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Accelerando


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63 Antworten in diesem Thema

#31 Jürgen

Jürgen

    CyberPunk

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Geschrieben 15 September 2006 - 12:21

... ich war nämlich drauf und dran für Jürgen hier ein besonders geschmackloses Zitat aus Accelerando zu posten.

Gibs mir, Dave... gibs mir :) :rolleyes:
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#32 TheFallenAngel

TheFallenAngel

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Geschrieben 21 September 2006 - 15:34

Sorry, aber das Interview ist eine Auftragsarbeit fuer phantastisch!, ich glaube nicht, dass ich umfassend daraus zitieren kann.

sorry meinerseits das ich so penetrant/dreist bin und da nochmal nachhake - ist dieses 'ich glaube nicht' nun tatsächlich das letzte wort in der 'angelegenheit'? seid doch bitte so flexibel und diskutiert wenixtenz im kreis der phantastisch!-macher/-mitarbeiter über unseren nicht alltäglichen wunsch, denn ich halte es schon für eine der aktualität geschuldeten gewissen notwendigkeit 'uns' wenixtenz die accelerando betreffende auszüge des interviews zugänglich zu machen, zumal es sich ja bei 'uns' in der tat um mehrere leute handelt und nicht nur um einen einzelnen ok, genug der bettelei :D

#33 Holger

Holger

    Temponaut

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Geschrieben 21 September 2006 - 17:20

Abmahnung an TFA wegen mehrfacher, unlauterer Verwendung eines "x"! :D
"Rezensionen: eine Art von Kinderkrankheit, die die neugeborenen Bücher befällt."
(Georg Christoph Lichtenberg)

#34 Diboo

Diboo

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Geschrieben 22 September 2006 - 08:59

F: Die Veröffentlichung, die zuletzt für das größte Aufsehen gesorgt hat, ist sicher „Accelerando“. In Deutschland hat es da gemischte Reaktionen gegeben. Der deutsche SF-Autor Marcus Hammerschmitt meinte, es sei ein Buch geschrieben von einem Nerd für andere Nerds, aber als Roman wertlos. „Accelerando“ ist sicher „anders“ - beschreibe uns doch kurz, warum du diesen Band vorgelegt hast!A: Um ein Buch für Nerds zu schreiben, die auch menschliche Wesen sind und es verdienen, ernst genommen zu werden und für sie Geschichten zu schreiben. Sorry. Also, ich habe die Serie von neun Geschichten, die zusammen „Accelerando“ ausmachen, 1999 zu schreiben begonnen. Damals war ich Chefprogrammierer einer Dotcom-Firma, die jährliche Wachstumsraten von 30 % zu verzeichnen hatte. Es war ein wilder Ritt, und bei so was dabei zu sein, hat seltsame Auswirkungen auf die eigene Wahrnehmung von Zeit. Ich habe damals Vernor Vinges Essay über die technologische Singularität gelesen, das war 1992, und wurde davon sicher beeinflusst. Eine der Aussagen, die mich berührt haben, war die Annahme, dass man über die Erfahrung des Beginns einer Singularität aus der Innensicht nicht schreiben könne. Ich habe damals auch eine Menge mit Open-Source-Software gearbeitet und ganz seltsame Leute mit noch seltsameren Geschäftsideen getroffen, die diese Ideen dann in Hunderte Millionen Pfund verwandelt haben. Dann habe ich mich mit seltsamen Subkulturen auseinandergesetzt, den Extropiern und den Posthumanisten. Die hatten eine interessante Ideologie, allerdings relativ harmlos, da sie wenige Anhänger hatten und, nun ja, weniger Berge voller Totenschädel. In einer Woche habe ich dann die erste Story zusammengetragen („Lobsters“, damals nominiert für den Hugo und den Nebula) und darin die distillierten Seltsamkeiten meines Lebens eingebaut. Und natürlich brauchte es eine Weile, bis sie von jemandem gekauft wurde (Marcus Hammerschmitt ist nicht der Einzige, der es nicht kapiert hat). Dann hatte ich den Drang zu sehen, wie die Dinge sich weiterentwickelten - „Lobsters“ war ja nicht in sich abgeschlossen - und während der nächsten vier Jahre versuchte ich, meinen Kopf durch eine Singularität zu stecken. Und das tat weh. Ich beschloss, eine Generationen übergreifende Familiensaga zu beschreiben, die verschiedene posthumanistische Stadien darstellt. Ich habe das dann ganz absichtlich aus der Sichtweise der Familien-AI beschrieben, dem wahrscheinlich erschreckendsten Bösewicht, den ich je in einer Geschichte erschaffen habe (wenn man jemanden, der nicht menschlich ist, aber theoretisch über einen Geist verfügt, der grundsätzlich weitaus mächtiger ist als jeder „menschliche“ einen Bösewicht nennen kann). Ich habe noch einige Eimer voll posthumanistischer und extropischer Spekulation reingekippt, so viel, wie ich kriegen konnte. Und es ist eine warnende Geschichte. Hammerschmitt hat vielleicht nicht das Hintergrunddetail bemerkt, dass gut 90 % der Menschheit ausgelöscht worden sind, Menschen in den Status von Ratten hinter den Wänden von jemand anderem zurückgefallen sind, die Erde zerstört wurde und die Natur des Menschen von nichtmenschlichen Intelligenzen mit ihren eigenen Absichten neu definiert wurde. Menschliche Herangehensweisen an Politik und Ökonomie wurden mit ruinösen Ergebnissen von außerirdischen Intelligenzen überflügelt usw.

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(13. Erwerbsregel)

"Anyone who doesn't fight for his own self-interest has volunteered to fight for someone else's."
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#35 TheFallenAngel

TheFallenAngel

    Temponaut

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Geschrieben 22 September 2006 - 18:34

danke das es nun doch möglich war den auszug hier vorab zu veröffentlichen! :rofl1:

#36 Teletubbie

Teletubbie

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Geschrieben 23 September 2006 - 12:44

Hi,bin neu hier, lese aber lange SF und viel. Danke für den Auszug aus dem Interview. Das war für mich der Grund mich anzumelden. Ich denke Hammerschmitt hat es nicht verstanden. Seine Kritik ist meiner Meinung nach eigentlich ein vernichtendes Urteil für ihn selbst als SF Literatur Kritiker. Ich glaube, Kritiker sollten eben sensibel für Innovationen sein. In letzter Zeit sind mir zwei innovative Bücher untergekommen, eines ist Accelerando und das andere Spin. Das Problem bei Innovationen ist, sie lassen sich nicht mit Maßstäben aus etablierten Domänen beurteilen, je grundlegender die neuen Ideen sind. Es mag sein, dass die Open Source Leute als early adopters, schneller von Stross fasziniert sind. Aber auch das hat was mit dem sozialen und technologischen Innovationspotential von Open Source zutun. Ich komme aus der Ecke und fand Stross Buch natürlich super (fand seine vorigen Singularitätsgeschichten aber eher normal als besonderes).Aber !!! Hammerschmitt kann nicht alles was er nicht kennt als Nerd abtun. Beispiel: Ich komme aus der Open Source Ecke, habe aber eine bekannte, die sich tief mit Posthumanismus befasst. Für mich war die bisher immer ein bisschen nerdie. Jetzt nach dem Buch sind mir aber einige Bezüge klarer.Stross spricht eher Subkulturen an und legt latente Beziehungen zwischen diesen offen. Das ist seine Transferleistung. Wenn Herr Hammerschmitt das nicht erkennt, soll er sich bitte mehr auf klassische Bereiche der SF festlegen. Gibson war auch innovativ und als verrückt bezeichnet worden. Nach ein Paar Jahren sind aber doch seine Ideen weit in den mainstream rein gekommen.Ich möchte mich jetzt nicht zu sehr über Hammerschmitt aufregen, aber Leser (insbesondere SF-Leser) als aussterbende Spezies sind sowieso Nerds. Außerdem ist man auf Kritiken und Rezensionen ein Stück weit angewiesen. Wieso ein Buch so verreißen, welches wirklich Potential hat. Möchte er das Geld der SF-Leser schützen, in dem er warnt das Buch zu kaufen?Ich hab das Buch gekauft und hab es nicht bereut.Ich finde es gut, dass sich hier im Forum eine differenziertere Sicht entwickelt.

Bearbeitet von Teletubbie, 23 September 2006 - 12:45.


#37 Jürgen

Jürgen

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Geschrieben 24 September 2006 - 11:50

Gut gebrüllt, Teletubbie .... und ein herzliches Willkommen auf dem Board.Das Problem mit innovativen Romanen und deren inhaltlichen Ideen ist, daß sie meist nur von einer speziellen Gruppe von Lesern wahrgenommen werden und erst zu einem späteren Zeitpunkt ihren Platz beim breiten Publikum finden. Im Falle von Accelerando ist die primäre Zielgruppe SF-Fans, die sich neben der SF auch noch für die aktuellen technischen und sozialen Entwicklungen interessieren. Diese Gruppe findet in diesem Buch Gedanken vor, die mit ihren persönlichen Extrapolationen interagieren und sich damit auch mit den eigenen Erwartungen (wertfrei) einer zukünftigen Welt decken.Nicht, daß es immer wünschenswert wäre, welches Ergebnis am Ende einer Spekulation herauskommt.Für viele Autoren aus der SF ist Accelerando wahrscheinlich viel zu... nunja... wahrscheinlich.Seine Spekulationen greifen auf hochaktuelle Entwicklungen zurück und spiegeln die Erfahrungen des Autors innerhalb einer normalen Arbeitsumgebung in einem schnell wachsenden Markt wieder.Eine ungeheure Flexibilität ist von Nöten, wenn man in diesem Bereich arbeitet... nicht nur körperlich, sondern vor allem geistigDas Stross mit diesem Buch, wie Gibson in den Achtzigern, nicht eine neue Ära in der SF einleutet, liegt einzig und allein an seinen stilistischen Schwächen. Es fehlen an allen Ecken und Enden die Feinheiten, die aus Accelerando einen Kult-Roman gemacht hätten. Dazu braucht es halt neben Ideenreichtum auch erzählerische Klasse.Trotzdem besitzt Accelerando so viel Potential, daß sich alle Mitglieder, die (mal wieder) im Sommerloch das allseits beliebte Thema "Ende der SF" beackern, in ihrer Ignoranz bestraft werden.Die SF lebt und Charles Stross gehört zu den Autoren, die stark dazu beitragen.Frei nach meinem Lieblingszitat von William Gibson - Die Zukunft ist schon längst da, sie ist nur noch nicht besonders gut verbreitet - sehen anscheinend einige Kritiker und Autoren den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.Und wenn sie mal etwas sehen, dann machen sie es nieder, weil das Ergebnis nicht in die Schablonen passt, die sie in ihren Köpfen pflegen.Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Diboo für seinen Vorab-Auszug des Interviews bedanken.Dynamischer Pragmatismus hat sich hier gegen provinzielle Besitzstandswahrung durchgesetzt. Für mich ein Zeichen, daß zumindest die Redakteure von Phantastisch! die Zeichen der Zeit längst erkannt haben und sich der Aktualität anpassen... eine Vorgehensweise, die einigen alt eingesessenen Autoren oder SF-Club-Klüngel-Vereinen gut zu Gesicht stehen würde.GrußJürgen

Bearbeitet von Jürgen, 24 September 2006 - 11:53.

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#38 Kris Kelvin

Kris Kelvin

    Nochkeinnaut

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Geschrieben 05 Januar 2007 - 18:01

Hallo,ich hab mich heute erst angemeldet, und das ist meine erster Beitrag, den ich leiste.Ist nun schon vier Monate her, dass ich "Accelerando" gelesen habe, aber so einiges kann ich dann doch noch vom Stapel lassen.Im Nachhinein kann ich von mir aus Behaupten, dass mir das Buch mit seinen Ideen gefallen hat. Viele neue Ideen, an die man sich erstmal gewöhnen muss, aber vielleicht baut Stross seine Ideen in kommenden Büchern aus (Worauf ich mich freuen würde).Die Geschichte hat mich auch nicht sonderlich vom Hocker gehauen, aber so grausig war das Familientheater nicht, dass ich sagen könnte die Story hat das Buch verschandelt.Das einzige was mich gestört hat, waren die extrapolationen des Rechtswesen. Mit sowas komm ich schon in unserer heutigen Welt nicht nach, und das war in diesem Fall von "Accelerando" der blanke Horrortrip für mich.Von den drei Romanen, die Stross bisher geschrieben hat, fand ich "Supernova" den besten, gefolgt von "Accelerando" gefolgt von....."Singularität". Wobei ich nicht sagen will, der Letztere habe mir nicht gefallen.Ich freue mich riesig auf den nächsten Roman...Euch noch eine schöne Zeit!Man liest sich!

#39 Uwe Post

Uwe Post

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Geschrieben 05 Mai 2007 - 11:23

Endlich bin ich durch. Nicht, dass ich mich dazu hätte zwingen müssen - aber zäh ist dieser Roman schon.

Positiv sind die zahlreichen Ideen zu nennen, die Stross eingebaut hat. Sehr inspirierend, Stoff für weitere Bücher - aber warum bitteschön wurden nicht wenigstens einige der Ideen konsequent zuende gebracht, und zwar in diesem Buch? Fast alles bleibt angedeutet, macht neugierig, aber diese Neugier wird nicht befriedigt. Und jetzt kommt mir nicht mit "dann muss der Leser halt seine eigene Fantasie bemühen". Das ist der Job des Autors.

Negativ ist, dass die Geschichte a) keinen Spannungsbogen hat und sich ;) auf die Macx-Familie beschränkt. Das Drumherum wird in kurzen Absätzen umrissen, bleibt aber anonym. Es gibt keine Nebenhandlungen, in denen jene Menschen zu Wort kommen könnten, die von den tiefgreifenden sozialen Änderungen, die Stross erfindet, direkt betroffen sind. Dadurch wird nicht fühlbar, was mit der Welt geschieht, es bleibt unwirklich, der Leser wird nichts ins Geschehen hinein gezogen. Der Erzählstil besteht aus oft endlosen, komplizierten Dialogen, es geschieht oft überhaupt nichts, und Spannung kommt nur auf, als Amber und Kameraden den Router betreten, um Kontakt mit einer anderen Zivilisation aufzunehmen - der sich aber als höchst unspannend erweist.

Formal finde ich die Verwendung des Präsens überaus anstrengend, ferner wird vielerorts deutlich, dass es sich um zusammengeklebte Einzelgeschichten handelt - zum Beispiel in Klammern gesetzte Zusammenfassungen des letzten Kapitels, die man einfach hätte streichen können.

Mein Urteil: Viele Ideen, blasse Umsetzung.
Herausgeber Future Fiction Magazine (deutsche Ausgabe) ||| Aktueller Roman: ERRUNGENSCHAFT FREIGESCHALTET ||| uwepost.de ||| deutsche-science-fiction.de

#40 WeepingElf

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Geschrieben 19 September 2007 - 20:41

Hallo!

Ich habe es endlich geschafft, Accelerando von Anfang bis Ende durchzulesen. (Ich hatte mir das Buch letzten Herbst gekauft, war aber nur bis zum 4. Kapitel gekommen.) Und - ich kann es nicht weiterempfehlen.

Die ersten drei Kapitel lesen sich ganz gut - eine plausible Nahe-Zukunft-Geschichte mit ein paar guten Ideen. Aber bald darauf gehen mit dem Autor die Pferde durch. Dass die Ereignisse am Alien-Router undurchschaubar sind, OK - es sind halt Aliens, die ganz anders ticken als wir. Aber während Amber & Co. ihre psychedelischen Abenteuer am Router erleben, schlägt zuhause die Singularität zu (da ist sie wieder, diese futurologische Bankrotterklärung der Transhumanisten) - und dann wird es so wild, dass ich nicht mehr folgen konnte. Das ist genau das, was Michael Iwoleit "Nerd-SF" nennt - wohl nur für Nerds genießbar. Anscheinend bin ich für Accelerando nicht nerdig genug.

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#41 Amtranik

Amtranik

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Geschrieben 19 September 2007 - 21:19

Hallo!

Ich habe es endlich geschafft, Accelerando von Anfang bis Ende durchzulesen. (Ich hatte mir das Buch letzten Herbst gekauft, war aber nur bis zum 4. Kapitel gekommen.) Und - ich kann es nicht weiterempfehlen.

Die ersten drei Kapitel lesen sich ganz gut - eine plausible Nahe-Zukunft-Geschichte mit ein paar guten Ideen. Aber bald darauf gehen mit dem Autor die Pferde durch. Dass die Ereignisse am Alien-Router undurchschaubar sind, OK - es sind halt Aliens, die ganz anders ticken als wir. Aber während Amber & Co. ihre psychedelischen Abenteuer am Router erleben, schlägt zuhause die Singularität zu (da ist sie wieder, diese futurologische Bankrotterklärung der Transhumanisten) - und dann wird es so wild, dass ich nicht mehr folgen konnte. Das ist genau das, was Michael Iwoleit "Nerd-SF" nennt - wohl nur für Nerds genießbar. Anscheinend bin ich für Accelerando nicht nerdig genug.


In deiner Einschätzung über den Verlauf des Buches, stimme ich Dir im großen und ganzen zu.
Allerdings hab ich es bisher immer geschafft, da bin ich stur, ein Buch auch dann durchzulesen wenn es
mir grad komisch oder schwer lesbar daherkommt. Im Nachhinein habe ich auch von Accelerando trotz der lieben müh und not die ich damit hatte durchaus einiges an positivem ziehen können, ganz anders als
bspw bei "Licht" von Harrison, das fand ich einfach nur... :wink2:

Allerdings frag ich mich was da bei der Fortsetzung " Glashaus " die ja wohl für Dezember angekündigt ist
noch kommen soll/kann?

Man darf gespannt sein.... oder erschrocken je nachdem.

#42 WeepingElf

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Geschrieben 19 September 2007 - 21:37

Accelerando hat sicherlich auch seine starken Seiten, sonst hätte ich es nicht geschafft, es durchzulesen (ab Kapitel 4 war es aber doch ein ziemliches Gewürge, und ich las nur deshalb weiter, weil ich noch hoffte, irgendwann füge sich alles zusammen, was es nicht tut - stattdessen wird am Ende die Katze enthauptet und man fragt sich "Und was sollte das alles nun?"). Einige Ideen in den ersten drei Kapiteln sind interessant und sogar plausibel. Aber mit all diesem Transhumanismuskram, der dann kommt, kann ich nichts anfangen, und die letzten Kapitel erinnern mich stark an Stephen Baxter, den ich fürchterlich finde.

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#43 Dave

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Geschrieben 20 September 2007 - 12:53

Das ist genau das, was Michael Iwoleit "Nerd-SF" nennt - wohl nur für Nerds genießbar. Anscheinend bin ich für Accelerando nicht nerdig genug.

Ich bin mir nicht sicher, meiner Meinung nach haben Nerds durchaus einen Sinn für Logik, und die ist in
Accelerando ja offensichtlich kaum vorhanden.

#44 WeepingElf

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Geschrieben 20 September 2007 - 14:07

Ich bin mir nicht sicher, meiner Meinung nach haben Nerds durchaus einen Sinn für Logik, und die ist in
Accelerando ja offensichtlich kaum vorhanden.

Der Hauptfehler von Accelerando ist in meinen Augen gar nicht so sehr der Mangel an Logik - die Ideen, die der Autor hat, werden großenteils einigermaßen konsequent zu Ende gedacht - als vielmehr eine Reihe von Missverständnissen, die für Nerds im allgemeinen und für Transhumanisten im besonderen charakteristisch sind. Da steht an allererster Stelle die Verwechslung von Intelligenz und Rechenkapazität, die sich durch den ganzen Roman zieht. Weiterhin die allgemeine Überschätzung der Technologie, vor allem hinsichtlich wiederum der Rechenkapazität künftiger Computer - Stross ignoriert völlig, dass "Moore's Law" irgendwann an ganz konkrete physikalische Grenzen stößt, die sich nicht beliebig verschieben lassen. Ich glaube nicht, dass es irgendwann in absehbarer Zeit eine technologische Singularität geben wird - die Grenzen der Physik und vor allem die Grenzen dessen, was der Mensch an Veränderung bewältigen kann, werden unweigerlich dazu führen, dass die Rate des technischen Fortschritts nicht ins Unermessliche steigern wird.

Im Übrigen denke ich, für Nerds ist weniger ein Sinn für Logik charakteristisch als vielmehr ein Kult um Logik, und zwar um formale Logik, was sich unter anderem darin äußert, dass allen Ernstes Lojban (eine Sprache, die auf formaler Logik basiert) als Welthilfssprache vorgeschlagen wird. Dabei ist Lojban bei weitem die schwierigste Sprache, die mir je untergekommen ist (und das sage ich, der ich schon mal ernsthaft versucht habe, Japanisch zu lernen), weil man, um Lojban zu lernen, zuerst einmal formale Logik verinnerlichen muss. Immerhin sind viele Nerds Star Trek-Fans, und die Serie weist viel größere Logiklöcher auf als Accelerando.

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#45 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 20 September 2007 - 16:52

Stross ist ein langweiliger Autor, weil er ein Gefangener seiner Zeit ist. Einer Zeit, die jegliches Handeln des Menschen unter dem Blickwinkel der Ökonomie betrachtet. Es scheint so zu sein, daß Stross das Krämertum - billig einkaufen, teuer verkaufen - nicht nur als menschliche Konstante, sondern sogar als universelle Konstante auffasst. Seine Super-KIs haben nichts besseres zu tun als das Wirtschaftssystem 2.0 ins Universum zu setzen. Das Interesse an Kunst, Philosophie und Wissenschaft wird den KIs nicht vererbt, sondern die Eigenschaft der Raffgier und das Bestreben nach Gewinnmaximierung. Das ist blöde und ärmlich. Es scheint Stross entgangen zu sein, daß der Mensch ein bißchen mehr drauf hat. Indem die Super-KIs nicht die Tugenden des Menschen übernehmen - z.B. seine wissenschaftliche Neugier -, müssen diese Tugenden als biologisch bedingte Zufälligkeiten erscheinen, die keinen Wert in sich selbst haben. Stross ist einfach nur ein armer Tropf.

#46 mindblasted

mindblasted

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Geschrieben 20 September 2007 - 17:35

Naja was die Logik angeht ist mir schon aufgestossen das die zentrale Plot-Idee ("Uploading") eigentlich unmöglich umsetzbar sein dürfte (im Gegensatz zur "Kopie") und das die Entwicklung ein Tempo drauf hatte das ich mir selbst mit Wolken intelligenter Nanonmaschinen nicht vorstellen kann (auch die müssen von A nach B kommen, oder?)...aber das Buch heisst wohl nicht umsonst Accelerando, und damit war ich schon bereit zumindest letzteres zu schlucken...was ersteres angeht...meiner Meinung nach ist halt jede Person dieses Romand mindestens einmal gestorben (genauso wie wohl jedes Enterprise- Besatzungsmitglied wohlgemerkt).Die Fortschrittsrate ist aber wenn man den physikalischen Teil weglässt nicht mit der Aufnahmekapazität des Menschen wegzureden, immerhin wird sie ab einem gewissen Punkt fast nur noch von Agents und KIs getragen.Die Auffassung von Stross als "ärmlicher Tropf" kann ich nicht ebenfalls nachvollziehen. Wir leben nunmal in einer Zeit des globalen Kapitalismus...den Stross meiner Meinung nach besser und kreativer umsetzt, als die meisten seiner SF Kollegen. Wer unter diesen Zuständen einen solchen Roman schreibt reflektiert einfach die Welt in der er lebt was ich viel sinnvoller finde als über herbeifantasierten Nonsense oder finstere Vergangenheit zu schwadronieren. Man nennt so etwas auch "Gesellschaftskritik", ein Wort das dem ein oder anderen vielleicht ein Begriff sein mag. Das er dieses Prinzip auch auf die "Aliens" ausweitet mag schade erscheinen, aber es ist nunmal eine Parabel (und wenn man sich an die öfters genannten Signale der "Anomalie" erinnert tut er das garnicht ausschließlich). Es muss in dem sinnen auch nicht unbedingt Kapitalismus heissen sondern halt einfach "Sozialdarwinismus" oder Herrschaft des Stärkeren. Das ist meiner Meinung nach aus menschlicher Warte allemal glaubhafter und nachvollziehbarer als von intergalaktischem Frieden und Kommunismus auszugehen.Ähnliches gilt für die "schönen Tugenden"...sie sind bei der Ausweitung von Einfluss schlicht nicht notwendig. Allerdings kann man der Suche nach ausgefallenen und seltenen Spezies, Individuen etc. zum Verwerten ja fast schon vom Kunstsammler" gesprochen werden :thumb:Diese Kritik deutet schlicht auf nichterfüllte eigene Prioritäten hin, man könnte auch sagen "der Roman hat mir schlicht nicht gefallen". Argumentativ ist das nicht.Ich finde Accelerando ist trotz Anlaufschwierigkeiten des Plots, teilweise wenig überzeugender Charaktere und Entwicklungen immer noch einer der originellsten SF Romane der mir im vergangenen Jahr untergekommen ist. Ich finde auch nicht das Stross in seiner Zeit steckenbleibt sondern aus dieser heraus eine Zukunft extrapoliert die neu, aufregend und spannend ist. Gleichzeitig steht sie aber nicht auf ganz tönernen Füßen...seine Charaktere (Kinder dieses Jahrhunderts) sind noch nicht weit genug von uns weg damit wir uns nicht mit ihnen identifizieren können, und wie wir werden sie in eine immer verwirrendere Welt geschleudert mit der sie mal mehr mal weniger klar kommen (Manfred vs Pamela etwa). Witzig das sich diese Polarisierugn in den Rezensionen wiederspiegelt.Im Gegensatz zu anderen mag ich sogar den "nerdigen", abgefahrenen zweiten Teil des Buches fast noch mehr als den Ersten aber das ist Geschmackssache.Fazit: Mehr von diesem Autor, udn zwar schnell!

Bearbeitet von mindblasted, 20 September 2007 - 19:32.

"Es gibt eine größere Dunkelheit als die, die wir bekämpfen ... Viel schwerwiegender als der Tod der körperlichen Materie ist der Tod der Hoffnung, der Tod der Träume, und vor dieser Gefahr dürfen wir niemals kapitulieren. Die Zukunft ist überall um uns herum. In der Phase des Übergangs wartet sie darauf, in der Phase der Erleuchtung neu geboren zu werden. Niemand weiß, wie die Zukunft aussieht und wohin sie uns führen wird. Nur eines wissen wir. Sie wird stets unter Schmerzen geboren."
  • (Buch) gerade am lesen:Walter Jon Williams-Hardwired
  • • (Buch) Neuerwerbung: Neal Stephenson-Confusion
  • • (Film) gerade gesehen: Jin-Roh
  • • (Film) als nächstes geplant: Ghost in the shell SAC

#47 Axel

Axel

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Geschrieben 20 September 2007 - 19:24

Stross ignoriert völlig, dass "Moore's Law" irgendwann an ganz konkrete physikalische Grenzen stößt, die sich nicht beliebig verschieben lassen.

Das eizige, dass Moores Law aussagt ist, dass sich die Zahl der Transistoren, die sich in einen integrierten Schaltkreis gleichbleibender Größe einbauen lassen, alle zwei Jahre verdoppelt. Die physikalischen Grenzen werden, laut Moore selbst, in zehn bis 15 Jahren erreicht (siehe hier). Jenseits dieser exponentieller Verdopplung der Transistorzahl sagt Moores Law überhaupt nichts aus. Es hat daher auch keine Bedeutung für Chips, die nicht auf Transistoren aufbauen. Und erst recht sagt es nichts über die Rechenleistung eines Computers aus.
Jetzt, da das klargestellt ist... zurück zum Buch. Auch Transistoralternativen stoßen an ihre Grenzen, daher wollen die "Bewohner" des inneren Solarsystems auch den Rest um diesen auch in Rechenleistung umzuwandeln. Gleichzeitig bekämpfen sie sich gegenseitig um sich selbst mehr Leistung zu geben. Für diesen Zweck haben sie ihre Intelligenz so verändert, dass sie keine unnötigen Dinge wie Kunst, Philosophie usw. erdenken sondern sich auf das Wirtschaftssystem 2.0 konzentrieren. Hat Stross da Intelligenz mit Rechenleistung verwechselt? Ich denke nicht, denn der Punkt den er macht ist, dass diese Richtung ein totes Ende ist. Diese überspezialisierten Intelligenzen würden alle Rohstoffe des Sonnensystems in Computer umwandeln und sich nie über das Sonnensystem hinaus ausbreiten können, weil keine Rohstoffe mehr da sind. Irgendwann würde dann die Sonne sterben und das ist deren Ende. Das ist der zentrale Punkt, der im letzten Drittel gemacht wird.

Das Interesse an Kunst, Philosophie und Wissenschaft wird den KIs nicht vererbt, sondern die Eigenschaft der Raffgier und das Bestreben nach Gewinnmaximierung. Das ist blöde und ärmlich. Es scheint Stross entgangen zu sein, daß der Mensch ein bißchen mehr drauf hat. Indem die Super-KIs nicht die Tugenden des Menschen übernehmen - z.B. seine wissenschaftliche Neugier -, müssen diese Tugenden als biologisch bedingte Zufälligkeiten erscheinen, die keinen Wert in sich selbst haben. Stross ist einfach nur ein armer Tropf.

Diese KIs sind doch aus den automatisierten Konzernen entstanden, daher ist es nicht allzu überraschend, dass sie diesen Weg einschlagen. Es kommt halt darauf an, wie die KIs entwickelt werden. Die Menschen, im inneren Sonnensystem sind entweder Opfer dieser KIs geworden oder sind ins äußere System geflohen. Wie mindblasted schon sagt, Stross übt Kritik an der Idee des ungezügelten Kapitalismus.
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#48 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 20 September 2007 - 20:16

Die Auffassung von Stross als "ärmlicher Tropf" kann ich nicht ebenfalls nachvollziehen. Wir leben nunmal in einer Zeit des globalen Kapitalismus...den Stross meiner Meinung nach besser und kreativer umsetzt, als die meisten seiner SF Kollegen. Wer unter diesen Zuständen einen solchen Roman schreibt reflektiert einfach die Welt in der er lebt was ich viel sinnvoller finde als über herbeifantasierten Nonsense oder finstere Vergangenheit zu schwadronieren. Man nennt so etwas auch "Gesellschaftskritik", ein Wort das dem ein oder anderen vielleicht ein Begriff sein mag.

"Gesellschaftskritik" ist mir schon ein Begriff; ob dies auch für Stross gilt, weiß ich nicht. Sicher aber ist, daß er keine in "Accelerando" leistet. Es gibt nicht eine Stelle im ganzen Roman, an der eine Figur auch nur mal den Kopf schüttelte über die letztlich pimitive Motivation, die die Super-KIs treibt. Wir sprechen in der Tat von dem, was in Philosophie und Psychologie "Wille zur Macht" genannt werden kann. (In der Wirtschaft sehen wir ihn als gierige Akkumulation). Die Geistesgeschichte des Menschen hat nicht nur zur Erkenntnis dieses Begriffs geführt (also zu einer Selbsterkenntnis), sondern auch zu dessen Kritik, im Sinne der Überlebensfähigkeit unserer Spezies. Der intelligentere Teil der Menschheit ist sich darüber im Klaren, daß dieser "Wille zur Macht" - der sich im Gegensatz zu den von ihr geschaffenen Idealen eher wie ein Defekt ausnimmt - "beherrscht", "kanalisiert" werden muß, im Interesse unserer Zukunft. Unsere Jetztzeit weist also einen anthropologischen Erkenntnisstand auf, in den die berechtigte und notwendige Problematisierung dieses "Urtriebs" bereits eingegangen ist. Wenn wir uns nun eine hochbefähigte KI vorstellen, so nehmen wir an, daß sie Zugang zum gesamten Wissen der Menschheit hat, und so auch um die eher defektiven Merkmale der Spezies weiß. Stellen wir uns eine KI vor, die die Fähigkeiten des Menschen deutlich übersteigt, so dürfen wir nicht nur annehmen, daß sie sich mit den jetzt schon reflektierten anthropologischen Problemen beschäftigt, sondern können darüber hinaus erwarten, daß sie intelligente Schritte zur Lösung dieser Probleme anstrebt. Stross´ Super-KIs sind aber nun super-dämlich: Sie handeln auf der Basis des Keulenschlags aus dem guten alten Neolithikum; mit etwas feineren Mitteln freilich. Wenn Stross also unsere Welt nur reflektieren will, macht er sich mit seinen Super-KIs lächerlich: Diese müßten es nicht nur besser wissen als wir, sondern auch besser können. Somit mißlingt die Parabel, sofern wir den Roman nicht als einen großen Witz auffassen möchten.

Das er dieses Prinzip auch auf die "Aliens" ausweitet mag schade erscheinen, aber es ist nunmal eine Parabel (und wenn man sich an die öfters genannten Signale der "Anomalie" erinnert tut er das garnicht ausschließlich). Es muss in dem sinnen auch nicht unbedingt Kapitalismus heissen sondern halt einfach "Sozialdarwinismus" oder Herrschaft des Stärkeren. Das ist meiner Meinung nach aus menschlicher Warte allemal glaubhafter und nachvollziehbarer als von intergalaktischem Frieden und Kommunismus auszugehen.

Was "glaubhafter und nachvollziehbarer" ist, interessiert mich in diesem Zusammenhang nicht. Ich spreche nicht von Gesellschaftsmodellen. Ich spreche nur davon, daß Stross´ Super-KIs eine magere und uninspirierte Erfindung sind.

Ähnliches gilt für die "schönen Tugenden"...sie sind bei der Ausweitung von Einfluss schlicht nicht notwendig.

Nein. Sie würden die Tendenz zur "Ausweitung von Einfluß" im oben dargelegten Sinne problematisieren. Ich sprach nicht von einer Feierabendbesinnlichkeit, nachdem man tagsüber seine Dividende kassierte und die Versicherung betrog.

Diese Kritik deutet schlicht auf nichterfüllte eigene Prioritäten hin, man könnte auch sagen "der Roman hat mir schlicht nicht gefallen". Argumentativ ist das nicht.

Ich habe mir ein intellgentes Buch gewünscht und wurde enttäuscht. Das stimmt. Ich nehme für mich in Anspruch zu argumentieren. Wie oben dargelegt, halte ich Stross´ KI-Konzept nicht für überzeugend.

#49 Axel

Axel

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Geschrieben 20 September 2007 - 20:44

"Gesellschaftskritik" ist mir schon ein Begriff; ob dies auch für Stross gilt, weiß ich nicht. Sicher aber ist, daß er keine in "Accelerando" leistet. Es gibt nicht eine Stelle im ganzen Roman, an der eine Figur auch nur mal den Kopf schüttelte über die letztlich pimitive Motivation, die die Super-KIs treibt.

Den Charakteren ist doch klar, dass die Super-KIs eigentlich dumm sind. Genauso wie die Aliens, die sie am anderen Ende des Routers treffen. Abgesehen davon, ist es nicht nötig, dass die Charaktere den Kopf schütteln. Gesellschaftskritik funktioniert auf einer ganz anderen Ebene. Es sollte doch klar sein, dass Stross nicht auf der Seite des Hyperkapitalismus steht.
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#50 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 20 September 2007 - 20:48

Auch Transistoralternativen stoßen an ihre Grenzen, daher wollen die "Bewohner" des inneren Solarsystems auch den Rest um diesen auch in Rechenleistung umzuwandeln. Gleichzeitig bekämpfen sie sich gegenseitig um sich selbst mehr Leistung zu geben. Für diesen Zweck haben sie ihre Intelligenz so verändert, dass sie keine unnötigen Dinge wie Kunst, Philosophie usw. erdenken sondern sich auf das Wirtschaftssystem 2.0 konzentrieren.



Diese KIs sind doch aus den automatisierten Konzernen entstanden, daher ist es nicht allzu überraschend, dass sie diesen Weg einschlagen. Es kommt halt darauf an, wie die KIs entwickelt werden. Die Menschen, im inneren Sonnensystem sind entweder Opfer dieser KIs geworden oder sind ins äußere System geflohen. Wie mindblasted schon sagt, Stross übt Kritik an der Idee des ungezügelten Kapitalismus.

Geht es lediglich um hochkomplexe Programme oder um KIs? Es geht um mit Selbstbewußtsein ausgestattete KIs. Darüber dürfte Einigkeit herrschen. Und es geht um Super-KIs, die sich der Kontrolle des Menschen entzogen haben, und sich selbsttätig weiterentwickeln. Sie verfügen über buchstäblich alle Leistungsmerkmale des Menschen: Bewußtsein, Reflexivität, Erkenntnisfähigkeit. Ihre Flexibilität wird sie auf alle Denkpfade des Menschen führen, von dem sie schließlich "abstammen". Ihre Super-Intelligenz sollte sie nicht zu der Frage bringen: Wozu das alles? Wie gesagt, überzeugt mich Stross´ KI-Konzept nicht. Letztlich beschreibt er eine mit Super-Intelligenz betriebene Banalitätsmaschine. Für mich liest sich der Roman viel zu affirmativ, als daß ich das Gefühl hätte, daß hier Kapitalismus-Kritik mitschwingt.

#51 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 20 September 2007 - 21:01

Den Charakteren ist doch klar, dass die Super-KIs eigentlich dumm sind.

Das wurde mir nicht klar. (Ich kann nicht ausschließen, daß ich schlecht gelesen habe ... Stellen?)

Abgesehen davon, ist es nicht nötig, dass die Charaktere den Kopf schütteln. Gesellschaftskritik funktioniert auf einer ganz anderen Ebene.

Der erste Satz stimmt. Der zweite ist - wie die meisten Pauschalisierungen - falsch. Denn er schließt aus, daß das Kopfschütteln einer Figur als gesellschaftskritische Intention des Immanenten Autors gelesen werden kann. In dieser Generalisierung läßt sich diese Behauptung nicht plausibel machen. Das Gegenteil schon.

#52 Axel

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Geschrieben 21 September 2007 - 01:12

Gerne, ich hab aber nur die englische Fassung als pdf Download. Darauf beziehen sich die Seitenangaben auch auf diese Fassung.

Seite 93 (nachdem die Charaktere beim Router angekommen sind)

Su Ang sighs. "They got too big and complex to go treveling once they build themselfes a bigger house to live in. Extinction tends to be what happens to overspecialized organisms that are stuck in one enviomental niche for too long. If they posit a singularity, then maximization of local resources - like this - as usual end state for tool users, is it any wonder none of them ever came calling us?"

Seite 98 (kurz vor dem Anfang von Teil 3 / Kapitel 7)

"Wrong. When they take over, what you get is like the new biosphere. Hell, the new primordial soup: prokaryotes, bacteria, and algae, mindlesly swarming, tradig money for plasmids. (...) Basically, sufficiently complex resource-allocating algorithms reallocate scare resources ... and if you don't jump to get out of their way, they'll reallocate you (...)"

Seite 116 (beim ersten Treffen zwischen Amber und Sirhan)

"(...) Take a human being and bolt on extensions that let them take full advantage of Economics 2.0, and you essentially break their narrative chain of consciosness, replacing it with a journal file of bid/request transactions between varius agents; it's incredibly efficient and flexible, but it isn't a conscius human being in any sense of the word."

Seite 117

"(...) Sooner or later the posthuman descendants evolve Economics 2.0 or 3.0, or something else and it, uh, eats the original conscious integrators. Or uses them as currency or something. The endresult we found is howling wilderness of degenerate data, fractally compressed, postconcious processes runnig slower and slower as they trade storage space for processing power. We were lucky to escape wih our minds.(...)

(die Super KIs verwenden immer mehr Rechenleistung um mit Rechenleistung zu handeln)

Seite 123 (kurz vor Kapitel 8)

(...) Somewhere out there we will find the transcendent intelligences, the ones that survived their own economic engines of redistribution - engines that redistribute entropy if their economic efficiency outstrips their imaginative power, their ability to invent new wealth.

(hier werden die Super KIs zunächst einmal als Maschinen dargestellt und dann wird gesagt, dass sie keine Phantasie haben)
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#53 WeepingElf

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Geschrieben 21 September 2007 - 15:29

Ich habe Accelerando jedenfalls nicht als gesellschaftskritisch empfunden, auch wenn klar sein dürfte, dass Stross nicht mit den wildgewordenen Superintelligenzen sympathisiert, die das Sonnensystem auseinandernehmen und die letzten verbleibenden Menschen in die Flucht schlagen. Stross stellt diese Entwicklung viel mehr als unausweichlich hin - die Menschen ziehen sich zuerst in die äußeren Ränder des Sonnensystems und dann in den interstellaren Raum zurück (wie vermeiden sie dabei, dass sie in ihren Habitaten mangels Sonneneinstrahlung erfrieren? Dazu findet sich im ganzen Buch kein Wort), tun aber nichts, um die Erde und die dort lebenden Menschen gegen den "missratenen Nachwuchs" zu verteidigen (wobei solcher Widerstand freilich im Rahmen des von Stross entworfenen Szenarios zwecklos wäre).

Durch den ganzen Roman zieht sich vielmehr eine dubiose transhumanistische Ideologie, die davon ausgeht, dass die Tage des Homo sapiens im Grunde genommen längst gezählt sind und noch zu unseren Lebzeiten eine "technologische Singularität" zuschlägt, die die Welt so verändert, dass für Menschen wie wir sie kennen kein Platz mehr ist. Was soll der Unfug? Irgendwie ist das nichts anderes als eine zweifelhafte Mischung aus naivem Technooptimismus (schrankenloser Fortschritt) und futurologischem Defaitismus (die Welt, wie wir sie kennen, wird untergehen).

Dazu kommt, dass das Ganze wenig plausibel ist, vor allem nicht in einer so nahen Zukunft. Die Kolonisation des Sonnensystems dürfte, wenn überhaupt, viel langsamer vonstatten gehen. Ich erwarte da eher eine riesengroße Enttäuschung, denn das Sonnensystem ist jenseits der Erdatmosphäre ein unglaublich öder und lebensfeindlicher Ort. Der Meeresboden und die Antarktis sind dagegen paradiesisch - und sind doch schon feindlich genug, um sich bis heute einer menschlichen Dauerbesiedlung zu entziehen. Wie soll denn dann eine Kolonie auf dem Mond oder Mars florieren, wo das Lebensnotwendigste schlicht und einfach nicht vorhanden ist?

An das Uploading des menschlichen Geistes glaube ich auch nicht. Der Mensch ist ein viel zu komplexes und vor allem ein in stetiger Veränderung begriffenes System, als dass ein Upload gelingen dürfte. Das Uploading müsste in Nullzeit erfolgen, sonst erhält man einen Mischmasch aus zeitlich verschiedenen Geisteszuständen (in der Terminologie von Accelerando hieße das wohl "inkohärenter Zustandsvektor").

Kurzum: Accelerando war für mich eine herbe Enttäuschung.

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#54 mindblasted

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Geschrieben 21 September 2007 - 15:33

wie vermeiden sie dabei, dass sie in ihren Habitaten mangels Sonneneinstrahlung erfrieren? Dazu findet sich im ganzen Buch kein Wort)

Könnte mir vorstellen das dass damit zu tun hat das ihre Körper nicht mehr natürlich sind...so nanotechnisch aufgewertet und so. Aber ich traue einer Zivilisation die das ganze Sonnensystem auseinandernimmt auch sonst zu mit diesem Problem fertgi zu werden.
"Es gibt eine größere Dunkelheit als die, die wir bekämpfen ... Viel schwerwiegender als der Tod der körperlichen Materie ist der Tod der Hoffnung, der Tod der Träume, und vor dieser Gefahr dürfen wir niemals kapitulieren. Die Zukunft ist überall um uns herum. In der Phase des Übergangs wartet sie darauf, in der Phase der Erleuchtung neu geboren zu werden. Niemand weiß, wie die Zukunft aussieht und wohin sie uns führen wird. Nur eines wissen wir. Sie wird stets unter Schmerzen geboren."
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  • • (Film) als nächstes geplant: Ghost in the shell SAC

#55 Jürgen

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Geschrieben 21 September 2007 - 21:39

Diese Diskussion, die langsam in Fahrt kommt (auch den Postings von Guido zu verdanken) zeigt doch eines ganz deutlich... man kann über diesen Roman deshalb so schön streiten, weil es eben etwas mehr als die übliche Null-Acht_Fünfzehn SF ist.Man kann über Versäumnisse des Autors, was sein Konstrukt einer zukünftigen Gesellschaft betrifft ( IST sehr rudimentär, keine Frage, aber wie dick wäre der Schmöcker geworden, hätte Stross auch noch eine Extrapolation der Musen eingebracht) diskutieren. Auch Vorlieben und Erwartungen des Lesers spielen immer eine Rolle, wenn es um eine abschliessende Betrachtung geht. Aber eines kann man dem Roman nicht absprechen... er beinhaltet Ideen, die wirklich kompromisslos eine Weiterentwicklung heutiger Denkansätze durchspielen, auch wenn sie manchmal etwas unfertig wirken.Das hat in den letzten Jahren kaum ein anderer Autor so konsequent durchgezogen... und daraus resultiert für die Einen die Faszination und für die Anderen eher eine Art Unverständnis.Wie schon in der Vergangenheit bei anderen Werken wird erst die Zukunft zeigen, was die Ideen von Stross in diesem Buch wert waren. Wenn in zehn Jahren in einer anderen Buchbesprechung die Bemerkung auftauchen sollten, daß man die verarbeiteten Ideen schon bei Accelerando nachlesen konnte, wird der Roman den Stellenwert bekommen, der ihm imho jetzt schon zusteht.Ein Roman wird dann zum Kult, wenn er aus der Masse zeitnaher Veröffentlichungen des Genres hinausragt und thematisch bzw. stilistisch neue Wege aufzeigt... und das macht er schon heute, ob er persönlich gefällt oder nicht.

Bearbeitet von Jürgen, 21 September 2007 - 21:41.

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#56 WeepingElf

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Geschrieben 22 September 2007 - 14:21

Ja, Accelerando ist in der Tat ein origineller Roman, der einige interessante Ideen beinhaltet. Allerdings wird das Ganze doch arg durch eine Nerd-Brille gesehen, die alles ausblendet, was nichts mit Informations- und Kommunikationstechnologie zu tun hat. Die meisten Zukunftsfragen bleiben unbeantwortet - sind aber andererseits für die Handlung auch unwichtig, weil die Welt, wie wir sie kennen, ohnehin zum Teufel geht. Viele der in Accelerando enthaltenen Ideen werden freilich in Transhumanistenkreisen schon seit über 10 Jahren diskutiert. Ich habe damals einiges davon mitbekommen, weil ich Mitte der 90er Jahre eine Zeitlang nahezu täglich mit Anders Sandberg (einer der herausragendsten Figuren der Tranhumanistenszene) per E-Mail korrespondiert hatte, bevor mir das mit dem Transhumanismus zu blöd wurde.

Ich würde aber sagen: das meiste dessen, was in Accelerando an Ideen vorkommt, wird wohl nicht Realität werden. Ich habe hier schon gesagt, warum Uploading von menschlichen Gehirnen wahrscheinlich nicht funktioniert; die "technologische Singularität" ist meiner Meinung nach auch Unsinn (der "inflection point", ab dem der technologische Fortschritt sich wieder verlangsamt, wird wohl noch zu unseren Lebzeiten erreicht werden, und schon jetzt werden die gesellschaftlichen Widerstände gegen eine zunehmende Beschleunigung der wirtschaftlich-technologischen Entwicklung immer stärker); die Kolonisation des Sonnensystems wird meines Erachtens überschätzt, weil das Sonnensystem jenseits der Erdatmosphäre verdammt wenig zu bieten hat; und am Ende übertreibt Stross grotesk mit solchen Ideen wie Wohnungen, deren Zimmer in verschiedenen Habitaten liegen und durch Teleportationstore(!) verbunden sind.

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#57 Guido Seifert

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Geschrieben 22 September 2007 - 19:25

@Axel

Ich habe mir die von dir genannten Stellen noch einmal angesehen und gebe dir im Großen und Ganzen Recht. Allerdings scheint Stross die Frage nach dem Bewußtsein der Super-KIs nicht eindeutig zu beantworten:

""... herumstreunenden körperschaftlichen Instrumenten", stellt sie [Amber] durchaus gelassen fest. "Mit Bewusstsein begabt und mit Selbststeuerung ausgestattet."" (S. 402)

"Das ist zwar unglaublich effizient und flexibel, hat aber nichts mehr mit einem mit Bewusstsein begabten menschlichen Wesen zu tun, jedenfalls nicht in dem uns bekannten Wortsinn." (S. 406).

Ich vermag nun nicht, mir Bewusstsein anders vorzustellen, als ich es in meiner Selbstwahrnehmung erfahre. Das schließt die Möglichkeit zur Reflexion ein, bzw. Bewußtsein ist ja bereits Reflexion. Eine mit Bewußtsein begabte KI zu bauen, hieße für mich also, ihr ebenfalls die Möglichkeit der Reflexion, Hinterfragung etc. mitzugeben. Wie Stross sich nun das Bewußtsein seines Matroschka-Gehirns vorstellen will, wird mir nicht klar.

Des weiteren fehlt mir in "Accelerando" der Aspekt der Absicherung. Die KIs werden ja nicht mit dem Ziel gebaut, die Menschheit abzulösen, sondern dieser im wirtschaftlichen "Kampf" untereinander Vorteile zu verschaffen. Ich bin mir sicher, daß die Gefahren einer selbsttätigen Weiterentwicklung der KIs gesehen werden würden, und daß die Programmierer über "Abschaltknöpfe" nachdenken würden. Bzw.: Wo bleiben Staat und Gesetzgebung? ("Die Würde des Menschen ist unantastbar"). Dieser Aspekt wird von Stross gar nicht thematisiert (oder habe ich wieder schlecht gelesen?).

Schließlich vermisse ich eine Begründung dafür, daß die KIs - so scheint es - vor allem im Bereich der Wirtschaft eingesetzt werden. Nur so scheint es für mich erklärbar, daß es schließlich zu einer Dominanz dieser "dummen" KIs über die Menschen und Transhumanen kommt. Viel wahrscheinlicher dürfte es doch sein, daß die Menschheit KIs in allen Bereichen ihres Interesses einsetzen würde. Also auch in Politik und Wissenschaft. Hier würden ebenfalls "zieloptimierte" KIs am Werk sein, und es müsste zu regelrechten KI-Konflikten kommen. Nichts davon "Accelerando". Die Dominanz der Wirtschaft über die Politik ist ein Merkmal unserer Zeit. Stross scheint diese Machtverteilung für das letzte Wort der Geschichte zu halten.

Ansonsten stimme ich sehr mit WeepingElf überein:

Ich habe Accelerando jedenfalls nicht als gesellschaftskritisch empfunden, auch wenn klar sein dürfte, dass Stross nicht mit den wildgewordenen Superintelligenzen sympathisiert, die das Sonnensystem auseinandernehmen und die letzten verbleibenden Menschen in die Flucht schlagen. Stross stellt diese Entwicklung viel mehr als unausweichlich hin - die Menschen [...] tun aber nichts, um die Erde und die dort lebenden Menschen gegen den "missratenen Nachwuchs" zu verteidigen (wobei solcher Widerstand freilich im Rahmen des von Stross entworfenen Szenarios zwecklos wäre).

Durch den ganzen Roman zieht sich vielmehr eine dubiose transhumanistische Ideologie, die davon ausgeht, dass die Tage des Homo sapiens im Grunde genommen längst gezählt sind und noch zu unseren Lebzeiten eine "technologische Singularität" zuschlägt, die die Welt so verändert, dass für Menschen wie wir sie kennen kein Platz mehr ist. Was soll der Unfug? Irgendwie ist das nichts anderes als eine zweifelhafte Mischung aus naivem Technooptimismus (schrankenloser Fortschritt) und futurologischem Defaitismus (die Welt, wie wir sie kennen, wird untergehen).

[...]

An das Uploading des menschlichen Geistes glaube ich auch nicht. Der Mensch ist ein viel zu komplexes und vor allem ein in stetiger Veränderung begriffenes System, als dass ein Upload gelingen dürfte. Das Uploading müsste in Nullzeit erfolgen, sonst erhält man einen Mischmasch aus zeitlich verschiedenen Geisteszuständen (in der Terminologie von Accelerando hieße das wohl "inkohärenter Zustandsvektor").

Ich meine, mal gelesen zu haben, daß ein Stubenfliegen-Gehirn aus nur 40 Neuronen besteht. Keiner kann´s nachbauen.

Gruß, Guido

#58 pu_king81

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Geschrieben 13 April 2010 - 19:42

Hallo, da ich das Buch gerade lese wollte ich auch mal meinen Senf dazu geben. Ich konnte nicht alle Beitraege lesen weil ich das Ende noch nicht erreicht habe. Ich finde das Buch gut, besser als der der Ringwelt nachfolgende Larry Niven-Kram! (Was ich gerade versucht habe zu lesen, deswegen erwaehne ich das) Ich finde Accelerando nicht mal so schlecht geschrieben, es liest sich leicht und der Autor haelt sich nicht bei unwichtigen Gefuehlsduseleien auf sondern schildert seine Sicht der Zukunft. Was ein bisschen nervt ist die Nutzung von Buzzwoertern. Der Autor hat Spass daran wissenschaftliche Modebegriffe in den Raum zu werfen ohne diese weiter zu erlaeutern (und ich wetter er selbst hat auch oft keine Ahnung davon). Ein paar Beispiele die mir im Kopf haengen geblieben sind: Zellulaerer Automat, Turingmaschine, Genetische Algorithmen, Bose-Einstein Kondensat, irgendwas mit Exon, VASIMR ... (gut Zellulaerer Automat und Turingmaschine sind keine Modebegriffe). Aber zum Beispiel anstatt VASIMR einfach Ionentriebwerk oder elektrisches Triebwerk zu schreiben, dazu konnte sich der Autor wohl nicht aufraffen. Denn wer weiss, vielleicht gibts in 5 Jahren noch ne bessere Methode. Ich bin gerade in der Mitte des Romans, mal gucken wies ausgeht.

Bearbeitet von pu_king81, 13 April 2010 - 19:44.


#59 Matthias

Matthias

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Geschrieben 13 April 2010 - 20:05

Was ein bisschen nervt ist die Nutzung von Buzzwoertern. Der Autor hat Spass daran wissenschaftliche Modebegriffe in den Raum zu werfen ohne diese weiter zu erlaeutern (und ich wetter er selbst hat auch oft keine Ahnung davon). Ein paar Beispiele die mir im Kopf haengen geblieben sind: Zellulaerer Automat, Turingmaschine, Genetische Algorithmen, Bose-Einstein Kondensat, irgendwas mit Exon, VASIMR ... (gut Zellulaerer Automat und Turingmaschine sind keine Modebegriffe). Aber zum Beispiel anstatt VASIMR einfach Ionentriebwerk oder elektrisches Triebwerk zu schreiben, dazu konnte sich der Autor wohl nicht aufraffen. Denn wer weiss, vielleicht gibts in 5 Jahren noch ne bessere Methode.

Als Hard SF-Fan muss ich da widersprechen. Die Begriffe sind uralt und furchtbar unmodern (Vasmir ist übrigens ein Plasmaantrieb, der auf der Lorentz-Kraft basiert), außerdem unterstes Niveau. Ich hätte mir da mehr Komplexität und und vor Allem Innovation gewünscht.
Lieblingsautoren: Alastair Reynolds, R.C. Wilson, G. Benford

#60 Amtranik

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Geschrieben 13 April 2010 - 21:39

Als Hard SF-Fan muss ich da widersprechen. Die Begriffe sind uralt und furchtbar unmodern (Vasmir ist übrigens ein Plasmaantrieb, der auf der Lorentz-Kraft basiert), außerdem unterstes Niveau. Ich hätte mir da mehr Komplexität und und vor Allem Innovation gewünscht.


Da kann man mal sehn. Als jemand dem das Buch seinerzeit ganz gut gefiel und auch nicht unbedingt strikter Hard SF Gegner ist, waren mir die Begriffe unbekannt und daher hab ich
mich auch nicht ärgern müssen :D


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