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"Darknet", von Daniel Suarez


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#1 Gast_Dirk_*

Gast_Dirk_*
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Geschrieben 31 Juli 2011 - 08:53

Darknet
von Daniel Suarez

Verlag: rororo; Auflage: 2 (2. Mai 2011), Taschenbuch: 480 Seiten
ISBN-10: 3499252449
ISBN-13: 978-3499252440

Über den Autor
Bevor Daniel Suarez seinen ersten Roman begann, machte er als Systemberater Karriere und entwickelte Software für zahlreiche große Firmen der Militär-, Finanz- und die Unterhaltungsindustrie. «Daemon» veröffentlichte er 2006 unter Pseudonym im Eigenverlag. Nachdem der Roman die Internet- und Gaming-Community im Sturm erobert hatte, wurde ein großer Verlag auf das Buch aufmerksam. In der neuen Ausgabe avancierte «Daemon» zum Bestseller; eine Verfilmung ist in Vorbereitung. Daniel Suarez, der bereits einen zweiten Roman vollendet hat, lebt und arbeitet in Kalifornien.
(Quelle: wikipedia.de)

Inhalt
Die Welt ist nur ein Spiel - das Überleben der Menschheit der Preis. Ein DAEMON hat die digitale Welt erobert, und wer das Internet beherrscht, beherrscht auch den Planeten. Die Menschen, die sich ihm unterordnen, erleben die Realität wie ein Computerspiel und werden mit ungeheuren Kräften ausgestattet. So gewinnt der DAEMON nach und nach immer mehr Macht jenseits der Datenströme. Und staunend erkennt die Menschheit: Vielleicht ist das die Rettung der Zivilisation.Doch diejenigen, die bisher das Sagen hatten, wollen sich nicht kampflos entthronen lassen. Auf allen fünf Kontinenten treten die Söldnerarmeen des Global Business an gegen den DAEMON. Und bald herrscht Terror in allen Ländern, brennen Städte und Dörfer, rüsten sich zwei Heere zur letzten Schlacht. Die Fortsetzung des Bestsellers «DAEMON»
(Quelle: amazon.de)

Wenn ein Buch zur Sucht wird †¦
†¦ ist es die natürlichste Sache der Welt, dass sich der so "angefixte" nach einer Fortsetzung sehnt, und diese schnellstmöglich in seinen Besitz bringen muss. Ich mache da keine Ausnahme, und nachdem ich "Daemon" verschlungen hatte, lautete die Notiz auf meinem Büchereinkaufszettel denn auch eindeutig:
"Es kann nur ein (neues Buch) geben!"
Glücklicherweise bin ich erst recht spät auf "Daemon" aufmerksam geworden, sodass ich ohne lange Wartezeit direkt den Nachfolger "Darknet" erstehen konnte, und nicht wie andere Leser des ersten Teils ein gutes Jahr warten musste.
Und das ist gut so, denn nach dem nachhaltigen Eindruck des ersten Teils, und dem etwas überraschend locker gewebten Ende von "Daemon", fieberte ich dem weiteren Geschehen entgegen.
Mich erwartete †¦

†¦ der würdige Abschluss einer tollen Idee
Die Ereignisse in "Darknet" knüpfen schlüssig zum Vorgänger an. Auch mit einer Lesepause dazwischen sollte man eigentlich recht schnell wieder mit der Welt, die Daniel Suarez in "Daemon" entwirft und den wichtigen Personen, zurechtkommen.
Insgesamt hat in der "Pause" eine Weiterentwicklung stattgefunden. Die Welt ist nicht stehen geblieben, und das merkt man dem zweiten Band auch an.
Wie schon im ersten Teil nimmt sich Suarez Zeit, seine Ereignisse und Personen in aller Ruhe aufzubauen, so wie auch ein versierter Schachspieler seine Armee zunächst in Stellung zieht. Dabei bleibt er aber spannend und Humor, wenn auch verdeckt, kommt bei Darknet zum Tragen. So nervt zum Beispiel seine Beschreibung einer Präsentation von Anlagemanagern, die mit Boilinpoints und ähnlichen, hochklingenden "Soundwords" geschmückt ist, auf eine humorvolle Art und Weise. Soundwords deswegen, weil sie im Grunde nichts anderes sind, als die üblichen "KHAWHAAAAM", "WHUUUUUSCH" und ZONNNNG" in Comics, welche die Dynamik der Superhelden untermalen sollen. Suarez schafft es dieses "Wirtschaftskauderwelsch" als genau das zu entlarven, was es ist.
Heiße Luft.
Ein breites Grinsen zauberte er mir im Übrigen auch in dem Moment ins Gesicht, als einer seiner Hauptpersonen kurz nach dieser Präsentation in einem Aufzug "alternativlos abwärts" gefahren wird.
Der Mann spricht, bzw. schreibt, mir aus der Seele.

Die Sprache †¦
†¦ von Darknet ist wie schon im ersten Teil einfach gehalten, und natürlich wieder mit einigen Fachbegriffen aus der Welt der IT und des Onlinegamings durchsetzt. Doch wer schon den ersten Teil ohne Probleme lesen konnte, wird sich auch in "Darknet" sehr schnell wieder heimisch fühlen, denn entweder erklären sich die Begriffe im Laufe der näheren Handlung selber, oder man hat sie bereits gehört, und weiß sie zuzuordnen.
Ein kleiner Exkurs zur Sprache:
Ich habe einen Kollegen gefragt, der als Muttersprachler sowohl die Original- als auch die deutsche Übersetzung gelesen hat. Er meinte, dies sei die gelungenste Umsetzung in eine andere Sprache, die er jemals gelesen hat.
Ein großes Lob also auch an die Übersetzerin, Frau Cornelia Holfelder-von der-Tann, deren Leistung ich hier lobend erwähnen möchte.
Gutes Übersetzen ist mehr, als einfach nur ein paar Fremdworte gockeln. Eine gute Übersetzung ist eher das Erzählen einer Geschichte in einer anderen, als der ursprünglichen Sprache.
Frau Holfeder-von der-Tann hat sie sehr gut neu erzählt.

Die Handlung †¦
†¦ ist wie bereits in "Daemon" eine gelungene Mischung aus Action und Thriller, pikant abgeschmeckt mit einer Prise "Near Fiction", und garniert mit einer ganzen Reihe von Wendungen, die man so nicht erwartet hätte.
Es geht wie gewohnt in den Actionpassagen etwas ruppig zu, aber selbst bei einer Folterszene bleibt Suarez sachlich wie ein Chirurg. Er splattert dabei nicht, vergießt auch nicht literweise Blut, was dem Geschehen eine grausig-reale Note verleiht. Und dadurch wird der Kampf der beiden konkurrierenden Mächte umso realer, denn auch im Fernsehen hört man nur von gewissen "Befragungsmethoden" und angeblichen "Befreiungskämpfen, die im Sinne einer globalen, demokratischen Ordnung" vollzogen werden, bekommt aber die Mittel und Hintergründe nicht explizit vorgeführt. Die Passage, in der eine Folterung stattfindet, aber auch einige der Konferenzen, in denen der "algorithmischen Logik" gefolgt wird, habe ich dadurch fast schon als Metapher für den abgestumpften Konsummenschen des 21. Jahrhunderts gelesen, was das Erschrecken noch verstärkte.
Tragen wir alle inzwischen kleine, schwarze Bowler und Regenschirme?
Dies ist übrigens eine der tragenden Säulen beider Bücher, die aber teilweise gut versteckt im Subtext des sehr guten Unterhaltung versteckt liegt.
Die Kritik an bestehenden Umständen, die Warnung, was kommen kann, und das Aufzeigen eines Weges, wie man es anderes machen könnte.

Die handelnden Personen †¦
†¦ die teilweise schon in "Daemon" aufgetreten sind, hat Daniel Suarez sehr gut weiterentwickelt. Sie sind nicht stehen geblieben, haben sich weiterentwickelt, und bleiben somit interessant, wenn auch vor dem globalen Geschehen eher unscharf. Die Ereignisse in diesem Roman sind es, wie auch schon bei seinem Vorgänger, die einen Hauptteil des Lesereizes ausmachen. Die Personen wurden während ich las also nicht zu "guten Freunden", aber sie schafften es immerhin, dass ich sie als sehr gute Bekannte annahm, und mit ihnen litt und kämpfte.
Einzig Matthew Sobol, der tote Mann im Hintergrund, ist nach wie vor eine gottgleiche Gestalt, ein nicht mehr fassbares Wesen, dessen scheinbar unglaubliche Gabe der Voraussicht fast schon ans Mythische grenzt. Aber im Grunde hat er nur etwas in Gang gesetzt, eine Idee in Umlauf gebracht, die andere fortführen und weiter ausbauen, ohne den Weg den er sich erhofft hat, zu verlassen. Und er brauchte dafür noch nicht einmal die Gabe des zweiten Gesichts, sondern einfach nur Zeit, Ressourcen und gesunden Menschenverstand. So wie seine Anhänger auch. Suarez konnte durch diese "Überfigur" bereits in "Daemon" die Grundlagen für das Geschehen schaffen, in das wir als Leser in "Darknet" hineingezogen werden.
Wunderbarerweise sind selbst die etwas ruhigeren Passagen, die fast schon einen philosophischen Unterton haben oder kritische Anklänge über die reale Welt aufweisen, keineswegs langweilig oder gar belehrend. Im Gegenteil, sie geben der Geschichte einen ganz wichtigen Touch in Richtung Fantasy, ohne dabei in Kitsch abzudriften. Die Rede ist hier von einer Quest, die eine der Personen vollenden muss, um das Ende der Zivilisation wie wir sie kennen abzuwenden.
Diese feine Prise des "Epos" rundet speziell das Ende des Romans perfekt ab, das allerdings nicht ohne ein gewisses sarkastisches Element auskommt.
Am Ende bekommen nämlich (fast) alle, was sie wollten.

Mein Fazit †¦
†¦ zu diesem Buch ist, wie nach meinen bisherigen Worten nicht anders zu erwarten, eines der höchsten, die ich bisher verfasst habe.
Selten habe ich gegenwartsnahe Kritik, gepaart mit dem Aufzeigen von alternativen Möglichkeiten, in einer so guten und unterhaltsamen Verpackung gelesen.
Ich glaube, Daniel Suarez hat hier sein Lebenswerk erschaffen.
So gut, wie in "Daemon" und "Darknet", wird er nur schwerlich wieder sein können.
Es sind zwei Bücher, die bei mir zumindest, auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Zwei Bücher, die mich noch lange nach dem Lesen beschäftigten, und die ein absolute Novum vollbrachten:
Ich spiele mit dem Gedanken mir einige der Bücher zuzulegen, die Daniel Suarez im Anhang an "Darknet" als Recherchequelle angibt.
Und das ist mir in beinahe 38 Jahren Leserattendasein noch nie passiert.


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