Die Frau des Zeitreisenden
von Audrey Niffenegger starten. Überraschend viele Leute scheinen das Buch zu mögen, während ich damit herzlich wenig anfangen konnte und mich über einige Passagen richtig geärgert habe. (Damit stehe ich glücklicherweise nicht alleine da, auf der amerikanischen Amazon Seite gibt es genügend negative Reviews.)
Worum geht's?
Henry hat einen genetischen Defekt und reist spontan durch die Zeit, meistens hervorgerufen durch Stress. Bei diesen Reisen kann er nichts mitnehmen sondern er kommt immer nackt am Zielort an. Wohin er in der Zeit reist ist ebenfalls unklar, häufig ist es die Vergangenheit und ein spezielles Ereignis, dass ich nicht verraten möchte, scheint ihn besonders anzuziehen.
Henry wird irgendwann Clare treffen und heiraten, aber die Liebesbeziehung ist reichlich verworren. Er besucht z.B. als älterer Mann die 6 Jahre alte Clare und trifft sie von da an in unregelmäßigen Abständen. Dadurch weiß sie bereits, dass sie irgendwann mit Henry zusammen ist, aber wann und wie liegt noch in der Zukunft. Bis zum Schluss habe ich nicht verstanden, wieso sich Henry und Clare lieben. Begehren ja, aber Liebe ist viel mehr als das Wissen, dass man zusammen gehört.
Das Buch lebt von seiner ungewöhnlichen Rahmenhandlung. Das Reisen in der Zeit wird überzeugend dargestellt, obwohl die Autorin einige interessante Punkte auslässt. Es wird z.B. nicht darüber gesprochen, an was für einen Ort Henry zurückkehrt, wie lange er gewöhnlich in der Vergangenheit bleibt und was er dort noch erlebt außer Clare zu suchen. Somit bleiben die Zeitreisen ein reines Stilmittel, um die Episoden irgendwie miteinander zu verbinden - sehr schade.
Es ist gut das Buch als Deutscher zu lesen, weil häufig deutsche Wörter eingeflochten werden und stellenweise Rilke zitiert wird. Ab und zu hatte ich den Eindruck dass autobiographische Einflüsse oder "Wünsche" zu spüren sind, z.B. bei der ausführlichen Beschreibung des Weihnachtsessens, bei der Aufzählung verschiedener Punk Gruppen, der Hochzeit oder sexuellen Aktivitäten. Dies kam in der Regel derart plötzlich, dass es aufgesetzt und irgendwie unpassend wirkte. Außerdem hat es keinen spürbaren Einfluss auf die Handlung oder den Charakteren.
Für mich bleibt das Buch sehr lange nur an der Oberfläche und erreicht selten die emotionale Tiefe, die ich mir gewünscht hätte. Nur kurz dringt die Verzweiflung von Henry durch, die er durch sein häufiges Verschwinden erleben muss. Henry scheint außerdem ein Problem mit Alkohol zu haben. Hat das irgendeinen Einfluss auf die Geschichte? Nein, er ist trotzdem der perfekte Ehemann.
Im letzten Drittel fehlen die dramatischen Momente fast komplett, Episode reiht sich an Episode und der Schluss ist voller vergebener Chancen. Es wäre besser gewesen, die Autorin hätte sich auf wenige, aber dafür interessante und ''kritische'' Höhepunkte in den Leben der beiden Charaktere beschränkt. Gute Ansätze sind vorhanden und der Schreibstil ist klar und flüssig, aber über weite Strecken hat mich das Buch nicht berührt.
Unbefriedigend bis zum Schluss bleibt der Perspektiven-Wechsel zwischen Henry und Clare. Wenn nicht am Anfang stehen würde, wer gerade zu Worte kommt, hätte man keinerlei Ahnung - es gibt keine nennenswerten Unterschiede.
So, genug geärgert. Lassen wir die Fürsprecher zu Worte kommen.

Sullivan