@Trurl: Die Vorgeschichte des Problems kann dir Similifilm natürlich nicht erläutern, weil er eben einer bestimmten Ausprägung von Methodensammlung der Geisteswissenschaft aufsitzt, die es ihm nicht erlaubt, seine Formalismen und seine begrifflichen Werkzeuge zu hinterfragen.
@Similifilm: ich habe mir jetzt aus deiner Literaturliste ein paar Sachen angesehen und kann dir - gerade weil sie passend ist - keine andere Kritik geben (auch wenn es aus deiner Sicht vielleicht ein kindischer Versuch ist, aus der Position des nicht in die Filmwissenschaften Eingeweihten, ebendieser über sinnlose "Rundumschläge" bemüht und aussichtslos ans Bein zu pissen)
Du versuchst in dem empfohlenen Beitrag - in dem über die Avatare, den ich mir jetzt sowohl als Video, als auch als Text angetan habe - also mit einem Rückgriff auf den von Suvin eingeführten Begriff der Verfremdung ein gemeinsames Grundkonzept (oder zumindest ein gemeinsames Konzept) von SF (-Filmen?) herauszuarbeiten. Du meinst, dass über den Gebrauch von Verfremdung in der SF ein Konsenz bestehe, bei den Autoren, die du für deine Ausarbeitung konsultiert hast. Weiters machst du eine überaus unscharfe Trennung zwischen formaler Verfremdung und diegetischer Verfremdung. Unscharf sage ich deshalb, weil mir deine Unterscheidung in dieser Hinsicht nicht wirklich notwendig wirkt, wahrscheinlich hat dich aber das überkommene Denkmodell in der Literaturwissenschaft, zwischen formaler Erzählung und erzählter Fabel (oder mit welchen Begriffen du auch immer arbeitest) dazu bewogen, diese Unterscheidung vorzunehmen. Ich habe keine Ahnung, was du als Filmwissenschaftler sonst für Abwandlung von histoire und discours oder von fabula und sjuzet vornimmst, aber da du ja auch einen Faible für Todorov hast, schätze ich mal du bewegst dich etwa auf diesem Feld. Du verzichtest darauf - wahrscheinlich bin ich aber bloß nicht eingelesen genug in deine Filmwissenschaft - dein Verständnis formaler Verfremdung von der diegetischen genauer zu explizieren (was mir, würde ich mich für diese Unterscheidung als Filmwissenschaftler interessieren überaus unsauber vorkäme, weil man dazu sagen müsste, dass die formale Seite, zumindest was den Film betrifft, ja bestimmt mit visueller Rezeption von Seiten des Zusehers sich einstellt und deshalb ja wohl gezwungenermaßen in jeder Verfremdung, die du als Beispiel bringst, ebenso zum Greifen kommt. Die diegetische Ebene hingegen kann man als geschlossenen Raum ansehen - zumindest scheint mir deine Argumentation dahin zu gehen. Oder lässt sich die diegetische Ebene nicht so nehmen? ich frage das aus bestimmten Gründen: weil du deine Begriffe nicht genau abgrenzt. Die erwähnten Begriffe kommen in abgewandelter Form in einer unglaublichen Bandbreite von Theoretikern vor, wobei einige die von mir erwähnte Abgrenzung tätigen, andere nicht. Ich will jetzt kein Namedropping betreiben, aber du selbst wirst wissen, dass Tomasevskij, Todorov, Barthes, Genette, Lämmert, Stierle und ein Haufen anderer Leute ähnliche Begriffe zur Anwendung bringen, und dass aber die Unteschiede dennoch ziemlich gravierend sind, was die genaue Bedeutung betrifft.
Nun geht mir leider nicht ganz auf, was du jetzt damit als "erkannt" betrachtest, bzw. wo der Erkenntniszuwachs in solch einer Formalisierung des SF-Films liegen soll. Die Begriffsleistung ist meine Meinung nach minimal und fördert in keinster Weise das Verständnis des Mediums, versucht nur über eine Allaussage, oder über eine krude Formel die Differenz gleich zu machen... und das, lustigerweise auch noch über den "Kunstgriff" die eigentlich epistemologische Sinnhaftigkeit des Begriffs Verfremdung, oder eigentlich sogar eher das epistemologische Dilemma der Verfremdung für ein fadenscheiniges "Analysemodell" zur Methode zu entkräften. Da wird ein transzendentales Problem, weil Literaturwissenschaftler nicht gerne über sowas nachdenken, schlicht und einfach zum Mittel phänomenaler Eindrücke und
Analysen.
Dass das natürlich nicht dein persönlicher Fehler ist, sondern schlicht und einfach auf der Formalisierung von Texten oder Filmen an sich beruht ist natürlich klar. Naja nicht ganz, weil das mit der ausbleibenden Begriffsdarlegung schon auf deinem Mist gewachsen ist, aber Schwamm drüber...
Viel mehr oder viel tiefgehendere Dinge kann ich dir nicht sagen, weil das Material nicht mehr hergibt. Man wird einem Menschen der Blödsinn redet ja auch nicht bis ins kleinste Detail darlegen was Blödsinn ist, wenn sein Denken schon bei der ersten Probe aussetzt.
Das kannst du jetzt gerne wieder als böswilliges Gestammel auslegen oder auch nicht, ist mir glelichgültig. Meiner Meinung nach sind solche formalen Schulen davon geprägt, den Versuch zu unternehmen, Wahrnehmungsinhalte sinnloserweise unter ein Kategoriensystem oder unter irgendwelche Schemata zu ordenen, die eine Scheinobjektivität suggerieren und vor allem klare Unterscheidungen dorthin zu projizieren, wo sie einfach nicht zu finden sind: sowas nennt man Pseudowissenschaft.
In festen Wissenschaften entwickelt sich Begrifflichkeit evolutionär, das bedeutet, dass Begriffsinstrumente der Untersuchung einen Zuwachs an Adaptivität innerhalb der Ansprüche der untersuchten Materie geben. Spricht, man kann dem Selektionsanspruch des Untersuchungsgegenstandes besser standhalten und das Ergebnis ist dann eigentlich Zeuge.
Formale Schulen in der Geisteswissenschaft hingegen erzeugen Formalismen schlicht und einfach aus Willkür und die Ergebnisse haben nichts anderes als eine Rückwirkung auf den Formalismus selbst. Dass das hübsch postmodern oder neoformaistisch oder was auch immer ist, ist ja schön und gut... Auf keinen Fall ist es aber ein ernstzunehmendes Mittel zum Erkenntniszuwachs.
Bearbeitet von keeno, 05 September 2012 - 08:31.