So, ich habe mittlerweile die ersten drei Folgen gesehen und außerdem die entsprechenden Storys gelesen. Schon mal vorab - begeistert bin ich nicht. Und wenn ich es dramatischer ausdrücken wollte, müsste ich sogar sagen: Ich bin entsetzt!
Achtung, es folgen Spoiler!
1. Real Life / Exhibit piece
Hier wurde für die Verfilmung nur die wirklich grundlegendste Idee übernommen: Jemand wird in den Körper einer anderen Person in einer anderen Zeit transferiert und erlebt eine gewisse Desorientierung, welche Zeit nun seine eigentliche ist.
In der Story von PKD ensteht eine Art Portal im titelgebenden Austellungsbereich, der das vergangene 20. Jahrhundert darstellt, die den für seine Erstellung verantwortlichen Wissenschaftler in eben diese Zeit - und in einen Familienvater - hineinversetzt. Da er ohnehin diese Epoche seiner eigenen, wo ein mehr oder weniger totalitäres Gesellschaftssystem etabliert ist, vorzieht, möchte er dort bleiben (und schafft das auch). Er erkennt durchaus, dass es hier zwei Zeitebenen gibt, obwohl er anfänglich Probleme hatte, sie zu unterscheiden. Am Ende liest er die Zeitung und erfährt von der Entwicklung der Kobalt-Bombe - und dass so die totale Weltzerstörung unausweichlich ist.
So, diese Story ist eine reine, politische Ideengeschichte. Sie kümmert sich nicht um wissenschaftliche Begründung von Phänomenen wie dem Portal, sondern ist ganz auf die Aussage hin geschrieben: Dass es nicht hilft, sich in eine bessere Zeit zu träumen (hineinzuversetzen, hier wird das ganz wörtlich) oder ins Private zurückzuziehen - weil Krieg und Unterdrückung einen Weg finden, einen einzuholen.
In der Verfilmung ist überhaupt nichts mehr von dieser Aussage zu finden. Tatsächlich wird die Story in ihr genaues Gegenteil verkehrt: Politisches ist gänzlich gestrichen, ausschließlich Privates spielt eine Rolle. Aus einer Story, die vor dem Biedermeier warnt, hat man eine Biedermeiergeschichte gemacht, die Genderfragen wichtiger findet als totale Zerstörung.
2. Autofac
Ein großer Klassiker, eine der besten von Dicks Kurzgeschichten. Die Verfilmung beginnt recht nah am Original, gestattet sich ein paar Modernisierungen, die erstmal durchaus okay sind, wie zB das Flugzeug statt eines LKW - aber beim abgehackt redenden Roboter mit Stelzgang, der von sich behauptet, er wäre einem Menschen nachempfunden und rede und laufe genau so wie sein Vorbild, muss man sich doch an den Kopf packen.
Die Verfilmung streckt die Story mit ausführlichem Beziehungsgedöns, was überhaupt keine Spannung aufkommen läßt, und ab der Hälfte entfernt man sich sowieso von der Vorlage. Auf einmal möchte man Atomsprengköpfe in die Fac schmuggeln, Terminator-Bots tauchen auf und von dem cleveren Gegeneinander-Auspielen zweier Autofacs ist gar nichts mehr übrig. Und am Ende stellt sich heraus, dass die Menschen alle Roboter sind, aber dadurch dann doch die Hoffnung für die Zukunft. Während bei Dicks Story Resourcenvernichtung und die Verdrängung des Lebens durch Technologie im Vordergrund standen, gewinnt die Verfilmung dem Ganzen auch noch etwas Positives ab. Klar, wenn alle Roboter sind, braucht man auch nix mehr zu essen. Toll.
3. Human is
Ganz oberflächlich folgt die Verfilmung der Story sehr genau, aber auch hier zeigen sich in den Details Abweichungen und letzten Endes Umwertungen:
Das terranische Regime ist im Film böser und rücksichtsloser dargestellt, die Außerirdischen netter. In der Story wird deutlich, dass die Außerirdischen tatsächlich ihre eigenen Ziele verfolgen und ihren zerstörten Planeten verlassen wollen, was sie durch die Übernahme von menschlichen Körpern versuchen, während die Filmfassung sie hauptsächlich als sich wehrende Opfer darstellt. Genauso verhält es sich mit der Ehefrau: der Film zeigt sie als sexuell "Unterversorgte", deren Leben sich ganz um ihren Mann herum gestaltet. In Dicks Story hingegen hat auch sie ganz konkrete Ambitionen und Wünsche - vor allem möchte sie ein Kind, das ihr Ehemann ihr verwehrt. Wenn sie sich gegen die Verurteilung des Außerirdischen entscheidet, tut sie das mit dem Wissen, dass das Bewußtsein ihres Mannes noch auf Rexor IV vorhanden ist - er also gerettet werden kann (bei der Verfilmung ist er ohnehin verloren). Ihre Aussage vor Gericht ist so eigentlich ein Mord aus egoistischen Gründen. Dick gesteht hier seiner weiblichen Protagonistin eigene Ziele und auch "Sünden"zu (das ist bei Dick eigentlich generell so: seine Frauenfiguren sind meist realistisch gestaltet; auch wenn sie "Opfer" sind, bleiben sie Menschen mit Stärken und Schwächen, ganz anders, als das heutzutage so oft im pseudo-feministischen Mainstream kultiviert wird), während die Verfilmung die Frau nur zum Opfer macht, das sich ein wenig Glück zurückholt, das ihr vorenthalten wurde. Und der Kinderwunsch passt sowieso nicht zum Zeitgeist.
Zwischenfazit:
Bis jetzt zeichnet sich für mich vor allem eine Umwertung des Ausgangsmaterials ab. PKD war ja vor allem ein Autor, der sehr treffend die Auswüchse von Technokratie und Kapitalismus thematisiert hat. Ihn auf seine Ideen und Plot Devices, die eigentlich meist sein Vehikel zur "Sozialkritik" waren, zu reduzieren wird ihm nicht gerecht - und seine Ideale in ihr Gegenteil zu verkehren ist eine große Ungerechtigkeit.
Mal sehen, wie der Rest so sein wird.
Bearbeitet von schilling, 01 April 2018 - 23:29.