischen Innenpolitik der letzten Jahre.

Das mag zwar zweckmäßig sein, hat aber mit Recht nichts zu tun. Man lässt ja anderen Köpfen des organisierten Verbrechens - mit solchen setze ich Diktatoren gleich - ja auch nicht die Option, sich friedlich zur Ruhe zu setzen. Das kommt praktisch einer Amnestie gleich, und die sollte allenfalls als Teil eines Deals möglich sein, der sich auf das Strafmaß auswirkt und erst einmal erfordert, dass der Angeklagte vor Gericht erscheint und verurteilt wird.

Meinst Du nicht auch, dass sich Diktatoren, die ihren Zenit überschritten haben, auf Altenteil zurückziehen würden, wenn sie zwar vor Gericht müssten, aber die Todesstrafe und lange Haftstrafen vom Tisch wären und sie in Gegenleistung für (Zeugen-) Schutz durch die internationale Gemeinschaft an der Aufarbeitung der unter ihrer Regierung verübten Verbrechen mitwirken müssten? Diktatoren sind ja niemals Einzel- und häufig noch nicht einmal die Haupttäter, und da ihr Posten oftmals von jemandem aus ihrem Umfeld geerbt wird, könnte es sogar sinnvoll sein, selbst den Anführer zu schonen, damit es möglich wird, seine Mittäter zu erwischen.

Ab einem gewissen Umfang des Verbrechens wird Aufarbeitung und Wiedergutmachung allerdings wichtiger als Strafe. Womöglich sollte die Rolle einer internationalen Gerichtsbarkeit daher komplett neu überdacht werden.
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#346 Diboo

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 11:41

Meinst Du nicht auch, dass sich Diktatoren, die ihren Zenit überschritten haben, auf Altenteil zurückziehen würden, wenn sie zwar vor Gericht müssten, aber die Todesstrafe und lange Haftstrafen vom Tisch wären und sie in Gegenleistung für (Zeugen-) Schutz durch die internationale Gemeinschaft an der Aufarbeitung der unter ihrer Regierung verübten Verbrechen mitwirken müssten?


Nein.

Diktatoren sind ja niemals Einzel- und häufig noch nicht einmal die Haupttäter, und da ihr Posten oftmals von jemandem aus ihrem Umfeld geerbt wird, könnte es sogar sinnvoll sein, selbst den Anführer zu schonen, damit es möglich wird, seine Mittäter zu erwischen.


Für eine etwas komfortablere Zelle?

Ab einem gewissen Umfang des Verbrechens wird Aufarbeitung und Wiedergutmachung allerdings wichtiger als Strafe. Womöglich sollte die Rolle einer internationalen Gerichtsbarkeit daher komplett neu überdacht werden.


Das kann man ja machen, dafür darf der Gewaltherrscher aber doch gerne weiter in seinem Landhaus seinem Ende entgegen dämmern.

Es mag ja sein, dass das, was ich hier befürworte, wenig oder nichts mit Recht zu tun hat, aber das ist völlig zweitrangig, denn das Recht über die Zweckmäßigkeit (= die Leben möglichst vieler Menschen retten) zu stellen, wäre in diesem Falle schlicht Rechtspositivismus, und der hat noch nie jemandem etwas gebracht.

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#347 Diboo

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 11:44

Das beinhalte jedoch den faulen Konsens, Diktatoren Zeit zu lassen, bis sie selbst merken, dass ihre Zeit gekommen ist.


Ja, natürlich. Das merken sie ja im Regelfalle auch, außer, wenn sie wie Hastings Kamuzu Banda dazu mental gar nicht mehr in der Lage sind. Charles Taylor vernahm die Nachricht wohl und ging auf das Angebot ein, was den zweiten liberianischen Bürgerkrieg beendete. Mengistu Haile Mariam zog das Exil dem Untergang vor. Hissene Habre wäre ein weiteres Beispiel. Die haben nachher niemanden mehr umbringen können. Ich möchte annehmen, dass es nur ganz wenige Exemplare gibt, die sich den Zeichen der Zeit völlig verwehren, zumindest sind diese eher in der Minderheit. Gewesen. Geht ja jetzt nicht mehr so leicht.

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#348 Pogopuschel

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 11:48

Über den Umgang mit Diktaturen kann ich mich immer wieder nur wundern. Gestern habe ich zufällig in das Halbfinale vom Eurovisionsongcontest reingeschaltet. Da sind die Weißrussen mit dem Titel "I love Belarus" aufgetreten. Wie kann es sein, dass die mit so einem Propagandascheiß bei einem "demokratischen" Wettbewerb mitmachen dürfen?

#349 Anubizz

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 11:50

Hm. Als afrikanische Diktatoren noch nicht zu befürchten hatten, im Falle eines Sturzes vor ein internationales Gericht gezerrt zu werden, weil sie entweder vom Westen, von China oder von der Sowjetunion hofiert wurden, ist auch kein einziger von denen freiwillig abgetreten, um sich in ein sicheres Exil zu begeben. Heute lässt man einen zuvor gehätschelten Diktator natürlich schneller fallen, weil man vor allem an der schnellen Wiederherstellung stabiler Verhältnisse interessiert ist. Ich wäre mir jedenfalls nicht sicher, ob das Kalkül aufgehen würde, Diktatoren durch Angebot eines sicheren Exils zum Aufgeben zu bewegen. Im Falle eines Mugabe vielleicht, der für die europäische Presse das Hassobjekt par excellence ist und mit nicht viel Unterstützung rechnen kann. Aber sonst?

#350 Diboo

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 11:53

Hm. Als afrikanische Diktatoren noch nicht zu befürchten hatten, im Falle eines Sturzes vor ein internationales Gericht gezerrt zu werden, weil sie entweder vom Westen, von China oder von der Sowjetunion hofiert wurden, ist auch kein einziger von denen freiwillig abgetreten, um sich in ein sicheres Exil zu begeben. Heute lässt man einen zuvor gehätschelten Diktator natürlich schneller fallen, weil man vor allem an der schnellen Wiederherstellung stabiler Verhältnisse interessiert ist. Ich wäre mir jedenfalls nicht sicher, ob das Kalkül aufgehen würde, Diktatoren durch Angebot eines sicheren Exils zum Aufgeben zu bewegen. Im Falle eines Mugabe vielleicht, der für die europäische Presse das Hassobjekt par excellence ist und mit nicht viel Unterstützung rechnen kann. Aber sonst?


Ich finde es etwas schwierig, Dinge in einem Thread mehrfach wiederholen zu müssen, weil die Leute nicht aufmerksam lesen wollen.
Ich habe Gegenbeispiele genannt. Und es hat genug Diktatoren gegeben, die auch zu Zeiten der Unterstützung durch externe Mächte nicht an der Macht bleiben konnten. Ich würde die externen Einflussfaktoren nicht überbewerten.

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#351 Diboo

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 11:54

Über den Umgang mit Diktaturen kann ich mich immer wieder nur wundern. Gestern habe ich zufällig in das Halbfinale vom Eurovisionsongcontest reingeschaltet. Da sind die Weißrussen mit dem Titel "I love Belarus" aufgetreten. Wie kann es sein, dass die mit so einem Propagandascheiß bei einem "demokratischen" Wettbewerb mitmachen dürfen?


Ich erkenne Dein Problem nicht. Sie sind doch ganz demokratisch rausgeflogen :-)

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#352 UdoTascher

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 14:39

Du möchtest also allen Ernstes behaupten, es wäre den Opfern von Kriegsverbrechen eine echte Hilfe und somit gerechtfertigt, Unschuldige aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu kriminalisieren?

Selbstverständlich hilft es den Opfern, wenn verbrecherische Taten ans Tageslicht kommen, unter denen sie oder ihre Familienangehörigen gelitten haben. Ich suche vielleicht nachher oder morgen noch ein zwei Beispiele heraus, falls das wirklich nötig ist.

Komme erst jetzt dazu, hier ein aktuelles Beispiel, zornige O-Töne von den Nebenklägern im Demjanjuk-Prozess, die nun selbst alt und betagt sind. Anscheinend haben sie ... nichts vergessen. (Der KZ-Wächter Demjanjuk wurde nunmehr wegen Beihilfe zum Mord an 28 060 Menschen im Vernichtungslager Sobibor zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt; die Strafe wurde wegen Altersgründen ausgesetzt).

Mehr als ein Dutzend von über 30 Nebenklägern sind angereist, um vor Gericht zu sprechen. Rund zwei Dutzend Angehörige und Freunde begleiten sie. Viele haben Tränen in den Augen, als die Nebenkläger nacheinander ans Mikrofon treten und ihre Schicksale schildern: Als Kinder zu Waisen geworden, traumatisiert und in unterschiedlichen Familien aufgewachsen, bestimmen die Erlebnisse von damals bis heute ihr Leben.

“Ich stehe hier als einzige Überlebende der ganzen Familie“, sagt Mary Richheimer-Amstel von Leijden. Auch wenn es in der Kürze der Zeit nicht möglich sei, die ganze Tragweite zu verdeutlichen: Für sie sei es schon ein Sieg, dass es ihr möglich sei, hier zu sprechen. “Ich habe jeden Tag die Trauer dieses Verlustes zu tragen“, ruft der 79-jährige David van Huiden Demjanjuk zu. “Er sollte schon verstehen, dass meine Familie genauso wertvoll ist wie für ihn seine Familie“, ergänzt er und wiederholt den Satz zur Bekräftigung. Doch Demjanjuk rührt sich nicht.


Quelle: http://www.tz-online...by-1204551.html


In diesem, konkreten Fall im reißerischen Titel. Denn alle Bilder zusammen zeigen nicht, das sämtliche Angehörigen der Wehrmacht oder auch nur ein maßgeblicher Prozentsatz dieser in die Nähe von Verbrechen gerückt werden können.

Sämtliche ganz sicher nicht; das zeigen auch nicht die vier Themenschwerpunkte der Ausstellung. Im Übrigen heißt die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" und nicht etwa "Verbrechen sämtlicher Wehrmachtsangehöriger". - Am besten ist es aber wohl, sich einfach an den Inhalten der Ausstellung zu orientieren.

Das ist in etwa so, als ob ich fleißig authentische Fotos und Augenzeugenberichte über unangemessene Gewaltanwendung durch die bundesdeutsche Einsatzpolizei gegen friedliche Demonstranten sammle und dann eine große Wanderaufstellung "Verbrechen der bundesdeutschen Polizei" starte. Der Aufschrei wäre gewaltig. Wenn es jedoch um die Zeit des Nationalsozialismus geht, genügen 0,05 Promille Verbrecher, damit die Austellung nicht nur unter diesem Motto läuft, sondern auch vehement gegen Kritik verteidigt und jeder Versuch der Differenzierung mindestens als Relativierung abgeschmettert wird.

Nein, das ist nicht etwa so. Dein Vergleich ist unangebracht, schon allein deswegen, weil die Kontexte ganz unterschiedlich sind. Es würde möglicherweise - ich bin kein Historiker - Sinn machen, die Rolle der Polizei und der Wehrmacht im Hinblick auf ihre Rolle im NS-Staat zu vergleichen.
Und tatsächlich wird auch hier lokalhistorisch immer mehr aufgearbeitet.
(So habe ich gelesen, dass es in der Stadtbibliothek Bremen aktuell eine Ausstellung zur Polizei im Nationalsozialismus gibt. Im Begleittext heißt es:

Polizeigewalt - Bremens Polizei im Nationalsozialismus. Ausstellung und Begleitprogramm (30. April bis 27. Mai 2011)

Unsere Ausstellung zeigt:Alle Sparten der Polizei in Bremen arbeiteten mit an der Durchsetzung der Ziele des NS-Staates. Und nichts deutet darauf hin, dass sie das nur widerstrebend oder unter Zwang getan hätten. Wen immer die Nationalsozialisten als ihre Feinde bezeichneten, der war auch der Feind der Polizei: Politische Gegner wie Kommunisten oder Sozialdemokraten, Oppositionelle etwa aus den Reihen der Kirchen. Oder Menschen, die nicht in die nationalsozialistischen Vorstellungen von der deutschen ›Volksgemeinschaft‹ passten und die als ›asozial‹ aus der Gesellschaft ausgegrenzt wurden und in den Konzentrationslagern verschwanden.Die Entrechtung, Drangsalierung und Deportation der Juden und der Sinti und Roma war wesentlich mit das Werk der Polizei.
)

Wir verlieren uns in Worthülsen, fürchte ich. Eine verbrecherische Handlung ist eine Handlung, die in der Rechtsnorm ihres Tatortes und ihrer Tatzeit strafbar ist. Wenn wir von Mord reden, gilt in der Bundesrepublik Deutschland § 211 Absatz 2 des StGB: "Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet." - Wenn wir nun nicht annehmen wollen, dass beispielsweise der Schutz des eigenen Lebens oder das von Angehörigen ein niederer Beweggrund ist, muss im Einzelfall abgeklärt werden, ob ein Notstand vorlag oder nicht, bevor man Vorwürfe erhebt.

Ich gehe als gewöhnlicher Besucher (d.h. Nicht-Historiker ohne Zugang zu den Quellen ) davon aus, dass sich die ausstellenden Historiker wirklich sicher sind, wenn sie Wehrmachtssoldaten auf den, Kriegsverbrechen darstellenden Fotos identifizieren. Da der wissenschaftliche Direktor des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes eine der Hauptreden auf der 2. Wanderausstellung gehalten hat, gehe ich auch davon aus, dass seitdem keine weiteren falschen Fotos zu beanstanden waren.
(Für deine juristische Belehrung danke ich, übergehe sie jedoch; - ich nehme an, dass eine Ausstellung kein Strafprozeß wie im Falle Demjanjuk sein will / sein kann.)

Dann haben es die Organisatoren IMHO versäumt, dies zu verdeutlichen, denn soweit ich mich erinnere, wurde die Verbrechen weder in ihrer Schwere noch in ihrer Anzahl in Relation zum Vorgehen der gesamten Wehrmacht gesetzt. Generell zeigen Bilder und Augenzeugenberichte eben nur die Tat, nicht aber ihre Hintergründe.

Das weiß ich nicht. In jedem Fall sind in der zweiten Wanderausstellung weitere erläuternde Texte ergänzt worden.

Ich denke vielmehr, es wäre Zeit, eine Diskussion über Krieg als Verbrechen an sich anzustoßen, statt wahlweise sich selbst oder anderen Momentaufnahmen von Verbrechen vorzuwerfen, [b]die im Zuge jedes Krieges von allen Beteiligten begangen werden.

Ich diskutiere gerne auch über den Krieg als Verbrechen "an sich" . Dennoch stehe ich nach wie vor auf dem Standpunkt, dass zunächst die Abläufe der einzelnen Kriegsverbrechen rekonstruiert werden müssen.
Im Ãœbrigen gilt: Die in der Wehrmachtsausstellung dokumentierten Verbrechen sind alles andere als "Momentaufnahmen". Vielleicht verstehe ich auch nicht ganz, was du mit diesem Begriff meinst.

Bearbeitet von UdoTascher, 13 Mai 2011 - 14:47.


#353 leibowitz

leibowitz

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 15:50

Nein, aber ich lehre (oft afrikabezogene) Politikwissenschaft an der Universität Münster und arbeite als Consultant in der Entwicklungs- und Migrationspolitik. Da wird man recht direkt und offensichtlich mit dieser und ähnlichen Problematiken konfrontiert.


Schreibst du hier eigentlich während deiner Arbeitszeit?
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#354 Diboo

Diboo

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 15:57

Schreibst du hier eigentlich während deiner Arbeitszeit?


Klar. Ich bin der Chef. Ich darf das.

"Alles, was es wert ist, getan zu werden, ist es auch wert, für Geld getan zu werden."
(13. Erwerbsregel)

"Anyone who doesn't fight for his own self-interest has volunteered to fight for someone else's."
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#355 leibowitz

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 16:08

Klar.


Hehe, das amüsiert mich wirklich sehr.
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#356 Diboo

Diboo

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 16:25

Hehe, das amüsiert mich wirklich sehr.


Tatsächlich? Warum?

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#357 Simbad

Simbad

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 18:54

Was heißt hier schon international?
Für wen und wessen Recht- und Wertesystem steht denn das "internationale" Gericht? Es zerrt ja nicht mal Bush vor Gericht.



Der internationale Strafgerichtshof ist für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord zuständig. Man sollte ihn nicht mit dem internationalen Gerichtshof der UN verwechseln. Denn die USA haben den Internationalen Strafgerichtshof nicht anerkannt.
Was meinst du denn, warum amerikanische Soldaten die Kriegsverbrechen oder anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben sollen, in den USA vor Gericht gestellt werden?

#358 Gast_Frank W. Haubold_*

Gast_Frank W. Haubold_*
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Geschrieben 13 Mai 2011 - 21:10

Der internationale Strafgerichtshof ist für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord zuständig. Man sollte ihn nicht mit dem internationalen Gerichtshof der UN verwechseln. Denn die USA haben den Internationalen Strafgerichtshof nicht anerkannt.
Was meinst du denn, warum amerikanische Soldaten die Kriegsverbrechen oder anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben sollen, in den USA vor Gericht gestellt werden?

Und Staatsmänner bzw. Regierungsmitglieder auch? Muß mir bislang wohl entgangen sein.

#359 Anubizz

Anubizz

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 21:50

Ich finde es etwas schwierig, Dinge in einem Thread mehrfach wiederholen zu müssen, weil die Leute nicht aufmerksam lesen wollen.


Dann lass es halt.


Ich habe Gegenbeispiele genannt. Und es hat genug Diktatoren gegeben, die auch zu Zeiten der Unterstützung durch externe Mächte nicht an der Macht bleiben konnten. Ich würde die externen Einflussfaktoren nicht überbewerten.

Bemerkenswert an den genannten Beispielen ist doch, dass sie mit Ausnahme von Taylor alle in das Ende des Ost-West-Konfliktes fielen, als die politische Landkarte sich insgesamt verschob. Eine generelle Regel, dass Diktatoren schon »merken, wann ihre Zeit gekommen ist«, kann man daraus m.E. nicht ableiten. Und klar gab es auch vorher Diktatoren, die abtreten mussten, aber in der Regel nur, um durch irgendeine andere Militärclique ersetzt zu werden.

#360 Jaktusch † 

Jaktusch † 

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Geschrieben 13 Mai 2011 - 22:29

Hastings Kamuzu Banda
Charles Taylor
Mengistu Haile Mariam
Hissene Habre


Mich würde ja nebenbei mal interessieren, wie viele Leser bei diesen Namen sofort die dazu passenden Länder (und Ereignisse) zuordnen können. Gibt's noch mehr Afrika-Spezialisten außer Diboo und mir oder ist die Allgemeinbildung doch so gut, dass jeder folgen kann...?


Schreibst du hier eigentlich während deiner Arbeitszeit?


Tun das nicht praktisch alle, die hier tagsüber posten?

Jaktusch
Man erwirbt keine Freunde, man erkennt sie.


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