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Lüy's Lounge


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95 Antworten in diesem Thema

#1 Lüy Piötlerc

Lüy Piötlerc

    Temponaut

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Geschrieben 21 Oktober 2012 - 00:19

So - alle Neurobiologen und verirrten Geisteswissenschafter - hierher!
Hier geht die Poscht ab!

Ad Echo:
"Meine Beine spielen eine wichtige Rolle für meine Fähigkeit, zu Gehen.
Trotzdem macht es keinen Sinn, daß das Gehen in meinen Beinen ist."

Bin ich ganz bei Dir. Die Fähigkeit zu gehen ist in den sekundär-motorischen Arealen, präfrontal, im Mittelhirn und im Kleinhirn verortet. Störungen in diesen Bereichen (Verletzungen, Blutungen, Tumore, Degeneration, Entzündungen) haben ganz bestimmte Gangstörungen zur Folge. Allerdings sind eine erkleckliche Anzahl an "Gehroutinen" im Rückenmark verortet.
Natürlich haben auch Muskelatrophien und bestimmte neurodegeneraive Vorgänge direkten Einfluß auf "das Gehen"

"Erinnern ist eine Fähigkeit, die wir haben.
Aber die Erinnerung ist nicht das Produkt des Ausübens dieser Fähigkeit, wie z.B. ein Aschenbecher das Produkt des Ausübens meiner Töpferfertigkeiten wäre.
Du gehst halt immernoch davon aus, daß Erinnerungen Etwasse sind."

Einigen wir uns darauf, daß es eine Hirnfunktion gibt, die es uns erlaubt, Erinnerungen abzurufen. Eine weitere Hirnfunktion ermöglicht uns das Anlegen von Erinnerungen. Eine dritte Funktion bearbeitet Erinnerungen, damit sie ins Gesamtbild passen und sortiert die aus, die als irrelevant oder störend markiert wurden.
Kein Anspruch auf Vollständigkeit...
Natürlich, eine Erinnerung kann man nicht aus dem Hirn ausbauen und auf den Tisch legen. Aber das kann man mit den Bits und Bytes einer Festplatte auch nicht. Und da haben wir eine ziemlich exakte Vorstellung davon, wie Erinnerung zustandekommt und abgerufen wird.
"Alle Werte im grünen Bereich!"
Letzte Worte des Cheftechnikers beim Sprung von Terra-Luna durch Twin-Sol
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#2 Schlomo

Schlomo

    Temponaut

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Geschrieben 21 Oktober 2012 - 02:01

Leider ist das mit dem „Erinnern“, dem „Gedächtnis“ und den Funktionen darauf etwas komplizierter. Nicht in der Art kompliziert, dass man es nicht verstehen könnte, aber deutlich komplizierter und vor allem anders als es Hugin und Munin (zumindest linguistisch) implizieren.

Tatsächlich ist das Gehirn ein selbstorganisierendes System, und da gibt es keine Top-Down Funktionen, mit denen man (oder eine übergeordnete Instanz) Teile ansprechen oder benutzen kann. Das – zumindest wenn man zum ersten mal davon hört – Unerwartete und vielleicht auch Unheimliche ist, dass das scheinbare Ausführen von Funktionen von „ganz Unten“ kommt.

Nicht wir denken mit unserem Gehirn, sondern das Gehirn denkt uns. Was wir mit den wenigen hundert Bits in der „obersten Ebene“, in unserer inneren Wahrnehmung beobachten, oder glauben zu denken, ist lediglich das Resultat von irrsinnig aufwändigen Vorgängen, die aber allesamt unbewusst – ohne „unser“ Zutun – ablaufen.

Egal was wir machen, ob wir eine Entscheidung fällen, etwa eine Hand zu bewegen, oder ob wir uns an etwas erinnern, immer trifft unser Gehirn zuerst die Entscheidung (wie man im CT sehr schön beobachten kann), und erst dann teilt es „uns“ mit, das „wir“ das jetzt machen wollen.

Das heißt jetzt nicht, dass wir keinen “freien Willen” haben oder nur scheinbar über unsere Gedanken und Entscheidungen bestimmen, sondern es – oder vielmehr das „Ich“ als beobachtender/beobachtbarer Teil des Ganzen – ist ein selbstorganisierendes und selbstmodifizierendes System. Nur ist es eben wesentlich komplizierter als man gemeinhin denkt...

Kurz zusammengefasst: Es gibt im Gehirn keine übergeordnete steuernde Instanz und keine Top-Down Funktionen, die von einer Instanz aufgerufen werden könnten, sondern es ist ein selbstorganisierendes Regelsystem, das unter anderem ein „Ich-Erlebnis“ produziert und das sich seine Ziele, Wünsche, Moralvorstellungen, Interessen, u.s.w. selbst suchen kann.

Wie letzteres funktioniert? Das ist eigentlich enttäuschend einfach: Über das eingebaute Belohnungssystem. Wenn sich etwas „gut“ anfühlt, versuchen wir es zu wiederholen, wenn es sich „schlecht“ anfühlt, versuchen wir es zu vermeiden. Das funktioniert auch mit anderen Emotionen so (etwa Neugierde/Langeweile).

Um es in der Sprache der Informatik auszudrücken: Es gilt das EVA Prinzip. Eingabe Verarbeitung Ausgabe. Und die Verarbeitung verändern „wir“ permanent. Was eigentlich falsch formuliert ist: Da die Verarbeitung selbstorganisiert ist, verändert sie sich selbstständig und damit uns.

So. Was hat das jetzt mit Telepathie zu tun? Reichlich wenig, da es Telepathie vermutlich gar nicht gibt. Sollte etwas derartiges doch existieren (und ich konnte die Wahrscheinlichkeit dafür während meiner Schulzeit experimentell auf den Status „sehr unwahrscheinlich“ setzen), dann kann es kaum auf „das Gedächtnis“ direkt wirken – das würde kaum zu interpretierbaren Ergebnissen führen, höchsten Chaos verursachen –, sondern müsste wohl über ein irgendwie geartetes Sinnesorgan wahrgenommen werden.

Schalom,

Schlomo

#no13

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#3 Echophage

Echophage

    Cybernaut

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Geschrieben 21 Oktober 2012 - 09:29

Egal was wir machen, ob wir eine Entscheidung fällen, etwa eine Hand zu bewegen, oder ob wir uns an etwas erinnern, immer trifft unser Gehirn zuerst die Entscheidung (wie man im CT sehr schön beobachten kann), und erst dann teilt es „uns“ mit, das „wir“ das jetzt machen wollen.

Das heißt jetzt nicht, dass wir keinen “freien Willen” haben oder nur scheinbar über unsere Gedanken und Entscheidungen bestimmen, sondern es – oder vielmehr das „Ich“ als beobachtender/beobachtbarer Teil des Ganzen – ist ein selbstorganisierendes und selbstmodifizierendes System. Nur ist es eben wesentlich komplizierter als man gemeinhin denkt...


Okay, wie soll das gehen?
Eine Entscheidung kann nur einmal getroffen werden.
Wenn mein Gehirn entscheidet, daß ich "entscheide", eine Hand zu bewegen... dann hätte mein Gehirn entschieden, die Hand - durch mich - zu bewegen.
(Wenn Eltern entscheiden, daß ihr Kind entscheidet, daß es jetzt Klavierunterricht nehmen soll, dann haben die Eltern entschieden.)
Das ist problematisch.
Warum?
Weil dann eigentlich nur unser Gehirn Entscheidungen trifft.
Wir könnten dann das Wörtchen "ich" durch "mein Gehirn" ersetzen.
Das mag noch klappen, wenn wir z.B. sagen "mein Gehirn hat entschieden, meine Hand zu bewegen".
Es wird schon schwieriger bei "Mein Gehirn hat entschieden, spazierenzugehen."
Denn ich gehe spazieren, nicht mein Gehirn. Bestenfall trage ich mein Gehirn spazieren... Eingefügtes Bild
(Gehirne können gar nicht spazierengehen, weil sie nämlich keine Beine haben. :D )
Und was ist, wenn ich Zahnschmerzen habe?
Hat dann - in Wirklichkeit - mein Gehirn Zahnschmerzen? Aber mein Gehirn hat gar keine Zähne!
Und was ist, wenn ich dann entscheide, meine Zahnschmerzen zu ignorieren?
Hat dann eigentlich mein Gehirn entschieden, meine Zahnschmerzen zu ignorieren?
Natürlich könnte man dann sagen, daß mein Gehirn sich entschieden hat, meine Zahnschmerzen zu ignorieren.
Aber das bedeutet natürlich etwas völlig anderes!
Vgl. "A entschied, seine (eigenen) Schmerzen zu ignorieren" und "A entschied, Bs Schmerzen zu ignorieren".
(Und wie könnte mein Gehirn durch "seine" Entscheidung, meine Zahnschmerzen zu ignorieren, meine Entscheidung, meine Zahnschmerzen zu ignorieren, auslösen?)

Du beobachtest nicht die Entscheidung am CT - Du beobachtest, was im Gehirn von jemandem passiert, der eine Entscheidung trifft.
(Und nichts, was Du dort siehst, zwingt Dich logisch, faktisch oder sonstwie dazu, das, was Du dort siehst, eine Erinnerung zu nennen. Du kannst beschließen, das eine Erinnerung zu nennen. Aber das wäre weder eine praktikable, noch eine sinnvolle Entscheidung. Eingefügtes Bild )

Und schließlich...
Sich entscheiden, zu erinnern? Das geht so nicht. Eingefügtes Bild
Man kann bestenfells sich entscheiden zu versuchen, sich an etwas zu erinnern.
"Ich habe beschlossen, mich daran zu erinnern" ist ebenso sinnlos wie "Ich habe beschlossen, einen stechenden Schmerz in meinem linken Arm zu haben".
(Natürlich kann man den Satz metaphorisch verwenden - man kann sich aber eben nicht buchstäblich dazu entscheiden, eine bestimmte Erinnerung zu haben.)

Und was ist eigentlich, wenn mein Gehirn und ich unterschiedliche, gar widersprüchliche Entscheidungen treffen?
Wer "gewinnt" denn dann? Eingefügtes Bild
Wer is "der Bestimmer" - mein Gehirn oder ich?

Edit:
Zweifellos können wir beobachten, daß immer, wenn jemand eine Entscheidung trifft, etwas bestimmtes im Gehirn dieser Person passiert. Aber woher kommt die Überzeugung, daß, was dort im Gehirn passiert, die Entscheidung sein muß?
Wie gesagt...
Wann immer ich gehe, sind meine Beine in Bewegung.
Trotzdem bin ich es der geht - mit meinen Beinen. Aber meine Beine gehen nicht.
Genauso bin ich es, der sieht - mit meinen Augen. Aber meine Augen sehen nicht.
Aber erinnere oder entscheide ich mich mit meinem Gehirn, so wie ich mit meinen Beinen gehe?
Denke ich mit meinem Gehirn so, wie ich mit meinem Mund und meinen Stimmbändern spreche?
Und woherkäme diese Überzeugung? Worin läge sie begründet?

Bearbeitet von Echophage, 21 Oktober 2012 - 09:42.

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#4 Tennessee

Tennessee

    Cybernaut

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Geschrieben 21 Oktober 2012 - 10:42


Okay, wie soll das gehen?
Eine Entscheidung kann nur einmal getroffen werden.
Wenn mein Gehirn entscheidet, daß ich "entscheide", eine Hand zu bewegen... dann hätte mein Gehirn entschieden, die Hand - durch mich - zu bewegen.
[...]
Wann immer ich gehe, sind meine Beine in Bewegung.
Trotzdem bin ich es der geht - mit meinen Beinen. Aber meine Beine gehen nicht.
Genauso bin ich es, der sieht - mit meinen Augen. Aber meine Augen sehen nicht.
Aber erinnere oder entscheide ich mich mit meinem Gehirn, so wie ich mit meinen Beinen gehe?
Denke ich mit meinem Gehirn so, wie ich mit meinem Mund und meinen Stimmbändern spreche?
Und woherkäme diese Überzeugung? Worin läge sie begründet?


Salut Echo,

und oh je. So sehr ich doch bei deinen Postings oft deiner Sig zustimmen muss - nicht unbedingt deinen Ausführungen, aber doch deiner Sig - , so sehr bin ich von deiner Argumentation derzeit ein bisl ... ich sag es mal so ... überrascht.

Wenn ich etwas tue, eine Hand heben, spazieren gehen, mich erinnern, tue ich das doch nicht ohne Zweck. Zu Beginn jedweder Handlung steht doch immer ein Reiz, der im Gehin ankommt und der über das Gehirn bewertet wird, z.B. als etwas das mir ein gutes Gefühl bringt.
- Ich möchte ein paar Bonbons haben - also greife ich mit meiner Hand zu, da ich weiß, dass die Bonbons mir - als welchen Gründen auch immer - gut tun. (Belohnung)
- Ich möchte spazieren gehen - also laufen meine Beine los, da ich weiß, dass mich das Spazierngehen z.B. entspannt und mich mit frischer Luft oder warmer Sonne anfüllt. (Belohnung)
- Ich möchte mich erinnern, weil ich z.B. Kinderfilme von früher gesehen habe und ich spüre, dass mich das erfreut, mich an diese Situationen zu erinnern. (Belohnung)
- Und nun ein wenig delikat: Ich möchte mich an einige Dinge nicht erinnern, z.B. an Misshandlungen o.ä., da es mir dadurch nicht gut geht. ("Strafe" => z.B. Verdrängung o.ä.)

Deine Argumentation bzgl des laufenden oder zahnschmerzenden Gehirnes ist, bitte entschuldige, etwas infantil.
Du hast Zahnschmerzen: dein Hirn bekommt den Reiz "Schmerz" und weiß, wenn du zum Zahnarzt gehst, wird der Schmerz verschwinden (Belohnung), also setzt du dich in Bewegung.

Du bist ein Kind und findest es herlich die Herdplatte anzufassen, weil du dir davon eine Aussage über Konsistenz, Aufbau o.ä. der Herdplatte versprichst oder weil du einfach feststellst, dass deine Hand eine Funktion hat, nämlich etwas zu berühren und zu ertasten. (Beides sind Belohnungen.) Nun packst du das Ding an und stellst fest, dass es so heiß ist, dass du dich verbrennst. Schmerz. Ist nicht schön und daher eine "Strafe". Ergo wirst du nicht noch einmal an die Herdplatte fassen, deine Hand wird sich nicht nochmal "verbrennen".

Das Gehirn ist also letztendlich dein Steurorgan, das in ganz komplexen Prozessen deine Handlungen, basierend auf deine "Reizübermittlung" ans Hirn, organisiert.

Schlomos Ausführungen sind diesbezüglich schon ziemlich gut, wie ich als Laie das so finde.

lg
Ten.
"Mit meiner Frau in 'Romeo und Julia'. Das schlechteste Stück, das ich je gesehen habe, und dazu schauderhaft gespielt. Habe beschlossen, nie wieder in eine Premiere zu gehen, weil die Schauspieler dauernd ihren Text vergessen." (Samuel Pepys, 23.02.1633)

#5 Echophage

Echophage

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Geschrieben 21 Oktober 2012 - 12:20

Deine Argumentation bzgl des laufenden oder zahnschmerzenden Gehirnes ist, bitte entschuldige, etwas infantil.
Du hast Zahnschmerzen: dein Hirn bekommt den Reiz "Schmerz" und weiß, wenn du zum Zahnarzt gehst, wird der Schmerz verschwinden (Belohnung), also setzt du dich in Bewegung.

Nein... Ich weiß, daß mein Zahnarzt meine Zahnschmerzen behandeln kann.
Mein Gehirn weiß gar nichts - es macht keinen Sinn - außer metaphorisch!* -, von einem Gehirn zu sagen, es wisse etwas.
Das wäre ein mereologischer Fehlschluß.
Simples Beispiel: Die Uhr zeigt die Zeit an, nicht ihre Zeiger.
Wir können natürlich sagen, daß die Zeiger der Uhr die Zeit anzeigen - aber wir meinen damit eben doch die ganze Uhr.
Analog können wir sagen, daß jemandes Gehirn denkt - aber das kann auch nur bedeuten, daß dieser Jemand denkt.
Weil eben gar nicht klar ist, was es heißen soll, daß ein Gehirn denkt!
(Siehe auch Fußnote. Man kann eben nicht sagen, daß das Denken eines Gehirns offensichtlich / natürlich / selbstverständlich nichts anderes sei als das Denken, das wir aus der Alltagssprache kennen. Denn wir sagen eben nur von Personen - oder hinreichend hochentwickelten Tieren -, sie würden denken. Und wir können an simplen Beispielen - so, wie Du es weiter oben gemacht hast - erklären, was es heißt, wenn man sagt, jemand denkt / will / glaubt etc.pp. etwas.

Ich will spazierengehen - also gehe ich los, weil mich das entspannt.
Das ist eine völlig akzeptable Erklärung dafür, was es heißt, etwas zu wollen.
Wie sollte ich analog erklären, was mein Gehirn will?
Das wird noch viel problematischer, wenn Du den Willen mit Gehirntätigkeit verknüpfst.

Folgendes...
1. Es sollte völlig unstrittig sein, daß es immer jemand ist, der etwas will. (So verwenden wir das Wort "wollen"!)
2. Jetzt nehmen wir mal an, unser Gehirn könnte etwas wollen. Dann wäre es logischerweise ebenfalls ein jemand.
3. Nehmen wir jetzt diese "Definition" an: "Der Wille / die Entscheidung / die Erinnerung / das Gefühl von jemandem ist nichts anderes als sein Gehirnzustand XY." (Dabei bezieht man sich, über das "sein", natürlich auf das Gehirn des Jemands!)
4. Da wir unter 2. etabliert haben, daß ein Gehirn, da es einen Willen haben kann, ein Jemand ist, könnten wir also sinnvollerweise - mit 3. - den folgenden Satz bilden: "Der Wille eines Gehirns ist nichts anderes als sein Gehirnzustand XY."
5. Aber ein Gehirn hat nicht selbst ein Gehirn! Deshalb ist der Satz sinnlos. Dann ist aber mindestens eine der Annahmen 2. und 3. unhaltbar.

Man könnte natürlich auch einfach 1. bestreiten.
Aber... echt? Eingefügtes Bild

*Das Problem ist, daß allzu oft die Neurowissenschaftler darauf bestehen, daß sie, wenn sie von "denkenden Gehirnen" und dergl. sprechen, eben ausdrücklich darauf bestehen, daß sie nicht-metaphorisch davon sprechen. Man kann von denkenden Gehirnen sprechen, wohlgemerkt! Man kann einen neurowissenschaftlichen Denkbegriff, bezogen auf z.B. Gehirne, definieren. Wir könnten das, der Klarheit halber, "Denken*" nennen.

Es ist wichtig einzusehen, daß ein Riesenunterschied zwischen denkenden Personen und denkenden* Gehirnen besteht!

Bearbeitet von Echophage, 21 Oktober 2012 - 12:22.

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#6 Echophage

Echophage

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Geschrieben 21 Oktober 2012 - 12:32

:lol:
Wenn das so weitergeht, könnte man eigentlich über einen Lesezirkel nachdenken.
Das könnte lustig werden!
Kostet natürlich teuer, das Büchlein.
Aber ich für meinen Teil kann nur sagen: Es lohnt sich! :)

Hmm...
Warum eigentlich nicht?
Also, ich wäre dabei - und Ärzte sollten eigentlich genug Kohle haben. Eingefügtes Bild
Ja, nee... Ist jetzt überraschenderweise ernster gemeint, als ich selber gedach hätte.
Also, das mit dem Lesezirkel, jetze. ;)
Wer macht mit?

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#7 Echophage

Echophage

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Geschrieben 21 Oktober 2012 - 12:39

Die Fähigkeit zu gehen ist in den sekundär-motorischen Arealen, präfrontal, im Mittelhirn und im Kleinhirn verortet.

Wo wir gerade bei Mereologie sind.
Warum muß denn eine Fähigkeit / Eigenschaft immer verortet sein? Eingefügtes Bild

Beantworte mir folgende, simple Frage:
Wo ist denn die "Fähigkeit" einer Uhr verortet, die Uhrzeit anzuzeigen.
In den Zeigern? Eingefügtes Bild
Aber wenn ich dann ein Rädchen aus dem Getriebe nehme, läuft sie nimmer richtig.
Soll ich jetzt sagen, daß die "Uhrzeitzeigefähigkeit" der Uhr in diesem Rädchen verortet ist?
Ich kann das Rädchen auch zurücksetzen und stattdessen ein anderes rausnehmen.
Dann geht die Uhr immernoch nicht.
Hat die "Urhzeitzeigefähigkeit" jetzt ihren Ort gewechselt? Eingefügtes Bild

Übrigens:
Wenn ich keine Beine habe, dann nutzt mir meine "Gehfähigkeit" in den sekunder-motorischen Arealen, präfrontal, im Mittel- und Kleinhirn, herzlich wenig.
Ich kann dann nicht Gehen.
(Was natürlich nicht heißt, daß meine Fähigkeit, zu gehen, in meinen Beinen verortet wäre, denn ohne meine sekundär-motorischen Areale kann ich, das ist wohl völlig richtig, auch nicht gehen... :rolleyes: )

Bearbeitet von Echophage, 21 Oktober 2012 - 12:46.

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#8 Valerie J. Long

Valerie J. Long

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Geschrieben 22 Oktober 2012 - 13:19

Ah, was für ein schönes Thema! Die Zeiger (der Uhr) heißen Zeiger, weil sie zeigen, doch alleine zu zeigen zeigt uns noch nichts, weil das "wohin" fehlt. Dafür braucht der Zeiger ein Ziel - doch dieses Ziel ist veränderlich, daher muss der Zeiger gehen. Das geht nur, wenn die Uhr geht - aber die Uhr bleibt am Ort. Was für ein Paradoxon! Ich denke, aber mein Gehirn kann dies nicht - womit denke ich dann? Ist die rapide Kaskade bioelektrischer Signale in meinen Neuronen und Synapsen - Bestandteile meines Gehirns - ein Denkvorgang? Wenn nein, was tun meine Neuronen und Synapsen dann? Und wie funktioniert das Denken ohne diese Signale? Wenn ich mit der Eisenbahn fahre, ist deren Antrieb dann die Lokomotive oder der Motor in der Lokomotive, oder sind es die beweglichen Teile dieses Motors? Doch was nützen diese ohne die Räder, welche der Motor antreibt? Nein, die Prämisse ist falsch. Wenn überhaupt, fahre ich mit dem Zug, denn die Bahn aus Eisen bleibt ja fest auf dem Boden liegen. Mit dem Zug fahre ich auch nicht - bestenfalls lasse ich einen fahren (hoppla), und wie kann ich sagen, dass der Zug fährt, wenn das Fahren an sich in der Lokomotive stattfindet? Oh je, welch unpräzises Vehikel ist doch Sprache! Und wie unnütz ist sie, um fraktale Zusammenhänge zu beschreiben. Ohne Definition der Betrachtungsebene, ohne einen Bezugspunkt, auf dessen Grundlage eine Interpretation erfolgen kann, müssen alle Bemühungen fruchtlos bleiben. Ich definiere den "Eisenbahnzug" in seiner Gesamtheit, Lokomotive und Personenwagen. Ich definiere die Lokomotive in ihrer Gesamtheit, einschließlich ihres Motors, der Mechanik zur Kraftübertragung und der elektrischen Ströme, und so darf ich sagen: Ich fahre mit dem Zug. Ich definiere mein Gehirn nicht nur als den Sitz von Neuronen und Synapsen, sondern auch als den Ort, an dem meine Denkvorgänge stattfinden. Auf dieser Betrachtungsebene darf ich mit meinem Gehirn denken. Meine Fähigkeit, zu gehen, ist eine Kombination aus physischem Können und der bioelektrischen Steuerung, die wiederum auf erlernte Sakkaden angewiesen ist, welche in meinem Gehirn gespeichert sind. Dabei ist meine Fähigkeit, zu gehen, eine Untermenge der Fähigkeit, mich zu bewegen, die semantisch streng an meine Beine gekoppelt ist. Zum Gehen muss ich auch meine Hüfte steuern und meinen Oberkörper ausbalancieren - aber mit diesen Körperteilen kann ich viele Sachen machen. Ohne Beine kann ich dagegen nicht gehen. Ach ja - schön, mal darüber nachgedacht zu haben.

#9 Echophage

Echophage

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Geschrieben 23 Oktober 2012 - 13:39

Ich definiere mein Gehirn nicht nur als den Sitz von Neuronen und Synapsen, sondern auch als den Ort, an dem meine Denkvorgänge stattfinden. Auf dieser Betrachtungsebene darf ich mit meinem Gehirn denken.

Der erste Satz ist schon wieder problematisch.
Es ist ja entschieden wichtig einzusehen, daß die Frage nach dem Ort von Denkvorgängen eine sinnlose ist und also weder beantwortet werden muß, noch beantwortet werden kann. Eingefügtes Bild
(Die Annahme eines Ortes suggeriert, daß ein "Gedankenvorgang" eine Art beobachtbarer, physikalischer Vorgang sei, so wie z.B. eine Verbrennung oder - mittelbar beobachtbar - eine Teilchenkollision. This is confused, wie Bennett / Hacker nicht müde würden, zu sagen. Eingefügtes Bild Natürlich kann man von Gedankenvorgängen sprechen - man muß sich nur klarwerden, daß das Wörtchen "Vorgang" in diesem Zusammenhang eine völlig andere Grammatik, d.h. Verwendung in unserer Sprache hat, als in z.B. im Zusammenhang mit "Verbrennungsvorgang".)
Vielleicht noch eine Anmerkung:
Man kann auch einen Gedankenvorgang beobachten. Aber das heißt eben nicht, jemandes Gehirn zu scannen; sondern man sieht zum Beispiel, wie jemand in "Denkerpose" rumsitzt, bis ihm der geniale Einfall kommt. In so einem Fall können wir sagen, man konnte ihm beim Denken zusehen. Wenn wir seine Gehirnströme beobachten sehen wir ihm gerade nicht beim Denken zu...

Der zweite Satz ist okay.
Wenn ich frage, ob man im selben Sinne davon sprechen kann, daß ich mit meinem Gehirn denke, wie ich mit meinen Beinen laufe, dann meine ich damit nicht, daß man nicht sagen dürfte, daß man mit seinem Gehirn denkt!
Abgesehen davon ist es aber natürlich auch noch ein gigantischer Unterschied, ob ich sage, daß ich mit meinem Gehirn denke, oder ob ich sage, daß mein Gehirn denkt. Letzteres ist nunmal eine sinnlose Redeweise - wenn ich damit nicht meine, daß ich (mit meinem Gehirn) denke.
Aber als metaphorische Redeweise ist "Ich denke mit meinem Gehirn" natürlich völlig harmlos.
Ebenso ist es ja auch unter gewissen Umständen absolut in Ordnung zu sagen, daß jemand mit seinem Magen denkt. Eingefügtes Bild

Es geht im großen und ganzen überhaupt nicht darum, Ergebnisse der Neurowissenschaften anzuzweifeln oder zu widerlegen.
Aber in der Auswertung ihrer Ergebnisse produzieren Neurowissenschaftler gerne einmal begrifflichen Unsinn, und es ist die Aufgabe, Forschungsergebnisse von als Ergebnissen getarntem Begriffskuddelmuddel zu unterscheiden.
(Z.B. daß es keinen freien Willen gibt... das ist kein Ergebnis moderner Neurowissenschaften, selbst dann nicht, wenn man einen physikalischen Determinismus annimmt. Deswegen wird dieses "Ergebnis" auch nicht durch die Einsichten aus der Quantentheorie infragegestellt. Denn schon die übliche "Eklärung", warum wir angeblich keinen freien Willen haben bzw. daß dieser nur eine "nützliche Illusion" ist, ist nicht fehlerbehaftet - das würde bedeuten, daß sie nicht den Tatsachen entspricht -; sondern sie hat überhaupt nicht den Status einer Erklärung*, weil Begriffe nicht korrekt verwendet werden...)

*Was heißt das? Nun, z.B. hat "Sieben ist blau" nicht den Status einer Beschreibung, obwohl natürlich formal identisch mit einer Beschreibung wie "Diese Blume ist blau" oder "Peters Auto ist blau". Es ist weder wahr noch falsch, daß Sieben blau ist - denn was soll es bedeuten, daß Sieben blau ist?
Ähnlich macht die Annahme, daß der Wille nicht frei ist eben nur unter der Bedingung Sinn, daß der Wille in irgendeiner Form physikalisch im Gehirn verortet ist - und das ist eben Unsinn. (Nicht im Sinne von albern, sondern im Sinne von bedeutungslos. Ein in diesem Sinne unsinniger Satz / Begriff hat keinen Inhalt / semantischen Gehalt.)

Bearbeitet von Echophage, 23 Oktober 2012 - 13:55.

Von allen Gedanken
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#10 Valerie J. Long

Valerie J. Long

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Geschrieben 23 Oktober 2012 - 14:00

Es ist ja entschieden wichtig einzusehen, daß die Frage nach dem Ort von Denkvorgängen eine sinnlose ist und also weder beantwortet werden muß, noch beantwortet werden kann. Eingefügtes Bild

Da wir hier in einer Off-Topic-Lounge sind, sind sinnlose Diskussionen ja zulässig. Eingefügtes Bild
Dennoch widerspreche ich dem kann.
Amputiere mir beide Beine, und ich kann noch immer denken.
Nimm mir die Arme, und ich kann noch immer denken.
Ersetze mein Herz durch ein Kunstherz, und ich kann noch immer denken.
Nimm mir Gehör, Augenlicht, Geruchs- und Geschmackssinn, und ich kann noch immer denken.
Solange ich reden oder zwinkern, mit den Zehen oder den Ohren wackeln kann, bin ich auch in der Lage, den Nachweis anzutreten und zu kommunizieren. Nur wenn du mir das Hirn wegnimmst, kann ich nicht mehr denken. Beweis durch Eliminieren aller anderen Möglichkeiten.

Aber als metaphorische Redeweise ist "Ich denke mit meinem Gehirn" natürlich völlig harmlos.

Ich sehe das nicht als metaphorisch, sondern als durchschnittsbürgerlich.
"Mein Gehirn denkt" passt da natürlich nicht hinein.

Es geht im großen und ganzen überhaupt nicht darum, Ergebnisse der Neurowissenschaften anzuzweifeln oder zu widerlegen.
Aber in der Auswertung ihrer Ergebnisse produzieren Neurowissenschaftler gerne einmal begrifflichen Unsinn, und es ist die Aufgabe, Forschungsergebnisse von als Ergebnissen getarntem Begriffskuddelmuddel zu unterscheiden.

Ah. Nun, ich weiß nicht viel über Neurowissenschaften. Ich beschäftige mich mit Informatik. Tut mir leid, wenn ich mit meinem Normalo-Ansatz in eine neurowissenschaftliche Diskussion geplatzt bin - mir war gerade danach, einen eher normalsterblichen Standpunkt aufzuzeigen.

Ähnlich macht die Annahme, daß der Wille nicht frei ist eben nur unter der Bedingung Sinn, daß der Wille in irgendeiner Form physikalisch im Gehirn verortet ist - und das ist eben Unsinn. (Nicht im Sinne von albern, sondern im Sinne von bedeutungslos. Ein in diesem Sinne unsinniger Satz / Begriff hat keinen Inhalt / semantischen Gehalt.)

Hm. Da liegt ein menschlicher Körper, an lebenserhaltende Maschinen angeschlossen. Wenn der Mensch seinen Willen noch äußern könnte, würde er sich eine Fortsetzung der Behandlung wünschen?
Wenn keine Hirnströme mehr anzumessen sind, würde ich die Frage nach einem eventuell noch vorhandenen Willen verneinen. Dann ist die Frage nach dem Willen bedeutungslos geworden - aber sie wird es durch die Bindung an Gehirn und Gehirnströme.
Oder wo mache ich nun den Denkfehler?

Bearbeitet von Valerie J. Long, 23 Oktober 2012 - 14:02.


#11 Echophage

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Geschrieben 23 Oktober 2012 - 14:43

Wenn keine Hirnströme mehr anzumessen sind, würde ich die Frage nach einem eventuell noch vorhandenen Willen verneinen. Dann ist die Frage nach dem Willen bedeutungslos geworden - aber sie wird es durch die Bindung an Gehirn und Gehirnströme.
Oder wo mache ich nun den Denkfehler?

Dein Denkfehler:
Ich würde niemals bestreiten, daß - nach allem, was wir wissen - ein Gehirn notwendige Voraussetzung für die Möglichkeit ist, über einen Willen zu verfügen. Aber damit ist doch noch nichts darüber gesagt, ob der Wille einen Ort haben muß.
Zahlen haben auch keine Orte. Zeit hat keinen Ort.
Warum müssen Denken, Fühlen, Wollen etc. Orte haben?
Die Frage "Wo ist Pi?" hat keinen Sinn.*
Warum muß die Frage "Wo ist mein Wille?" einen Sinn haben?

Was sind die harten Fakten, die dafür sprechen, daß die Frage "Wo ist mein Wille?" eine Frage der Art "Wo ist mein Auto?" ist und nicht eine Frage der Art "Wo ist Pi?"
Daß Du Dir bestimmte Gehirnströme auf einem Monitor anschauen kannst, wenn jemand denkt, ist kein solcher harter Fakt.
Warum nicht?
Du bist diese Gehirnströme nur deshalb mit Wünschen / Gedanken / Gefühlen zu identifizieren geneigt, weil Du schon annimmst, die Frage nach dem Ort von Wünschen / Gedanken / Gefühlen wäre sinnvoll gestellt!

Man kann genausogut sagen: Wenn jemand das und das denkt, dann passiert das und das in seinem Gehirn. Und daran gibt es überhaupt nichts auszusetzen! Man kann sogar sagen: Wenn das und das nicht in jemandes Gehirn passieren würde, dann würde er nicht das und das denken. (Das allerdings im Sinne einer empirischen Hypothese, die falsifzierbar ist, so wie "Alle Schwäne sind weiß"! Es ist logisch nicht ausgeschlossen, daß jemand das und das denken kann, ohne daß das und das in seinem Gehirn passiert. Es wäre logisch ausgeschlossen, wenn Gedanke und korrespondierender Gehirnzustand identisch wären.)

Nichts zwingt einen dazu zu sagen: Wenn jemand das und das denkt, dann sind diese und jene Gehirnströme die entsprechenden Gedanken.
Natürlich zwingt einen nichts dazu - denn was sollte uns dazu zwingen, Unsinn zu reden? :roleyes:

*Hierzu vielleicht auch noch mal eine kleine Bemerkung. Eingefügtes Bild
Die Frage "Wo ist Pi?" ist sinnlos.
Deswegen kann man sie nicht sinnvollerweise mit "nirgends" beantworten.
Unter anderem schon deshalb, weil das bedeuten würde, daß es Pi nicht gibt.
(Das gehört zur Grammatik von "Es gibt." - Wenn es etwas nirgends gibt, dann gibt es dieses Etwas nicht bzw. noch nicht bzw. nicht mehr.)
Und das ist natürlich falsch. Denn selbstverständlich gibt es Pi.
(Man beachte die unterschiedliche Bedeutung von "Es gibt" im Zusammenhang mit "Es gibt Pi." und "Es gibt Sand in der Sahara.")
Vgl. die Frage "Wo sind Einhörner?"
Antwort: "Nach allem, was wir wissen: nirgends. Es gibt - zumindest, soweit wir das beobachten können - keine Einhörner, und es gab nie welche."
(Alternativ: "Einhörner gibt's nur im Märchen.")

Bearbeitet von Echophage, 23 Oktober 2012 - 14:51.

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#12 Valerie J. Long

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Geschrieben 23 Oktober 2012 - 17:19

Ah! Jetzt sehe ich's. Ich habe eine bioelektrische Betrachtungsweise angenommen. Diese verlangt einen Prozessor - Synapsen und Neuronen - und verlangt zwingend, dass die Denksignale sich entlang dieser Körperzellen ausbreiten. Innerhalb dieser Betrachtungsweise ist es schlüssig, auch den Willen - als Ergebnis bewusster Denk-"Rechen"-Prozesse - im Hirn anzusiedeln, denn der Rest des Körpers hat dazu nicht die notwendige Ausstattung. Zu dieser Betrachtungsweise bin ich nicht gezwungen, sie liegt mir nur nahe. 8-) Aus einer metaphysischen Betrachtung heraus ist ein unabhängiger Wille denkbar - dann vielleicht sogar als reiner, körperloser Geist. Das geht aber in Richtung Glaubensfragen. Oder ich nehme einen solipsistischen Standpunkt ein und betrachte meine Sinneswahrnehmungen als mögliche - nur sehr gut gemachte - Täuschung. Auf in die Matrix! Wenn ich dagegen - wie du es zulässt - das Gehirn als notwendige Voraussetzung akzeptiere, dann ist es zumindest ein "natürlicher" Kandidat für die Lokalisierung des Willens. Richtig schwierig wird es, wenn ich herausfinden will, welche Synapse gerade gezuckt hat... darüber nachzudenken, ist in der Tat sinnlos. Ich kann empirisch ausschließen, dass jemand irgendetwas denkt, wenn er keinen einzigen Hirnstrom mehr hat - aber in einem intakten Gehirn ist so viel Redundanz eingebaut, dass es viele Möglichkeiten geben dürfte, den gleichen Gedanken zu denken. Pi hat in dieser Betrachtung m.E. nichts verloren. Ein Gehirn ist etwas Gegenständliches, man kann es anfassen. Pi ist ein Konzept, es ist nicht zum Anfassen gedacht. Hirnströme kann man nicht anfassen, aber messen - das ist ähnlich wie bei Blitzen. Den genauen Ort eines einzelnen Blitzes kann man nicht angeben, wohl aber den Bereich, in dem ein Gewitter durchzieht - und wenn ein Blitz einschlägt, hat man einen Messpunkt. Es macht wenig Sinn, nach dem Ort eines Blitzes zu fragen - dieser ist zu flüchtig, genau wie ein einzelner Gedanke. Es macht Sinn, nach dem Ort eines Gewitters zu fragen - bevor der Blitz einen trifft. Einhörner sind eine unbewiesene Hypothese, genau wie Drachen. Wenn die Hypothese zutrifft, kann man sie anfassen. Die Einhörner, nicht die Drachen!

Bearbeitet von Valerie J. Long, 23 Oktober 2012 - 17:20.


#13 Schlomo

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Geschrieben 23 Oktober 2012 - 17:55

Wollte gerade auf Posting #11 von Echopage antworten, vorher noch einmal genau lesen, wie er argumentiert hat, und was entdeck ich da? Valerie hat bereits alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt.

Einen Punkt möchte ich aber trotzdem noch anmerken:

Echopage, du behauptest, Zahlen hätten keinen Ort. Damit vermischt du ein Abstraktum und ein Konkretum sowie deren Eigenschaften. Das hat mich spontan an Schopenhauers Eristische Dialektik („Die Kunst, Recht zu behalten“) erinnert, da es die Diskussion in eine Richtung ablenkt, die mit dem Thema Gehirn-Gedächtnis-Gedanke-Wille nicht mehr viel zu tun hat.

Und was den Ort einer Zahl angeht: Als abstraktes Konzept hat sie keine materiellen oder topologischen Eigenschaften, als Konkretum, als angewandte Zahl dagegen sehr wohl. Will man eine Zahl benutzen, muss man sie zum Beispiel auf ein Blatt Papier schreiben oder in einen Taschenrechner eintippen. Dann kann man ihren Ort auf Bruchteile eines Mikrometers genau angeben. Es ist gemäß der Informationstheorie der Ort des Speichers, in dem die Zahl codiert ist.

Und was den Ort von Pi angeht: Ich behaupte jetzt mal, dass es in diesem Universum Pi gar nicht gibt. Lediglich eine Näherung. Wieso? Ganz einfach: Das abstrakte Konzept Pi hat abzählbar unendlich viele Stellen. Das Universum scheint aber eine kleinste Länge, die Planklänge, zu besitzen, hat also eine endliche Auflösung. Daher kann man Pi im Universum nie vollständig ausschreiben und man benötigt für alle Vorgänge, in denen Pi eine Rolle spielt, nur eine begrenzte Stellenzahl. Ich hab mal abgeschätzt, dass es etwa 10 hoch 46 Stellen sind...

Schalom,

Schlomo

P.S.: Die Abschätzung von 10 hoch 46 Stellen ist seeeehr unsicher...

#no13

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#14 Echophage

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Geschrieben 23 Oktober 2012 - 18:44

Echopage, du behauptest, Zahlen hätten keinen Ort. Damit vermischt du ein Abstraktum und ein Konkretum sowie deren Eigenschaften. Das hat mich spontan an Schopenhauers Eristische Dialektik („Die Kunst, Recht zu behalten“) erinnert, da es die Diskussion in eine Richtung ablenkt, die mit dem Thema Gehirn-Gedächtnis-Gedanke-Wille nicht mehr viel zu tun hat.

Die Unterscheidung zwischen Abstrakum und Konkretum greift zu kurz.
Eine Zahl ist ein abstraktes begriffliches Konzept, logo.
Ein Gehirn ist was Konkretes, ein physikalisches Ding, das ist ebenfalls klar.
Aber ein Gedanke?
Ein Schmerz?
Liebe?
Und woher kommt der Drang, diese "Dinge" zu "konkretisieren", indem man sie im Gehirn "verortet" bzw. mit Gehirnzuständen identifiziert?
Hat man Angst, daß diese "Dinge" nicht echt wären, wenn man in der "Welt der Physik / Biochemie" - die man gerne mit "der Wirklichkeit" identifiziert, das ist auch so eine Sache... Eingefügtes Bild - nichts findet, was ihnen entspricht?

Offensichtlich scheint das so zu sein...
Deine Erklärung, Schlomo, daß es Pi in unserem Universum nicht gibt, scheint das zu bestätigen.
Pi ist ein Konzept, ein Begriff. Als solches ist es so real wie nur was.
Ebenso wie die Konzepte "Schmerz", "Gedanke", "Erinnerung" etc., die, ontlogisch betrachtet, natürlich keine abstrakten Konzepte wie Zahlen sind - aber eben auch keine "konkreten" Konzepte wie "Gehirn", "Stein" oder "Säugetier".
Und Begriffe benötigen keine physikalischen Korrelate, um Sinn bzw. Bedeutung zu haben.
Auch nicht, um real zu sein.

Zum Ort von Pi...
Das habe ich doch weiter oben geschrieben. Eingefügtes Bild
Die Frage nach dem Ort von Pi ist sinnlos - deswegen kann man sie auch nicht sinnvoll verneinen.
"Hat Pi einen Ort in der Welt?" ist eine syntaktisch korrekte Frage - aber sie hat keinen semantischen Gehalt.
Wonach wird hier gefragt? Wie sollte man sie beantworten?
Inwiefern ist das hier eine Antwort auf die Frage?

Und was den Ort von Pi angeht: Ich behaupte jetzt mal, dass es in diesem Universum Pi gar nicht gibt. Lediglich eine Näherung. Wieso? Ganz einfach: Das abstrakte Konzept Pi hat abzählbar unendlich viele Stellen. Das Universum scheint aber eine kleinste Länge, die Planklänge, zu besitzen, hat also eine endliche Auflösung. Daher kann man Pi im Universum nie vollständig ausschreiben und man benötigt für alle Vorgänge, in denen Pi eine Rolle spielt, nur eine begrenzte Stellenzahl. Ich hab mal abgeschätzt, dass es etwa 10 hoch 46 Stellen sind...

Wonach wird hier gesucht?
Jedenfalls nicht nach Pi.
Ich sage Dir, worauf das eine Antwort ist.
Das ist eine Antwort auf die Frage, ob wir jemals etwas finden können, daß z.B. Pi kg wiegt, oder Pi km lang ist.
Und, in der Tat. Unter der Annahme, daß das Universum eine kleinste Länge hat - bzw. überhaupt "rational" (im Sinne von Zahlenräumen) ist -, kann es so etwas nicht geben.
Aber eine Antwort auf die Frage, ob Pi einen Ort hat, kann das nicht sein.
Was natürlich an der Frage liegt, nicht an Deiner Antwort. Eingefügtes Bild

Was Du "angewandte Zahl" nennst, ist eben, in diesem Sinne keine Zahl mehr.
Die "angewandte Zahl" 2 cm ist keine "angewandte 2" - sondern eine Länge.
Die "angewandte Zahl" 74,3 kg ist keine "angewandte 74,3" - sondern ein Gewicht.
Die "angewandte Zahl" 27 Äpfel ist keine "angewandte 27" - sondern eine Menge bzw. eine Anzahl.
etc.pp. Eingefügtes Bild
Auch ein Zahlzeichen ist natürlich keine Zahl, sondern z.B. ein Bleistiftstrich, oder ein Tintenklecks auf einem Blatt Papier.
Das ist jetzt kein Grund für uns, völlig auszuticken, weil - Oh, Gott! - es nichts in "der Welt da draußen" gibt, was wir z.B. mit "Sieben" bezeichnen können. Denn Zahlen sind nun einmal gar keine Bezeichner für "Dinge in der Welt da draußen". Sie sind eine ganz andere Art begrifflichen Konzepts.

Zahlen und psychologische Konzepte haben aber - deswegen brachte ich ja Zahlen ins Spiel - eine wichtige Gemeinsamkeit.
Sie sind keine Bezeichner für "physikalische Entitäten".
Deswegen ist z.B. die Frage nach ihrem Ort sinnlos.
Deswegen ist z.B. - und wesentlich offensichtlicher Eingefügtes Bild - die Frage nach ihrer Farbe, ihrem Gewicht oder ihrem Umfang sinnlos.

Man kann natürlich alles mögliche "Gedanke", "Wunsch" oder sonstwie nennen.
(Es gibt ja z.B. auch zwei völlig verschiedene Dinge namens "Bank". Eingefügtes Bild )
Unter anderem könnte man also beschließen, bestimmte Gehirnströme "Gedanken" zu nennen.
Aber nur weil man beschließt, zwei "Dinge" gleich zu bezeichnen, folgt noch lange nicht, daß sie gleich sind. Eingefügtes Bild
Es geht mir nur darum, festzuhalten, daß, wenn man Gehirnzustände mit psychologischen Termini belegt, eben nicht die psychologischen Termini benutzt, sondern äquivoke neurowissenschaftlische Kunstbegriffe definiert.
Was soll das heißen?
Wieder das Bank-Beispiel.
Wenn ich das Geldinstitut "Bank" nenne, dann verwende ich einen Begriff, der dasselbe Zeichen - "Bank" - hat, wie ein anderer Begriff, nämlich der, der für die Sitzgelegenheit steht. Und es macht ebensowenig Sinn, das Geldinstitut mit der Sitzgelegenheit zu identifzieren, wie es eben keinen Sinn macht, einen Gehirnzustand mit einem psychologischen "Zustand" zu identifzieren - selbst wenn sie identische Zeichen - z.B. "Gedanke" - haben.

Bearbeitet von Echophage, 23 Oktober 2012 - 18:45.

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#15 Echophage

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Geschrieben 23 Oktober 2012 - 18:54

1 - Wenn ich dagegen - wie du es zulässt - das Gehirn als notwendige Voraussetzung akzeptiere, dann ist es zumindest ein "natürlicher" Kandidat für die Lokalisierung des Willens.

2 - Ein Gehirn ist etwas Gegenständliches, man kann es anfassen.

1 - Doch nur unter der Annahme, daß "die Lokalisierung des Willens" ein sinnvolles, also durchführbares Unterfangen wäre. ;)
Wie soll das gehen, einen Willen lokalisieren?
Wenn ich jemanden beim "Wollen" gehirnscanne, dann habe ich vermittels dieses Scans Gehirnaktivitäten lokalisiert.
Einen Willen habe ich nur dann lokalisiert, wenn ich davon ausgehe, daß ein Willen ein Gehirnzustand ist.
Natürlich... ich kann diese Gehirnaktivität "Willen" nennen. (Siehe meine Antwort auf Schlomo.)
Es steht den Wissenschaftlern völlig frei, wie sie ihre Fachtermini wählen.
Aber das ist nichts weiter als einem bereits vorhandenen Begriff eine zweite Bedeutung zu geben, die mit der ersten Bedeutung nichts gemein hat.
(Ich kann meinen Kakao "hellbraunen Kaffee" nennen - dadurch wird er kein Kaffee. Alles, was ich mache ist Verwirrung stiften. :D)
((Und wo wir gerade bei Fachtermini sind... ein Quark ist übrigens kein Quark. :lol: ))

2 - Ja, ein Gehirn! Aber ein Gedanke? Ein Schmerz? Ein Gefühl?

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#16 Echophage

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Geschrieben 23 Oktober 2012 - 19:09

Ey, wollen wir nicht einfach den Lesezirkel machen? :lol:

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#17 Schlomo

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Geschrieben 23 Oktober 2012 - 19:39

Würde bei einem Lesezirkel gerne mitmachen, schaff das aber wegen der knappen Zeit nicht. „Uff. Njet!“ und meine eigentliche Arbeit, dazu noch die Verhaltensforschung... Wenn ich bei noch irgend etwas mitmache, verzettle ich mich so sehr, dass vermutlich mindestens eins der Projekte auf der Strecke bleibt.

Aber ich hab zumindest einen Vorschlag: „The Eye“ A Natural History, von Simon Ings (nicht zu verwechseln mit Simon Singh...) Bloomsbury, 2007. Ich vermut mal, dass es das Buch inzwischen auch auf Deutsch gibt. Ist meiner Meinung nach ein perfekter Einstieg in die Neurowissenschaften, und das obwohl es kaum um das Gehirn geht. Aber es liefert über die Theorie des Sehens einen sehr leicht zu begreifenden Schlüssel zum Verständnis neurobiologischer Vorgänge und zur Denkweise derer, die sich mit diesen Themen befassen.

Ich sollte vielleicht dazu sagen, ich komme aus der Informatik, speziell aus der KI, entwickle Software für Industrieanlagen, hauptsächlich im Bereich Bildverarbeitung und Mustererkennung. Daher auch der Buchvorschlag...

Schalom,

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#no13

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#18 Valerie J. Long

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Geschrieben 24 Oktober 2012 - 06:38

1 - Doch nur unter der Annahme, daß "die Lokalisierung des Willens" ein sinnvolles, also durchführbares Unterfangen wäre. Eingefügtes Bild

Für mich ist ein Wille eben ein Gedanke mit einem Ziel, also ein Spezialfall eines Gedankens. Das ist meiner unwissenschaftlichen Sichtweise geschuldet und daher vielleicht verzeihlich.

Für mich ist aber auch nicht alles sinnvoll, was durchführbar ist. Ich kann mich an giftigen Pilzen sattessen. Ich kann mein Auto im Rhein versenken. Ich kann auf das Dach eines Hochhauses klettern und nackt im Regen tanzen. Sinnvoll ist das alles nicht - jedenfalls nicht "sinnvoll" im normalen Sprachgebrauch. Das gilt in der Tat auch für Suche nach der Lokalisierung des Willens - obwohl... entsprechende Versuche, unsinnige bzw. "irre" Willensäußerungen zu lokalisieren, führten mE zur Entwicklung der Lobotomie. Eingefügtes Bild

#19 Echophage

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Geschrieben 24 Oktober 2012 - 14:16

1 - Für mich ist ein Wille eben ein Gedanke mit einem Ziel, also ein Spezialfall eines Gedankens. Das ist meiner unwissenschaftlichen Sichtweise geschuldet und daher vielleicht verzeihlich.

2 - Für mich ist aber auch nicht alles sinnvoll, was durchführbar ist. Ich kann mich an giftigen Pilzen sattessen. Ich kann mein Auto im Rhein versenken. Ich kann auf das Dach eines Hochhauses klettern und nackt im Regen tanzen. Sinnvoll ist das alles nicht - jedenfalls nicht "sinnvoll" im normalen Sprachgebrauch. Das gilt in der Tat auch für Suche nach der Lokalisierung des Willens - obwohl... entsprechende Versuche, unsinnige bzw. "irre" Willensäußerungen zu lokalisieren, führten mE zur Entwicklung der Lobotomie. Eingefügtes Bild

1 - Der Versuch, einen Gedanken zu lokalisieren wäre natürlich ein ebenso sinnloses Unterfangen. :)

2 - Ich glaube, Du verwendest hier "sinnlos" im Sinne von "nicht sinnvoll", das aber eher in Richtung des merkelschen "nicht hilfreich" geht. ;)
Ich verwende "sinnlos" in einem wesentlich stärkeren Sinne.
Ein weiteres Lieblingsbeispiel soll das verdeutlichen.
Natürlich ist es sinnlos, sein Auto im Rhein zu versenken - wobei es abstruse Gründe dafür geben mag. :D
Eine ganz andere Art von Sinnlosigkeit zeichnet aber zum Beispiel die Suche nach dem Ostpol aus. ;)
Und um diese Art von Sinnlosigkeit geht es mir.
Begriffliche Verwirrungen.
(Es ist, nochmal, gar nicht falsch zu sagen, daß man "Gedanken im Kopf hat". Das ist erstmal absolut harmlos, und in der Tat ist das ja stinknormaler Sprachgebrauch; jeder weiß, was damit gemeint ist, in einem alltagssprachlichen Sinne. Absurd wird es erst dann, wenn man anfängt, im Kopf nach diesen Gedanken zu suchen. Gedanken sind zwar "im Kopf"* - aber nicht wie Synapsen oder Zähne. Die Suche nach Gedanken im Kopf gleicht der Suche nach dem Ostpol - oder Westpol, for that matter. ;) )

*Man könnte sogar so weit gehen und sagen, daß der Kopf - oder meinetwegen: das Gehirn - der "Ort" der Gedanken ist, wenn man damit meint, daß man eben üblicherweise sagt, daß man mit dem Kopf bzw. dem Gehirn denkt, und nicht mit den Armen oder Beinen. Das ist soweit erstmal richtig. Aber diese Sprechweise lädt eben zu begrifflicher Verwirrung ein. Sie ist nur dann harmlos, wenn man sich bewußt ist, daß hier die Begriffe "Ort" und "im Kopf" auf eine sehr spezielle Weise verwendet werden, die eben nichts mit der Verwendung dieser Begriffe in Sätzen wie "Mein Gehirn ist in meinem Kopf" oder "In meinem Gehirn findet ein bestimmter neuronaler Vorgang statt" oder "Mein Kopf ist der Ort, in dem sich meine Kieferknochen befinden" gemein hat, d.h. etwas völlig anderes bedeutet.
Deswegen kann man z.B. nicht auf die Frage: "Was befindet sich in Deinem Kopf?" antworten mit: "Also, da sind Schädelknochen, Zähne, Kaumuskeln, mein Gehirn... und meine Gedanken, meine Erinnerungen, meine Überzeugungen usw."
Bzw. muß man sich darüber klar sein, daß sich Gedanken, Erinnerungen und Überzeugungen auf eine fundamental andere Weise "im Kopf befinden" als Zähne oder Kaumuskeln.
Noch ein schönes Beispiel - aus Bennett / Hacker, die machen das mit Schmerzen, statt Gedanken -, das auf Englisch ein bißchen besser funktioniert (wg. in und inside).
Ich habe einen Gedanken im Kopf. (thought in my head)
Ich habe einen Groschen in einer Box. (penny in a box)
Im zweiten Fall kann ich sagen, daß sich im Innern der Box ein Groschen befindet. (penny inside the box)
Aber man sagt eben nicht, man hätte einen Gedanken im Innern seines Kopfes. (thought inside ones head)
Man kann alternativ auch sagen: Die Box enthält (contains) einen Groschen.
Aber es macht überhaupt keinen Sinn zu sagen, ein Kopf enthalte Gedanken.
Und, so geht das Beispiel weiter, aus der Tatsache, daß der Groschen in der Box ist, folgt z.B. begriffslogisch, daß er kleiner als die Box ist.
Aber meine Gedanken sind - obwohl "in meinem Kopf" - nicht kleiner als mein Kopf! Was sollte das bedeuten? :D
Das nur dazu, wie unterschiedlich die Bedeutung von "A ist in X" sein kann.
Wenn diese Satzkonstruktion so radikal verschiedene Anwendungen hat, ist es eben nicht mehr logisch oder auch nur selbstverständlich, daß, wenn wir "A ist in X" sagen, X der Ort ist, an dem sich A befindet.

Ich überlege gerade, ob ich eine Seite aus Bennett / Hacker abtippen soll...
Da geht es genau darum, warum das Gehirn nicht der Ort der Gedanken ist, und warum wir nicht mit unserem Gehirn denken, so wie wir z.B. mit unserem Magen Nahrung verdauen oder mit unseren Augen sehen...
...oder wir lesen einfach das Buch! ;)
Ich predige das momentan eh' mehr oder weniger rauf und runter. :lol:

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#20 Valerie J. Long

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Geschrieben 24 Oktober 2012 - 19:13

1 - Der Versuch, einen Gedanken zu lokalisieren wäre natürlich ein ebenso sinnloses Unterfangen. Eingefügtes Bild

Natürlich. Eingefügtes Bild

2 - Ich glaube, Du verwendest hier "sinnlos" im Sinne von "nicht sinnvoll", das aber eher in Richtung des merkelschen "nicht hilfreich" geht. Eingefügtes Bild

Ja, ich verwende "sinnlos", wie es für die Mehrheit der deutschsprachigen Menschen definiert ist. Vgl. Duden, http://www.duden.de/...reibung/sinnlos

ohne Vernunft, ohne erkennbaren Sinn; unsinnig

Natürlich könnte man "sinnlos" auch im Sinne von "ohne Sinneswahrnehmung" verstehen, wie in "Tastsinn-los", "Geruchssinn-los" usw., das hilft uns aber nicht weiter. Eingefügtes Bild

Ich überlege gerade, ob ich eine Seite aus Bennett / Hacker abtippen soll...

Nein. Ich vertrete ganz bewusst eine Sichtweise, die nicht von neurowissenschaftlicher Spezialliteratur geprägt ist, um die Diskussion auf den Teppich der Normalsterblichen zurückzuholen. Ich habe nicht vor, in Kontext einer SciFi-Lounge die philosophischen Grundlagen der Neurowissenschaften zu studieren. Bist du in der Lage, das Buch mal auszublenden? Ich bin schließlich kein Prof, der hier eine Prüfung abnimmt. Eingefügtes Bild

Wie waren wir eigentlich auf dieses Thema gekommen? Das kann ich in meiner Erinnerung gerade nicht mehr wiederfinden (lokalisieren Eingefügtes Bild )

#21 Konfu Schnibli

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Geschrieben 25 Oktober 2012 - 13:21

(Um schwammigen Formulierungen vorzubeugen spreche ich hier nicht vom „Wollen“, „Denken“ oder „Entscheiden“ sondern nur vom Bewusstsein … ihr könnt es auch das „Ich“ nennen ihr wollt.)

Stellt euch ein Holzbrett mit einem Loch darin vor mit der beiläufigen Aufgabe, dieses Loch ohne Erwähnung des Holzes zu beschreiben.
Genau das versucht ihr hier.
In diesem Sinne kann man das Bewusstsein schon innerhalb (oder besser, umgeben von ihm) unseres Gehirns „verorten“ aber was seine Essenz ist wird man vielleicht nie alleine für sich beschreiben können und die Neurowissenschaften werden hier vielleicht nie mehr als Annäherungen liefern können.

Es gibt eine Betrachtungsweise die (ich übrigens nicht teile) die das Bewusstsein in quantenchemischen Effekten der Transmitter, Modulatoren, Synapsen, etc. ansiedelt aber eine wirklich befriedigende Antwort – nein, Hypothese – ist das auch nicht.

Um mal auf die Anfangsfrage zurück zu kommen, man kann, ähnlich wie mit dem Loch im Holz eine klare Grenze zwischen Bewusstsein und all seiner Peripherie ziehen. (An der die Neurowissenschaften herum kratzen.)
Zu welcher Seite würdet ihr dann das Erinnern zuordnen?
Zu der inneren also als Teil des „Ichs“? – Leider Falsch, denn so wie die Retina oder die Schnecke des Ohrs – allgemeiner, das periphere Nervensystem – als Erweiterung oder Teil des Gehirns gesehen werden kann, ist natürlich auch das Connectome – die Summe aller neuronalen Verbindungen – Teil des Gehirns und nicht alleinig Teil des Bewusstseins.
Es hilft hier, sich das Gehirn als das innere Auge vorzustellen, als zusätzliches Sinnesorgan des „Ichs“ mit ebenso ausgeprägten Filtern wie z.B. der Augen oder Ohren.

Wie ich es wagen kann, Connectome und Erinnerung gleich zu setzten?
Nun, es gibt bereits eine Vielzahl an Berichten aus Neurochirurgie und Neurologie, die dies nahe legen.
Und, nebenbei, Gedankenlesen (wenn auch noch recht grobkörnig) und -induzieren geht bereits auch schon.

Ihr seht, der Raum des Bewusstseins wird mit dem wissenschaftlichen Fortschritt immer kleiner. Es ist als versuche man sich der reinsten subjektiven Domäne objektiv zu nähern.
Wo hört der Neurodeterminismus auf und fängt die Seele (wenn man es so nennen möchte) an?

Wahrlich eine müßige, wenn nicht sinnlose Frage.
Also wenn ich mal groß bin möchte ich tot sein.

#22 Lüy Piötlerc

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Geschrieben 25 Oktober 2012 - 17:13

Wo wir gerade bei Mereologie sind.
Warum muß denn eine Fähigkeit / Eigenschaft immer verortet sein?

Tja - da haben wir eine "warum" Frage, ist es nicht? Eine gute Frage, nichtsdestotrotz. Ich kann Dir auch nicht viel mehr dazu sagen. Es scheint eine empirische Tatsache zu sein. Die occipitale Großhirnrinde ist für visuelle Wahrnehmung verantwortlich. Fällt sie aus (Blutung, Trauma, Tumor, Transformtreffer...), dann wirds finster. Ersatz gibts nicht. Gleiches gilt für Hören, Riechen, Tasten. Bestimmte Hirnareale - und nur sie - sind dafür zuständig. Natürlich können manchmal (etwa nach Schlaganfällen) gewisse Funktionen teilweise wieder hergestellt werden, aber nur dann, wenn im betroffenen Hirnareal noch genug funktionierende "Neuronenmasse" vorhanden ist.

Beantworte mir folgende, simple Frage:
Wo ist denn die "Fähigkeit" einer Uhr verortet, die Uhrzeit anzuzeigen.
In den Zeigern?

Hence the name, würde ich sagen - wenn es eine Uhr mit Zeigern ist. Denn selbst eine Uhr, die steht, zeigt zumindest zweimal am Tag die richtige Zeit an. Eingefügtes Bild

Wenn ich keine Beine habe, dann nutzt mir meine "Gehfähigkeit" in den sekunder-motorischen Arealen, präfrontal, im Mittel- und Kleinhirn, herzlich wenig.
Ich kann dann nicht Gehen.

Völlig richtig.
Gut - das war meinerseits vielleicht nicht präzise genug formuliert. Ich möchte zwischen der (neurologischen) Fähigkeit eine Handlung anzuordnen und der physischen Fähigkeit, die Anordnung durchzuführen, unterscheiden.
Die neurologische Komponente sitzt in den erwähnten Hirnregionen und in den motorischen Arealen der zuständigen Rückenmarkssegmente (+ daraus entspringende Datenleitungen = Nerven)
Die physische Komponente beginnt im Moment der neuromuskulären Übertragung. Ab dann ist nicht mehr die Positronik, sondern der Maschinenraum zuständig.
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#23 Lüy Piötlerc

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Geschrieben 25 Oktober 2012 - 18:27

Der erste Satz ist schon wieder problematisch. Es ist ja entschieden wichtig einzusehen, daß die Frage nach dem Ort von Denkvorgängen eine sinnlose ist und also weder beantwortet werden muß, noch beantwortet werden kann. Eingefügtes Bild (Die Annahme eines Ortes suggeriert, daß ein "Gedankenvorgang" eine Art beobachtbarer, physikalischer Vorgang sei, so wie z.B. eine Verbrennung oder - mittelbar beobachtbar - eine Teilchenkollision. semantischen Gehalt.)

Hm - das wird nicht nur suggeriert, es wird (aus meiner Sicht völlig zurecht) impliziert. Gedankenvorgänge können nicht nur beobachtet, sondern auch bereits technisch umgesetzt werden. Diesen Dienstag war auf ARTE eine recht interessante Sendung, nannte sich "Welt ohne Menschen" Da wurden ein paar ziemlich weit fortgeschrittene Methoden zur steuertechnischen "Gedankenverwertung" demonstriert. Beobachtet werden die Denkvorgänge durch ein schickes Elektrodenhäubchen oder ein breiteres Stirnband. Die Verwertung war ganz unterschiedlich. Man kann einen Cursor am Bildschirm bewegen, oder einen kleinen Plastikball (über ein Gebläse) zum Schweben bringen - wenn man konzentriert genug (und in den richtigen Bahnen) denkt.
Daraus ergibt sich für mich (keineswegs überraschend) zweierlei:
1. Gedanken kann man anmessen
2. sie sind (als Vorgang, nicht als materielles Objekt) im Gehirn (und nur dort) direkt nachzuweisen
Ich halte das für völlig natürlich. Wo, wenn nicht im Gehirn, sollten Gedanken bzw. Denkprozesse denn stattfinden?
Oder anders formuliert: wo finden die Rechenoperationen in meinem PC statt? In den vier Prozessorkernen der CPU, würd ich sagen. Rausnehmen und anschauen kann man die natürlich auch nicht, aber sie sind trotzdem real (weil darstellbar und technisch verwertbar), wenn auch nicht materiell vorhanden.
Was unser Hirn von einer CPU unterscheidet, kann man mit Komplexität, Baumaterial und Energiequelle beschreiben - und mit einer noch nicht völlig geklärten Funktionsweise. Aber das sind keine prinzipiellen Unterschiede. Ich denke, wir werden es noch erleben, daß (anorganische) Computer gebaut werden, die unsere Gehirne weit übertreffen. Mal sehen, ob die Dinger dann über Bewußtsein, Identität und Willensentscheidungen verfügen. Man darf gespannt sein...
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#24 derbenutzer

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Geschrieben 25 Oktober 2012 - 19:13

Daraus ergibt sich für mich (keineswegs überraschend) zweierlei:
1. Gedanken kann man anmessen

Ich glaube -- nur so aus dem Bauch geschrieben --, dass man nur Elemente deren Wirkung anmessen kann. Sie selbst aber nicht erfasst. Ich gehe davon aus -- ohne es beweisen zu können -- dass ein System1, das ein System2 hinreichend zu beschreiben vermag, komplexer oder genauer gesagt eine Ebene "höher" sein muss als System2. Was jetzt bitte nicht esoterisch gemeint ist. Somit scheint da eine Unmöglichkeit vorgegeben zu sein


Ich habe dazu als Analogie aus der der Logik die Gödelschen Unvollständigkeitssätze -- zum aktuellen Thema aber unausgegoren -- im Kopf (SCHLOMO hilf mir bitte). Da existiert eine Verwandtschaft zu dieser Thematik.

Austriae Est Imperare Orbi Universo


#25 Echophage

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Geschrieben 25 Oktober 2012 - 19:14

Hmm... also, Lüy...

Eine Uhr, die nur zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigt, funktioniert nicht. Eingefügtes Bild
Eine Uhr auf einem Bild zeigt auch zweimal am Tag die richtige Zeit an - aber eine gemalte Uhr ist keine Uhr. (Im Englischen gibt's das schöne Wörtchen actual. A clock in a picture is not an actual clock. Oder so... Eingefügtes Bild)
((Du kannst mit dem Herd in einem Bild auch keine Suppe kochen...))

Gedanken kann man also anmessen.
Würdest Du dann auch sagen, daß sie eine Stromstärke haben?
Und, da sie sich im Innern des Gehirns befinden... sind Gedanken - logischerweise! - auch kleiner als ein Gehirn, ja? Eingefügtes Bild

Findest Du das nicht äußerst seltsam?

Zum Computerbeispiel. Ja, wir nennen einen PC gerne einen Rechner, und wir sagen, daß ein Computer rechnet.
Das ist okay. Aber natürlich verwenden wir das Wort hier anders, als wenn wir von rechnenden Personen sprechen.
Ganz ähnlich verwendet man im Englischen z.B. das Wort memory einmal für den Speicher eines Rechners, andererseits für Erinnerungen. Ein Rechner hat nunmal einen Speicher, kein Gedächtnis. Und nur, weil man beides im Englischen mit memory bezeichnet, heißt das nicht, daß die beiden identisch wären. Vgl. im Deutschen Bank.

Zu Deiner Frage, wo Denkprozesse stattfinden...
Jetzt bringe ich doch ein kleines Zitat. Eingefügtes Bild
(Aus Bennett / Hacker, S. 179-180; das ist, lustigerweise, genau die Stelle, die ich als Antwort auf ein Posting von Valerie in Erwägung gezogen habe. Eingefügtes Bild)

Not only is the brain not the subject of thinking, it is not the locus of thoughts either. Contrary to what is often claimed by neuroscientists (who speak, e.g., of 'the human head within we have no doubt that thoughts occur'), thoughts do not occur in the brain, but in one's study, in the library, or as one walks down the street. The location of the event of a person's thinking a certain thought is the place where the person is when that thought occurs to him. Thoughts are to be found written down in texts, but not in the heads of human beings. Thoughts may be expressed by human beings, but not by brains. For a thought is just what is expressible by an utterance or other symbolic representation. The fact that human beings may think and not say what they think does not imply that what they then think is said or otherwise expressed inside their brains.
Nor is it helpful to claim that the brain is the organ of thought, in the sense in which the eye is the organ of sight. For one sees with one's eyes (brings one's eyes closer to the object beiongt scrutinized to see better), but one does not, in that sense, think with one's brain. Nor does one think with one's brain in the sense in which one walks with one's legs or, differently, digests food with one's stomach. Of course, there is a sense in which one can be said to think one's brains - we say such things as 'Use your brains!' (which just means 'Think!'), just as we say 'I love her with all my heart' - a metaphorical sense. But neuroscientists should not be misled by metaphor. It is true, to be sure, that without very specific neural activities one could not think - but equally, without very specific neural activities one could not walk or talk either. But no one would say that we walk and talk with our brains. Of course, I may 'wrack my brains', but it is I who think, not my brain. And when I think, I can say what it is that I think. I may be thinking something over, without yet having arrived at a conclusion. But it would be absurd to say, 'My brain is thinking it over, but I don't yet know what conclusion it has reached', let alone 'Wait a minute; when my brain has finished thinking it over, it will tell me what it thinks, and then I'll be able to tell you what I think'.


Ich glaube, daß wichtigste ist das Sprachbild, das hinter dieser Denkweise steht.
Viele Neurowissenschaftler, ach was, überhaupt viele Leute, haben ein naives Augustinisches Sprachbild.
('Naiv' bedeutet hier einfach nur, das das üblicherweise ist, was man denkt, wenn man nicht lange und gründlich drüber nachdenkt, es gibt z.B. auch eine 'naive Mengenlehre' in der Mathematik.)
Es herrscht, mehr oder minder, die diffuse Überzeugung vor, daß die Bedeutung eines Wortes - jedenfalls eines Substantivs - das Ding ist, das mit diesem Wort bezeichnet wird. Worte sind in dieser Hinsicht wie Namenstäfelchen, die man einem Etwas anheftet. Dieses Etwas ist dann die Bedeutung des Wortes. Das ist in vielen Bereichen auch absolut in Ordnung! Man denke an Bezeichnungen wie "Baum", "Haus", "Katze" etc.pp.
Eine zweite - weit weniger naive - Überzeugung ist, daß eine Bedeutung eines Wortes sich erschöpfend und eindeutig definieren lassen müßte. Die Bedeutung eines Wortes zu kennen, hieße in diesem Fall, besagte Definition angeben zu können.

Es stellt sich aber heraus, daß wir Worte in ganz unterschiedlicher Weise benutzen, und das erschöpfende, eindeutige Definitionen - jedenfalls für Begriffe natürlicher Sprachen - unmöglich sind.
Deshalb sollte man anders an die Sache rangehen.

Der Slogan, um den sich alles dreht, ist dann: "Die Bedeutung eines Wortes ist seine Verwendung in der Sprache."
Daraus folgt natürlich: Wenn wir Begriffe unterschiedlich verwenden, dann bedeuten sie auch etwas Unterschiedliches.
Das wichtigste: Wenn wir einen Begriff nicht wie einen Namen für ein Ding verwenden - dann ist das, was er bedeutet, natürlich auch kein Ding!
(Das ist es, was Wittgenstein meint, wenn er sagt, daß z.B. Schmerzen zwar kein Etwas seien, aber eben auch nicht nichts. Denn das Wort 'Schmerz' hat ja eine Bedeutung; wir verwenden es bloß nicht wie einen Bezeichner für ein Ding namens Schmerz. Natürlich bezeichnen wir mit dem Wort 'Schmerz' einen Schmerz. Aber ein Schmerz ist eben kein Ding, dessen Name 'Schmerz' ist. Wir können auf Schmerzen nicht zeigen und sagen 'Das ist ein Schmerz.' Wir können nur dahin zeigen, wo's wehtut, oder auf jemanden, der Schmerzen hat. Wir können aber z.B. auf einen Baum zeigen, oder einen Apfel oder... ein Gehirn. :D)

Was jetzt Neurowissenschaftler machen, wenn sie psychologische Termini verwenden, wie sie es allzu oft gerne tun, ist, sie auf eine neuartige Weise zu verwenden.
Das bedeutet, sie geben diesen Begriffen eine neue Bedeutung - sie schaffen wissenschaftliche Kunstterme. Das ist in Ordnung!
Das muß aber auch klar erkannt werden.
Und das Problem ist, daß diese Wissenschaftler, wenn sie z.B. von 'denkenden Gehirnen' oder 'dem Ort des Denkens' sprechen, fälschlicherweise davon ausgehen, das Wort 'denken' in der üblichen Weise zu verwenden. Aber in der herkömmlichen Verwendung des Verbs 'denken' kann man eben genausowenig von denkenden Gehirnen reden, wie man von denkenden Steinen oder denkenden Farben reden könnte. So wird das Wort 'denken' nicht benutzt!
(Und wenn man jetzt sagt "Aber wir benutzen das jetzt so!" ist das okay - aber man muß sich dann eben darüber klar sein, daß man einen neuen Begriff prägt. Deshalb kann man sagen: Was immer die Neurowissenschaftler über 'denkende Gehirne' herausfinden mögen - damit werden keine Erkenntnisse übers Denken gewonnen.)

Bearbeitet von Echophage, 25 Oktober 2012 - 19:19.

Von allen Gedanken
Schätze ich doch am meisten
Die interessanten...


#26 Echophage

Echophage

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Geschrieben 25 Oktober 2012 - 19:24

Ich glaube -- nur so aus dem Bauch geschrieben --, dass man nur Elemente deren Wirkung anmessen kann. Sie selbst aber nicht erfasst. Ich gehe davon aus -- ohne es beweisen zu können -- dass ein System1, das ein System2 hinreichend zu beschreiben vermag, komplexer oder genauer gesagt eine Ebene "höher" sein muss als System2. Was jetzt bitte nicht esoterisch gemeint ist. Somit scheint da eine Unmöglichkeit vorgegeben zu sein

Das ist nicht ganz unrichtig. Eingefügtes Bild
In der Tat - wir bewegen uns auf völlig unterschiedlichen semantischen Ebenen.
Bestimmte Dinge lassen sich einfach nicht sinnvoll sagen.
Das ist aber, wohl gemerkt, kein Defekt oder eine Unzulänglichkeit der Sprache!
Denn Sprache, als soziales, regelgeleitetes Verhalten, ist ja normativ.
Die Regeln der Sprache bestimmen deshalb nur, welche Laute sinnvoll sind - also, als sinnvolle Sätze dieser Sprache, etwas bedeuten - und welche nicht. Sie bestimmen nicht, was wahr oder falsch ist. Diesen Job hat die Wirklichkeit. Eingefügtes Bild

Die Gödelschen Sätze haben damit aber nicht so viel zu tun. Eingefügtes Bild
Sie handeln von formalen Kunstsprachen - hier geht es um natürliche Sprachen.

Bearbeitet von Echophage, 25 Oktober 2012 - 19:26.

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#27 derbenutzer

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Geschrieben 25 Oktober 2012 - 19:50

Die Gödelschen Sätze haben damit aber nicht so viel zu tun. Eingefügtes Bild


Da bin ich mir gar nicht so sicher. Schön formulierbar sind sie in der Arithmetik ja (?) bewiesen. Diese ist aber ja auch nur ein Beispiel für ein von gegenseitigen Abhängigkeiten getragenes Regelwerk. Ist die Linguistik was anderes?

Ja, wieder unausgegorene Gedankensplitter, ich weiß ... ich sollte disziplinierter formulieren ...

Austriae Est Imperare Orbi Universo


#28 Lüy Piötlerc

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Geschrieben 25 Oktober 2012 - 21:14

Eine Uhr auf einem Bild zeigt auch zweimal am Tag die richtige Zeit an - aber eine gemalte Uhr ist keine Uhr. (Im Englischen gibt's das schöne Wörtchen actual. A clock in a picture is not an actual clock. Oder so... Eingefügtes Bild)
((Du kannst mit dem Herd in einem Bild auch keine Suppe kochen...))

Also - das mit der gemalten Uhr war jetzt aber Deine Idee!
Die Funktion einer klassischen Uhr ergibt sich grob aus drei Komponenten: Uhrwerk, Zeiger, Betrachter. Die Funktion des Uhrwerks ist es, die Zeiger anzutreiben, die Funktion der Zeiger ist es, gemeinsam mit dem Zifferblatt Zahlenwerte darzustellen. Daraus leiten wir dann den abstrakten Begriff der Uhrzeit ab. Ohne uns (oder einen elektronischen Vertreter) als Betrachter hat das System Uhr (mit oder ohne Zeiger) garkeine Funktion, denke ich.

Gedanken kann man also anmessen.
Würdest Du dann auch sagen, daß sie eine Stromstärke haben?
Und, da sie sich im Innern des Gehirns befinden... sind Gedanken - logischerweise! - auch kleiner als ein Gehirn, ja? Eingefügtes Bild

Findest Du das nicht äußerst seltsam?

Nicht nur "also", sondern man kann sie tatsächlich anmessen.
Natürlich äußert sich Gedankentätigkeit in Strömen, die eine Stärke und sogar eine Spannung haben - im Millivoltbereich. Über die metrischen Dimensionen eines Vorgangs nachzudenken, scheint mir nicht sinnvoll. Aber man kann Aussagen über das kortikale (Hirn)volumen machen, in dem diese Vorgänge stattfinden - und das ist natürlich kleiner als das Gesamtvolumen des Hirns.
Find ich ausgesprochen normal und natürlich.

Es stellt sich aber heraus, daß wir Worte in ganz unterschiedlicher Weise benutzen, und das erschöpfende, eindeutige Definitionen - jedenfalls für Begriffe natürlicher Sprachen - unmöglich sind.
Deshalb sollte man anders an die Sache rangehen.

Bitte sehr - bin ganz dafür. Dieser Knoten der Definitionshoheit über Wortbedeutungen neigt ohnehin ein wenig zur Gordifizierung.
Das Problem scheint mir vor allem eine zeitliche Dimension zu haben. Damals, als Wittgenstein über Gedanken nachdachte, war die moderne Neurobiologie noch nicht mal in den Kinderschuhen. Jetzt werden die Geisteswissenschaften (inklusive Theologie - wobei die bei mir gleich nach Astrologie und Marxismus-Leninismus kommt) mit naturwissenschaflichen (und damit nachprüfbaren) Fakten überrollt, mit denen sie offensichtlich nicht so gern Umgang haben.
Damals konnte man noch relativ gefahrlos mystifizieren - denn wer hätte Wittgenstein mit harten Fakten widerlegen können?
Heute genügt im Prinzip ein beliebiges EEG, um das Kartenhaus von der Unanmeßbarkeit und räumlich nicht einzuordnender Gedanken einstürzen zu lassen. Wenn man das als Beweis gelten lassen will...
Gehirntätigkeit beinhaltet und ermöglicht Denkprozesse, auch und vor allem die, die "uns" dann als "Gedanken" bewußt werden. Auch das "Ich"-Gefühl und die Selbstwahrnehmung als Individuum ist ein Ergebnis von Denkprozessen. Jede Aufdröselung in reale, meßbare und virtuelle, unmeßbare Vorgänge scheint mir ziemlich arbiträr - und unnötig kompliziert.
Wittgenstein ist ja nicht allein (das reimt sich). Auch mein verehrter Kollege Freud hat eine Menge Aussagen getätigt, die heute nur noch mehr oder weniger höflich belächelt werden. Man wußte es damals eben nicht besser. Heute hat man harte Daten und kann sich von falschen Modellen trennen - und sich mit neuen, komplexeren weiterhelfen, die ihrerseits vielleicht schon morgen als völliger Humbug verworfen werden. Für Naturwissenschafter ist das normal. Theorien dürfen sterben. Sie aus Trägheit oder Angst vor dem Neuen künstlich am Leben zu erhalten, das wäre ein Fehler.
Zugegeben, Neurobiologen und Psychiater verwenden den Begriff "Gedanken" offensichtlich anders als die Philosophen.
Wenn ich beispielsweise sage: "ich glaube.." dann will ich ausdrücken, daß ich eine Vermutung über einen Sachverhalt habe, die ich für einigermaßen wahrscheinlich halte. Wenn ein Katholizist sagt: "ich glaube..." dann will er vielleicht sagen, daß er - entgegen jeder Vernunft und Faktenlage - von der Existenz eines übernatürlichen Wesens überzeugt ist.
Wenn es euch aus formalen Gründen unmöglich ist, von denkenden Gehirnen zu sprechen - gut. Muß man akzeptieren. Auf eurem Territorium kann man euch schwerlich Vorschriften machen, was Wortdefinitionen betrifft.
Für uns sind denkende Gehirne und anmeßbare Gedanken der Normalfall. Wenn wir dadurch irgendwo ein Lämpchen aufleuchten lassen können (das können wir - und nicht nur das!), dann freuen wir uns kindisch und wissen, daß wir recht hatten. Wenn nichts leuchtet, freuen wir uns nicht so sehr, sind aber auch einen kleinen Schritt weiter. Wir wissen dann, daß es so jedenfalls nicht geht...
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#29 Schlomo

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Geschrieben 25 Oktober 2012 - 22:18

WOW! Hier ist echt was los!

Ich würd wahnsinnig gerne auf alle Diskussionspunkte eingehen, schaff das aber aus Zeitgründen nicht. Muss gerade einen „Intelligenztest“ für Kohlmeisen vorbereiten…

Damit es schnell geht, schreibe ich einfach die Nummer des Postings und dazu eine (kurze) Antwort.

#24: Man kann jedes formalisierbare System gödelisieren, sprich, eine Gödelesierungsfunktion dazu aufstellen und dann untersuchen, ob es unbeweisbare Aussagen gibt und dergleichen. Nur: Dazu muss das System bereits in einer formalisierten Form (einer Grammatik, einem Regelwerk oder wie auch immer) vorliegen. Und das ist beim Gehirn und den darin ablaufenden Prozessen leider noch nicht gelungen.

Aber: Die Assoziation: Bewusstsein – Unvollständigkeitssatz ist naheliegend, alleine schon deshalb, weil es (anscheinend) keine Möglichkeit gibt, von außen festzustellen, ob ein Mensch (oder ein anderes Tier) tatsächlich ein Ich-Erlebnis hat.

#25: Zitat Echopage: „Und, da sie sich im Innern des Gehirns befinden... sind Gedanken - logischerweise! - auch kleiner als ein Gehirn, ja?
Findest Du das nicht äußerst seltsam?“


Ich hab den Eindruck, du wendest hier wieder Schopenhauers Eristische Dialektik an, indem du die Eigenschaften zweier ungleicher Objekte vermischt. Wie du weiter oben bereits richtig erkannt hast, haben Gedanken keine räumliche Dimension, das Gehirn dagegen sehr wohl.

Nachdem ich den Auszug aus Bennett/Hacker gelesen hab, wird mir langsam klar, woher deine Argumentation kommt. Da scheint immer noch die „Chinesische Turnhalle“ von Penrose nachzuwirken, was zu einer Vorstellung führt (wieso eigentlich?), das Bewusstsein sei von der Hardware abgekoppelt.

Dabei erinnere ich mich wieder daran, was ich seinerzeit Penrose vorgeworfen habe: Genau das, was er der KI Forschung vorgeworfen hatte: „Das ist nur syntaktische Manipulation von Begriffen.“. Denn: Es geht hier nicht um Sprache oder deren Anwendbarkeit auf Objekte – letztere kann man frei definieren – sondern um den Versuch, ein komplexes System zu verstehen. Gut, es ist sicher nicht besonders schlau, Begriffe zu verwenden, die bereits eine (oft nur sehr vage) Alltagsbedeutung haben. Schlauer wäre es womöglich, vor die Begriffe eine Vorsilbe zu setzen, die eindeutig anzeigt, in welchem Konnotat das jetzt zu interpretieren ist. Was aber in natürlichen Sprachen kaum gemacht wird. Man muss eben verstehen, über welches Thema gerade gesprochen wird. Wie sonst sollte man mathematische Begriffe wie „Gruppe“, „Ring“, Körper“ u.s.w. verstehen?)

Das müsste ich jetzt eigentlich noch ein wenig vertiefen, aber mir brennt die Zeit unter Nägeln...

Daher ganz kurz die Beobachtung zusammengefasst: Hier treffen zwei unterschiedliche Vorstellungen aufeinander:

1. Das Bewusstsein ist nicht an das Gehirn gebunden

2. Das Bewusstsein ist ein Produkt der Arbeit des Gehirns.


Ich nenn jetzt 1. das Penrose/Bennett/Hacker Modell, kurz PBHM und 2. das Neuro-Modell, kurz NM

Als Informatiker, der versucht, so etwas wie Bewusstsein nachzubilden, bin ich natürlich Anhänger des NM.

#26: Mit „formalen Kunstsprache“ meinst du vermutlich Formale Sprachen, die von einer Grammatik erzeugt werden, und die zum Beispiel von Kellerautomaten oder endlichen Automaten akzeptiert werden? Nun, der Unterschied zu natürlichen Sprachen ist nicht soooo groß. Bei den natürlichen Sprachen kommen eben noch Ausnahmen, Mehrdeutigkeiten und Antinomien (in der Semantik) dazu. Aber auch so etwas lässt sich gödelisieren.


Falls ich mit der Vermutung, Echopage währe Anhänger der PBHM, falsch liege, trifft vielleicht eine Hypothese zu, die ich gestern aufgestellt hab:

Echopage, kann es sein, dass du Begriffe wie „Gedanke“ oder „Erinnerung“ als Klassendefinitionen auffasst? Die sind (in einem compilierten Programm) auch nicht lokalisierbar (weil nicht enthalten, werden nicht codiert), sie sind nur Anweisungen im Sourcecode, um den Compiler mitzuteilen, wie auf die Daten und Methoden der Klasse zugegriffen werden kann. Im Programm selbst werden dann Instanzen der Klassendefinition angelegt, analog dazu passiert im Gehirn etwas, das man umgangssprachlich als „Gedanken“ bezeichnen kann, wofür du dann aber vermutlich einen geeigneteren Begriff kennst. Ich nenn das jetzt mal Epedanken, ein Kunstwort aus „Echopage“ und „Gedanke“.

Ein Epedanke ist dann im Gehirn lokalisierbar, hat gemäß der Informationstheorie sogar ein Energieäquivalent und ist (z.B. über Gehirnströme) anmessbar. Eine Eprinnerung wäre demnach ein Epedanke, der einen Epedächtnissinhalt enthält.

Lieg ich damit so halbwegs richtig? Da meine Kunstwörter nur ein Notbehelf sind: Wie nennst du Epedanken, Eprinnerung, Epedächtmnis sowie die zugehörigen Verben und Adjektive?

Schalom,

Schlomo

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#30 Lüy Piötlerc

Lüy Piötlerc

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Geschrieben 25 Oktober 2012 - 23:02

Ich würd wahnsinnig gerne auf alle Diskussionspunkte eingehen, schaff das aber aus Zeitgründen nicht. Muss gerade einen „Intelligenztest“ für Kohlmeisen vorbereiten…

Mach doch einen einfachen, groben Vortest. Leg den Vogerln den letzten NEO vor. Wenn sie kräftig drauf kacken, ist schon mal klar, daß sich ihre Intelligenz im Bereich von Primaten bewegen muß!
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