(Die Linke Hand der Dunkelheit, auch: Winterplanet)
Dear All,
aus gegebenem Anlass hier meine Bemerkungen zu einem Buch, das auf jeder Leseliste obenan steht und welches ich vor ein paar Wochen gelesen habe.
Inhalt
Genli Ai ist als einzelner menschlicher Gesandter auf dem Planeten Gethen/Winter angekommen, um eine freundliche, interplanetare Kommunikation aufzubauen und für einen Beitritt zur Ökumene, einer Union von Planeten, zu werben. Er ist ein Fremder in einem eisigen, fremden Land, dessen Bewohner androgyn sind.
Das Herz der Story ist die sich langsam entwickelnde Verbindung zwischen Genly Ai und dem Genthenianer Estraven. Voller Misstrauen und Missverständnisse zuerst, lernen sie einander trotz der Unterschiede schätzen, bis sich im Miteinander gegen die unwirtlichen Verhältnisse des Planeten eine Freundschaft bildet.Warum bist du allein gekommen? .............
So ist es bei der Ökumene der Brauch, und es gibt gute Gründe dafür. Obgleich ich mich wirklich allmählich frage, ob ich diese Gründe jemals richtig verstanden habe. Ich dachte immer, es wäre euretwegen, dass ich allein kommen musste - so offensichtlich allein, so ungeschützt, dass ich persönlich keine Gefahr darstellen, kein Gleichgewicht stören konnte: nicht eine Invasion, sondern einfach ein Botenjunge. Aber nein, es steckt mehr dahinter. Bin ich allein, kann ich eure Welt nicht verändern, kann aber von ihr verändert werden. Bin ich allein, muss ich auch zuhören, und nicht nur sprechen. Bin ich allein, ist der Kontakt, den ich herstelle - falls ich überhaupt einen herstelle -, weder unpersönlich noch ausschließlich politischer Natur: Er ist individuell, er ist persönlich†¦.
Kritik
Es ist zu Recht ein großer SF-Klassiker mit einem der großen Themen: die Begegnung mit dem Anderen. Teilnehmende Beobachtung in einer fremden Kultur.
Die Story ist langsam und kommt ohne großartige Action aus. Nichtsdestotrotz ist sie spannend, nimmt in Bann und berührt. Sie lädt ein zum Nachdenken über Konzepte von Kultur, Gender, Politik, Verrat. Die Charaktere sind interessant und sehr gut ausgearbeitet.
Es ist ein schmales Buch für heutige Verhältnisse und trotzdem ist die Beschreibung der geschaffenen Welt sehr dicht, was vor allem dadurch erreicht wird, dass es sich in der Hauptsache um den Report Genli Ais handelt, gespickt mit Zwischenkapiteln bestehend aus wissenschaftlichen Berichten und tradierten Erzählungen der Kultur. Auf diese Weise werden die Haupt-Themen unterstrichen und kriegen mehr Gehalt.
Wenn ich das richtig verstehe, war das Buch der Hit in den 70ern und wurde aufgrund seiner Gender-Thematik stark von Akademikern, darunter vielen Feministinnen vereinnahmt als Frauenutopie (faktisch unmöglich, aber voll symbolischen Gehalts: Versuch, Gesellschaft befreit von der Zwangsjacke geschlechtlicher Rollenverteilung zu denken). Das mag Bahn brechend gewesen sein, der Wirbel ist heutzutage jedoch nicht mehr ganz nachzuvollziehen. Auch bin ich sicher oder hoffe zumindest, dass die Gender Students inzwischen andere Texte haben und ein bisschen vorangekommen sind.
Aber keine Bange: wer keine Lust hat, sich über Vorrausetzungen und Möglichkeiten einer nicht-patriarchalischen Gesellschaft Gedanken zu machen, wird auch nicht penetrant mit der Nase drauf gestoßen. Tja, die Rezeption ist nicht gleichzusetzen mit dem Roman, und dieser Roman ist ausgezeichnet und hat das, was die Science Fiction Fans, wenn mich nicht alles täuscht, für gewöhnlich lieben: die Aufhebung der normalen, gewohnten Denkweisen.
Tut†™s mir nach und dankt mir später.
P.S.:
Was habt ihr für Erfahrungen mit dieser Grande Dame der SF?
Ich habe noch PLANET DER HABENICHTSE und eine Unmenge Short Stories gelesen und fand alles recht gut†¦