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Carl Amery - Der Untergang der Stadt Passau


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38 Antworten in diesem Thema

#31 Susanne11

Susanne11

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Geschrieben 04 August 2011 - 11:06

Sehr gelacht habe ich über die folgende Passage: "Du - Christ?" fragte er mit letztem Hauch. "Ich", antwortete Branko beleidigt, "Materialist. Dialektisch."

#32 Heidrun

Heidrun

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Geschrieben 04 August 2011 - 14:19

Verstehst Du denn alles, was die so sagen.

Im Sendegebiet des Bayrischen Rundfunks aufgewachsen und Pumuckl geguckt. Doch, bei Bayrisch komme ich ganz gut klar. Kölsch wäre schlimmer. Da verstehe ich echt nur Bahnhof. Vor dem Mut, in der SF derart zu mundarten, ziehe ich den Hut. Das macht aus dem Buch ein originär deutsches Buch, das man so nirgendwo sonst schreiben könnte.

Die Diskussion der Zivilisationsgröße für den Erhalt eines bestimmten Niveaus gibt es übrigens auch bei den Steinmüllers in "Andymon" und den Nachfolgern, mit ähnlicher Schlußfolgerung.
Das Problem bei den Passauern ist offenbar, daß sich niemand hinsetzt und ernsthaft über die Lage nachdenkt. Wenn man nur vom Durchgebrachten lebt, kann man ja ausrechnen, wann nichts Durchgebrachtes mehr da ist. Bis dahin sollte man wissen, wie man mit einem Ackergaul umgeht, wo es Salz gibt, wie man Kartoffeln am besten vermehrt ... Da bin ich auch nicht der Crack, aber wozu gibt es Bücher?
  • (Buch) gerade am lesen:Gene Wolfe "Sword and Citadel"

#33 methom

methom

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Geschrieben 09 August 2011 - 19:25

Mir hat das Buch gut gefallen. Angenehm zu lesen. An den Fraktursatz gewöhnte ich mich schnell und für die Mundart reichte mein Fernseh-Bayrisch völlig aus. Da es ja in der Hauptsache um Menschen und Macht ging, ist das Buch auch nicht sehr gealtert, sondern noch immer aktuell. Die Menschen und ihre Machtgelüste fand ich glaubwürdig und überzeugend dargestellt. Allein wie schnell der erste Marte der Versuchung durch Addi erlag, erschien mir nicht ganz nachvollziehbar. Andererseits muss Passau für ihn ja wirklich eine Art Paradies gewesen sein. Trotzdem hätte das meinen Geschmack noch etwas besser ausgeführt werden können. Interessant ist in der Tat die Frage, wie viel Bevölkerung man benötigt, um einen gewissen technologischen Standard zu bewahren. Da ist Amery ja eher pessimistisch. Irgendwie wäre ich da - ganz naiv, ohne große Recherche - etwas optimistischer und würde annehmen, dass zumindest Dampfmaschinen-Niveau erreicht bzw. gehalten werden könnte. Dampfmaschinen können Arbeit leisten und Strom erzeugen. Wichtig wäre natürlich auch die Lebensmittelversorgung, um die es ja im Buch geht. Bedeutend fände ich aber auch etwas wie Papierherstellung, damit das Wenige, was die Überlebenden noch wissen, auch bewahrt und weitergegeben werden kann. Auf jeden Fall ein interessantes Spekulationsfeld. Um gewappnet zu sein, werde ich ab sofort auf jeden Fall immer eine gedruckte Ausgabe des Internets dabei haben, darin finde ich dann alles, was ich wissen muss, um die Zivilisation zu erhalten. Und ich werde in die Nähe eines Amazon-Logistikzentrums ziehen, da finde ich alles, was ich dazu brauche :) Ansonsten finde ich einen Vergleich mit Kings "The Stand" noch recht naheliegend, dass ja nur drei Jahre später erschienen ist. Ich vermute mal nicht, dass Kind "Der Untergang" kannte (zumindest habe ich keinen Hinweis auf eine englischsprachige Ausgabe gefunden), aber abgesehen vom Stil und dem "Erzählmaßstab" (klein und intim bei Amery, riesig und apokalyptisch bei King) finde ich beide Werke erstaunlich kompatibel. Die könnten glatt in der gleichen Welt spielen. Und eigentlich kommen auch beide zum gleichen Ergebnis: Der Mensch ist des Menschen Wolf. (Wobei es bei King eindeutig "Gute" gibt, die auch noch gewinnen. Das ist hier dann ja doch eher fließend.) Vielleicht war die Zeit da wirklich reif für diese Art von Werken. Schließlich noch die Frage: ist das Science-Fiction? Oder, um das Fachwissen zu verwenden, dass ich mich hier im Forum aneigne :) , besitzt die Geschichte ein Novum, etwas, das in unserer Welt noch nicht möglich ist, aber handlungsrelevant ist? Hm, wenn überhaupt, dann die Seuche. Aber ist die unmöglich? Oder haben wir bislang nur Glück gehabt? Wenn man an die Pest im Mittelalter denkt, scheint es gar nicht so unmöglich zu sein. Ein würdiger Klassiker. 8 von 10 Punkten.

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#34 †  a3kHH

†  a3kHH

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Geschrieben 09 August 2011 - 20:50

Mir hat das Buch gut gefallen.

Mir auch.
Und mehr traue ich mich dazu nicht zu sagen.
Denn das hat Armin in seiner Arbeit bereits ausreichend und extremst qualifiziert gesagt.
Eingefügtes Bild
Quelle : edfc
In diesem Buch findet man neben einer detaillierten Kritik am Roman selber auch sehr viele Informationen zum Autor Carl Amery / Karl-Michael Armer sowie zum Umfeld. Etwa zu einer dilettantischen Interpretation für Lehrer. Wer also "Der Untergang der Stadt Passau" lesen mochte, dem sei dieses Werk ans Herz gelegt, es lohnt sich. Und ich les' jetzt endlich mal den anderen Amery, der noch bei mir rumliegt.
An dieser Stelle eine Frage : Wird es das Buch eventuell nochmals überarbeitet auch als eBook im Rahmen der "normalen" Fantasias geben, Armin ?

Edit
Doch, vielleicht sollte ich eines noch sagen. Das Buch erschien in einer Zeit, als die deutsche SF sehr ... gewöhnungsbedürftig war. Wenige wirklich lesbare Bücher und Kurzgeschichten zeitgenössischer Autoren waren auf dem Markt. Bei deutscher SF wurde zu Recht abgewunken, die machte wenig Spaß. Da kam so etwas wie "Der Untergang der Stadt Passau" oder "An den Feuern der Leyermark" als echte Überraschung bei mir als Leser an. Und neben Reinmar Cunis und Carl Amery sind mir aus dieser Zeit auch keine weiteren Autoren im Gedächtnis geblieben.

Bearbeitet von a3kHH, 09 August 2011 - 20:55.


#35 methom

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Geschrieben 09 August 2011 - 21:16

Und mehr traue ich mich dazu nicht zu sagen.


Was ich immer noch schade finde.

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#36 Susanne11

Susanne11

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Geschrieben 10 August 2011 - 07:56

Da es ja in der Hauptsache um Menschen und Macht ging, ist das Buch auch nicht sehr gealtert, sondern noch immer aktuell. Die Menschen und ihre Machtgelüste fand ich glaubwürdig und überzeugend dargestellt. Allein wie schnell der erste Marte der Versuchung durch Addi erlag, erschien mir nicht ganz nachvollziehbar. Andererseits muss Passau für ihn ja wirklich eine Art Paradies gewesen sein. Trotzdem hätte das meinen Geschmack noch etwas besser ausgeführt werden können.

In dem Roman kriegt jeder sein Fett weg und den Hormonrausch des ersten Marte sehe ich als Seitenhieb auf die Testosteronsteuerung, der manche Männer unterliegen. Ich verstehe den "Kontrollverlust" von Marte gut, da er überhaupt keine Erfahrung mit solchen Reizen (Sex, Alkohol und Musik) hat.

#37 †  a3kHH

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Geschrieben 10 August 2011 - 10:56

Was ich immer noch schade finde.

Ich glaube, das Wichtigste, das ich zu diesem Buch beitragen kann, habe ich unter "Edit" gesagt.
Das ist nämlich keinesfalls so unscheinbar, wie es sich anhört. Heute haben wir große deutsche SF-Schriftsteller, von Armin Rößler über Dirk van den Boom bis hin zu Karsten Kruschel. Die lesen wir, das macht uns Spaß. Vor 25, 30 Jahren, ab Mitte der 80er, gab es deutsche Autoren praktisch nur im Heftromansektor, über den Rest schweigt man besser. In der deutschen Ausgabe von "Asimovs SF Magazin" wurden grauenvolle deutsche Kurzgeschichten gebracht, so grauenvoll, daß ich mich ein Vierteljahrhundert später noch nur mit Schaudern daran erinnern kann. Kein Vergleich zu heute, absolut nicht.
Wolfgang Jeschke hat sich bei Heyne für nicht-US-amerikanische SF stark gemacht und unter anderem auch Amery veröffentlicht. Und der konnte schreiben ! Ein lesbarer deutscher Autor im SF-Genre, jenseits von Perry und Atlan ! Das war schon eine Besonderheit.

#38 Heidrun

Heidrun

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Geschrieben 10 August 2011 - 11:21

Wolfgang Jeschke hat sich bei Heyne für nicht-US-amerikanische SF stark gemacht und unter anderem auch Amery veröffentlicht. Und der konnte schreiben ! Ein lesbarer deutscher Autor im SF-Genre, jenseits von Perry und Atlan ! Das war schon eine Besonderheit.

Na, na, Jeschke gab es zu dieser Zeit auch schon, und der ist auch nicht schlecht. Mir würden allerdings noch vier bis fünf andere einfallen, die zur gleichen Zeit spannende Dinge geschrieben haben.
Das Interessante an Amery ist eher, daß seine SF so völlig un-SFig daherkommt. Das Lokale und Bayrische hat mich spontan begeistert. Storys über Kulturen irgendwo im All kann jeder schreiben, aber eine Endzeitstory aus Bayern ist etwas ganz anderes. Da haben wir im Prinzip schon die Grenzüberschreitung zu anderen Genres, die sich angeblich in den letzten Jahren entwickelt.
Das Novum ist natürlich die Seuche, denn die gab es bisher noch nicht. Daß sie problemlos vorstellbar ist, ist kein Kriterium. Die Nach-Katastrophen-Gesellschaft hat es so noch nicht gegeben.
Ich gehe jetzt, mir ein Nachschlagwerk über Landwirtschaft besorgen. ;)
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#39 hkoerner

hkoerner

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Geschrieben 10 August 2011 - 16:27

Angesichts der zahlreichen Vorschusslorbeeren (der Klassiker bundesdeutscher SF) war ich am Ende doch etwas enttäuscht. Die zwei Erzählebenen sind zwar geschickt verwoben, aber letztlich überzeugt mich die Handlung inhaltlich nicht. Die große Seuche ist ja offenkundig noch nicht so lange vorbei (einige der älteren Protagonisten kennen ja das Davor noch recht gut), daß sich die Gesellschaft ins Mittelalter zurückentwickeln müßte, nicht in dreißig, vierzig Jahren. Die meisten Älteren würden den Scheff und seine Entourage einfach nur albern finden. Es ist auch schwer einzusehen, weshalb sich Lois als studierter Mann die ganze Zeit ausdrückt wie ein grenzdebiler Almtrottel (als List würde es ja angehen, aber die Sprache ist auch im Zwiegespräch mit Marte nicht viel anders.) Überzeugend ist andererseits die absehbare Rückentwicklung der Stadt Passau durch die Unmöglichkeit, den technologischen Standard aufrechtzuerhalten, da niemand mehr die Fähigkeit hat, Industrieprodukte herzustellen. Warum der böse Scheff nun vorgehabt haben soll, die Rosenheimer anzugreifen und abzuschlachten, habe ich nicht verstanden. Der Zugriff aufs Salz schein mir kein stichhaltiges Argument zu sein. Nach meinem Eindruck hätten die Tauschgeschäfte noch eine ganze Weile so funktionieren können. Mein Fazit: Sicherlich ein gut geschriebenes Buch mit sehr viel (für mich nicht gar so interessantem) Lokalkolorit, aber gewiß kein Meilenstein der SF oder gar der Gegenwartsliteratur. Der Autor selbst hat das Ganze als "Fingerübung" bezeichnet, und das trifft es m. E. eher als viele Elogen.

Bearbeitet von hkoerner, 10 August 2011 - 20:27.



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