Logline vs. Prämisse
Es herrscht etwas babylonische Sprachverwirrung um den Begriff Prämisse herum. Zum ersten Mal ist er mir in Freys “Wie man einen verdammt guten Roman schreibt† begegnet. Dort ist das mehr eine Art “Moral von der Geschicht†.
“Loyalität zur Familie führt zu einem kriminellen Leben.† (Der Pate)
Für Frey ist die Prämisse wie eine (fast mathematische) Behauptung, die der Roman zu beweisen sucht. Also formuliert man sie sich als Autor am besten in der Form:
Eine bestimmte Art zu handeln führt zu folgendem Ergebnis.
Und damit kann man jetzt hervorragend arbeiten, wenn man entscheiden möchte, ob bestimmte Dinge zur Geschichte gehören oder gestrichen werden sollten/müssten. Wenn eine bestimmte Szene nichts dazu beiträgt, die Wahrheit der gewählten Prämisse zu beweisen, so hat sie in dem Buch nichts verloren. (Eine Idee, von der weder Stephen King noch George R. R. Martin jemals etwas gehört zu haben scheinen, und trotzdem ...)
Diese Interpretation von “premise† habe ich sonst nirgends gesehen, allerdings findet sich ein ähnlicher Inhalt manchmal in dem Begriff “theme† wieder (jedoch ohne die mathematische Strenge).
“Premise† bezeichnet sonst eher die Kurzfassung eines Romans. Das Ziel ist es, den Inhalt der Geschichte in einem Satz zusammenzufassen. Das kann(!) zusammenfallen mit der sogenannten Logline, die ebenfalls in einem Satz erklären soll, worum es eigentlich geht. Der Zweck der Logline ist aber eindeutig Marketing. Kann ich für das, was ich schreiben will, auch bei jemandem Interesse wecken. Und zwar schnell, denn sooo lange hören einem die Leute nun mal nicht zu. (Liest hier noch jemand mit?)
Blake Snyder (Save the Cat) schwört hier, mehr in Bezug auf Filme, auf eine Kombination aus Titel plus danach abgefeuerter Logline, die das Konzept überzeugend rüberbringen soll. In meinem Beispiel wäre das etwa:
“Im dunklen Buch des Anbeginns†
Der Gott der Bibel ist eine künstliche Intelligenz aus dem Weltall, hat Menschen und Engel durch Genmanipulation erschaffen und kämpft mit ihnen um die Kontrolle über die Erde.
Ein anderes Beispiel, das mir im Rahmen dieses Forums sofort einfällt, sind Dirk van den Booms “Kaiserkrieger†.
“Ein Kriegsschiff aus dem wilhelminischen deutschen Kaiserreich gelangt durch einen Zeitsprung zurück in das römische Kaiserreich und wird in die dortigen Konflikte verwickelt.†
Das reicht völlig aus, um das Ding zu verkaufen. Jeder hat sofort ein Bild davon, worum es geht und was er von dem Buch erwarten kann. Das ist aber noch keine Prämisse. Diese fasst tatsächlich die Handlung in einem Satz zusammen, mitsamt Protagonist, Antagonist und zentraler Konflikt. Und es ist tatsächlich so: Solange man das nicht kann, hat man keine solide Grundlage für die Geschichte. Die Prämisse ist der erste Schritt zur Strukturierung des Romans. (Sie ist aber auch ein Verkaufsargument, allerdings mehr in Richtung Verlag/Agent)
Nehmen wir noch einmal den Paten (um den Unterschied zu Frey zu sehen):
“Der jüngste Sohn eines Mafiabosses entschließt sich, Rache für den Anschlag auf seinen Vater zu nehmen, und steigt zum neuen Oberhaupt der Familie auf.†
Jemand, der sich sehr genau mit der Entwicklung der Prämisse beschäftigt, und welche Vorteile es bringt, sich wirklich sehr ausführlich in diesem Stadium aufzuhalten, ist Truby in “The Anatomy of Story†. Allerdings finde ich seinen oberlehrerhaften Tonfall relativ schnell nervig.
Ich selbst habe mir folgende Vorgehensweise angewöhnt:
Was muss rein in die Prämisse?
- Protagonist
- Antagonist
- zentraler Konflikt / Handlung (auf welche Weise wird er ausgetragen)
Wenn es eine Gelegenheit gibt, mal so richtig mit Adjektiven auf die Kacke zu hauen, dann ist es bei der Entwicklung der Prämisse. Es gilt, sowohl dem Protagonisten als auch dem Anatgonisten die für die Geschichte beste zentrale Eigenschaft zuzuordnen. Die müssen dann besonders gut zum zentralen Konflikt als auch zur Art und Weise passen, wie dieser ausgetragen wird.
z.B. bietet es sich an, einen Ordnungsfanatiker in eine sehr chaotische Handlung zu werfen, oder einen Moralapostel ein Bordell erben zu lassen, usw.
Versuchen wir das mal mit der vagen Idee “Das verlorene Paradies† von Milton, also der Aufstand der Engel um Luzifer gegen Gott, soll in einem Weltraumsetting spielen. (Durch diese Einschränkung habe ich natürlich schon einige Auswahlschritte übersprungen, im Rahmen meiner Logline wäre vieles andere möglich gewesen).
Also fange ich an, über den Protagonisten zu sinnieren.
Luzifer:
rebellisch, ziellos, gelangweilt, leidet unter seinem sinnlosen Leben ...
Das Gleiche mit dem Antagonisten Gott:
kalt, gefühllos, streng, gleichgültig zu seinen Geschöpfen, setzt seine Regeln unbeirrt durch ...
Man sieht schnell, das läuft psychologisch ein wenig auf einen Vater-Sohn-Konflikt heraus. Das hat aber etwas wenig Pep, doch zum Glück:
In ihrem eigentlichen Konflikt geraten sie über die Erde (den Planeten Eden)
Luzifer erkennt in der Erde unendliche Möglichkeiten, sich zu entfalten,
von Gott wird aber nur genau ein Weg toleriert
(er hat aber dafür Gründe, die Luzifer während seiner Rebellion erkennt,
werden ihm andere Lösungen einfallen?)
Aus diesen ganzen Überlegungen habe ich letztendlich zusammengebaut:
Der im Weltraum dahindümpelnde Luzifer rebelliert gegen einen kontrollsüchtigen Gott-Computer und führt eine Schar Engel aus dem Cyberspace in die Freiheit des Planeten Eden, wo es immer schwieriger wird, den verwildernden Haufen unter Kontrolle zu halten.
Dazu möchte ich noch zwei Dinge anführen: Zum einen habe ich oben bei Eigenschaften und Konflikten nur die angeführt, die ich schließlich gewählt habe. Natürlich sollte man mit allerlei Möglichkeiten herumspielen, bis man die möglichst beste Kombination gefunden hat. Zum anderen habe ich in die Formulierung mehr hineingebaut, als ich zum Strukturieren bräuchte, sie ist so, wie sie da steht, ebenfalls zur Kommunikation der Idee an andere gedacht.
Bearbeitet von Michael Böhnhardt, 01 Februar 2020 - 16:12.