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PC/Konslen-Spiele als ›Literatur‹


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28 Antworten in diesem Thema

#1 UdoTascher

UdoTascher

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Geschrieben 26 Juni 2007 - 13:20

Greogory Renault bezeichnet SF, wie erwähnt, als "Fiktion im Quadrat"; der SF-Film ist demnach "Fiktion hoch drei", die radikalste Form von Fiktionalität überhaupt.

Hallo molo lässt sich darüber nicht streiten? was ist mit dem SF-computerspiel ... da wird doch auch geschichte ERZÄHLT und der illusionseffekt - natürlich abhängig vom rezipienten, den eingesetzten spielzubehör u.a. - ist mitunter beträchtlich; ist das dann nicht "fiktion hoch vier"? und wie sind sf-filme, die sf-computerspiele verarbeiten, zu fassen .... als eine "fiktion hoch fünf"?? :) - udo

#2 molosovsky

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Geschrieben 26 Juni 2007 - 15:05

PC/Konsolen-Spiele (luditive Medien, von "Ludi", lat. "Spiel", siehe "Homo Ludi", der spielende Mensch im Gegensatz zu "Homo Faber", der arbeitende Mensch) sind eben trotz der Entwicklung die sie hinlegen, keine wirklich mit Film, Buch, Comic vergleichbaren Medien. Höchstens wenn man die Cheat-Phalanx hochfährt und ratzfatz im God-Modus durchrennt, um eben alle Storie-Abschnitte (Filmchen ect) mitzubekommen.Bei den mir bekannten Spielen gibt es entweder nur aufgemotze Narrations-Gerüste zum Aufgängen der Spieleäktion (z.B. Stronghold), oder immer noch zu starke Konzentration auf Aktion (und Narrationen zeichenen sich durch einen Angebote zum Refelktieren aus).Film und Buch gehen ja schon weit auseinander, da Bücher eben visueall entschlüsselt (eben gelesen) werden, wohingehen beim Film der ganze Körper, vor allem aber Ohren und Augen lesen. "Ganzer Körper?", fragt Ihr. Na für was glaubt Ihr haben die Surroundanlagen Subwoofer! Da liest das Zwerchfell und die Stirnhöhlen mit, wenn Raumschiffe Bumm machen oder andere große Dinge herumrumpeln im Film.Spiele nun liest man nun auch noch mit den Händen, und dazu braucht es die Steuerung als Protese. Das ist alles um einige Ecken aufwändiger als das "simple lesen".Was allerdings alle diese Dinge gemein haben ist ihre Medialität, d.h. ihr Vermittlertum (zwischen Autor/Sender und Leser/Empfänger). Und alle Medien sind wie Wannen für unsere Aufmerksamkeit. Ein Medium bietet dabei sowohl die Wanne, wie das Wasser und den Schaum :-)Zwar habe ich z.B. bei »Cavis Canem Edit« oder »GTA San Andreas« begeistert erlebt, das das "narrative Geschick" so mancher Spiele inzwischen enorme Fortschritte machte, aber dennoch ist das für mich so, wie Fußball und Schach zu vergleichen :-)Mal gucken was die nächste Runde an Fortschritt bringt (»GTA IV« und »L.A. Noire«).Spiele sind (noch) zu jung und wild, um hier allgemein von narrativen/literarischen Qualitäten sprechen zu können. Allerdings will ich nicht den Spiele-Skeptikern zustimmen, denn es gibt bereits mehr oder minder klar ausmachbare Meisterwerke, die imho für jeden Kulturfuzzi eine Bereichung darstellen können, und wo ich ohne Ironie rufe: »Das ist Kunst! Und man hat seinen Spaß dabei!«GrüßeAlex / molo

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

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#3 Oliver

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Geschrieben 26 Juni 2007 - 16:49

PC/Konsolen-Spiele (luditive Medien, von "Ludi", lat. "Spiel", siehe "Homo Ludi", der spielende Mensch im Gegensatz zu "Homo Faber", der arbeitende Mensch) sind eben trotz der Entwicklung die sie hinlegen, keine wirklich mit Film, Buch, Comic vergleichbaren Medien.

Wir kommen jetzt von Simons Buch vielleicht etwas ab, aber das ist durchaus eine interessante Diskussion. Du hast recht, Alex, ich möchte nur nicht die Bemerkung unterschlagen, dass man an den Romanen und Drehbüchern von der Generation, die mit Computerspielen aufgewachsen ist, die Narrationstechniken der Computerspiele durchaus durscheinen erkennen kann. Ein Thriller-Autor wie Matthew Reilly oder eine der erfolgreichsten Film-Franchises aller Zeiten, die "Pirates of the Caribbean" denken doch ganz offensichtlich erzähltechnisch in den Leveln eines Computerspiels, wenn sie eine Episode nach der anderen aneinanderreihen.

Bearbeitet von Oliver, 26 Juni 2007 - 16:52.

  • (Buch) gerade am lesen:"Tales of the Shadowmen 1", J.-M. Lofficier (ed.)
  • (Buch) als nächstes geplant:"Tales of the Shadowmen 2", J.-M. Lofficier (ed.)
  • • (Buch) Neuerwerbung: Sherlock Holmes - Aus den Geheimakten des Weltdetektivs (Sammelband, 1973, mit 15 Heftromanen (1907/1908))
  • • (Film) gerade gesehen: "Das Testament des Dr. Mabuse" (Fritz Lang)
  • • (Film) als nächstes geplant: "Jurassic World: Dominion" (Dinos!!!!!)
  • • (Film) Neuerwerbung: "Judex" (Louis Feuillade)

#4 molosovsky

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Geschrieben 26 Juni 2007 - 19:45

Ich denke nicht, daß solche "Hau-Ruck"-Eigenarten der filmischen Räuberpistolen so arg auf den Aufstieg der Daddelkunst zurückführbar sind.Episodisches Holterdipolter-Fabulieren ist eine der wirklich großen Dauertraditionen seit Anbeginn dieser ganzen Kunst/Medien-Kiste vor ebbes-1000 Jahren. Dieses "und dann . und dann . und dann"-Prinzip findest Du wirklich überall, vom Kasperletheater über Moritaten bis hin zu Filmen, Serein und eben Spielen.Jedes Medium hat Stärken und Schwächen: so ganzkörper-erschrocken hab ich mich bei Büchern, Comics und Filmen z.B noch nie, wie eben z.B. bei meinem ersten richtig tiefen Unfallsturz bei "GTA San Andreas" mit Vollkaracho die Steilküste ins Meer hinab. Danach brauchte ich erstmal eine Beruhigungsdoppelpackung aus Bowmore und 77%-Schokopastillen.GrüßeAlex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 26 Juni 2007 - 19:48.

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#5 UdoTascher

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Geschrieben 27 Juni 2007 - 00:41

PC/Konsolen-Spiele (luditive Medien, von "Ludi", lat. "Spiel", siehe "Homo Ludi", der spielende Mensch im Gegensatz zu "Homo Faber", der arbeitende Mensch)

zur dieser etymologischen unterscheidung fällt mir spontan ein, dass sich in manchen ländern fälle häufen sollen, in denen menschen ihr geld damit verdienen, dass sie computerspiele spielen, dabei denke ich nicht unbedingt an spieletester, sondern an Spiele-Tagelöhner sog. "goldfarmer", wie ich gerade im netz gelesen habe (sogar auswüchse von kinderarbeit soll es hie und da geben), die für Leute, denen die zeit fehlt, in rollenspielen items oder charakterpunkte erspielen - die grenzen zwischen dem homo ludi und dem faber scheinen weich zu sein

PC/Konsolen-Spiele (luditive Medien, von "Ludi", lat. "Spiel", siehe "Homo Ludi", der spielende Mensch im Gegensatz zu "Homo Faber", der arbeitende Mensch) sind eben trotz der Entwicklung die sie hinlegen, keine wirklich mit Film, Buch, Comic vergleichbaren Medien. Höchstens wenn man die Cheat-Phalanx hochfährt und ratzfatz im God-Modus durchrennt, um eben alle Storie-Abschnitte (Filmchen ect) mitzubekommen.

liest du jedes buch zu Ende? ich möchte nicht wissen, wieviele "storyabschnitte" ein durchschnittsleser nie vors auge kriegt wie oft habe ich mir bei büchern, die ich aus irgendwelchen gründen lesen musste, einen "god-modus" gewünscht...

Bei den mir bekannten Spielen gibt es entweder nur aufgemotze Narrations-Gerüste zum Aufgängen der Spieleäktion (z.B. Stronghold), oder immer noch zu starke Konzentration auf Aktion (und Narrationen zeichenen sich durch einen Angebote zum Refelktieren aus). .... Spiele sind (noch) zu jung und wild, um hier allgemein von narrativen/literarischen Qualitäten sprechen zu können. Allerdings will ich nicht den Spiele-Skeptikern zustimmen, denn es gibt bereits mehr oder minder klar ausmachbare Meisterwerke, die imho für jeden Kulturfuzzi eine Bereichung darstellen können, und wo ich ohne Ironie rufe: »Das ist Kunst! Und man hat seinen Spaß dabei!«

also ehrlich gesagt habe ich weniger an autorennspiele wie gta gedacht, die ich übrigens gar nicht kenne (ist stelle mir das jetzte gerade mal wie mein gutes altes "Test Drive" auf dem c-64 vor ... nur aufgemotzer ;-) .... m.e. muss man gar nicht in die zukunft schauen,denn so jung sind computerspiele ja auch wieder nicht, die vergangenheit hat genug zu bieten: infocoms adventures wie "Sorcerers get all girls" (1984), sierras "space quest" oder magnetic scrolls "guild of thieves" (1987) etwa fand ich damals (und wahrscheinlich auch heute 15 Jahre später) immer noch "literarischer" und von der "Narration" logischer als viele der als Bestseller anpriesene schmöker aus der Buchhandlung um die ecke ... Gute "Fiktionalität" eben!! - udo

Bearbeitet von UdoTascher, 27 Juni 2007 - 09:54.


#6 molosovsky

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Geschrieben 27 Juni 2007 - 11:53

In Simis Thread »Zur Konstitution des Wunderbaren †” Zu einer Poesie der SF« hob ein Vergleichen von Daddel-Medien mit den klassischeren Erzählmedien an. Ich hab das mal (auf Simis Wunsch) und der Klarheit die entsprechenden Beiträge hierher ausgelagert. Grüße Alex / molo

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#7 simifilm

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Geschrieben 27 Juni 2007 - 12:12

Ich wollte eigentlich meine Standardantwort posten, nämlich, dass ich einen Vergleich von Spielen und Büchern/Filmen nur für begrenzt sinnvoll halte, weil erste nicht in dem Sinne narrativ sind wie letztere. Das ist nicht als Qualitätsurteil gemeint, aber bei einem Buch oder Film bin ich als Rezipient primär passiv und mir wird etwas erzählt, in das ich eintauche. Die 'Unbeweglichkeit', das 'Nicht-Beeinlussen-Können', ist ein wesentlicher Aspekt des Ganzen. Beim Spiel geht es dagegen sehr viel mehr um meine eigene Aktivität, es geht um das Beherrschen-Lernen eines Systems, um das Erwerben und Verbessern von Fähigkeiten, die es mir erlauben, das System immer besser zu beherrschen.Wie gesagt: So wollte ich antworten, aber dann wurde mir plötzlich klar, dass ich damit ja über Narrativität gesprochen hätte, während es im Ursprungszitat ja um Fiktionalität ging. Und damit sieht die Sache schon etwas anders aus.Übrigens: Von "Fiktion hoch vier" ist in meinem Buch dann noch die Rede, wenn es um Spezialeffekte geht. :)

Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

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#8 UdoTascher

UdoTascher

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Geschrieben 27 Juni 2007 - 12:50

[

In Simis Thread »Zur Konstitution des Wunderbaren — Zu einer Poesie der SF« hob ein Vergleichen von Daddel-Medien mit den klassischeren Erzählmedien an.

Ich hab das mal (auf Simis Wunsch) und der Klarheit die entsprechenden Beiträge hierher ausgelagert.

Grüße
Alex / molo


sorry, aber imho machts diese threadverschiebung nicht viel klarer, sondern trennt, was eigentlich zusammen gehört :wacko: ;
der sf-film wurde von simi als die radikalste form von fiktionalität bezeichnet
dem habe ich widersprochen, weil mir diese aussage zu verabsolutierend ist (simi: hat ja wohl keine rezipientenanalysen gemacht, sondern es handelt sich um eine theoretische Behauptung) , und auf computerspiele (von molo - despektierlich - als "daddel-medien" bezeichnet :) ) hingewiesen, die ebenfalls fiktional sein können und nicht weniger "radikal" (auch wieder nur behauptet und aus meiner eigener erfahrung als früherer spieler von text-adventures aber auch sf-spielen wie "wing commander" etc..)

ich meine nach wie vor: eine gewisser teil von computerspielen lässt sich trotz des Spielaspektes, den ich nicht so stark machen würde wie molo, und des Aspekts des 'Nicht-Beeinlussen-Könnens bei Büchern, den ich nicht so stark gewichten würde wie simi, in sachen fiktionalität und narrativität mit dem film vergleichen wie der film mit dem buch, ohne alle diese medien "gleich" machen zu wollen (denn das sind sie natürlich nicht)

interessanterweise gibt es ja seit geraumer zeit untersuchungen zur narrativität von Computerspielen

So findet Klaudia Seibel in einem Artikel*, dass die "narratologie gerade für fantasy-rollenspiele ein sehr brauchbarer instrumentarium [bietet], mit dem spezifika phantastischer digitaler fantasy-welten zwar unter vorbehalt, aber doch mit heuristischem wert untersucht werden können. auch der dänische ludologe jesper juul [...] konzediert, dass spiele nicht nur erzählelemente enthalten, sondern auch teilweise erzählungen gleichende strukturen aufweisen. dagegen betont er aber auch, dass es schwieriger sei. erzählungen in spiele umzusetzen als romane zu verfilmen und dass immer ein inhärenter konflikt zwischen dem 'jetzt' der interaktion und dem epischen präteritum der erählung bestehe. behält man diese einschränkung im auge, ist eine narratologische betrachtung gerade von fantasy-computerspielen durchaus lohnenswert."

*
Klaudia Seibel: digitale fantasywelten. narratologische überlegungen zu einem medienwechsel
in m. bonacker: von mittelerde bis in die weiten des alls. fantasy und science fiction in literatur und film. ph. bib. wetzlar, 2006

sorry für die bandwurmsätze
- udo

Bearbeitet von UdoTascher, 27 Juni 2007 - 12:50.


#9 molosovsky

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Geschrieben 27 Juni 2007 - 13:24

Bandwurmsätze sind (für mich zumindest) okey :-)

sorry, aber imho machts diese threadverschiebung nicht viel klarer, sondern trennt, was eigentlich zusammen gehört :wacko: ;

"Hausherr" eines Threads ist zumindest für mich immer noch der Thread-Eröffner. Und wenn der um Auslagerung von OT-Passagen bittet, gibts imho nüscht zu nölen. Zueinander verlinkt sind die beiden Threads ja.

computerspiele (von molo - despektierlich - als "daddel-medien" bezeichnet :) )

Wie, ich als Daddler darf das Wort Daddel-Medien nicht benutzen? Nicht so empfindlich lieber Udo. In der Folge Buch, Comic, Film und Spiele steigt der Grad des Eingebettet-/Umfangenseins ins Medium. Schön sehen kann man das an der Art, wie der "Möglichkeitsraum" weiter wird. Buch, Comic, Film müssen sich ziemlich mühen, um einen mehrdeutigen Möglichkeitsraum zu schaffen. Solange man liest, kann man natürlich als Leser soviel Möglichkeitsraum aufmachen, wie man lustig ist, aber bei Spielen geht die Tendenz doch deutlich dahin, den Möglichkeitsraum möglichst auszuweiten, dem Spieler möglichst viel Freiheit einzuräumen. Siehe den Unterschied zwischen "Missionen erfüllen" (zielgerichtet entlang der Narration, entlang der Handlung), "Fertigkeiten trainieren und Entdeckungstrips unternehmen" (der "Arbeitsanteil" bei einem Spiel) und "wildem Rumholzen" (Kür). Richtig: alle Medien operieren mittels Fiktionen, und alle Medien bedienen sich narrativer Strukturen und Verfahren (auch Nachrichten und Sachbücher). Ich stimme zudem Simi zu, daß der Aspekt des "das Sytem beherrschen lernen" Spiele zu etwas von Buch, Film und Comic sehr unterschiedlichem macht. Computerspiele und klassische Rollenspiele haben da einiges gemein. Natürlich gibt es Ähnlichkeiten und Übrtragbarkeiten von Begriffen zwischen allen Medien; eben schon mal deren Mittlertum zwischen Sender und Empfänger. Auch eine Achterbahnfahrt ist ein Medium. Aber nur deshalb ist es nicht sehr sinnvoll, eine Achterbahnfahrt mit z.B. einer Autoverfolgungsjagd im Film zu vergleichen. Ich denke, was Spiele abseits stellt, ist, daß alles Narrative noch zu sehr in Entwicklung begriffen ist und (salopp gesagt) gehen die klassischen Erzählmedien noch nicht anstinken kann. Wiegesagt: ich bin gespannt auf die kommenden (vielleicht Durchbrüche) wie »L.A. Noire«. Soweit ich das überblicke, steht kurioserweise der Weltenbau mehr im Vordergrund bei Spielen. Komplex ists halt, weil auch alle Weltenbauten narrative Elemente bergen, allerdings auf gänzlich andere Art als Romane, Filmhandlungen usw. Am ehesten läßt sich noch der Film (vor allem die Blockbuster/Popcorn-Richtung) mit PC/Konsolen-Spielen vergleichen, denn hier (THX, IMAX und Co) ist die Überwältigungs- und Affektreiz-Heftigkeit schon sehr Spiele-ähnlich. Man merkt vielleicht, ich seh das sehr durch die Brille, ob eher eine homöopathische Katharsis (vegging in) oder eine allotopische Katharsis (geeking out) angestrebt wird. Und ersteres ist imho mehr Manipulation als Narration (auch wenn strenggenommen Narrationen nix anderes als Manipulationen sind). Da es sich bei all diesen Fragen um Angelegenheiten handelt, die sich selbst enthalten und ineinander übergehen, ist das Sprachwerkzeug zum Beschreiben dieser Dinge sehr heikel. Grüße Alex / molo

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#10 UdoTascher

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Geschrieben 27 Juni 2007 - 15:40

"Hausherr" eines Threads ist zumindest für mich immer noch der Thread-Eröffner. Und wenn der um Auslagerung von OT-Passagen bittet, gibts imho nüscht zu nölen. Zueinander verlinkt sind die beiden Threads ja.

selbstverständlich respektiere ich diese tradition :wacko:

Wie, ich als Daddler darf das Wort Daddel-Medien nicht benutzen? Nicht so empfindlich lieber Udo.

natürlich kannst du das ... ' war ja nur eine beobachtung ... verspreche weniger empfindlich zu sein... :)

In der Folge Buch, Comic, Film und Spiele steigt der Grad des Eingebettet-/Umfangenseins ins Medium. Schön sehen kann man das an der Art, wie der "Möglichkeitsraum" weiter wird. Buch, Comic, Film müssen sich ziemlich mühen, um einen mehrdeutigen Möglichkeitsraum zu schaffen. Solange man liest, kann man natürlich als Leser soviel Möglichkeitsraum aufmachen, wie man lustig ist,

...theoretisch unendlich , ja ! in der praxis ist aber der möglichkeitsraum von buch zu buch doch sehr verschieden... vergleiche zum beispiel den xten Ren-Dhark-Roman mit irgendeinem sf-grandmaster-text ...ein diskutables kriterium von guter , hochwertiger sf-literatur ist wohl doch das bemühen des autors, den möglichkeitsraum seines textes "möglichst auszuweiten, dem leser möglichst viel Freiheit einzuräumen" mit anderen worten: sowohl bücher als auch spiele versuchen, Mehrdeutigkeit zu vermitteln, nur auf (partiell) unterschiedliche weise

Ich stimme zudem Simi zu, daß der Aspekt des "das Sytem beherrschen lernen" Spiele zu etwas von Buch, Film und Comic sehr unterschiedlichem macht. Computerspiele und klassische Rollenspiele haben da einiges gemein. Natürlich gibt es Ähnlichkeiten und Übrtragbarkeiten von Begriffen zwischen allen Medien; eben schon mal deren Mittlertum zwischen Sender und Empfänger. Auch eine Achterbahnfahrt ist ein Medium. Aber nur deshalb ist es nicht sehr sinnvoll, eine Achterbahnfahrt mit z.B. einer Autoverfolgungsjagd im Film zu vergleichen.

Ich wollte eigentlich meine Standardantwort posten, nämlich, dass ich einen Vergleich von Spielen und Büchern/Filmen nur für begrenzt sinnvoll halte, weil erste nicht in dem Sinne narrativ sind wie letztere. Das ist nicht als Qualitätsurteil gemeint, aber bei einem Buch oder Film bin ich als Rezipient primär passiv und mir wird etwas erzählt, in das ich eintauche.

so allgemein lässt sich dies m.e. nicht sagen, man müsste hier wohl auch das lesefutter unterscheiden je nach schwierigkeitsgrad, möglichkeitsraum, sinngehalt, ambiguität... eines romans kann von einem problemlosen "eintauchen" schwerlich die rede sein; mitunter ist dies vom autor gar nicht gewollt, er tut alles daran eine "passive Rezeption" (was das auch immer ist) zu verhindern... mir fallen viele sf-bücher ein, in denen der lesevorgang ein komplexer ist, wo der leser sich bemühen muss, "aktiv" werden, z.B. um überhaupt die handlungsstrukturen zu durchschauen ... verstehen hat auch etwas mit systembeherrschung zu tun und selbst mit trivalen büchern kann ich mich, wenn ich das will, aktiv auseinandersetzen andersrum kann ich paradoxerweise ebenfalls beim spielen "passiv" bleiben, selbst wenn ich nach aussen hin "aktiv" bin / wirke, dies ist besondern bei spielen der fall, die nicht wirklich mehrdeutig sind, wo ich nur wenige eingriffsmöglichkeiten als spieler haben und diese sich wiederholen...

Am ehesten läßt sich noch der Film (vor allem die Blockbuster/Popcorn-Richtung) mit PC/Konsolen-Spielen vergleichen, denn hier (THX, IMAX und Co) ist die Überwältigungs- und Affektreiz-Heftigkeit schon sehr Spiele-ähnlich.

d'accord!!! gruß -udo

Bearbeitet von UdoTascher, 27 Juni 2007 - 15:41.


#11 simifilm

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Geschrieben 27 Juni 2007 - 15:49

sorry, aber imho machts diese threadverschiebung nicht viel klarer, sondern trennt, was eigentlich zusammen gehört ; der sf-film wurde von simi als die radikalste form von fiktionalität bezeichnet dem habe ich widersprochen, weil mir diese aussage zu verabsolutierend ist (simi: hat ja wohl keine rezipientenanalysen gemacht, sondern es handelt sich um eine theoretische Behauptung) , und auf computerspiele (von molo - despektierlich - als "daddel-medien" bezeichnet ) hingewiesen, die ebenfalls fiktional sein können und nicht weniger "radikal" (auch wieder nur behauptet und aus meiner eigener erfahrung als früherer spieler von text-adventures aber auch sf-spielen wie "wing commander" etc..)

Dazu nur so viel: Ich möchte in dem Ursprungsthread ganz egoistisch nur über mein Buch sprechen, und das hier angesprochene Thema führt nun wirklich weit vom Kern des Buches weg. Nicht zuletzt, weil das Zitat doch ein bissel aus dem Kontext gerissen ist und ich vor allem noch später behaupte, dass filmische Spezialeffekte Fiktion hoch vier sind. Letztlich sind diese Potenzierungen aber ohnehin dramatisch-rhetorische Überhöungen meinerseits, bei denen es mir vor allem darum geht zu zeigen, dass SF(-Film) und Spezialeffekte nichts so Aussergewöhnliches sind, sondern fest in der Tradition des Fiktionalen verwurzelt sind.

interessanterweise gibt es ja seit geraumer zeit untersuchungen zur narrativität von Computerspielen So findet Klaudia Seibel in einem Artikel*, dass die "narratologie gerade für fantasy-rollenspiele ein sehr brauchbarer instrumentarium [bietet], mit dem spezifika phantastischer digitaler fantasy-welten zwar unter vorbehalt, aber doch mit heuristischem wert untersucht werden können. auch der dänische ludologe jesper juul [...] konzediert, dass spiele nicht nur erzählelemente enthalten, sondern auch teilweise erzählungen gleichende strukturen aufweisen. dagegen betont er aber auch, dass es schwieriger sei. erzählungen in spiele umzusetzen als romane zu verfilmen und dass immer ein inhärenter konflikt zwischen dem 'jetzt' der interaktion und dem epischen präteritum der erählung bestehe. behält man diese einschränkung im auge, ist eine narratologische betrachtung gerade von fantasy-computerspielen durchaus lohnenswert." * Klaudia Seibel: digitale fantasywelten. narratologische überlegungen zu einem medienwechsel in m. bonacker: von mittelerde bis in die weiten des alls. fantasy und science fiction in literatur und film. ph. bib. wetzlar, 2006 sorry für die bandwurmsätze - udo

Dass Computerspiele narrativ sein können resp. dass die Narratologie durchaus hilflreich sein kann, beim Analysieren von Computerspielen bestreitet wohl kaum jemand. Dennoch behauptet ich, dass der Unterschied, den ich beschrieben habe - Beherrschen des Spiels vs. Eintauchen in gegebene Geschichte -, ein grundsätzlicher ist und es wenig bringt, ihn anhand von - zweifellos existierenden -Extremfällen aufzuheben.

Bearbeitet von simifilm, 27 Juni 2007 - 15:51.

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#12 simifilm

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Geschrieben 27 Juni 2007 - 16:02

so allgemein lässt sich dies m.e. nicht sagen, man müsste hier wohl auch das lesefutter unterscheiden je nach schwierigkeitsgrad, möglichkeitsraum, sinngehalt, ambiguität... eines romans kann von einem problemlosen "eintauchen" schwerlich die rede sein; mitunter ist dies vom autor gar nicht gewollt, er tut alles daran eine "passive Rezeption" (was das auch immer ist) zu verhindern... mir fallen viele sf-bücher ein, in denen der lesevorgang ein komplexer ist, wo der leser sich bemühen muss, "aktiv" werden, z.B. um überhaupt die handlungsstrukturen zu durchschauen ... verstehen hat auch etwas mit systembeherrschung zu tun und selbst mit trivalen büchern kann ich mich, wenn ich das will, aktiv auseinandersetzen

In meinen Augen vermischst Du da unterschiedliche Varianten der 'Aktivität'. In meinem Verständnis ist der Leser/Zuschauer immer aktiv, weil er sich aus den Hinweisen der Erzählung etwas Sinnvolles zusammenbasteln muss. Dies ist aber eine sehr andere Art der Aktivität als bei einem Spiel. "Ulysses" verlangt eine ganz andere Art der Aktivität als etwa Tetris (ich wähle hier bewusst Extrembeispiele, damit die Unterschiede sichtbar werden).

andersrum kann ich paradoxerweise ebenfalls beim spielen "passiv" bleiben, selbst wenn ich nach aussen hin "aktiv" bin / wirke, dies ist besondern bei spielen der fall, die nicht wirklich mehrdeutig sind, wo ich nur wenige eingriffsmöglichkeiten als spieler haben und diese sich wiederholen...

Hier wären vielleicht Beispiele sinnvoll, wobei ich anfügen muss, dass ich bereits seit einiger Zeit nicht mehr spielerisch aktiv bin. Aber vielleicht ein Beispiel 'von damals': "Space Ace". Ein animiertes Game, das eigentlich ein kompletter Animationsfilm war, bei dem es nur darum ging, im richtigen Moment, den Joystick in die richtige Richtung zu drücken. Die "Story" war vorgegeben, der Handlungsspielraum sehr begrenzt. Vielleicht schwebt Dir so was vor, aber da muss ich sagen: das ist in meinen Augen schon fast kein Spiel mehr, sondern ein sinnloser Zwitter. Nachtrag: Hier vielleicht noch was auch im Sinne, diese Diskussion nicht immer unter dem Gesichtspunkt "was fehlt dem Game" anzuschauen: Computerspiele besitzen ein wesentliches Element, das der erzählenden Literatur ganz klar fehlt, und das ist das Kompetitive, das ich bereits mit "Systembeherrschen" angedeutet haben. Beim Spiel geht es darum, etwas zu besiegen, vorwärts zu kommen, das nächste Level zu erreichen, das Rätsel zu knacken. Die Befriedigung des Spielers gründet sich zu einem wesentlichen Teil darin. Und auch wenn es in Büchern Kapitel gibt, wie viele Leser jubeln laut beim Beenden eines Kapitels?

Bearbeitet von simifilm, 27 Juni 2007 - 16:14.

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Geschrieben 27 Juni 2007 - 17:43

Mich selbst und mit aller gebotenen Höflichkeit warne ich zu Übervereinfachungen.Wenn ich -- was ich eben so als privater Querbeet-Edel-Phantastikfachdepp schon lang mach -- allein die genannten 4 Medienformen vergleiche (Buch, Comic, Film, Games), dann verliehre ich mich im Gewimmel der Kleinigkeiten.Dazu will ich mal ein bischen Karten auf den Tisch legen was Spiele angeht: ich kenne Computerspiele seit ich Teen bin, kenne die Atari/Siemens(?)-Konsolen von damals, C64, C120, Amiga, und eben heute PC/Mac-, sowie PS- und PS2-Spiele. Ich trau mich sagen, daß in der Welt der Spiele schon eine irre Entwicklung stattfand in den 20 Jahren die ich mitbekommen hab. Dennoch bleib ich mal so streng und behaupte, daß die Spiele jetzt erst langsam ihre (mataphorisch geschrieben) S/W- und Stummfilm-Phase verlassen und sich aufmachen, "echtes narratives" Gestaltungsterrain zu erschließen.Zwar muß ich einschränken, daß ich bis nur wenige Spiele (Quake, Deus Ex, Stronghold, Civ 3, Diablo, Sims) auf meiner Heimplattform exzessiv erforscht habe; aber ich mache dafür immer wieder mal Ausflüge dank geliehener PS2-Konsolen, oder Daddel-Wochenende mit PC-Besitzern. Ich lass mir gerne Spiele zeigen (bin als psychologisch-moralische Stütze gern Beisitzer und Beobachter. Mir näher bekannt: Prince of Persia, Hitman, Call of Duty, Descent 2, True Crimes, Cavis Canem Edit, State of Emergency, Crazy Taxi, GTA San Andreas) . †” So mit der Konsolengeneration der PS2 würde ich auch den ersten deutlichen Befreiungsschritt der Spiele raus aus dem "Verileß der strategischer Stupidität" hinein ins Reich des spiele-dramaturgischen Erzählens ansetzten (PCs mögen da Vorsprung gehabt haben, als Applemensch bin ich da hoffnungslos unterinformiert :)Ganz oben auf meiner Liste der Spiele, die ich unbedingt ankosten will stehen Black & White und Shaow of the Colossos so wie Fahrenheit. Allein was ich über diese Spiele gelesen habe (gefeiert als Storytelling/Spielarchitektur-Pioniere), macht mich sehr neugierig.So. Nun sind diese ersten Spiele der narrativen Generation eben was ziemlich anderes als das Extrembeispiel Tetris (bei dem es um Mustererkennung, Kombinatorik und Reaktionsgeschick geht; alles Dinge die zum Verständnis/Lesen von z.B. Prosa oder Comics wesentlich sind, wobei man hier nicht zu "schnellster Reaktion" genötigt wird). Schon allein wegen des überwältigenden Klang- und Grafikreichtums verbringt man die erste Anspielzeit bei einem heutigen PS2-Hit damit, die Grammatik des Spieles zu lernen, bei Äktschn-Spielen z.B. muß man zuerstmal rausbekommen, was an der Graphik- und Soundoberfläche Wichtigem und Unwichtigem ist, was ist nur Zier/Athmo, was ein Hinweis/Marker. Nicht umsonst kommen die graphisch herausfordernden Farbkompositionen erst in den schwereren Spiele-Abschnitten, und selten zu Anfang. Der Beginn ist oftmals in gedeckteren, nichtschrillen Farbklängen gehalten.Prinzipielles noch zum Medienquartett:Die scharfe Grenze verläuft für mich zwischen den stillen (Buch, Comic) und den bildlich-klanglichen Narrationsmedien (Theater, Film, Spiel). Wenn ich eine Hierarchie postulieren MUSS, würd ich sagen, daß die stillen Medien "edler" sind (einfach, klassisch, allotopisch, individuell-gnostisch, erzieherischer) sind, und die zweite Gruppe "trivialer" ist (ritueller, spektakellastiger, überwältigender, enthemmender). Aber da schwurbel ich weit draußen in den Quaselstrudeln :wacko:Und all das hat mal mit kleinen Holzschnitzereien, Lagerfeuergesang -gekraule -labern und Höhlenwandmalereien angefangen.GrüßeAlex / molo

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#14 Axel

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Geschrieben 27 Juni 2007 - 21:10

Der Hauptunterschied zwischen (Computer-) Spielen und klassischen Plattformen des Erzählens ist klar die Interaktivität der Spiele. Aber zwischen den Spielen gibt auch gigantische Unterschiede, wieviel Interaktivität geboten wird. Vor allem Shooter geben dem Spieler selten sehr viel Handlungsfreiheit. Im Grunde wird immer noch eine Schiene abgefahren, nicht ungleich Büchern, Filmen oder Comics, und der Spieler kann sich nur zwischendurch, bis zur nächsten Zwischensequenz, etwas nach rechts oder links lehnen. Gleiches gilt auch für japanische Rollenspiele, wo ich mich frage, wo das Rollenspiel ist. Westliche Rollenspiele wie Fallout, Morrowind, Planscape Torment und ähnliche bieten dagegen häufig mehr Handlungsfreiheit. Hier stellt sich das Problem, in wie weit die Handlungen des Spielers das Spiel beeinflussen. Gerade das fehlt mir bei Morrowind und noch mehr bei dessen Nachfolger, Oblivion. Man kann vieles machen aber ändern tut sich dadurch eigentlich nichts und das ist eigentlich kein wirkliches Erzählen sondern ein festes Bild. Fallout ist praktischer der Gegenpol zu Oblivion. Alles was du entscheidest hat Konsequenzen. Du setzt die Intelligenz des Charakters zu weit runter und er kann sich nur noch durch Grunzlaute verständigen (es sei denn er trifft einen ähnlich dummen NPC :( ). Deshalb erfreud mich der Gedanke nicht, dass die Oblivion-Macher Fallout 3 produzieren (das und die Aussicht auf ein Fallout aus Ego Perspektive und noch ein paar Sachen). Strategiespiele wiederum konzentrieren sich auf die Spielmechanik. Wenn ein Strategiespiel eine Geschichte erzählt passiert das durch Einblendungen oder zwischen einzelnen Abschnitten. Das heißt nicht, dass es unmöglich ist, Ideen zu vermitteln. Das Spiel Alpha Centauri ist das perfekte Beispiel.(Klassische) Adventures und Textadventures sind natürlich die am meisten aufs Erzählen ausgelegten Genres. Die Adventures nach der Art Mysts dagegen erzählen reichlich wenig.
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#15 UdoTascher

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Geschrieben 27 Juni 2007 - 23:39

Dazu nur so viel: Ich möchte in dem Ursprungsthread ganz egoistisch nur über mein Buch sprechen, und das hier angesprochene Thema führt nun wirklich weit vom Kern des Buches weg. Nicht zuletzt, weil das Zitat doch ein bissel aus dem Kontext gerissen ist und ich vor allem noch später behaupte, dass filmische Spezialeffekte Fiktion hoch vier sind.

.

all right. Ohne kontext ist es manchmal in der tat schwierig.

Letztlich sind diese Potenzierungen aber ohnehin dramatisch-rhetorische Überhöungen meinerseits, bei denen es mir vor allem darum geht zu zeigen, dass SF(-Film) und Spezialeffekte nichts so Aussergewöhnliches sind, sondern fest in der Tradition des Fiktionalen verwurzelt sind.

.

nachvollziehbar, wobei ich die Einordnung des sf-films in die tradition des fiktionalen für eine mittlerweile allgemein anerkannte selbstverständlichkeit angesehen hätte (lasse mich aber gerne eines besseren belehren)
bei meinem ersten post gings mir auch weniger um die computerspiele selbst, sondern, wie ich schon sagte, um dein Verständnis des "sf-films" als "radikalster form von fiktionalität" [sorry dass ich darauf herumreite...ich erwähne es zum letzten mal :( ] ...

nach den vielen Postings zum 2 teilwort, dem film, eine nachfrage zum ersten teilwort:
verstehe ich dich (bzw. Greogory Renault) richtig, dass ein Sf-film (meinetwegen auch ein vor special effects nur so strotzender block buster) fiktional radikaler ist als ein nicht-sf film ? wenn ja, wieso? und: wie kann man dann entscheiden, ob children of men "fiktional radikaler" als Herr der Ringe ist?

Bearbeitet von UdoTascher, 28 Juni 2007 - 00:08.


#16 simifilm

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Geschrieben 28 Juni 2007 - 06:08

nachvollziehbar, wobei ich die Einordnung des sf-films in die tradition des fiktionalen für eine mittlerweile allgemein anerkannte selbstverständlichkeit angesehen hätte (lasse mich aber gerne eines besseren belehren)
bei meinem ersten post gings mir auch weniger um die computerspiele selbst, sondern, wie ich schon sagte, um dein Verständnis des "sf-films" als "radikalster form von fiktionalität" [sorry dass ich darauf herumreite...ich erwähne es zum letzten mal :( ] ...

nach den vielen Postings zum 2 teilwort, dem film, eine nachfrage zum ersten teilwort:
verstehe ich dich (bzw. Greogory Renault) richtig, dass ein Sf-film (meinetwegen auch ein vor special effects nur so strotzender block buster) fiktional radikaler ist als ein nicht-sf film ? wenn ja, wieso? und: wie kann man dann entscheiden, ob children of men "fiktional radikaler" als Herr der Ringe ist?

Ok, ich versuche es kurz und kompakt: Bei jeder Form von Fiktion gibt es ein grundlegendes Paradox, das, was Coleridge die "willing suspension of disbelief" genannt hat. Ich bin bereit, für die Zeit des Filmes/Buches etwas zu glauben - wobei 'glauben' hier nicht unbedingt das treffendste Wort ist -, von dem ich genau weiss, dass es nicht 'wahr' ist. In der SF wird diese Tendenz noch verstärkt, weil hier immer so getan wird, als seien die wunderbaren Nova grundsätztlich möglich, obwohl ebenfalls klar ist, dass sie es in den meisten Fällen nicht sind. Darin unterscheidet sich die SF von der Fantasy, die nie behauptet, in 'unserer Welt' zu spielen, sondern die von Anfang an deutlich markiert, dass sie in einer eigenen Welt zu Hause ist. Von der SF dagegen geht immer die implizite Behauptung aus, dass sie ein Kontinuum mit der 'realen' Welt bildet, das 'fiktionale Paradox' wird also potenziert.

Nun gibt es einige Autoren, die der Ansicht sind, dass die SF grundsätzlich anders verfährt, etwa Vivian Sobchack in ihrem Standardwerk zum SF-Film: "The major visual impulse of all SF films is to pictorialize the unfamiliar, the nonexistent, the strange and the totally alien - and to do so with a
verisimilitude which is, at times, documentary in flavor and style. While we are invited to wonder at what we see, the films strive primarily for our belief, not our suspension of disbelief - and this is what distinguishes them from fantasy films like The Seventh Voyage of Sinbad, or Jason and the
Argonauts (Sobchack 1987: 88 f.). " Gemäss Sobchack wird in der SF das 'fiktionale Paradox' gewissermassen ausgehebelt, weil wir 'glauben', was uns erzählt wird und das scheint mir falsch. Eben: In der SF wird das Paradox vielmehr auf die Spitze getrieben.

Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

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  • (Buch) gerade am lesen:Samuel Butler: «Erewhon»
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#17 UdoTascher

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Geschrieben 09 Juli 2007 - 10:56

Ok, ich versuche es kurz und kompakt: Bei jeder Form von Fiktion gibt es ein grundlegendes Paradox, das, was Coleridge die "willing suspension of disbelief" genannt hat. Ich bin bereit, für die Zeit des Filmes/Buches etwas zu glauben âââ↚¬Å¡¬Åâ↚¬Å“ wobei 'glauben' hier nicht unbedingt das treffendste Wort ist , von dem ich genau weiss, dass es nicht 'wahr' ist. In der SF wird diese Tendenz noch verstärkt, weil hier immer so getan wird, als seien die wunderbaren Nova grundsätztlich möglich, obwohl ebenfalls klar ist, dass sie es in den meisten Fällen nicht sind. Darin unterscheidet sich die SF von der Fantasy, die nie behauptet, in 'unserer Welt' zu spielen, sondern die von Anfang an deutlich markiert, dass sie in einer eigenen Welt zu Hause ist. Von der SF dagegen geht immer die implizite Behauptung aus, dass sie ein Kontinuum mit der 'realen' Welt bildet, das 'fiktionale Paradox' wird also potenziert.

....
Gemäss Sobchack wird in der SF das 'fiktionale Paradox' gewissermassen ausgehebelt, weil wir 'glauben', was uns erzählt wird und das scheint mir falsch. Eben: In der SF wird das Paradox vielmehr auf die Spitze getrieben.

Dass die SF im Gegensatz zur Fantasy so tut, als würde sie ein Kontinuum mit der 'realen' Welt bilden, taugt m.E. als grundlegendes Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden Genres nur sehr bedingt, ist m.E. nur ein nachrangiges Merkmal der SF. In Filmen wie "Star Wars", "Immortal" ... kurz: dem größeren literarischen und filmischen Teil des Genres ist dieses scheinbar so "paradoxe" Kontinuum zur Wirklichkeit nur sehr schwer spürbar und häufig wird von der SF nicht einmal suggeriert, sie würde "ein Kontinuum mit der 'realen' Welt bilden ". Dass Star Wars wegen seinem Bezug zur realen Welt des Zuschauers ein fiktional radikaler Film als Herr der Ringe sein soll, ist schwer glaublich. Die Orks aus den Höhlen in Mittelerde kommen in Star Wars doch nur auf anderen Planeten wieder zum Vorschein. Star Wars spielt nicht zufällig "vor langer Zeit in einer weit entfernten Galaxis"...
Oder: Was haben außerirdische Killertomaten mit meiner "realen Welt" zu tun? Bekanntlich sind Tomaten weder auf der Brot noch in der Suppe gemeingefährlich :lol:

Andererseits haben doch viele zurecht Bauchschmerzen, wenn dann postuliert wird, der für weite Teile des SF-Films paradigmatische "Star Wars" wäre Fantasy... Denn dazu sind die typischen SF-Motive, die viele von uns so anziehend finden, doch wieder zu dominant.
Deine Herangehensweise scheint mir zu sehr an der alten Verfremdungs-Definition von Darko Suvin orientiert zu sein, der leider die Science Fiction zu einem "Sondergenre" gemacht hat, was sie in keinster Weise ist. Ich finde SF-Definitionen von Filmen wie Büchern - wenn man denn unbedingt den existierenden Tausenden noch eine beisteuern will - dürfen nicht nur 10 % der Gattung betreffen, also den sog. Höhenkamm, und damit das Genre überschätzen.

Interessanter finde ich daher die Modifikation von Suvins Theorie durch Carl Freedmann in seinem Buch über Science Fiction und Kritische Theorie. Freedman unterstreicht richtigerweise, dass Verfremdung - von ihm als "science fiction tendency" bezeichnet - allen fiktionalen Texten zu Grunde liegen kann. Er verzichtet also bewusst auf eine strikte Trennung (welche Hybris! <_<) zwischen phantastischer und nicht-phantastischer Literatur,
(dass damit die Postulierung von Sondersubgenres wie der "Science Fantasy" redundant wird, ist ebenfalls zu begrüssen.), es gibt keine automatische Dominanz der Science Fiction.

Da jeder fiktionale Text, ob mimetisch oder nicht-mimetisch, zu einem bestimmten Grad verfremdend ist , muss Science Fiction für Freedman auch motivisch definiert werden, wie er es an der Unterscheidung von Brechtschen Lehrstücken und der »Star Wars« Trilogie aufzeigt:
»What distinguishes Brechtian estrangement from the estrangements more familiar in texts explicitly marketed as science fiction is not that Brecht is more closely allied to literary realism but simply that he is relatively uninterested in those specifically technological versions of estrangement that have traditionally figured in science fiction that derives directly from the pulp line. Conversely, Star Wars (and its sequels) might be understood as activating the science fiction tendency only weakly and fitfully«.

Verfremdung im Verständnis von Freedman ist zwar die Grundbedingung jeglicher literarischer Fiktionalität, aber noch nicht automatisch erkenntnisbezogen: Obwohl »Star Wars« auf der visuellen Ebene stark verfremdend ist, geht der Film trotz der Anlage einer alternativen Welt durch die Verwendung einer Vielzahl von Nova und typischen Science-Fiction-Requisiten in seinem Bezug zur (in seiner Vermittlung von kritischen Erkenntnissen über die) Wirklichkeit nicht über die meiste Fantasy hinaus, während Brecht durch verfremdende Situierung seiner Lehrstücke in historisch anderen Epochen eine beißende Kapitalismuskritik seiner Gegenwart gelingt.

Mit Freedman favorisiere ich zwar auch zur Konturierung des SF-Genres bestimmte binnenfiktionale Verfahren (cognition effect; Zusammenspiel von Familiarisierung des "Fremden" und Verfremdung der "realen Welt" z.B. in die Zukunft hinein) und Merkmale (typische Motive und Themen der Science Fiction) beharre aber darauf, dass auch Werke mit den der Fantasy attribuierten Merkmalen wie der eben erwähnte Herr der Ringe ebenfalls einen nicht zu gering zu schätzenden (Erkenntnis-) Bezug zur empirischen Welt des Lesers haben und dabei nicht weniger fiktional radikal sein können. Freedman:
»Even in The Lord of the Rings [...] cognition is quite strongly and overtly operative on at least one level: namely that of the moral and theological values that the text is concerned to enforce.«
Somit kann ich nach wie vor das Postulat, beim SF-Film würde es sich um die radikalste Form von Fiktionalität handeln, nicht unterschreiben. (was Dich natürlich auch nicht stören muss ;) )

- U d o

Bearbeitet von UdoTascher, 09 Juli 2007 - 11:23.


#18 simifilm

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Geschrieben 09 Juli 2007 - 11:21

Dass die SF im Gegensatz zur Fantasy so tut, als würde sie ein Kontinuum mit der 'realen' Welt bilden, taugt m.E. als grundlegendes Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden Genres nur sehr bedingt. In Filmen wie "Star Wars", "Immortal" ... kurz: dem größeren literarischen und filmischen Teil des Genres ist dieses scheinbar so "paradoxe" Kontinuum zur Wirklichkeit nur sehr schwer spürbar und häufig wird von der SF nicht einmal suggeriert, sie würde "ein Kontinuum mit der 'realen' Welt bilden ". Dass Star Wars wegen seinem Bezug zur realen Welt des Zuschauers ein fiktional radikaler Film als Herr der Ringe sein soll, ist schwer glaublich. Die Orks aus den Höhlen in Mittelerde kommen in Star Wars doch nur auf anderen Planeten wieder zum Vorschein. Star Wars spielt nicht zufällig "vor langer Zeit in einer weit entfernten Galaxis"...

"Star Wars" wird auch von kaum jemandem als reine SF eingestuft, in meinen Augen liegt es/sie (?) ziemlich genau auf der Mitte zwischen SF und Fantasy.

Oder: Was haben außerirdische Killertomaten mit meiner "realen Welt" zu tun? Bekanntlich sind Tomaten weder auf der Brot noch in der Suppe gemeingefährlich :rolleyes:

Ist ja nicht ganz unwesentlich, dass es sich hier um eine Parodie handelt.

Andererseits haben doch viele zurecht Bauchschmerzen, wenn dann postuliert wird, der für weite Teile des SF-Films paradigmatische "Star Wars" wäre Fantasy... Denn dazu sind die typischen SF-Motive, die viele von uns so anziehend finden, doch wieder zu dominant.

Siehe oben.

Deine Definition scheint mir zu sehr an der alten Verfremdungs-Definition von Darko Suvin orientiert zu sein, der leider die Science Fiction zu einem "Sondergenre" gemacht hat, was sie in keinster Weise ist. Ich finde SF-Definitionen von Filmen wie Büchern - wenn man denn unbedingt den existierenden Tausenden noch eine beisteuern will - dürfen nicht nur 10 % der Gattung betreffen, also den sog. Höhenkamm, und damit das Genre überschätzen.

Da gehe ich mit Dir einig, und wenn Du mein Buch liest, wirst Du sehen, dass ich Suvin ziemlich detailliert zerpflücke. Allerdings bin ich nicht der Ansicht, dass meine Definition alles ausschliesst, was normalerweise unter SF läuft. Im Gegenteil, sie hat sich als sehr brauchbar erwiesen und eigentlich gibt es nur bei wenigen Beispielen echte Probleme. Ein entscheidender Punkt ist, dass ich die Grenzen als fliessend verstehe und nicht als fix.

Interessanter finde ich daher die Modifikation von Suvins Theorie durch Carl Freedmann in seinem Buch über Science Fiction und Kritische Theorie. Freedman unterstreicht richtigerweise, dass Verfremdung âââ↚¬Å¡¬âââ€Å¡Â¬Ã…â€Å“ von ihm als "science fiction tendency" bezeichnet allen fiktionalen Texten zu Grunde liegen kann. Er verzichtet also bewusst auf eine strikte Trennung (welche Hybris! :rolleyes:) zwischen phantastischer und nicht-phantastischer Literatur,
(dass damit die Postulierung von Sondersubgenres wie der "Science Fantasy" redundant wird, ist ebenfalls zu begrüssen.), es gibt keine automatische Dominanz der Science Fiction.

Was ich wieder problematisch finde, damit sind wir wieder nahe bei molo, für den eigentlich alles Phantastik ist. Was Freedman ja zeigen will, ist dass SF keine minderwertige Literaturform ist, sondern - ganz im Gegenteil - besonders literarisch. Derartige Nobilitierungsversuche interessieren mich dagegen überhaupt nicht (tatsächlich ist Freedman mit seinem 'cognition effect' relativ nahe an dem dran, was ich mit 'Naturalisierung' beschreibe, die (Pseudo-)Realismusbehauptung der SF, also die implizite Behauptung, dass SF mit unserer Welt in Verbindung steht).

Da jeder fiktionale Text, ob mimetisch oder nicht-mimetisch, zu einem bestimmten Grad verfremdend ist , muss Science Fiction für Freedman auch motivisch definiert werden, wie er es an der Unterscheidung von Brechtschen Lehrstücken und der »Star Wars« Trilogie aufzeigt:
»What distinguishes Brechtian estrangement from the estrangements more familiar in texts explicitly marketed as science fiction is not that Brecht is more closely allied to literary realism but simply that he is relatively uninterested in those specifically technological versions of estrangement that have traditionally figured [âââ↚¬Å¡¬¦] in science fiction that derives directly from the pulp line. Conversely, Star Wars (and its sequels) might be understood as activating the science fiction tendency only weakly and fitfully«.

Verfremdung im Verständnis von Freedman ist zwar die Grundbedingung jeglicher literarischer Fiktionalität, aber noch nicht automatisch erkenntnisbezogen: Obwohl »Star Wars« auf der visuellen Ebene stark verfremdend ist, geht der Film trotz der Anlage einer alternativen Welt durch die Verwendung einer Vielzahl von Nova und typischen Science-Fiction-Requisiten in seinem Bezug zur (in seiner Vermittlung von kritischen Erkenntnissen über die) Wirklichkeit nicht über die meiste Fantasy hinaus, während Brecht durch verfremdende Situierung seiner Lehrstücke in historisch anderen Epochen eine beißende Kapitalismuskritik seiner Gegenwart gelingt.

Mit Freedman favorisiere ich zwar auch zur Konturierung des Genres bestimmte binnenfiktionale Verfahren (cognition effectâ; Zusammenspiel von Familiarisierung des "Fremden" und Verfremdung der "realen Welt" z.B. in die Zukunft hinein) und Merkmale (typische Motive und Themen der Science Fiction) beharre aber dennoch daruf, dass selbst Werke mit den der Fantasy attribuierten Merkmalen wie der eben erwähnte Herr der Ringe immer noch einen nicht zu gering zu schätzenden (Erkenntnis-) Bezug zur empirischen Welt des Lesers haben. Freedman:
»Even in The Lord of the Rings [...] cognition is quite strongly and overtly operative on at least one level: namely that of the moral and theological values that the text is concerned to enforce.«

Hier sind wir beim Problem, dass Freedmans Verfremdungsbegriff (ausgehend von Suvin) sehr krumm ist und verschiedene Ebenen - formale, fiktionale und rezeptive - umfasst. Brechtsche Verfremdung ist - auch wenn Suvin und Brecht anderer Meinung sind - etwas ganz anderes als die Verfremdung in der SF. Die SF verfremdet primär auf fiktionaler Ebene, sie bringt Dinge zusammen, die 'nicht zusammengehören' (das macht die Fantasy übrigens auch). Bei Brecht dagegen werden gewöhnlich Dinge ungewöhnlich dargestellt, es handelt sich also um ein formales/stilistisches Verfahren.

Falls es Dich interessiert: Ich habe gerade ein Paper für die Science Ficton-Studies beendet, indem ich den Verfremdungsbergriff in der SF genauer analysieren. Aber das würde hier zu weit führen.

Übrigens: Ich verstehe 'Bezug zur empirischen Realität des Lesers' ausschliesslich als Strategie eines Textes. Mit der Frage, ob daraus ein Ereknntnisgewinn resultiert, hat das nichts zu tun, denn ob SF oder Fantasy oder beide oder keines schlau oder schön machen, ist mir wurscht.

Somit kann ich nach wie vor das Postulat, bei SF würde es sich um die radikalste Form von Fiktionalität handeln, nicht unterschreiben. (was Dich natürlich auch nicht stören muss :rolleyes: )

Wie schon gesagt: Ich halte diesen Punkt - radikalste Form von Fiktionalität - auch keineswegs für zentral.

Edit: Eine etwas ältere, deutsche Fassung des besagten Verfremdungsartikels gibt es hier.

Bearbeitet von simifilm, 09 Juli 2007 - 12:09.

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#19 UdoTascher

UdoTascher

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Geschrieben 09 Juli 2007 - 14:53

"Star Wars" wird auch von kaum jemandem als reine SF eingestuft, in meinen Augen liegt es/sie (?) ziemlich genau auf der Mitte zwischen SF und Fantasy.

Ok, aber wer ist "jemand"? Ich denke, der normale Durchschittszuschauer wirds unter SF abheften...
Was den Fachdiskurs angeht, hast Du natürlich recht...

Ist ja nicht ganz unwesentlich, dass es sich hier um eine Parodie handelt.
Siehe oben.

Es ja viele Filme und Bücher, in denen ähnlich witzige Geschöpfe, durchaus ernst gemeint sind.
Wie gehst Du mit dem Motiv Aliens um? Ich verstehe Aliens als bestes Beispiel, dass es mit der Realismusbehauptung in der meisten SF nicht weit her ist , selbst wenn sie nur pseudo ist...
...

Da gehe ich mit Dir einig, und wenn Du mein Buch liest, wirst Du sehen, dass ich Suvin ziemlich detailliert zerpflücke. Allerdings bin ich nicht der Ansicht, dass meine Definition alles ausschliesst, was normalerweise unter SF läuft. Im Gegenteil, sie hat sich als sehr brauchbar erwiesen und eigentlich gibt es nur bei wenigen Beispielen echte Probleme. Ein entscheidender Punkt ist, dass ich die Grenzen als fliessend verstehe und nicht als fix.

Das mit den fliessenden Grenzen klingt gut, ich werde versuchen, Dein Buch für unsere Uni-Bib zu bestellen :rolleyes: kanns bestimmt auch für meine eigene arbeit gebrauchen


Was ich wieder problematisch finde, damit sind wir wieder nahe bei molo, für den eigentlich alles Phantastik ist.

Was Freedman ja zeigen will, ist dass SF keine minderwertige Literaturform ist, sondern - ganz im Gegenteil - besonders literarisch. Derartige Nobilitierungsversuche interessieren mich dagegen überhaupt nicht

mich auch nicht :rolleyes: besonders literarisch? freedman habe ich so aber auch nicht gelesen, ich finde ihm geht es lediglich um den anschluss an die übrige literatur, was ihm m.e. ganz gut gelingt

(tatsächlich ist Freedman mit seinem 'cognition effect' relativ nahe an dem dran, was ich mit 'Naturalisierung' beschreibe, die (Pseudo-)Realismusbehauptung der SF, also die implizite Behauptung, dass SF mit unserer Welt in Verbindung steht).

Okay ich habe Dein Buch nicht gelesen (werde mir Deinen Quarber Merkur-Artikel in den nächsten Tagen mal durchlesen, danke für den link trotzdem)
... was mir ad hoc zur Naturalisierung einfällt ist ein prima Lem-Zitat über das Weltbild der Science Fiction :rolleyes: , das Du sicher kennst ..., Du meinst aber mit Naturalisierung bestimmt was anderes...

â€Å¾Ein Gemüt, das das Gleichgewicht verlor durch die Erklärung, daß Pflanzen reden oder auf fremden Planeten Kosomonauten überfallen können, indem sie aus Wurzelkräften hinter diesen herlaufen, hat die Chance seine gedankliche Ordnung wiederzufinden. Ihm wird nämlich in der Erzählung beigebracht werden, daß die plappernden und Menschen verfolgenden Pflanzen überhaupt keine übernatürlichen Phänomene sind: sie entstanden halt in der Evolution der dortigen Natur. [â€Â¦] In der Science Fiction gibt es daher weder die Magie des Märchens, noch die schrecklichen wunder der Horror Story; in ihr ist alles â€Å¾völlig natürlichâ€Å“, obwohl oft sehr seltsam und für den Leser schockierend und unvorstellbar.â€Å“ (Lem: Phantastik und Futurologie I, S. 89f.)

Hier sind wir beim Problem, dass Freedmans Verfremdungsbegriff (ausgehend von Suvin) sehr krumm ist und verschiedene Ebenen - formale, fiktionale und rezeptive - umfasst. Brechtsche Verfremdung ist - auch wenn Suvin und Brecht anderer Meinung sind - etwas ganz anderes als die Verfremdung in der SF. Die SF verfremdet primär auf fiktionaler Ebene, sie bringt Dinge zusammen, die 'nicht zusammengehören' (das macht die Fantasy übrigens auch). Bei Brecht dagegen werden gewöhnlich Dinge ungewöhnlich dargestellt, es handelt sich also um ein formales/stilistisches Verfahren.

Die Unterscheidung zwischen fiktional und formal / stilistisch ist mir nicht ganz klar...
Was die Einmischung der Rezipientenebene bei Freedman angeht, hat mir das auch nicht so gut gefallen.


Übrigens: Ich verstehe 'Bezug zur empirischen Realität des Lesers' ausschliesslich als Strategie eines Textes. Mit der Frage, ob daraus ein Ereknntnisgewinn resultiert, hat das nichts zu tun, denn ob SF oder Fantasy oder beide oder keines schlau oder schön machen, ist mir wurscht.

Womit wir ja auch bei Rezeptionsseite wären... ja für mich ist das auch nicht so wichtig, da auch nur schwer eruierbar...

Bearbeitet von UdoTascher, 09 Juli 2007 - 14:55.


#20 simifilm

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Geschrieben 09 Juli 2007 - 15:14

Ok, aber wer ist "jemand"? Ich denke, der normale Durchschittszuschauer wirds unter SF abheften...
Was den Fachdiskurs angeht, hast Du natürlich recht...

Ich sag ja nicht, dass es keine SF ist, ich sag nur, es ist nur begrenzt typisch, und ich behaupte, dass jeder, der sich zu dieser Frage kurz Gedanken macht, zu einem ähnlichen Ergebnis gelangen wird.

Es ja viele Filme und Bücher, in denen ähnlich witzige Geschöpfe, durchaus ernst gemeint sind.
Wie gehst Du mit dem Motiv Aliens um? Ich verstehe Aliens als bestes Beispiel, dass es mit der Realismusbehauptung in der meisten SF nicht weit her ist , selbst wenn sie nur pseudo ist...

Wieso denn? Im Gegensatz zum Geist aus der Flasch oder einem Dämon, die jeweils einen klaren Bruch mit der naturwissenschaftlichen Weltordnung markieren, suggeriert ein ausserirdisches Wesen eben Kompatibilität. Das ist nicht etwas aus einer anderen - teuflischen, göttlichen, märchenhaften - Sphäre, sondern Teil unserer Welt. Und mach nicht den Fehler 'Realismusbehauptung' mit 'Realismus' zu verwechseln. Ich sage keineswegs, dass SF 'realistisch' oder technisch plausibel sein muss, sondern dass SF von der impliziten Behauptung ausgeht, dass ihre Welt eine Verlängerung der unsrigen ist (oft in die Zukunft oder in die Weiten des Alls).

Das mit den fliessenden Grenzen klingt gut, ich werde versuchen, Dein Buch für unsere Uni-Bib zu bestellen :rolleyes: kanns bestimmt auch für meine eigene arbeit gebrauchen

So ist's recht, immer brav kaufen. ;)


mich auch nicht :rolleyes: freedman habe ich allerdings auch nicht so gelesen, ich finde ihm geht es mehr um den anschluss an die übrige literatur, was ihm m.e. ganz gut gelingt

Eben. Da schwingt doch immer mit: "Alle die behaupten, dass SF keine 'ernste' Literatur ist, passt mal auf: SF ist sogar superliterarisch." Und was heisst schon 'Anschluss an die übrige Literatur'?: Natürlich ist SF auch Literatur und nichts grundlegend Anderes oder Neues. Sie hat einige Eigenheiten, aber das hat ja jede literarische Form.

Okay ich habe Dein Buch nicht gelesen (werde mir Deinen Quarber Merkur-Artikel in den nächsten Tagen mal durchlesen, danke für den link trotzdem)
... was mir ad hoc zur Naturalisierung einfällt ist ein prima Lem-Zitat über das Weltbild der Science Fiction :rolleyes: , das Du sicher kennst ..., Du meinst aber mit Naturalisierung bestimmt was anderes...

„Ein Gemüt, das das Gleichgewicht verlor durch die Erklärung, daß Pflanzen reden oder auf fremden Planeten Kosomonauten überfallen können, indem sie aus Wurzelkräften hinter diesen herlaufen, hat die Chance seine gedankliche Ordnung wiederzufinden. Ihm wird nämlich in der Erzählung beigebracht werden, daß die plappernden und Menschen verfolgenden Pflanzen überhaupt keine übernatürlichen Phänomene sind: sie entstanden halt in der Evolution der dortigen Natur. [†¦] In der Science Fiction gibt es daher weder die Magie des Märchens, noch die schrecklichen wunder der Horror Story; in ihr ist alles „völlig natürlich“, obwohl oft sehr seltsam und für den Leser schockierend und unvorstellbar.“ (Lem: Phantastik und Futurologie I, S. 89f.)

Auch wenn Lem das wohl abschätzig meint, genau darum geht es: Die SF 'tut immer so', als ob ihre Nova grundsätzlich möglich und technisch plausibel wären, obwohl das oft keineswegs der Fall ist. Das ist das, was ich mit Naturalisierung bzw. Realismusbehauptung meine, und das entspricht zumindest teilweise Suvins 'cognition' (obwohl der noch einiges mehr in den Begriff reinpackt) und Freedmans 'cognition effect'.

Die Unterscheidung zwischen fiktional und formal / stilistisch ist mir nicht ganz klar...

Sklovskij und Brecht verstehen 'Verfremdung' bei allen Unterschieden primär als formal-stilistische Operation: Etwas Alltägliches/Normales wird durch eine ungewohnte Darstellung seiner Gewöhnlichkeit enthoben. Das ist gemäss Sklovskij (auf den sich Suvin ja auch bezieht, obwohl er ihn anscheinend nicht begriffen hat) ein Verfahren, das auch und gerade in sogenannt 'realistischen' Text anzutreffen ist (er entwickelt das unter anderem an Beispielen von Tolstoi). Schon in diesem Punkt ist Suvins Unterscheidung naturalistisch/verfremdet Unsinn (resp. hat nichts mit Sklovskij zu tun). Bei Brecht ist 'Verfremdung' zwar etwas enger gefasst (und hat eine andere Wirkung zum Ziel), es geht aber auch hier um die ungewohnte Darstellung des Gewöhnlichen.

In der SF geschieht genau das Gegenteil: Ein schleimiges Alien oder ein Raumschiff sind keine ungewöhnlichen Darstellungen gewöhnlicher Dinge. Vielmehr werden in der SF die Nova eben naturalisiert, was im Grunde das Gegenteil von Verfremdung ist.

Nun kann in der SF durchaus ein der Verfremdung analoger Effekt auftreten, aber dieser resultiert aus dem Zusammenstoss von bekannten und unbekannten Elementen *innerhalb der Handlungswelt*, also nicht auf formal-stilistischer Ebene. Hoffe, das ist verständlich, ansonsten verweise ich auf den Artikel.

Womit wir ja auch bei Rezeptionsseite wären... ja für mich ist das auch nicht so wichtig, da auch nur schwer eruierbar...

Nein, es geht hier nicht um die Rezeptionsseite, es geht um die Plausibilisierungsstrategie, derer sich ein Text bedient. Das ist etwas, das lässt sich durch reine Textanalyse schön zeigen, ohne dass ich Leser oder Zuschauer befragen muss.

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#21 UdoTascher

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Geschrieben 10 Juli 2007 - 08:30

Wieso denn? Im Gegensatz zum Geist aus der Flasch oder einem Dämon, die jeweils einen klaren Bruch mit der naturwissenschaftlichen Weltordnung markieren, suggeriert ein ausserirdisches Wesen eben Kompatibilität. Das ist nicht etwas aus einer anderen - teuflischen, göttlichen, märchenhaften - Sphäre, sondern Teil unserer Welt. Und mach nicht den Fehler 'Realismusbehauptung' mit 'Realismus' zu verwechseln. Ich sage keineswegs, dass SF 'realistisch' oder technisch plausibel sein muss, sondern dass SF von der impliziten Behauptung ausgeht, dass ihre Welt eine Verlängerung der unsrigen ist (oft in die Zukunft oder in die Weiten des Alls).

Ich behaupte nicht nur, dass in vielen Texten die Realismusbehauptung nur eine Krücke ist (siehe Lem), sondern, dass ein großer Teil der SF diese Realismusbehauptung gar nicht macht. Dass ausserirdische Wesen Kompatibilität mit den Naturwissenschaften suggerieren, könnte unter Naturwissenschaftlern nur ein gewisser von Däniken abnicken . Ich finde das Auftauchen von Aliens ist in sich selbst so phantastisch, dass mans kaum plausibilieren kann. Und die von Dir so stark gemachten Plausibilisierungsstrategien ändern m.E. an diesem Phantasma nichts.

Abgesehen sind Aliens nicht selten, die explizit der teuflischen, göttlichen, märchenhaften - Sphäre entstammen. Während Du aber wohl diese Texte & Filme aussonderst bzw. wie bei Star Wars (vage) "irgendwo" SF und Fantasy einordnen würdest, sehe ich sie als originären, in der Pulp-Zeit und früher wurzelnden Teil des SF-Korpus. Für mich sind phantastische Elemente wie die "Macht", "Aliens", "Telepathie", "In PC-Monitor verschluckt werden" all right und keine Grund die Texte nicht mehr zur eigentlichen Science Fiction zu zählen. Wenn man nämlich die "Realismusbehauptung" als Muss setzt, wird der SF-Korpus ziemlich klein. Stattdessen würde ich dafür plädieren, sich in den Texten zunächst die binnenfiktionale Verwendungsweise des jeweiligen Motivs anzuschauen. Ob es Realismus, eine Pseudo-Realismusbehauptung oder gar keine Realismusbehauptung vorliegt, kann man m.E. erst dann entscheiden und nicht pauschal, wie Du es anscheinend (auf einer normativen Ebene) tust und wahrscheinlich dann mit einem bereits vorab in diesem Sinne reduzierten, aber trotzdem Allgemeingültigkeit beanspruchenden Untersuchungskorpus bestätigst ?!

Das ist nicht etwas aus einer anderen - teuflischen, göttlichen, märchenhaften - Sphäre, sondern Teil unserer Welt.


Im Übrigen kann man m.E. die teuflische, göttliche, märchenhafte Sphäre, den Mythos von "unserer" Welt nicht trennen. Die Stärke der SF ist, dass sie eben dieses Wechselverhältnis von Mythos und den Naturwissenschaften, worin eben, "gott"seidank :) , "unsere" welt nciht aufgeht, (auf hoffentlich spannende ;) ) Weise widerspiegelt
Weil Star Wars diese Zusammenspiel von Mythos und Pseudo-Naturwissenschaften so gut gelingt, ist dieses Werk für mich originäre Science Ficiton (kein Zwitter von Fantasy und Science Fiction) und im übrigen der Grund, warum Star Wars eine nicht unbeträchtliche Fan-Schar hat... (von denen mitunter nicht wenige mit Fantasy nichts anfangen kann)...

Eben. Da schwingt doch immer mit: "Alle die behaupten, dass SF keine 'ernste' Literatur ist, passt mal auf: SF ist sogar superliterarisch." Und was heisst schon 'Anschluss an die übrige Literatur'?:

eben , es ging ihm (und mir) nicht ums nobilitieren, sondern darum literaraturwissenschaftliche Verfahrensweisen aufzuzeigen, die sich gleichermaßen auf SF und Nicht-SF anwenden lassen, anstatt wie viele anderen Theoretiker andauernd Sonder-Zugangsweisen zur SF zu suchen und damit indirekt eben das Genre zu ghettoisieren, es "anders" zu machen (daher rührte übrigens, meine sich als übertriebene herausgestellte Initialkritik an dem von Molo geposteten Zitat aus Deiner Arbeit)

Natürlich ist SF auch Literatur und nichts grundlegend Anderes oder Neues. Sie hat einige Eigenheiten, aber das hat ja jede literarische Form.

dito!

Auch wenn Lem das wohl abschätzig meint, genau darum geht es: Die SF 'tut immer so', als ob ihre Nova grundsätzlich möglich und technisch plausibel wären, obwohl das oft keineswegs der Fall ist. Das ist das, was ich mit Naturalisierung bzw. Realismusbehauptung meine, und das entspricht zumindest teilweise Suvins 'cognition' (obwohl der noch einiges mehr in den Begriff reinpackt) und Freedmans 'cognition effect'.

Wie Lem möchte ich die Realismusbehauptung nicht so ernst nehmen, das schrieb ich schon eben.
Was ich Freedman zu Gute halten möchte, ist , dass er eben den "cognition effect" nicht verabsolutiert und den SF-Korpus unnötig klein macht. Freedman argumentiert so gut wie gar nicht normativ, worin ich eine der Stärken seines Ansatzes sehe.



In der SF geschieht genau das Gegenteil: Ein schleimiges Alien oder ein Raumschiff sind keine ungewöhnlichen Darstellungen gewöhnlicher Dinge. Vielmehr werden in der SF die Nova eben naturalisiert, was im Grunde das Gegenteil von Verfremdung ist.

Ich würde ja sagen, weil die Naturalisierung eben nicht gelingt (in dem meisten Fällen würde ich wertneutral ein Versagen der Science Fiction diagnostizieren) bzw. diese Naturalisierung gar nicht erwünscht ist, ist Alienschleim eins der besten Verfremdungsmittel, die man sich denken kann :rolleyes: . Was ich eigentlich ganz gut finde...

Verstehe die obigen Zeilen bitte unter Vorbehalt, ich werde mir in den nächsten Deinen Artikel durchlesen und vielleicht dann doch noch zu Deiner Sicht der Dinge "konvertieren".

Bearbeitet von UdoTascher, 10 Juli 2007 - 08:48.


#22 simifilm

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Geschrieben 10 Juli 2007 - 09:20

Ich behaupte nicht nur, dass in vielen Texten die Realismusbehauptung nur eine Krücke ist (siehe Lem), sondern, dass ein großer Teil der SF diese Realismusbehauptung gar nicht macht.

Nun, dann sind wir uns eben grundsätzlich uneinig. Die ganze Ästhetik der SF lehnt sich an unsere Vorstellungen von Wissenschaft und Technik an, es wird nicht mit Zauberstab und magischen Amuletten operiert, sondern mit Beamern, Phasern, Quantenverschiebungen etc. Das mag alles unwissenschaftlicher Unsinn sein, vermittelt aber eine (pseudo-)wissenschaftliche Aura, die eben suggeriert, dass die wunderbaren Elemente Teil unserer naturwissenschaftlichen Welt sind.

Dass ausserirdische Wesen Kompatibilität mit den Naturwissenschaften suggerieren, könnte unter Naturwissenschaftlern nur ein gewisser von Däniken abnicken . Ich finde das Auftauchen von Aliens ist in sich selbst so phantastisch, dass mans kaum plausibilieren kann. Und die von Dir so stark gemachten Plausibilisierungsstrategien ändern m.E. an diesem Phantasma nichts.

Es geht nicht darum, was tatsächlich naturwissenschaftlich möglich ist, sondern wie es präsentiert wird, und es ist ein grundlegender Unterschied, ob ein Monster aus der Hölle oder von Betegeuze-17 kommt.

Abgesehen sind Aliens nicht selten, die explizit der teuflischen, göttlichen, märchenhaften - Sphäre entstammen. Während Du aber wohl diese Texte & Filme aussonderst bzw. wie bei Star Wars (vage) "irgendwo" SF und Fantasy einordnen würdest, sehe ich sie als originären, in der Pulp-Zeit und früher wurzelnden Teil des SF-Korpus. Für mich sind phantastische Elemente wie die "Macht", "Aliens", "Telepathie", "In PC-Monitor verschluckt werden" all right und keine Grund die Texte nicht mehr zur eigentlichen Science Fiction zu zählen. Wenn man nämlich die "Realismusbehauptung" als Muss setzt, wird der SF-Korpus ziemlich klein. Stattdessen würde ich dafür plädieren, sich in den Texten zunächst die binnenfiktionale Verwendungsweise des jeweiligen Motivs anzuschauen. Ob es Realismus, eine Pseudo-Realismusbehauptung oder gar keine Realismusbehauptung vorliegt, kann man m.E. erst dann entscheiden und nicht pauschal, wie Du es anscheinend (auf einer normativen Ebene) tust und wahrscheinlich dann mit einem bereits vorab in diesem Sinne reduzierten, aber trotzdem Allgemeingültigkeit beanspruchenden Untersuchungskorpus bestätigst ?!

Du unterschiebst mir da was, was schlicht und ergreifend nicht stimmt, nämlich dass ich von einem kleinen, exklusiven Korpus ausgehe, das Gegenteil ist richtig. Dabei bist Du es doch, der 'Realismusbehauptung' so eng versteht und nicht ich.

Im Übrigen kann man m.E. die teuflische, göttliche, märchenhafte Sphäre, den Mythos von "unserer" Welt nicht trennen. Die Stärke der SF ist, dass sie eben dieses Wechselverhältnis von Mythos und den Naturwissenschaften, worin eben, "gott"seidank :) , "unsere" welt nciht aufgeht, (auf hoffentlich spannende ;) ) Weise widerspiegelt
Weil Star Wars diese Zusammenspiel von Mythos und Pseudo-Naturwissenschaften so gut gelingt, ist dieses Werk für mich originäre Science Ficiton (kein Zwitter von Fantasy und Science Fiction) und im übrigen der Grund, warum Star Wars eine nicht unbeträchtliche Fan-Schar hat... (von denen mitunter nicht wenige mit Fantasy nichts anfangen kann)...

Wobei noch zu klären wäre, was Du unter 'Mythos' verstehst. Dass viele SF-Werke mythische Strukturen aufweisen bzw. die Funktion eines Mythos übernehmen können, bestreite ich keineswegs, denn das steht überhaupt nicht im Widerspruch zu meiner Definition. Allerdings verstehe ich 'Mythos' als etwas Strukturell/Funktionales, das mit der Erscheinungsform nur wenig zu tun hat (auch ein Western hat mythische Dimensionen).

eben , es ging ihm (und mir) nicht ums nobilitieren, sondern darum literaraturwissenschaftliche Verfahrensweisen aufzuzeigen, die sich gleichermaßen auf SF und Nicht-SF anwenden lassen, anstatt wie viele anderen Theoretiker andauernd Sonder-Zugangsweisen zur SF zu suchen und damit indirekt eben das Genre zu ghettoisieren, es "anders" zu machen (daher rührte übrigens, meine sich als übertriebene herausgestellte Initialkritik an dem von Molo geposteten Zitat aus Deiner Arbeit)

Freedman geht es ja vor allem darum zu zeigen, dass SF wunderbar in seine Vorstellung von 'kritischer Theorie' passt. Und auch hier prügelst Du meiner Ansicht nach auf einen Strohmann ein, denn diese Ghettoisierung findet so in der Literaturwissenschaft schon lange nicht mehr statt.

Was ich Freedman zu Gute halten möchte, ist , dass er eben den "cognition effect" nicht verabsolutiert und den SF-Korpus unnötig klein macht. Freedman argumentiert so gut wie gar nicht normativ, worin ich eine der Stärken seines Ansatzes sehe.

Dem würde ich widersprechen. Auch bei Freedman geht es doch darum, dass gute SF kritische - sprich: marxistische - SF ist. Und auch wenn Du mir das anscheinend unterschieben willst: Wenn meine Arbeit etwas nicht ist, dann normativ.

Ich würde ja sagen, weil die Naturalisierung eben nicht gelingt (in dem meisten Fällen würde ich wertneutral ein Versagen der Science Fiction diagnostizieren) bzw. diese Naturalisierung gar nicht erwünscht ist, ist Alienschleim eins der besten Verfremdungsmittel, die man sich denken kann :rolleyes: . Was ich eigentlich ganz gut finde...

Nur ist Alienschleim kein formales Verfremdungsmittel, und hier liegt der Hund begraben. Suvin behauptet, Verfremdung sei in der SF der "formale Rahmen", und das ist - zumindest wenn man von den Verfremdungsbegriffen ausgeht, auf die er sich bezieht - eindeutig falsch.

Verstehe die obigen Zeilen bitte unter Vorbehalt, ich werde mir in den nächsten Deinen Artikel durchlesen und vielleicht dann doch noch zu Deiner Sicht der Dinge "konvertieren".

Was ich Dir schon mal sagen kann (obwohl ich es bereits gesagt habe): Dein Vorwurf, ich verfahre normativ, zielt völlig an der Sache vorbei.

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#23 UdoTascher

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Geschrieben 10 Juli 2007 - 09:42

Nein, ich will Dir nichts "unterschieben", sondern ich habe gemutmasst, was natürlich ohne Textkenntnis auch nicht viel besser ist :) Meine posts sollte auch gar nicht so harsch gemeint sein, wie sie vielleicht klagnen.Eins steht für mich fest: Der bisherige Thread hat mich noch neugieriger auf Deinen Ansatz gemacht. Ich melde mich nach der Lektüre wieder ;) danke für Deine Eye-Opener & cheerio

#24 molosovsky

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Geschrieben 10 Juli 2007 - 10:37

Hallo ihr zwei.Nach drei Tagen Wachdienstfortbildung endlich Zeit, in diese Debatte meine Grütze einzustreuen.Ich habe Simis Buch gelesen, Udo, Du nicht. Ich kann Dir nur raten: les es erstmal, (allein schon, weil es ein toller "Ride" ist, wenn man denn Sachbucher so zu lesen versteht, wie auch einen spannenden Roman).Dann: Hier ist diese Auseinandersetzung eigentlich schon wieder OT. Eurer Ping-Pong der letzten Tage paßt eigentlich besser in den "Konstitution des Wunderbaren"-Threads.Ganz "gerecht" kann ich sowohl Simi als als Udo was entgegenhalten.@Simi: Die Sache mit der Naturalisierung des Wunderbaren mittels wissenschaftlich/technischner Sprache, Bilder usw. Ich denke, daß trifft nicht generell für die SF zu; zumindest um so weniger, desto "mythischer" oder "fantasy-artiger", "horror-lastiger" sie wird. Denn viel SF positioniert eben das Wunderbare formal als etwas Exotisches, als Zauberhaftes, als Auslöser für "Ahhhh"- und "Ohhhh"-Staunerei.@Udo: Es gibt im griechischen zwei Begriffe für Wort/Rede. Mythos und Logos.Mythos ist das "so ist es es, basta"-Reden, die "Märchen" der Gewinner und Überlebenden; Mythos ist das unhinterfragbare "irrationale" Wort (Dreifaltigkeit, Schaum-, Kopf-, Waden-, Jungfrauengeburt). Mythos ist das Geschäft der fabulierenden Rhapsoden, Propheten Willkürrichter und Theologen.Logos ist das besprochene, vernünftige, begründete Wort; Logos operiert mit Argument und Gegenargument, nicht mit Basta-Aussagen und ist entsprechend das Geshäft der Philosophen, Pro/Contra-Richter und Naturwissenschaftler.Grob sag ich mal, daß natürlich in den phantastischen Genres beides, Logos und Mythos, zum zuge kommt. Aber selten eben fiftyfifty. Eines von beiden überwiegt oft und nur eine genaue Seite für Seite- (Buch) oder Szene für Szene-Auswertung könnte hier harte Daten liefern. Normalerweise schätzen wir das "aus dem Bauch heraus", was überwiegt.Wegen Aliens: meiner Erfahrung nach, pflegen die meisten seriösen Naturwissenschaftler (und deren geisteswissenschaftliche Kammeraden) in Sachen Außerirdische eine Unentschieden-Haltung, mit leichter Neigung in Richtung »es wäre schon sehr unwahrscheinlich, wenn es bei so vielen Sternen nicht irgendwo andere Lebensformen gäbe«. Da Außerirdische als Lebensform ebenfalls von evolutionären Prozessen hervorgebracht werden, sind sie eben nicht auf einer Ebene wie Engel, Dämonen oder Gartenelfen (auch wenn in Fantasy-lastigeren SF-Werken dies oftmals so gehandhabt wird). Außerirdische sind also eher wirklich das, was Simi meint: Naturalisierungen des wunderbaren Fremden/Exotischen. Die Frage, ob es Außerirdische gibt, ist eine Frage, die in Reichweite einer Klärung liegt.Engel, Dämonen ect sind dagegen vielmehr Wesen der Geister-Welt (spiritworld) und stammen für mich eindeutig aus der "frag nicht, ist halt so, akzeptiers einfach"-Schublade mythischen Denkens. Engel, Dämonen usw gibt, sind imho schlicht Phantasmen, die der menschlichen Neigung zum dualistischen Denken entsprinen (Geist - Materie), bzw. der Übetragung von intentionalen Handeln & Denken, bzw. Agenten-Tätigkeit auf Unbelebtes (die Meeresgötter rächen sich an den Seefahren, der Donnergott schleudert Blitze aus den Wolken, meine Tastertur will mich ärgern).GrüßeAlex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 10 Juli 2007 - 10:47.

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

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#25 simifilm

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Geschrieben 10 Juli 2007 - 10:40

Nein, ich will Dir nichts "unterschieben", sondern ich habe gemutmasst, was natürlich ohne Textkenntnis auch nicht viel besser ist :) Meine posts sollte auch gar nicht so harsch gemeint sein, wie sie vielleicht klagnen.

Ist schon ok, es hat in der Argumentation einfach ein grundsätzliches Problem, das mich genervt hat: Ich sage, SF geht von einer impliziten (Pseudo-)Realismusbehauptung aus, deswegen sind Aliens etc. SF. Nun gehst Du hin und verstehst "Pseudorealismus" sehr viel enger, als ich es tue - so dass Aliens nicht drin Platz haben -, und machst mir das zum Vorwurf. Du kannst meine Begriffe gerne kritisieren und für falsch halten, aber Du kannst mir keinen Normatismus vorwerfen, nur weil Du sie offensichtlich anders verstehst als ich.

Eins steht für mich fest: Der bisherige Thread hat mich noch neugieriger auf Deinen Ansatz gemacht. Ich melde mich nach der Lektüre wieder ;) danke für Deine Eye-Opener & cheerio

Eigentlich reden wir jetzt ja wieder mehr zum Thema des Ursprungsthread und nicht zu Spielen etc., vielleicht können wir ja dorthin zurückkehren.

Bearbeitet von simifilm, 10 Juli 2007 - 11:00.

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#26 simifilm

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Geschrieben 10 Juli 2007 - 10:46

Hallo ihr zwei. Nach drei Tagen Wachdienstfortbildung endlich Zeit, in diese Debatte meine Grütze einzustreuen. Ich habe Simis Buch gelesen, Udo, Du nicht. Ich kann Dir nur raten: les es erstmal, (allein schon, weil es ein toller "Ride" ist, wenn man denn Sachbucher so zu lesen versteht, wie auch einen spannenden Roman).

Yeah, ride my book. :) Ich warte gespannt auf Deine Kritik.

Dann: Hier ist diese Auseinandersetzung eigentlich schon wieder OT. Eurer Ping-Pong der letzten sollte eigentlich in den "Konstitution des Wunderbaren"-Threads.

Yep, siehe meinen letzten Beitrag.

@Simi: Die Sache mit der Naturalisierung des Wunderbaren mittels wissenschaftlich/technischner Sprache, Bilder usw. Ich denke, daß trifft nicht generell für die SF zu; zumindest um so weniger, desto "mythischer" oder "fantasy-artiger", "horror-lastiger" sie wird. Denn viel SF positioniert eben das Wunderbare formal als etwas Exotisches, als Zauberhaftes, als Auslöser für "Ahhhh"- und "Ohhhh"-Staunerei.

Wenn SF fantasy-artiger wird, wird sie eben fantasy-artiger, damit habe ich keine Probleme - dann verschiebt sie sich zwischen den Polen Richtung 'reine Fantasy'. Ansonsten: Ich wäre an Beispielen interessiert - wenn möglich Filme -, bei denen Du das Gefühl hast, dass keine Naturalisierung stattfindet, so, wie ich sie beschreibe.

Bearbeitet von simifilm, 10 Juli 2007 - 10:48.

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#27 Morn

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Geschrieben 10 Juli 2007 - 11:53

Ich behaupte nicht nur, dass in vielen Texten die Realismusbehauptung nur eine Krücke ist (siehe Lem), sondern, dass ein großer Teil der SF diese Realismusbehauptung gar nicht macht. Dass ausserirdische Wesen Kompatibilität mit den Naturwissenschaften suggerieren, könnte unter Naturwissenschaftlern nur ein gewisser von Däniken abnicken . Ich finde das Auftauchen von Aliens ist in sich selbst so phantastisch, dass mans kaum plausibilieren kann. Und die von Dir so stark gemachten Plausibilisierungsstrategien ändern m.E. an diesem Phantasma nichts.

Auch wenn Molo darauf schon etwas erwidert hat, muss ich ihn hier noch mal unterstuetzen. Naturwissenschaftler untersuchen durchaus die Frage, ob es Aliens gibt (was erst mal alle Lebensformen ausserhalb der Erde umfasst, ob es nun Mikroben oder Intelligenzwesen sind). Der Forschungszweig ist die Astro- oder Exobiologie, die sich auch mit der Frage beschaeftigt, wie Leben entsteht. Link zur NASA und zu SETI Daeniken ist ein Autor, der die Meinung vertritt, dass Ausserirdische die Erde besucht haben, und die sogenannte Prae-Astronautik begruendet hat.

@Simi: Die Sache mit der Naturalisierung des Wunderbaren mittels wissenschaftlich/technischner Sprache, Bilder usw. Ich denke, daß trifft nicht generell für die SF zu; zumindest um so weniger, desto "mythischer" oder "fantasy-artiger", "horror-lastiger" sie wird. Denn viel SF positioniert eben das Wunderbare formal als etwas Exotisches, als Zauberhaftes, als Auslöser für "Ahhhh"- und "Ohhhh"-Staunerei.

Vorab: ich habe das Buch nicht gelesen. Ich sehe hier keinen Widerspruch. Die Natur bietet viel Wunderbares und Bestaunenswertes, so dass auch Phantastisches und Zauberhaftes noch SF sein kann.

#28 molosovsky

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Geschrieben 10 Juli 2007 - 12:47

In seinem Buch arbeitet Simi sehr schon heraus, daß es eben selten Reinformen gibt, sondern daß Naturalisierung und Verzauberung oft gemeinsam vorkommen, vermischt werden.Wichtig ist für mich dabei, zu welcher Haltung der Zuschauer animiert wird: mehr zum "sich reinkippen lassen", oder mehr zum "von Außen betrachten". Bei beiden Bewgungen werden "Grenzen überschritten" und beide Richtungen können Staunen verursachen.»Predator« z.B. ist nur Oberflächlich SF, denn bei dem Jäger könnte es sich genauso gut um einen Dämon oder Werwolf oder Grendel oder Chumbaba handeln. (Grundfolie: Gilgamesch, Lost Platoon-Geschichte, und meinem empfinden nach sind das "vormoderne", archaischere Folien.)So ein Film wie »Eternal Sunshine of a Spotless Mind« aber untertreibt sozusagen seine Oberflächen-SF-Aspekte, denn wir erleben in diesem Film "normale" Leute und Wohnungen ect. und die SF findet viel mehr auf einer Gedankenspiel- und Erzählmodus-Ebene statt (Hiob, Orpheus, Der Wiederspänstigen Zähmung, die ich als "moderne" Folien ansehe).Wichtig ist wohl, daß ich desto mehr von Naturalisierung sprechen würde, desto "selbstverständlicher" und unspektakulärer die Neuheiten präsentiert werden. Das Beispiel der Augenscanner, Cornflakespackungen, Straßenwerbung, PCs, beweglichen Pflanzen in »Minority Report«. (Man vergleiche nur mal die animierten Pflanzen von MR mit der viel spektakulärer inszenierten Kampfvegetation von Poison Ivy in "Batman Forever").Ich bin der Meinung, daß man eben aufpassen muß, bei der Analyse nicht ins essentialistische, positivistisch-idealistische (wie Simi es nennt: normative) Denken zu verfallen. Bevor man mit eigenen Rahmen daherkommt, ist es wohl besser, erstmal auf den Hauptrend des narrativen Modus zu achten (homöopathisch/"vegging in" oder allotopisch/"geeking out"). Der Modus ist dann der Rahmen, der entscheident prägt, ob ein Novum, ein Exotismus etwas Sense of Wonder-Bewirkendes eher als "spektakuläre" Unter-/Übertreibung platziert wird, oder eben als "trockenere" Plausibilisierung eines SF-Weltenbaus.Die Form- und Inhalt-Problematik macht das alles heillos komplex. Immerhin gibt es keine "Modi an und für sich", denn ein Modus kann ja nur in Erscheinung treten, wenn etwas überhaupt erzählt wird, und um etwas zu erzählen braucht es eben Inhalte (Objekte, Subjekte). Trotzdem können wir eben über Modi abstrakt sinnieren, indem wir unser Augenmerk eben mehr auf das "wie wird dargestellt und erzählt" richten. Umgekehrt bleiben inhaltliche Aspekte etwas formloses, wenn man sie aus jeglichen Zusammenhang herauslößt und sozusagen wie Teile eines Motiv-Katalogs betrachtet (denn Roboter können eben über-/untertriebener oder plausibler) inszeniert werden.Zuletzt noch angedacht: desto mehr ich mich mit Evolutionstheorie und Memetik beschäftige, umso fruchtbarer erscheint es mir, diese beiden Modelle auf Kunst zu übertragen. Publikum als Lebensraum für SF-Meme und SF-Memekonglomerate. Die entscheidende Inspiration dieses Umklappens liegt für mich darin, daß sie die Wandelbarkeit und die Zusammenhangs-Abhängigkeit von Genres und Modi betont, mit der man z.B. das Biotop (eigentlich Fabulatop :) ) der SF betrachtet.GrüßeAlex / molopersönlichers P.S.: Simi, Rezi folgt in den nächsten Tagen (hoffentlich †¦ hey, warum gibt es keinen "sich selbst in den Hintern tret"-Smily!!!).Und: ich überlege ernsthaft, ob ich mir in Zukunft Deine Todorov-Leiter zu eigen mache. Von meiner lästigen Praxis der Phantastik-Allgemeinsicht zu sprechen, werd ich wohl deshalb nicht abweichen; aber ich habe von Dir gelernt, öfter und deutlicher vom Wunderbaren zu sprechen, um meinen Phantastik-Begriff zu erläutern.P.P.S wegen Aliens und Dämonen: Zweiteren kann man ja auch naturwissenschaftlich zu Leibe rücken, indem man z.B. Halluzinationen oder eben "magisches Denken" entsprechend untersucht. Auch wenn ich großes Interesse und Sympathie für Engels-, Dämonen-, Elfen- usw Vorstellungen hege, ist mich ganz klar: Die Möglichkeit, daß auf anderen Planeten durch Evolution Aliens entstehen könnten ist etwas grundsätzlich anderes, als die Hervorbringungen "magischen oder mythischen Denkens". (Kryptisch umschrieben. Einerseits: Motten die in Gaslampen stürzen begehen eben nicht Selbstmord. Aber: Ideen und Vorstellungen können sich zu parasitären Memen/Glaslampen für die menschliche Vorstellungskraft/Triebe entwickeln.)

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#29 simifilm

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Geschrieben 10 Juli 2007 - 13:09

Daeniken ist ein Autor, der die Meinung vertritt, dass Ausserirdische die Erde besucht haben, und die sogenannte Prae-Astronautik begruendet hat. Vorab: ich habe das Buch nicht gelesen. Ich sehe hier keinen Widerspruch. Die Natur bietet viel Wunderbares und Bestaunenswertes, so dass auch Phantastisches und Zauberhaftes noch SF sein kann.

(Falls das nicht klar sein sollte: 'wunderbar' steht bei mir synonym für 'unrealistisch, mit unserem aktuellen Weltbild' nicht vereinbar). Zweifellos, aber es ist ein Unterschied, ob ein Film/Buch das a. als Bruch mit der Weltordnung inszeniert (supernatural horror), als b. etwas von unserer Welt abgekoppeltes (Fantasy, Märchen) oder c. als Teil/Verlängerung unserer Welt. Und gewisse Motive tragen die Modusmerkmale schon von Haus aus in sich. Bei einem Zauberstab denke ich zuerst mal an Märchen, bei einem Raumschiff an SF und bei einem Vampir an überantürlichen Horror. Du kannst natürlich jederzeit typsiche Horrormotive 'sciencefictiontalisieren', indem Du sie (pseudo)wissenschaftlich erklärst (Vampirismus als Viruserkrankung, Geister als andere Energieform, oder - wie in der neuen Star-Wars-Trilogie - die 'force' mit Midichlorians), aber da muss dann eben zusätzlicher Plausilbilisierungs- bzw. Naturalisierungsaufwand betrieben werden (Umgekehrt könnte man auch ein Raumschiff 'fantasyieren', indem man erklärt, dass es mittels Antigravitationszauber funktioniert, aber diese Variante ist wohl weniger geläufig).

persönlichers P.S.: Simi, Rezi folgt in den nächsten Tagen (hoffentlich †¦ hey, warum gibt es keinen "sich selbst in den Hintern tret"-Smily!!!). Und: ich überlege ernsthaft, ob ich mir in Zukunft Deine Todorov-Leiter zu eigen mache. Von meiner lästigen Praxis der Phantastik-Allgemeinsicht zu sprechen, werd ich wohl deshalb nicht abweichen; aber ich habe von Dir gelernt, öfter und deutlicher vom Wunderbaren zu sprechen, um meinen Phantastik-Begriff zu erläutern.

Na dann mach mal vorwärts. :) Todorov dient mir ja zu zwei Dingen: einerseits ist 'wunderbar' als Begriff einiges weniger problematisch als 'Phantastik', unter der jeder etwas anderes versteht, und dann lässt sich an Todorovs Modell - gerade auch wegen seiner Schwächen - schön zeigen, wo die Probleme bei einer Phantastik- und SF-Theorie stecken.

Signatures sagen nie die Wahrheit.

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