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DER SEHER von Robert Silverberg


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#1 Beverly

Beverly

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Geschrieben 10 April 2006 - 18:07

DER SEHER ist ein auf Deutsch 1978 bei Heyne erschienener Roman von Robert Silverberg, der um das Jahr 2000 spielt. Erstveröffentlichung als THE STOCHASTIC MAN 1975. Ich habe den Roman um 1980 gelesen und er ist mir wieder eingefallen, weil es einige verblüffende Parallelen zwischen dem Roman und der tatsächlichen politischen Entwicklung in den USA gibt. Der Roman Lew Nichols ist der typische New Yorker linksliberale Intellektuelle - erfolgreich, sexuell ausgelastet und progressiv ohne allzu radikal zu sein. Sein Leben wird jedoch durch zwei Männer aus der Bahn geworfen: Quinn, den Bürgermeister von New York und Carvajal. Carvajal kann in die Zukunft sehen, doch das wird für ihn zum Fluch. Da er gesehen hat, dass er einsam und allein in einem heruntergekommenen Viertel leben wird, lebt er auch dort. Schon vor langer hat er gesehen, dass er von Halbstarken ermordet wird und so geschieht es dann auch. Carvajal erklärt nun Lew Nichols, dass er ebenfalls ein "Seher" ist und er macht ihn mit dieser unheimlichen Begabung vertraut. Für Nichols jedoch wird diese Fähigkeit zu einer Bereicherung: er sieht sich nach einem erfüllten Leben in hohem Alter friedlich im Bett sterben. Davor allerdings hat er noch mit Quinn zu tun. Quinn ist Bürgermeister von New York und - trotz extrem chaotischer Verhältnisse in der Stadt - Hoffnungsträger von Nichols und anderen Linksliberalen. Nichols unterstützt ihn bei seiner Präsidentschaftskandidatur, doch dann kommt es zum Bruch zwischen ihnen. Nach Ausschreitungen in New York vollzieht Quinn einen Rechtsruck bzw. wird zynischer. Zudem sieht Nichols Präsident Quinn nicht als Hoffnungsträger, sondern als üblen Tyrannen, der z. B. mit Stars and Stripes einen übersteigerten Patriotismus propagiert. Allerdings wird die Tyrannei Quinns nur in Nichols' Visionen von der Zukunft angedeutet und zudem gesagt, dass es nach ihrem Ende aufwärts gehen wird. Roman und Wirklichkeit In DER SEHER wird für die Zeit nach 2000 das Aufkommen eines autoritär herrschenden Präsidenten vorausgesagt. 2001 ist George Bush an die Macht gekommen und die USA haben unter seiner Präsidentschaft Bürgerrechte abgebaut und einen Krieg geführt. Auf der allgemeinen Ebene kann man also sagen, dass Silverberg 1975 die politische Entwicklung der USA nach 2000 so gut getroffen hat, wie das ein Romanschriftsteller realistischerweise tun kann. Allerdings gibt es einen entscheidenen Unterschied: Quinn wird in DER SEHER als starke Persönlichkeit beschrieben, was ich George Bush beim besten Willen nicht unterstellen kann. Bush agiert nur als Teil eines Clans, eine Kamarilla für die Namen wie Haliburton stehen, er schwimmt geistig im trüben Strom der "Neocons", den andere geschaffen haben. In DER SEHER schweigt sich Silverberg darüber aus, wie die US-Amerikaner den zum Tyrannen gewordenen Hoffnungsträger Quinn wieder loswerden. Bei Bush genügt die Bestimmung, dass ein Präsident nur einmal wiedergewählt werden darf, die mir für Gestalten wie ihn geradezu maßgeschneidert zu sein scheint. Ob wie in DER SEHER auch in der Wirklichkeit nach dem Tyrannen etwas Besseres nachkommt weiß ich nicht. Man kann Bush natürlich auch ganz anders sehen als ich, nur bin ich mir sicher, dass auch ein Präsident Quinn seine Fürsprecher gehabt hätte. mehr zu DER SEHER auf http://www.majipoor....pub.php?id=2187


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