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Phantastik-Begriff


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445 Antworten in diesem Thema

#421 Theophagos

Theophagos

    Giganaut

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Geschrieben 04 Mrz 2008 - 16:27

Ich komme auf meine Lesart wegen dem hier:"Fantastika consists of that wide range of fictional works whose contents are understood to be fantastic."Wenn alle Literatur, die Verdrängtes behandelt, Fantastika wäre, dann müsste ein Roman, in dem es nur um 'perverse Pornographie' (Pädophilie, Sadismus etc.) geht ja schon dazu gehören: Offensichtlich gibt es in weiten Teilen der Gesellschaft diese Gelüste, aber sie dürfen nicht befriedigt werden und damit gehören sie zu dem Verdrängten. Ähnlich ist es mit dem Anitsemitismus: Etwa 20% der Deutschen sind latent Antisemistisch, würden dieses aber nur zögerlich bekennen, weil eine solche Haltung. Es ist ja eine Frage der Perspektive: Auch viele streng rationale Romane thematisieren das Übernatürliche: Doyles Holmes lässt das Rationale regelmäßig über das Irrationale triumphieren. Verdrängt wird der "Wert" des Übernatürlichen. Ähnlich ist es mit der Pädophilie und dem Antisemitismus. (Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich setzte Fantasy-Fans und Pädophile nicht gleich.)Theophagos
"Cool Fusion? What is 'Cool Fusion'?" - "As Cold Fusion is beyond our grasp, we should reach for something ... less ... cold. Cool Fusion."
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#422 molosovsky

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Geschrieben 04 Mrz 2008 - 17:12

Hi Theophagos.

Dass Clutes Definition des Phantastischen†¦

Fantastika consists of that wide range of fictional works whose contents are understood to be fantastic.

†¦auf ungeschickte Art selbstbezüglich ist, hast Du schon geschrieben.

Nimm diese Collage von Clutes Essay als Hinweis, warum ich ihn so les, wie oben zu erklären versuche (einige mir besonders markant dünkende Stellen hab ich hervorgeheben):

There is a beauty in the eighteenth century Enlightenment, but it is an Apollonian beauty, the beauty of the intensely described, a beauty achieved through refusal and exclusion and measure and argument.

Zwischenstopp. ›Argument‹ verweist auf die ›besprochene, verhandelte Rede‹, was die Alten ja ›Logos‹ nannten. Die nicht-hinterfragte, basta-mäßig einfach zu akzeptierende Redeweise der Alten nennt sich ja ›Mythos‹. †” Insofern meinte ich, dass ›Rationalismus‹ und ›Romantik‹ diesen ›Logos‹- und ›Mythos‹-Gegensatz neuaufführt.

Stories begin to surface which subvert the ordered world above; which contradict the closed mundanity of the work produced during the Apollonian Ascendancy; which say there is more to the world than the dressage of proper measure. These stories re-import all the old material, the irrational, the impossible, the nightmare, the inevitable, the haunted, the storyable, the magic walking stick, the curse; and through these reborn forms and strategies we sight, like stigmata surfacing through porcelain, the gross bodily parts of Dionysos, the repressed Twin or Doppelganger who mocks Apollo in his toga: just as fantastika itself apes and mocks and tells the terrible true understory of the world we of the West have entered.

{†¦}it is inherently difficult to understand the world: they tell us that the world is too difficult for Apollo, that reality escapes the ruler.

1750 †¦ from this point that science †” astronomy, physics, geology, biology †” begins to shape our understanding that we are a species on a rolling ball, that the past is deeper than we can conceive and that the future is going to rip us apart. {†¦} So science takes the ground from underneath our feet; and fantastika, with its heated and cartoon immediacy of response to instability and threat, responds instantly to the vertigo of this new knowledge. Fantastika vibrates to the planet. It is the planetary form of story.

{†¦} the engines of change represented by the scientific and industrial revolutions begin palpably to increase the speed of history, until it races. The planet begins to shake in the storm; change burns the soles of the residents; things alter so fast that we in the matured West are no longer able to sort our lives, which begin to haunt us.

Kurz: Clute spricht vom Zerbrechen des einheitlichen ›Weltbildes‹ das ersetzt wird durch einen ›Weltensturm‹. Fast möcht ich meinen, dass Clute hier eine allseits verbreitete Klage des modernen Menschen anstimmt: vor lauter Geschäftigkeit bleibt keine Ruhe zum Verweilen, zur Besinnung. Entsprechend entgleitet den Projekten-Treibern und den von Projekten Umhergetriebenen immer rasender das Jetzt und die Mitte. Zudem treffen von allen Ecken und Enden kommend neue Rückmeldungen darüber ein, wie die ganze moderne Schafferei aufgenommen wurde: und das ist eben nicht selten ein Raunzen und Protestieren.

Wiegesagt: das nur zusammenfassen auf ein ›der Glaube an das Übernatürliche verschafft sich Gehör‹ geht an Clutes Anliegen denke ich vorbei.

Grüße
Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 04 Mrz 2008 - 17:14.

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#423 Theophagos

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    Giganaut

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Geschrieben 04 Mrz 2008 - 17:58

Du meinst, Clute will sagen, dass Fantastika von Menschen geschrieben wird, die sich im "stahlharten Gehäuse" (Max Weber) der Moderne nicht zurechtfinden - bloß konnotiert er das Ganze nicht negativ?Theophagos
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#424 Dave

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    Hamannaut

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Geschrieben 04 Mrz 2008 - 18:26

Zwischenbemerkung:

Wer Lust hat, der möge doch seine Meinung zu Sternentanz (Appleseed) von John Clute abgeben. Das würde mich mal interessieren.
Das Buch ist ebenso nervtötend wie faszinierend, finde ich.
Hier gibt es einen älteren Thread.

#425 molosovsky

molosovsky

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Geschrieben 04 Mrz 2008 - 20:39

Hi Theophagos.

Ich kann nicht sagen, ob Clute was sagen wollte, was Max Weber mal schrieb. Ich hab Max Weber (noch) nicht en detail gelesen. Die von Dir zitierte Metapher von Weber ist trotzdem fein :lol:

Vielleicht zur Wiederholung noch mal Clutes Aufhänger: er hat den Vortrag am »Zentrum für Zukunfts-Studien« gehalten, anlässlich eines Kongresses zum Thema »Kulturelle Landschaften / Fiktionen ohne Grenzen«.

Sein Vortrag hieß: »Phantastik im Weltensturm«, und beginnt mit den Worten:
Ich werde darlegen, dass Geschichtenerzähler und Leser unseren Planeten* †” so wie dieser sich seit etwa 1750 zeigt †” hauptsächlich mittels des weiten Erzählungs-Spektrums der Phantastik betrachtet haben. **
* wohl im Sinne von: globalisierte Welt.
** Dass Clute aus ›fantastic‹ eben ›fantastika‹ drechselt, braucht man im Deutschen nicht nachvollziehen, oder legt hier jemand wert auf die neue Vokal ›Phantastika‹-Literatur?

Also, was Clute grob ablässt, wird bzgl. des letztens Jhds ja auch von Tom Shippey vertreten, dass da nämlich der vorherrschende Erzähl-Modus der des Phantastischen war.

Kurz: ich finde diese Feststellung der ›Dominanz‹ des phantastischen Modus seit dem Prozess der Gloablisierung durchaus zutreffend (oder anders herum: die Gloabilisierung brachte als Hauptströmung der erzählenden Literatur die Phantastik hervor). Es geht m.E. also um Wechselbeziehungen zwischen steigender Kontrolle und entsprechend steigendem Stress, und Auslebraum für Marginalisiertes, zu Kurz-Gekommenes (wo viel Licht, dort auch mehr Schatten, also mehr Kontrast †¦ oder so ähnlich).

Mittlerweile habe ich die oben auch verlinkte Erwiderung auf Clute von Hal Duncan einmal gelesen. Vieles, was bei Clute (wegen seines Essentialismus oder Schematismus) Wehwechen bereitet, nimmt Duncan auseinander und eröffnet erfreulich differenzierte Perspektiven aus das Problem der »Erzählerischen Grammatik«.

Duncan kommt aber auch wiederum mit einem neuen Begriffs-Vorschlag daher, nämlich, dass man, was Clute ›fantastika‹ nennt, doch besser ›strange fiction‹ nennen sollte, womit Duncan auch nur allgemein ›fantasy‹ im dt. Sinne von max. ›Phantastik‹ meint.

Duncan kümmert sich aber umsichtiger als Clute um verschiedene Plausibilisierungs- bzw. (un)Möglichkeits-Grade, untersucht auch, wie verschiedene ästhetisch-ethische Haltungen Texte prägen (wenn nicht nur ›könnte geschehen‹ sondern auch ›sollte geschehen‹ zum Zuge kommt), und spricht sich gerade was Fantasy angeht erfrischend dagegen aus, dieses Genre nur durch die Heroic/Epic Fantasy-Brille wahrzunehmen.

Grüße
Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 04 Mrz 2008 - 20:44.

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#426 Theophagos

Theophagos

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Geschrieben 04 Mrz 2008 - 23:57

Hallo Alex.

Kurz: ich finde diese Feststellung der ›Dominanz‹ des phantastischen Modus seit dem Prozess der Gloablisierung durchaus zutreffend (oder anders herum: die Gloabilisierung brachte als Hauptströmung der erzählenden Literatur die Phantastik hervor).

Dass die Entwicklung der Phantastik mit der Globalisierung zusammenhängt, kann ich nicht sehen. Globalisierung ist ein stetiger Prozesse, der mit der Verbreitung der Menschheit über die Kontinente beginnt und noch lange nicht am Ende ist und mal schnell voranschreitet und mal Rückschläge erleidet. Gewisse Eigenheiten, die gerne als negative Effekte der Globalisierung gekennzeichnet werden, hat es schon in der Antike und im Mittelalter gegeben. Ein Beispiel, mit dem ich mich gerade befasst habe, ist die Hanse. Entfremdete Arbeit & Aufsplittung der Produktionsprozesse gehörten zu den Kosten drückenden Maßnahmen: Dänische Fischer haben den Hering gefangen, Norwegische Frauen ihn mit Lüneburger Salz in Hamburger Fässer eingelegt und dann wurde er nach Westeuropa (England, Frankreich etc.) verkauft. Organisiert haben das die "wendischen Städte" (Lübeck etc.). Als im 13. Jh. das Kontor in Brügge wirtschaftlich und rechtlich eingeschränkt wurde, hat man Kurzerhand den Sitz in eine genehme Stadt verlegt. Das ist alles deutlich vor 1750 gewesen. Mag sein, dass du etwas anderes unter Globalisierung verstehst, aber jede Zeit wirtschaftlicher Expansion führt zur Schrumpfung des Raumes. Man kann natürlich argumentieren, dass mit dem Füllen der weißen Flecken auf der Landkarte ("Hier gibt es Drachen!") auch der Platz für Fabelwesen gestrichen wurde - aber auch für Lateinamerika wurden diese Flecken gestrichen, während von dort der Magische Realismus stammt. Ich glaube vielmehr, dass die Vermessung der Welt und Mimetisierung der Nordeuropäischen (und Nordamerikanischen) Literatur zwar korrelieren, aber nicht kausal von einander abhängen. Mir scheint beides Ausdruck einer "Verwissenschaftlichung" zu sein. Wenn du meinst, dass der Duncan-Text ergiebiger ist, dann sollten wir uns vielleicht dem zuwenden; es dauert allerdings ein bisschen bis ich die 17 Seiten gelesen habe. Theophagos

Bearbeitet von Theophagos, 04 Mrz 2008 - 23:58.

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#427 molosovsky

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Geschrieben 05 Mrz 2008 - 08:24

MoinMoin Theophagos.Geschichtliche Zusammenhänge auszurufen ist ja immer so eine Sache. Da liegt Protest und Widerspruch immer nahe. †” Außerdem habe ich ja unerhörterweise überhaupt erst den Begriff ›Gloablisierung‹ eingebracht, aber ich denke, dass er ganz gut trifft, was Clute z.T. meint.Ich selbst setzte den richtigen Beginn der terrestischen Globalisierung übrigens ca. mit 1519/1522 an, dann da wurde die Erde offiziell zum ersten Mal umrundet. †” Ich denke auch nicht, dass sich Globalisierung nur banal als ›Verbreitung der Menschen über die Erde‹ bezeichnen läßt.Wiegesagt: Zusammenhäge zu behaupten ist immer heikel. Dennoch würde ich sagen, dass es wohl Verbindungen gibt zwischen dieser Zeitenwende, als der Westen sich aufmachte und sich dort das moderne Denken entwickelte, der Gloablisierung, der Phantastik. †” Vielleicht ist dieses ›leichter solche Zusammenhänge sehen‹ aber auch meinem Hang zu einer maximal-phantastischeren Haltung geschuldet. Für mich ist nun mal echt immer nur die Welt unmittelbar um mich, die ich sehen, angreifen und manipulieren kann. Bei allem anderen, was indirekter auf mich kommt, beginnt für mich schon Phantastik im allerweitesten hyper-super-maximalistischen Sinne :) GrüßeAlex / molo

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#428 simifilm

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Geschrieben 05 Mrz 2008 - 16:05

Dass es einen Zusammenhang zwischen dem vorherrschenden Weltbild und der Frage, ob es Phantastik (im engen oder im weiten Sinn) gibt, scheint mir offensichtlich. Phantastik beinhaltet in jedem Film immer ein Moment des Unmöglichen, des Überschreiten dessen, was als normal/realistisch/etc. angesehen wird. Damit das möglich ist, braucht es aber zuerst einmal ein exklusives Weltbild, in dem bestimmte Dinge nicht möglich sind. Im Mittelalter ist das nicht gegeben. Die Welt ist das Werk Gottes und ausserhalb dieses Werkes gibt es nicht. Das mittelalterliche Wunder hat in diesem Sinne keinen phantastischen Charakter. Es mag nicht alltäglich, aber am Ende lässt sich alles wieder auf Gott zurückführen (selbst der Teufel ist ja Teil der göttlichen Ordnung). Wenn man hier also mal sehr schematisch mittelalterliches und neuzeitliches Weltbild gegeneinander hält, kann man sagen, dass Phantastik nur innerhalb des Letzteren möglich ist. Im Nibelungenlied fallen Dinge wie Tarnkappe oder Hornhaut durch Drachenblut nicht aus der Weltordnung, genau so wenig wie die Götter, Helden und Fabelwesen der griechischen Mythologie.Die Frage, wann denn der Übergang zwischen diesen beiden Weltbildern anzusiedeln ist, ist wiederum sehr schwierig, und hängt wohl vor allem davon ab, auf welchen Aspekt man sich konzentriert. Ganz allgemein lässt sich das sicher nicht datieren.Wie schon gesagt: Clutes Anfangsthese, dass die Phantastik eine Gegenreaktion auf die "Entzauberung der Welt" ist, halte ich für weitgehend unbestritten. Das muss gar keine ideologisch-unterfüttere Reaktion (wie etwa bei der Romantik) sein. Man kann ganz nüchtern feststellen, dass eine Geistergeschichte in einer Welt, in der es 'offiziell' keine Geister mehr gibt, etwas ganz Anderes ist, als in einer Welt, in der es ohnehin von Geistern wimmelt.

Bearbeitet von simifilm, 05 Mrz 2008 - 16:06.

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#429 molosovsky

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Geschrieben 06 Mrz 2008 - 10:21

Hi Simi.

Wie siehts mit dem ›hauptsächlich‹ bei Clute, wenn er meint, dass Geschichtenerzähler seit etwa 1750 ›hauptsächlich‹ in Form von Phantastik den Planten beschreiben?

†¦that story tellers and readers have seen our planet †” ever since it first became visible around 1750 †” primarily through the huge range of tales of the fantastic

Und so sauber einfach ›pan-phantastisch‹ in einem z.B. anti-rationalem, oder erkenntnisverschleiernden Sinne war auch im Mittelalter oder der Antike das Verhältnis zur Phantastik nicht. †” Es herrschte eben keine Einigkeit darüber, welche Omen und Wunderzeichen was bedeuten, oder von wem sie stammen. Es herrschte aber eine Kirche, die sich lange Jahrhunderte erfolgreich als Deutungshoheitsmacht behauptet hat. Das ist etwas leicht anderes.

Aber in der Moderne sieht es auch nicht so einheitlich aus, dass überall nur die ›Entzauberung der Welt‹ herrscht. Ganz und gar nicht. Viel Geld und Mühen werden ja dafür aufgewendet, die Tatsächlichkeiten wieder zu Verschleiern und Nebelschwaden in die Welt zu pumpen.

Man könnte den Vergleich wagen, dass das Schema sich in etwa so gewandelt hat:
früher gab†˜s die Wahrheit der Kirche und andererseits die abweichenden Wahrheiten der Ketzer;
heute gibt†˜s die Konsens-Gehege des Mainstreams und andererseits die abweichenden Spinnereien der Verschwörungstheoretiker.

In diesem Spannungsverhältnis spielt sich (neben anderem) Phantastik ab.

Grüße
Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 06 Mrz 2008 - 10:22.

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#430 simifilm

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Geschrieben 06 Mrz 2008 - 10:32

Hi Simi. Wie siehts mit dem ›hauptsächlich‹ bei Clute, wenn er meint, dass Geschichtenerzähler seit etwa 1750 ›hauptsächlich‹ in Form von Phantastik den Planten beschreiben?

Ich muss gestehen, dass mir nicht ganz klar ist, was Clute hier sagen will. Weder ist mir völlig klar, was "that story tellers and readers have seen our planet " meint (was heisst: "seen our planet"? Ist damit jede Art von Weltbeschreibung gemeint oder ein bestimmter Typ von Literatur, der sich irgendwie mit der Beschaffenheit der Welt beschäftigt), noch bin ich sicher, auf was sich "primarily" bezieht. Ich habe zwar keinen irgendwie gearteten Überblick, über die gesamte Literatur seit 1750, aber quantitativ scheint mir diese Aussage falsch. Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der Literatur der letzten 250 Jahre phantastisch ist (weder maximal noch minimal). Der mehr oder weniger 'realistische' Roman scheint mir eindeutig zu dominieren.

Und so sauber einfach ›pan-phantastisch‹ in einem z.B. anti-rationalem, oder erkenntnisverschleiernden Sinne war auch im Mittelalter oder der Antike das Verhältnis zur Phantastik nicht. †” Es herrschte eben keine Einigkeit darüber, welche Omen und Wunderzeichen was bedeuten, oder von wem sie stammen. Es herrschte aber eine Kirche, die sich lange Jahrhunderte erfolgreich als Deutungshoheitsmacht behauptet hat. Das ist etwas leicht anderes.

Von "anti-rational" oder "erkenntisverschleiernd" habe ich auch nicht gesprochen, das sind Wertungen, die Du ins Spiel gebracht hast. Um was es mir nur ging, ist dass im Mittelalter zumindest in unseren Breitengraden ein christliches Weltbild vorherrschte, und dieses ist nicht exklusiv, sondern umfassend. Es gibt nichts, was ausserhalb steht. Da kann man sich dann streiten, was genau ein göttliches Wunder ausmacht, aber es gibt keine Quelle des Wunderbaren ausserhalb der göttlichen Sphäre.

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#431 Theophagos

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Geschrieben 06 Mrz 2008 - 11:20

Simifilm: Um was es mir nur ging, ist dass im Mittelalter zumindest in unseren Breitengraden ein christliches Weltbild vorherrschte, und dieses ist nicht exklusiv, sondern umfassend.

Nun ja, so einfach ist es nicht: Mitteleuropa wurde im Frühen Mittelalter christianisiert, Skandinavien und Osteuropa im Hohen Mittelalter; die Reconquista Spaniens wurde erst - nach den klassischen Mittelaltergrenzen - in der frühen Neuzeit abgeschlossen, ob Katharer wirklich Christen waren, ist unklar und Juden hat es auch in nahezu allen Städten gegeben. In der Antike sind die Deutungshoheiten dann noch viel unklarer. Aber das alles ändert (meiner Ansicht nach) nichts am Punkt: Wenn der Odin-Anhänger erzählt, dass ein Thor einen Blitz in das Haus des neuen Gottes geworfen hat, dann erzählt er etwas über die Realität. Christen können dann kontern, dass Blitze ein Naturphänomen sind und nichts Göttliches sind; sie können dem Odin-Anhänger vorwerfen lügen zu verbreiten. Wenn Elb Legolas Orks mit Pfeilen perforiert, dann erzählt Tolkien nichts über die Realität - ihm vorzuwerfen, er verbreite Lügen, ergibt nicht viel Sinn. Mittelalterlichen Christen, die Odin für Nicht-Existent hielten, haben keine Geschichten über ihn erzählt - Tolkien, der nicht an die Existenz von Orks glaubte, erzählte Geschichten über sie. Theophagos
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Geschrieben 06 Mrz 2008 - 16:16

Hi Simi.

Um was es mir nur ging, ist dass im Mittelalter zumindest in unseren Breitengraden ein christliches Weltbild vorherrschte, und dieses ist nicht exklusiv, sondern umfassend.

Das ist ein Detail, bei dem ich so nicht zustimmen kann. Zumindest meine Lektüren was europäische Anthropologie angeht, summiert sich zu der differenzierten Ansicht, dass zwar bei den Eliten das christliche Überwog, dass sich Europa nie vollends, ja nicht einmal überwiegend, unter dem Deutungsschirm des Christentums versammelt hat. †” Da ließe sich das von Clute zitierte Wechselspiel zwischen der dominanten Weltsicht die Deutung- und Gestaltungsmächtig am Drücker sitzt, und denen sich der Kontrolle in Grauzonen und Nebelreichen ausweichend entziehen auf die Zeit vor um ca. 1750 verlängern. Das Christentum wird gerne mal in einer Einheitlichkeit dargestellt, die es so (zumindest meiner Lesart nach) nie hatte. Zu Clute trau ich mich versuchen zu klären, dass er sich eben auf das Darstellen der globalen Welt durch Geschichtenerzähler bezieht. Nicht nur ist eine ›strengere realistisch mimetische‹ Erzählhaltung vergleichsweise spät aufgekommen, sie hatte †” was die Quantität der Narrationsproduktion und -Kosummierung angeht †” m.E. auch nie die Oberhand (das Denken ›der Masse‹ ist immer mehr beim mythisch-phantastischen, denk ich zumindest). Den ›bürgerlichen Realismus‹ trau ich mich wiederum als eine ›Vorliebe‹ bestimmter Kreise einzuordnen; Milieus, von denen sich vielleicht mit einiger Berechtigung sagen läßt, dass sie selbstbewußteser und gestaltungsmächtiger sind als ›die Masse‹, die aber nicht die Mehrheit bilden. Hier wird die Frage zur Randständigkeit oder Dominaz der Phantastik zu einer Angelegenheit von Macht und Kontrolle, und wer Macht und Kontrolle hat, lässt sich ungern in die Karten gucken (was wiederum das phantastische Brodeln anheizt). †” Aber ich gebe zu: was die tatsächlichen Quantitäten von ›realitsischen‹ und ›phantastischen‹ Erzählweisen angeht, kann nur grob geschätzt werden. Hier können wir also bestenfalls Bauchgefühle austauschen :) Die Sache ist nicht einfach, denn hierzu müssten wir uns mit einer Intensität um eine praktikable, klarste Ab- und Eingrenzung des Begriffspaars ›realistisch‹ und ›phantastisch‹ einlassen, die ich so für gar nicht durchführbar halte. Interessant erscheint mir aber bei aller Vageheit von Clutes weiteren Ausführungen, dass sein Essay sein Schwergewicht beim Geschichtenerzählen und dessen Modi hat, bei Fragen dazu, wie man die Welt beschreibt, bzw. von den Versuchen, davon zu erzählen, wie sich in ihr leben läßt. †” Es fehlt m.E. nicht viel bei ihm, um rauslesen zu können, dass das literarische Erzählen selbst ein Gegengewicht zum Messen, Abwägen und Planen ist; ein Gegengewicht, dass auf mannigfache Fache mal dieses planvolle, kontrollierte in Besitz nehmen der Welt unterstützt (wenn Ideologien z.B. ihre mythischen Fundamente bilden), mal auf direktere oder indirektere Weise von den belastenden Folgen dieses ›Apollinischen Aufstiegs‹ erzählt. Grüße Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 06 Mrz 2008 - 16:22.

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Geschrieben 06 Mrz 2008 - 16:26

Hi Simi. Das ist ein Detail, bei dem ich so nicht zustimmen kann. Zumindest meine Lektüren was europäische Anthropologie angeht, summiert sich zu der differenzierten Ansicht, dass zwar bei den Eliten das christliche Überwog, dass sich Europa nie vollends, ja nicht einmal überwiegend, unter dem Deutungsschirm des Christentums versammelt hat.

Ich weiss jetzt nicht genau, auf was Du hier hinauswillst. Geht es Dir um eine Unterscheidung zwischen offizieller Version des Christentums und einem "Volkschristentum", oder willst Du darauf hinaus, dass die Mehrheit der Bevölkerung in Wirklichkeit Buddhisten oder Muslime waren? Um was es mir geht: Wenn im Mittelalter Geister, Hexen, Dämonen, Engel etc. sind das entweder Ausgeburten des Himmels oder der Hölle. Es gibt dazu kein alternatives System. Theophagos hat mit seinem Einwand natürlich Recht, dass das nicht überall zur gleichen Zeit die gleiche Religion war, dass also für ein Skandinavier vielleicht Thor und Co. die Rolle des christlichen Gottes einnehmen. Aber die ist letztlich gehupft wie gesprungen: In beiden Fällen sind das umfassende Weltbilder; es gibt nichts, was aus der Weltordnung fällt. Selbst wenn es zu Fusionen unterschiedlicher Götterwelten kam, es blieb bei einem allumfassenden Weltbild.

†” Da ließe sich das von Clute zitierte Wechselspiel zwischen der dominanten Weltsicht die Deutung- und Gestaltungsmächtig am Drücker sitzt, und denen sich der Kontrolle in Grauzonen und Nebelreichen ausweichend entziehen auf die Zeit vor um ca. 1750 verlängern.

Diesen Abschnitt verstehe ich nicht. Fehlt da irgendwo ein Verb?

Zu Clute trau ich mich versuchen zu klären, dass er sich eben auf das Darstellen der globalen Welt durch Geschichtenerzähler bezieht.

Was meinst Du mit "Darstellen der globalen Welt"?

Nicht nur die ›strengere realistisch mimetische‹ Erzählhaltung vergleichsweise spät aufgekommen, die hatte †” aus die Quantität der Narrationsproduktion und -Kosummierung †” auch m.E. nie die Oberhand. Diese Art von ›bürgerlichen Realismus‹ trau ich mich wiederum als eine ›Vorliebe‹ bestimmter Kreise einzuordnen; Milieus, von denen sich vielleicht mit einiger Berechtigung sagen läßt, dass sie selbstbewußteser und gestaltungsmächtiger sind als ›die Masse‹, aber eben nicht das Schwergewicht bilden. †” Aber ich gebe zu: man kann hier nur grob schätzen und der Sache nicht gerecht werden.

Wenn Du Dir all die Arztromane, Krimis und Liebesromanzen anschaust, die produziert werden (und auch all das, was im 19. Jhdt. im Rahmen guter Literatur für junge Frauenzimmer etc.), würde ich behaupten, dass mimetische Literatur klar in der Überzahl ist.

Bearbeitet von simifilm, 06 Mrz 2008 - 16:28.

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Geschrieben 06 Mrz 2008 - 17:14

Ganz schnell zum Satzunfall von mir, Simi.

Da ließe sich das von Clute zitierte Wechselspiel zwischen der dominanten Weltsicht die Deutung- und Gestaltungsmächtig am Drücker sitzt, und denen, die sich der Kontrolle in Grauzonen und Nebelreichen ausweichend entziehen auf die Zeit vor um ca. 1750 verlängern.

Verzeih die Konzentrationsschwäche (bzw. ich brauche eine neue Tastertur. An der hier sind zu viele Buchstaben bereits störrisch, und jedes Tippen wird zum Ringkampf).


Mit ›Darstellen der globalen Welt‹ übersetzte ich das was Clute mit ›planet †” ever since it first became visible around 1750‹ meint.

Wie gesagt: ich finde Clutes Datums-Setzung etwas obskur (weil er sie auch nirgends an Beispielen festmacht. Meint er Rousseau, oder die ab 1751 erscheinende »Enzyklopädie«? Er wird wohl kaum Robert Paltlocks Buch »The Life & Adventures of Peter Wilkins« meinen, das 1750 erschien, wohingehen ja Swift seinen Guilliver, glaub ich, schon um 1724 veröffentlichte). †” Und einer der für mich eminentesten Texte über die ganze Problematik, Sternes »Tristram Shandy«, fällt aber in Clutes Zeitmarke, denn diese erkenntnis- und sprachkritische Fabulations-Extravaganza erschien ja zwischen 1759 und 1767. Bis heute für mich paradigmatisch in seine Tiefe, was erzählerisch-mediale ›Abbildungs-‹ und ›Be-Schreibungs‹-Probleme angeht.




Wenn Du mit ›allumfassenden Weltbild‹ Misch- und Spielformen meinst, die alle mehr oder weniger Animismus gemein haben, dann hast Du natürlich recht, Simi. Dennoch halte ich die verschiedenen mit einander ringenden Strömungen Europas was EINE herrschende Weltdeutung angeht für zu mannigfach und widersprüchlich, um diese Formulierung von EINEM de fakto-vereinenden Weltbild akzeptieren zu können. †” Allein schon die Konsultierung von (eigentlich nicht-christlichen) Ärzten oder (nicht-christlicher) Astrologie durch Machthaber der Kirche selbst, macht diese Mär vom einheitlichen Weltbild für mich zunichte. †” Und auch schon in vorchristlicher Zeit regten sich erste Widersprüche zu einem ›mythisch-magischen‹ und dem Geisterglauben frönendem Weltbild und erste Ansätze eines materialistischen Naturalismus traten hervor.

Was Dein Einbringen von Arztromanen, Krimis und Liebesromanzen angeht: auch wenn die deutlich Abstand nehmen vom ›Wundersamen‹ (siehe aber: glückliches Happy End und entsprechende passende Zufälle) und sich auf eine realistischere Mimetik begrenzen †¦ würdest Du sagen, dass diese Erzählungen ›realistisch‹ sind, im Sinne von lebensnah und lebensecht? Oder sind diese Art von Erzählungen nicht vielmehr oftmals von einer leicht ›naiven‹ oder verträumten Lockerungen der tatsächlichen Lebenshärten geprägt? †” Romanze, wenn ich da z.B. auf die englische Begriffstradition guck, bezeichnet ausdrücklich NICHT realistische, sondern eben abenteuerlich überhöhte Erzählungen. Hier könnte man nun ansetzten und genauer schauen, wo z.B. ›unwahrscheinlich‹ und ›phantastisch‹ sich überschneiden, bzw. sich voneinander scheiden lassen. †” Ich persönlich finde es aber ganz praktisch, hier weniger den Text und seinen Bezug zur Tatsächlichkeit abzuklopfen, sondern vielmehr die solchen Texten innewohnenden Funktionen für ästhetisch-emotionelle Lesebedürfnisse anzuschaun. Und da lugt dann wieder mein hyper-super-maximalistischer Phantastik-Begriff ums Eck (ein Grund zum seufzen, ich weiß).

Wie man auch versucht, aus dem Labyrinth rauszukommen, man läuft nur immer noch weiter hinein.

Grüße
Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 06 Mrz 2008 - 17:31.

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Geschrieben 06 Mrz 2008 - 17:44

Ganz schnell zum Satzunfall von mir, Simi.
Mit ›Darstellen der globalen Welt‹ übersetzte ich das was Clute mit ›planet †” ever since it first became visible around 1750‹ meint.

Da verstehe ich eben nicht, was er hier konkrekt meint.

Wenn Du mit ›allumfassenden Weltbild‹ Misch- und Spielformen meinst, die alle mehr oder weniger Animismus gemein haben, dann hast Du natürlich recht, Simi. Dennoch halte ich die verschiedenen mit einander ringenden Strömungen Europas was EINE herrschende Weltdeutung angeht für zu mannigfach und widersprüchlich, um diese Formulierung von EINEM de fakto-vereinenden Weltbild akzeptieren zu können. †” Allein schon die Konsultierung von (eigentlich nicht-christlichen) Ärzten oder (nicht-christlicher) Astrologie durch Machthaber der Kirche selbst, macht diese Mär vom einheitlichen Weltbild für mich zunichte. †” Und auch schon in vorchristlicher Zeit regten sich erste Widersprüche zu einem ›mythisch-magischen‹ und dem Geisterglauben frönendem Weltbild und erste Ansätze eines materialistischen Naturalismus traten hervor.

Ok, dann eben andersrum: Dank des mir aufgezwungenen Studiums älterer deutscher Literatur kenne ich die mittelalterliche Literatur zumindest ein bisschen, und ich kann dazu so viel sagen: Egal, welche seltsamen Gestalten und Wesen da auftauchen - sei dies bei Brandan, im Nibelungenlied, im Alexanderroman oder bei Gregorius -, sie stellen nie "einen Riss in der Welt" oder eine Bedrohung oder Leugnung der Weltordnung dar. Sie mögen den Protagonisten erschrecken, ihm Probleme bereiten, vielleicht sogar im ersten Moment überraschen, aber sie sind sie nie ein Skandalon, das er nicht mit dem in Einklang bringen kann, was er schon weiss.


Was Dein Einbringen von Arztromanen, Krimis und Liebesromanzen angeht: auch wenn die deutlich Abstand nehmen vom ›Wundersamen‹ (siehe aber: glückliches Happy End und entsprechende passende Zufälle) und sich auf eine realistischere Mimetik begrenzen †¦ würdest Du sagen, dass diese Erzählungen ›realistisch‹ sind, im Sinne von lebensnah und lebensecht? Oder sind diese Art von Erzählungen nicht vielmehr oftmals von einer leicht ›naiven‹ oder verträumten Lockerungen der tatsächlichen Lebenshärten geprägt? †” Romanze, wenn ich da z.B. auf die englische Begriffstradition guck, bezeichnet ausdrücklich NICHT realistische, sondern eben abenteuerlich überhöhte Erzählungen. Hier könnte man nun ansetzten und genauer schauen, wo z.B. ›unwahrscheinlich‹ und ›phantastisch‹ sich überschneiden, bzw. sich voneinander scheiden lassen. †” Ich persönlich finde es aber ganz praktisch, hier weniger den Text und seinen Bezug zur Tatsächlichkeit abzuklopfen, sondern vielmehr die solchen Texten innewohnenden Funktionen für ästhetisch-emotionelle Lesebedürfnisse anzuschaun. Und da lugt dann wieder mein hyper-super-maximalistischer Phantastik-Begriff ums Eck (ein Grund zum seufzen, ich weiß).

Du kannst nicht ständig die Begriffe ändern. Von "lebensnah" und "lebensecht" war nicht die Rede. Ich sehe nicht, was es bringt, wenn Du "Realismus" (oder was immer Du auch als Gegenstück zur Phantastik setzt) so sehr einengst, dass am Ende keine Texte mehr darunter fallen. Wir können gerne einen anderen Begriff als "Realismus" (denn ich aus gutem Grund meist in Anführungszeichen setze) einführen, aber irgendein Gegenstück zum Begriff "Phantastik" muss es geben.

Wenn für Dich am Ende wieder alles 'Phantastik' ist, bitteschön, nur - wie ich in diesem Zusammenhang schon oft gesagt habe - gibt es dann gar nichts mehr zu diskutieren. Dann ist eben alles 'Phantastik' und Schluss. Für mich besteht ein klarer Unterschied zwischen einem Text, in dem sich lebende Bauernmädchen in lebende Grafen verlieben und die dann heiraten, und solchen, in denen lebende Bauernmädchen von toten Grafen heimgesucht werden.

EDIT: Noch zum Vorschlag, die "einem Text innewohnenden Funktionen für ästhetisch-emotionelle Lesebedürfnisse" zu untersuchen. Abgesehen davon, dass ich das generell für schwierig halte, wäre damit für die Phantastik-Frage nichts gewonnen. Das wäre ja nur dann relevant, wenn diese Funktion bei Phantastik immer gleich so wäre, was sie aber kaum ist. Insofern ist das eine Frage, die auf einer ganz anderen Ebene angesiedelt ist.

Bearbeitet von simifilm, 06 Mrz 2008 - 18:22.

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Geschrieben 06 Mrz 2008 - 20:21

Ich seh schon, derzeit kommen wir wieder mal keinen Schritt gemeinsam weiter, Simi. Ich hab nur versucht, dem Clute seinen Schwurbel mit eigenen Worten auszuwalzen, ohne nur zu kommentieren, dass er entweder eh nur Banal-Bekanntes oder eben Unklar-Schubladisierendes schreibt. Anscheinend schaffe ich es aber auch wirklich immer eher früher als später in einem Sumpf zu landen, wo ich mit meiner Meinung stecken bleib, ohne dass ich aus Deiner Widerrede groß schlauer würde, was Du denn nun im Detail meinst, Simi (außer dass ich Unsinn schwätz). Wegen den mittelalterlichen Literaturen: war von mittelalterlichen Literaturen die Rede, oder von einheitlichen christlichen Weltbild? Ist der plötzliche Blickwechsel Deine Rache für meine eingebrachten Begriffe ›lebensnah‹ in Sachen Arztromane? †” Trotzdem: wie gut können die von Dir angeführten alten deutschen Stoffe für das ganze Mittelalter stehen? Was ist mit den Sachen, die verschütt gingen oder vernichtet wurden, weil sie nicht ins christliche Herrschaftsweltbild passen? Was ist mit den christlichen Zurecht-Schreibungen der vorchristlichen Stoffe (eben vom Nibelungenlied z.B ). Da verliert sich doch jede klare Sicht auf die Sache in einem Schleier der Vergangenheit. ›Riss in der Welt‹ und so? Ja ist das denn für Dich DIE Sache an der man ›Phantastik‹ erkennt? Für mich nicht, bzw. seh ich vielmehr in der tatsächlichen Welt schon dauernd echte Risse, mit denen zurande zu kommen Menschen sich bemühen. †” Nebenbei: da steckt einer der schönsten Denkfehler von Clute in Sachen ›Fantasy‹ im Detail. Clute sagt, dass die Anfangssituation bei Fantasy schon ein Verlustgefühl ist, wenn die Welt als nicht mehr ganz empfunden/dargestellt wird. Duncan klamüsert ihm das auseinander, und ich hab mir auch gedacht ›falsch‹, denn bei der ›Fantasy‹ die Clute im Blick hat (Richtung Heroic, Epic), wird eben erstmal zumeist länger als gut ist eine Idyllik aufgezogen, die dann wiederum erst von finsteren Mächten bedroht wird. Zu Deinem letzten EDIT. Da bin ich dann nur noch verloren und finde keinen Halt mehr.

Abgesehen davon, dass ich das generell für schwierig halte, wäre damit für die Phantastik-Frage nichts gewonnen.

Warum schwierig und Was soll denn genau gewonnen werden?

Das wäre ja nur dann relevant, wenn diese Funktion bei Phantastik immer gleich so wäre, was sie aber kaum ist.

Warum müßte die ästhetisch-emotionelle Funktion immer gleich sein? Ist sie eben nicht (Trösten funktioniert anders als Aufstacheln usw.)

Insofern ist das eine Frage, die auf einer ganz anderen Ebene angesiedelt ist.

Bist Du noch so nett mir (und uns Thread-Lesern) zu verraten, was das für eine ›ganz andere Ebene‹ ist? Oder hab ich mich als zu dumm entblödet und darf das nicht mehr erfahren in diesem Leben? Ansonsten: ich gebe zu, dass es nervig ist, wie schnell mein Geschwurbel auf Seitenpfade führt. Ich für meinen Teil habe Clute soweit durch kommentiert. Ich werd beizeiten dann mal zu Duncans Erwiderung von Clute kommentieren, denn dort findet sich mehr beachtenswertes, als bei Clute. (Clutes Essay ist mehr so ein Zwischendurch-Happen.) Grüße Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 06 Mrz 2008 - 20:24.

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Geschrieben 06 Mrz 2008 - 23:07

Ok, molo ist beleidigt und wird pampig. Schade.

Wegen den mittelalterlichen Literaturen: war von mittelalterlichen Literaturen die Rede, oder von einheitlichen christlichen Weltbild?

Der Nebenast zum Weltbild im Mittelalter ging von der Frage aus, ab wann historisch überhaupt von Phantastik die Rede sein (ganz im Sinne Clutes). Dass es hierbei um Literatur geht, also um die Frage, wie sich dieses Weltbild in der Literatur niederschlägt, war für mich eigentlich klar. Das ist ja genau das, was Clute auch sagt, insofern verstehe ich Deinen Einwurf hier nicht recht.

Ist der plötzliche Blickwechsel Deine Rache für meine eingebrachten Begriffe ›lebensnah‹ in Sachen Arztromane? †” Trotzdem: wie gut können die von Dir angeführten alten deutschen Stoffe für das ganze Mittelalter stehen? Was ist mit den Sachen, die verschütt gingen oder vernichtet wurden, weil sie nicht ins christliche Herrschaftsweltbild passen? Was ist mit den christlichen Zurecht-Schreibungen der vorchristlichen Stoffe (eben vom Nibelungenlied z.B ). Da verliert sich doch jede klare Sicht auf die Sache in einem Schleier der Vergangenheit.

Wir können schon werweissen, was es da alles noch gegeben haben könnte, aber im Allgemeinen ist es sicherer, von dem auszugehen, das man auch tatsächlich hat.

›Riss in der Welt‹ und so? Ja ist das denn für Dich DIE Sache an der man ›Phantastik‹ erkennt? Für mich nicht, bzw. seh ich vielmehr in der tatsächlichen Welt schon dauernd echte Risse, mit denen zurande zu kommen Menschen sich bemühen.

Phantastik (sowohl der maximalistische als auch der minimalistische Ansatz) geht in jedem Fall von einer irgendwie gearteten "Realität" aus. Das heisst, es gibt etwas, was als normal/realistisch/etc. wahrgenommen wird, und etwas, das dem zuwiderläuft resp. ausserhalb davon steht. Wenn aber ein Bewusstsein für diese Unterscheidung fehlt, wenn Hexen, Teufel und Geister ebenso normaler Bestandteil der Welt sind wie Sonne, Schwerkraft und Apfelkuchen, fehlt der grundlegende Gegensatz, von dem jede Phantastikdefinition (mit Ausnahme Deines supermaximalen Ansatzes) ausgeht. (Tatsächlich ist's im Mittelalter noch vertrackter, da bereits die heute in der Regel unbestrittene Unterscheidung zwischen Fiktion und Tatsachenbericht damals so nicht existiert hat oder zumindest einiges unklarer war).

Warum schwierig und Was soll denn genau gewonnen werden?

Was gewonnen werden soll, muss ich Dich fragen, schliesslich meinst Du ja, dass dieser Ansatz ganz "praktisch" ist. Und schwierig, weil ich es für schwierig halte, "ästhetisch-emotionelle Lesebedürfnisse", die ja wohl primär beim Leser liegen, innerhalb eines Textes festzumachen.

Warum müßte die ästhetisch-emotionelle Funktion immer gleich sein? Ist sie eben nicht (Trösten funktioniert anders als Aufstacheln usw.)

Du hast diesen Begriff eingeführt, weil Du gemeint hast, es wäre praktischer, Phantastik nicht über den "Bezug zur Tatsächlichkeit" zu definieren, sondern über die den "Texten innewohnenden Funktionen für ästhetisch-emotionelle Lesebedürfnisse". Daraus schliesse ich,, dass Du der Ansicht bist, dass sich Phantastik so bestimmen lässt. Wenn sie sich nicht so bestimmen lässt, verstehe ich nicht, warum Du den Begriff hier bringst. Und wenn sie sich so bestimmen lässt, heisst das ja, dass die einem "Text innewohnend Funktion für ästhetisch-emotionelle Lesebedürfnisse" bei Phantastik immer gleich sein müsste. Oder nicht?

Bist Du noch so nett mir (und uns Thread-Lesern) zu verraten, was das für eine ›ganz andere Ebene‹ ist? Oder hab ich mich als zu dumm entblödet und darf das nicht mehr erfahren in diesem Leben?

Bislang ging es nach meinem Verständnis um die Frage, was Phantastik ist und wie sie sich zum jeweilig herrschenden Weltbild verhält. Die Frage, welche emotionale Funktion ein Text für einen Leser haben kann, spielt sich auf einer anderen Ebene, nämlich primär der der Rezeption ab.

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Geschrieben 06 Mrz 2008 - 23:57

Hi Simi.

Wenn beleidigt sein für Dich dadurch kenntlich gemacht wird, dass jemand daran verzweifelt, dass seine eigene Schwurbelei zu Missverständnissen und in Sackgassen führt, dann bezeichne mich als jemand, der beleidigt ist. †” Worauf ich keine Lust habe, ist, dass wir ewig um einen Seitenast ringen, wie die Frage, wie einheitlich annodunnemal mals welche Weltbilder waren. Meine Einschätzung ist Dir bekannt, das soll mir reichen.

Ansonsten seh ich halt immer wieder Probleme wegen†¦

einer irgendwie gearteten "Realität" aus.

Du hast meinen Ansatz mal mit dem Konstruktivismus verglichen. Ich ›glaube‹ halt nicht, dass man wirklich sinnvoll in Sachen Fiktionen und Medien und Kultur von ›einer Realität‹ reden kann. Bei Bewohner einander ähnlicher Milieus mag das vielleicht anngehen, von ›einer Realität‹ zu sprechen, aber ansonsten kann ich da nicht so recht mitgehen. Müssten wir vielleicht erst ausdisskutieren.

Bislang ging es nach meinem Verständnis um die Frage, was Phantastik ist und wie sie sich zum jeweilig herrschenden Weltbild verhält.

Wie ist das eigentlich, wenn ein Angehöriger des herrschenden Weltbildes, nennen wir ihn A, aus seinem Umfeld gerissen wird, und sich wieder findet in einem Umfeld, nennen wir es B, das einem nichtherrschenden Weltbild anhängt? Ist dann das Weltbild von A das phantastische in den Augen der B-Leute. †” Wie stellt sich das dann für einen Beobachter C dar, der keinem der beiden Weltbilder vollends zustimmt, sondern ein eigenes Gemisch mit Elementen von beiden als Weltbild pflegt. Ist der sowohl für A und B Anhänger eies phantastischen Weltbildes, bzw. die Weltbilder von A und B für C phantastisch?

Und wie kann C mit einem A oder B-Menschen reden, ohne sich als Depp hinzustellen?

Herr Clute. Ne Runde Amnesie wär mir jetzt ganz genehm. Ich will endlich vergessen im Fettnapf zu sitzen.
Grüße
Alex / molo

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Geschrieben 07 Mrz 2008 - 00:10

Hi Simi. Wenn beleidigt sein für Dich dadurch kenntlich gemacht wird, dass jemand daran verzweifelt, dass seine eigene Schwurbelei zu Missverständnissen und in Sackgassen führt, dann bezeichne mich als jemand, der beleidigt ist.

Beleidigt sein wird für mich durch unnötig unfreundliche Antworten kenntlich gemacht. Und Dein Post sah ich mehr als pampige Antwort an mich denn als Selbstkasteiung. Du hast eine Menge neuer Begriffe eingeführt, die ich kritisch hinterfragt habe, und dafür kriege ich dann solche Antworten: "Oder hab ich mich als zu dumm entblödet und darf das nicht mehr erfahren in diesem Leben?" Vielleicht war's nicht so gemeint, aber für mich klingt das sehr nach beleidigter Pöbelei.

Du hast meinen Ansatz mal mit dem Konstruktivismus verglichen. Ich ›glaube‹ halt nicht, dass man wirklich sinnvoll in Sachen Fiktionen und Medien und Kultur von ›einer Realität‹ reden kann. Bei Bewohner einander ähnlicher Milieus mag das vielleicht anngehen, von ›einer Realität‹ zu sprechen, aber ansonsten kann ich da nicht so recht mitgehen. Müssten wir vielleicht erst ausdisskutieren.

Ob diese eine Realität nun eine Konstruktion ist oder nicht, ist doch sekundär (und ich schreibe ja bewusst "einer irgendwie gearteten Realität") . Am Ende gehen die meisten Menschen von einer Welt aus. Und obwohl Du immer wieder betonst, wieviele konkurrierende Vorstellungen und Realitäten es gibt, werden dennoch die meisten Bewohner der westlichen Welt der Ansicht sein, dass die Schwerkraft überall auf der Erde herrscht, dass Menschen irgendwann sterben, dass man nicht sein eigener Vater sein kann etc. etc. Aber all diese Dinge haben wir ja längst besprochen. Es ist ja nicht mal relevant, ob eine Gesellschaft ein einheitliches Weltbild hat, es geht darum, auf welches Weltbild ein Text aufbaut. Und ja, für Phantastik braucht es ein Weltbild, in dem bestimmte Dinge unmöglich sind.

Wie ist das eigentlich, wenn ein Angehöriger des herrschenden Weltbildes, nennen wir ihn A, aus seinem Umfeld gerissen wird, und sich wieder findet in einem Umfeld, nennen wir es B, das einem nichtherrschenden Weltbild anhängt? Ist dann das Weltbild von A das phantastische in den Augen der B-Leute. †” Wie stellt sich das dann für einen Beobachter C dar, der keinem der beiden Weltbilder vollends zustimmt, sondern ein eigenes Gemisch mit Elementen von beiden als Weltbild pflegt. Ist der sowohl für A und B Anhänger eies phantastischen Weltbildes, bzw. die Weltbilder von A und B für C phantastisch?

A wird in der B-Welt Probleme kriegen ... Ehrlich gesagt verstehe ich das Problem nicht ganz. Wenn es um phantastische Texte geht, ist primär relevant, auf welches Weltbild ein Text aufbaut, in welchem Kontext er sich selber plaziert. Wenn ich einen mittelalterlichen Text lese und nichts über die Vorstellungen der Menschen damals weiss, komme ich vielleicht auf die Idee, dass dieser Text für die Leser damals den gleichen Status hatte wie Harry Potter für heutige Leser. Das war aber sicher nicht der Fall. Deshalb muss man einen Text eben immer im historischen Kontext zu verstehen versuchen.

Bearbeitet von simifilm, 07 Mrz 2008 - 00:20.

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Geschrieben 07 Mrz 2008 - 08:55

Moin Simi. Ich weiss halt nicht, warum Du bei jeder Gelegenheit von vorne beginnst mit Deinem ›eine Realität als Grundlage‹-Ansatz, der m.E. zimelich wenig erhellt, wenns um Fiktionen, Medien geht. †” Wenn Du dann auch noch Aussagen von mir begründungslos abtust, ohne erklärt zu haben zu haben warum, oder ohne auch nur ansatzweise nachgefragt zu haben, worum es mir geht, empfinde ich das halt als unfreundlich, bz.w fange panisch zu rudern und wirbeln an. †” Ich sollte es wirklich lassen, denn mein Begriffs-Instrumentarium ist im Vergleich zu Deinem schlicht nicht sicher genug, um für Deine Ansprüche zu taugen. Wenn Du schreibst†¦

Ehrlich gesagt verstehe ich das Problem nicht ganz.

Dann wird mir klar, dass wir wohl so schnell wirklich kein furchtbares Gespräch zusammenbekommen. Okey. Für dich drehen sich Romane um so Sachen wie Schwerkraft? Toll. Ich dachte immer, Fiktionen bedienen Leserbedürfnisse, die ich eben oben mal ästhetisch-emotionell genannt habe. Ich weiß ehrlich gesagt nix wirklich vom Status eines Mittelaltertextes, genauso wenig wie ich etwas vom Status des Töpferjungen für heutige Leser weiß (obwohl ich HP selber gelesen habe. Ich kann erstmal nur meine eigene Leseerfahrung wissen †¦ über die aller anderen kann ich bestenfalls vermuten und versuchen so darüber zu sprechen, dass man mich nicht für einen Trottel hält). †” Überhaupt ist ›Wissen‹ für mich da ein Wort, dass mir zu schnell, zu oft mit zu großer Sicherheit angewendet scheint. †” Wissen tue ich in dieser Hinsicht eines: es gibt eine materielle Wirklichkeit in der wir leben; aber die Menschen selbst, leben in kleinen Welten, die sie um sich tragen, in denen sie sitzen wie in Windeln. Und von diesen kleinen Welten bis zur materiellen Wirklichkeit gibts viele Zwischenstufen des (ich nenns mal) gruppendynamischen Meinungs- und Stimmungsklimas. Aber wiegesagt: ich habe nicht das Gefühl, dass ich gegen Deine Mauer der Begriffssicherheit an kann. (Nicht beleidigte, sondern geknickte, leicht deprimierte) Grüße Alex / molo

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Geschrieben 07 Mrz 2008 - 09:25

Moin Simi. Ich weiss halt nicht, warum Du bei jeder Gelegenheit von vorne beginnst mit Deinem ›eine Realität als Grundlage‹-Ansatz, der m.E. zimelich wenig erhellt, wenns um Fiktionen, Medien geht.

Ich war der Ansicht, dass wir nicht über Deinen super-maximalen Phantastik-Begriff sprechen, sondern über irgend etwas im Spektrum zwischen Todorov (Phantastik ist nur Unsicherheit) und dem maximalen Ansatz (Phantastik ist alles Seltsame). Dazu brauchst Du in jedem Fall ein Gegenstück "Realität". Wenn Du das nicht hast, weiss ich wirklich nicht, was Phantastik denn sein soll.

Wenn Du dann auch noch Aussagen von mir begründungslos abtust, ohne erklärt zu haben zu haben warum, oder ohne auch nur ansatzweise nachgefragt zu haben, worum es mir geht, empfinde ich das halt als unfreundlich, bz.w fange panisch zu rudern und wirbeln an.

Wo habe ich das bitte getan?

Ich sollte es wirklich lassen, denn mein Begriffs-Instrumentarium ist im Vergleich zu Deinem schlicht nicht sicher genug, um für Deine Ansprüche zu taugen.

Das kann ich nicht beurteilen, solange Du Deine Begriffe nicht erklärst.

Dann wird mir klar, dass wir wohl so schnell wirklich kein furchtbares Gespräch zusammenbekommen. Okey. Für dich drehen sich Romane um so Sachen wie Schwerkraft? Toll.

Nein, und das weisst Du auch genau.

Ich dachte immer, Fiktionen bedienen Leserbedürfnisse, die ich eben oben mal ästhetisch-emotionell genannt habe.

Das tun sie sicher auch- Bislang ging es in meinem Verständnis aber primär um die Frage, was Phantastik ist und wie sie funktioniert. Du hast Dich aus irgendwelchen Gründen auch immer wahnsinnig gegen den Begriff "Realismus" gewehrt, und dabei plötzlich die emotionalen Bedürfnisse des Lesers eingeführt, ohne dass mir wirklich klar wurde, was das mit der ursprünglichen Diskussion zu tun hat.

Ich weiß ehrlich gesagt nix wirklich vom Status eines Mittelaltertextes, genauso wenig wie ich etwas vom Status des Töpferjungen für heutige Leser weiß (obwohl ich HP selber gelesen habe. Ich kann erstmal nur meine eigene Leseerfahrung wissen †¦

Und das basiert wiederum auf bestimmtem Wissen, ohne das Du den Text gar nicht verstehen könntest.

über die aller anderen kann ich bestenfalls vermuten und versuchen so darüber zu sprechen, dass man mich nicht für einen Trottel hält). †” Überhaupt ist ›Wissen‹ für mich da ein Wort, dass mir zu schnell, zu oft mit zu großer Sicherheit angewendet scheint. †” Wissen tue ich in dieser Hinsicht eines: es gibt eine materielle Wirklichkeit in der wir leben; aber die Menschen selbst, leben in kleinen Welten, die sie um sich tragen, in denen sie sitzen wie in Windeln. Und von diesen kleinen Welten bis zur materiellen Wirklichkeit gibts viele Zwischenstufen des (ich nenns mal) gruppendynamischen Meinungs- und Stimmungsklimas.

Dennoch kannst Du Texte von Menschen, die in ihren eigenen kleinen Welten leben, verstehen. Warum ist das so? Weil einerseits gewisse Dinge in all diesen Welten gleich sind und weil Du andererseits in der Lage bist, aus dem Text auf die zugrundeliegende kleine Welt zu schliessen.

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Geschrieben 07 Mrz 2008 - 09:53

Wiegesagt, Simi. Ich denke wir kommen da derzeit nicht mehr zusammen. Der von mir gemeinte Absatz war der hier:

EDIT: Noch zum Vorschlag, die "einem Text innewohnenden Funktionen für ästhetisch-emotionelle Lesebedürfnisse" zu untersuchen. Abgesehen davon, dass ich das generell für schwierig halte, wäre damit für die Phantastik-Frage nichts gewonnen. Das wäre ja nur dann relevant, wenn diese Funktion bei Phantastik immer gleich so wäre, was sie aber kaum ist. Insofern ist das eine Frage, die auf einer ganz anderen Ebene angesiedelt ist.

Für schwierig halt ich das ja auch (und ich habe in der Diskussion um Clutes Text oft davon gesprochen, wie heikel diese, wie problematisch jene Aussage/Verkürzug von ihm ist), aber in diesem Absatz immst Du nicht nur vorweg, was ich mir event. noch denke zu diesem Problem, sondern Du tust es auch schlicht als ›ist was anderes als um was es hier geht‹ ab. †” Wie kannst Du da so sicher sein, wenn Du zuvor einige Male sagst, dass Dir Clute nix vermittelt, weil er für Dich dunkel bleibt.

Okey. Für dich drehen sich Romane um so Sachen wie Schwerkraft? Toll.

Nein, und das weisst Du auch genau.

Was soll ich genau wissen? Wie gesagt: ich steh da echt auf dem Schlauch bei dem, was DU willst. Die einzige Idee, die ich im Moment habe ist die: vielleicht gehen wir von unterschiedlichen Prämissen aus, die wir stillschweigend im Gepäck haben. Ich trau mich aber nicht zu spekulieren und schreiben darüber. Bin zu unsicher im Augenblick. Grüße Alex / molo Ach, Nachtrag mit einer kleinen Spekulation zu Prämissen

Dennoch kannst Du Texte von Menschen, die in ihren eigenen kleinen Welten leben, verstehen.

Die Frage, ob wir uns wirklich in andere Hineinversetzten und sie verstehen können, oder eben nicht, ist auch so eine Sache, die mal so mal so sehe. Kurz: ich glaube daran, dass die allermeisten Menschen sich gerne der Illusion hingeben, dass sie andere verstehen, und ich glaube daran, dass wir es meistens aber nicht tun, sondern mehr oder minder drauf pfeifen und hoffen, dass dennoch alles glatt läuft. Die Menschen reden allergrößtenteils gut- oder gleichgültig gelaunt aneinander vorbei. †” Wenn†™s gut geht, dann objektivieren und stutzen sich die Menschen gegenseitig geschickt genug zurecht, so dass sie im Guten miteinander auskommen. †” Abschweif: Wenn es ›Risse in der Welt‹ gibt, durch die das ›Unwirkiche‹ usw hereinbricht, dann haben m.E. hier ihre Heimat: sprich in der Desillusionierung unserer Schlechthinigkeiten. †” Das ist im Großen ja auch so eine Linie von Clute mit seinem ›Gefasel‹ über Doppelgänger, Amnesie, Örtlichkeit.

Bearbeitet von molosovsky, 07 Mrz 2008 - 10:04.

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Geschrieben 07 Mrz 2008 - 10:18

Für schwierig halt ich das ja auch (und ich habe in der Diskussion um Clutes Text oft davon gesprochen, wie heikel diese, wie problematisch jene Aussage/Verkürzug von ihm ist), aber in diesem Absatz immst Du nicht nur vorweg, was ich mir event. noch denke zu diesem Problem, sondern Du tust es auch schlicht als ›ist was anderes als um was es hier geht‹ ab. †” Wie kannst Du da so sicher sein, wenn Du zuvor einige Male sagst, dass Dir Clute nix vermittelt, weil er für Dich dunkel bleibt.

Wenn Du der Ansicht bist, dass diese emotionale Bedürfnissbefriedigung das ist, wovon Clute spricht, dann führ es doch bitte aus. In meinem Verständnis sprachen wir vom Zusammenhang von Weltbildern und Phantastik und nicht um den emotionalen Mehrwert, den ein Text dem Leser beschert.

Was soll ich genau wissen? Wie gesagt: ich steh da echt auf dem Schlauch bei dem, was DU willst.

Primär versuche ich Dich zu verstehen. Aus irgendeinem Grund wehrst Du Dich dramatisch gegen jeden Begriff von "Realität" oder "Realismus". Und in diesen Abwehrversuchen kommst Du mit ganz neuen Konzepten unterstellst Du mir dann, es ginge mir in Texten um Schwerkraft.

Die Frage, ob wir uns wirklich in andere Hineinversetzten und sie verstehen können, oder eben nicht, ist auch so eine Sache, die mal so mal so sehe. Kurz: ich glaube daran, dass die allermeisten Menschen sich gerne der Illusion hingeben, dass sie andere verstehen, und ich glaube daran, dass wir es meistens aber nicht tun, sondern mehr oder minder drauf pfeifen und hoffen, dass dennoch alles glatt läuft. Die Menschen reden allergrößtenteils gut- oder gleichgültig gelaunt aneinander vorbei. †” Wenn†™s gut geht, dann objektivieren und stutzen sich die Menschen gegenseitig geschickt genug zurecht, so dass sie im Guten miteinander auskommen. †” Abschweif: Wenn es ›Risse in der Welt‹ gibt, durch die das ›Unwirkiche‹ usw hereinbricht, dann haben m.E. hier ihre Heimat: sprich in der Desillusionierung unserer Schlechthinigkeiten. †” Das ist im Großen ja auch so eine Linie von Clute mit seinem ›Gefasel‹ über Doppelgänger, Amnesie, Örtlichkeit.

Die Möglichkeit, das wir uns zumindest teilweise in den anderen hineinversetzen und seinen Standpunkt nachvollziehen können, ist die Grundvoraussetzung jeder Form von Kommunikation. Wenn ich überhaupt keine gemeinsame Basis mit meinem Gegenüber habe, ist keine Kommunikation möglich. Und dazu passend: Ja, ich will verstehen, was Du mir sagen willst, aber durch Nichtausführen Deiner Ideen und pampige Einwürfe wird mir dieses Verstehen nicht erleichtert.

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Geschrieben 07 Mrz 2008 - 11:06

Hallo Simi. Deine letzte Meldung beruhigt mich, denn sie gibt mir das Gefühl, dass wir uns doch wieder aneinander annähern. (Nebenbei: Danke für die Geduld mit mir schrecklich emotionsgeladenen Schwurbler). Deine Aussagen über Kommunikation beruhigen mich, weil ich hier z.B. zu erkennen glaube, welche unterschiedlichen Prämissen, Blickwinkel unser Gespräch verwirren. †” Für mich ist funktionierende Kommunikation ein seltenes, deshalb kostbares Ideal, ein Sonderfall der nicht selbstverständlich ist. Meine Prämisse lautet aber eher, dass Kommunikation meistens eben nicht funktioniert; dass aber meistens dieses Nicht-Funktionieren unter den Tisch fällt. Die Reibungen die wieder beide immer wieder vorführen sind ein prächtiges Beispiel dafür, denn obwohl wir uns beide der deutschen Sprache bedienen, stehen wir zwei uns oft verständnislos gegenüber. Entgegen meiner früheren Ankündigung will ich noch mal genauer auf Clute zurückkommen, in der Hoffnung, dass mir das nun geschickter gelingt. Ich begrüße Clutes Gedankenwanderung, wenn er sagt, dass der Großteil der ›planetaren Betrachtung seit der Moderne ab ca. 1750‹ durch phantastische Erzählweisen von statten ging. Da kommt freilich mein begeistertes Phantastik-Fan-Sein zum tragen, und die Möglichkeit mich zu irren hab ich eingeräumt. Clute spricht insbesondere (A ) von den Problemen für ›aufrichtge Geschichtenerzähler‹ wenn es um das Erzählen/Beschreiben von Orten/Landschaften geht, die Stabilität, Verweil-Qualität haben, und (B ) spricht er das Problem an, wie sich für jene, die sich mühen stabile/bewohnbare Welten zu schaffen, das Verhältnis zum Geschichtenerzählen gestaltet. Seine zugrundeliegende Prämisse ist ja, dass nur instabile, krisengeschüttelte (Erzähl-)Welten fruchtbares Material für Geschichten abgeben. Das ist †” wie hier schon gesagt wurde, und dem stimme ich ja auch zu †” eine Binsenweisheit des dramaturgischen Einmaleins (»Die Bühne braucht Gegensätze, Konflikte«, sonst ist ja nix los). Die entscheidende Schlussfolgerung zu der Clute gelangt ist ja:

†¦that the active principle that must be dealt with in any modern novel set in the world storm today is amnesia, not recovery. This may not seem good cheer: but it is good to know your enemy.

Frei von mir übersetzt und mit Schlussfolgerungen angereichert also in etwa: Aufrichtige Geschichtenerzähler (die mehr erreichen, liefern wollen als ›bequeme Lügen‹) haben sich dem in der beschleunigten, komplexen Moderne waltenden Vergessen, Verdrängen zu stellen; und nicht etwa der ›Wiederherstellung‹ (von was genau?) zu widmen. Trotz aller formelhaften Vereinfachung und Verflachung, die er bei seiner ›morphologischen‹ Spielerei im Mittelteil aufführt, kommt Clute zu einem Resummee, dem ich zustimmen kann:

†¦the message that civlization costs, that the truth that makes us free is not identical to self-forgiveness; that civilisation is a constant wrestling with our longing to forget.

Auch hier finde ich den Bemerkung, dass dies ›banale Plattheiten‹ sind, nicht vollends unangebracht. Aber der Rahmen, den Clute da spannt, finde ich dennoch des Nachdenkens und der Wiederholung würdig, denn seine pessimistisch angehauchten Überlegungen treffen sich nun mal mit meiner Einschätzung, dass Kommunikation größtenteils in Unzulänglichkeiten, in Unfällen, in Ausgrenzung, in Verantwortungs-Vermeidung und Nicht-Verstehen mündet. †” Und Phantastik scheint mir hierbei ein sehr wesentlicher Begriff zu sein, denn in den ganzen Fragen nach ihrer ›Natur‹ und ihrem ›Wirken‹ stoßen wir als Autoren und Lesern auf diese der Kommunikation innewohnenden Spannungen, wenn es eben speziell um Probleme der Weltgestaltung geht. Wo ich mich Clute auch noch nahe wähne, ist seine (mehr oder minder stillschweigend vorausgesetzte) ideologische Konnotation des Begriffs ›Phantastik‹ (oder allgemeiner: ›Geschichtenerzählen‹). Indem wir Geschichten erzählen, hacken wir die Welt zurecht und laufen dabei sehr schnell Gefahr, zu sehr zu vereinfachen. †” Ich glaube bei Clute einen deutlichen Aufruf herauszuhören, dass Phantastik (oder Geschichtenerzählen allgemein) deshalb einen großen Wert hat (oder eben als Erzählmodus dominiert), weil sie als Zeige auf die Folgen dieser Zurechthackerei und der durch sie entstandenen blinden Flecken, Ausgrenzungen dient. †” So blöd und kritisch-gutmenschelnd das auch klingt: Phantastik läßt immer wieder die Risse aufklaffen und legt den Finger in die Wunde. Ich geh sogar soweit zu sagen, dass Phantastik dies auch dann tut, wenn sie deutlich auf Wiederherstellung und Trost setzt, denn dadurch wird ja wiederum wiederaufreissender Widerspruch provoziert (Beispiel: Wenn Tolkien als Trost die Eukathastrophe postuliert und den ›kleinen Leuten‹ zuzurufen scheint, dass es letztendlich Gottvertrauen ist, durch das sich die Probleme der Weltgestaltung besser überwinden lassen, als durch kontrolliertes Manipulieren der Dinge.) Kein Zweifel aber: Heikel und kritikwürdig aber finde ich Clutes Genre-Schubladen-Versuche. Grüße Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 07 Mrz 2008 - 11:13.

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Geschrieben 07 Mrz 2008 - 12:33

Deine Aussagen über Kommunikation beruhigen mich, weil ich hier z.B. zu erkennen glaube, welche unterschiedlichen Prämissen, Blickwinkel unser Gespräch verwirren. †” Für mich ist funktionierende Kommunikation ein seltenes, deshalb kostbares Ideal, ein Sonderfall der nicht selbstverständlich ist. Meine Prämisse lautet aber eher, dass Kommunikation meistens eben nicht funktioniert; dass aber meistens dieses Nicht-Funktionieren unter den Tisch fällt.

Vielleicht ist das ja nur eine "Glas halbvoll/Glas halbleer"-Geschichte ... Ich weiss ja nicht, wie Du das tägliche Leben meisterst, aber ich behaupte, dass der Grossteil Deiner alltäglichen Kommunikationsakte erfolgreich ist. Falls das nicht so ist, stelle ich mir das als ein sehr, sehr schwieriges Leben vor. :)

Die Reibungen die wieder beide immer wieder vorführen sind ein prächtiges Beispiel dafür, denn obwohl wir uns beide der deutschen Sprache bedienen, stehen wir zwei uns oft verständnislos gegenüber.

Siehst Du, auch das sehe ich genau anders rum, weil es sich hier nach meinem Dafürhalten um Fehlkommunikation auf relativ hohem Niveau handelt, und zumindest aus meiner Sicht vor allem an mangelnder Erklärung der eigenen Position liegt.

Ich begrüße Clutes Gedankenwanderung, wenn er sagt, dass der Großteil der ›planetaren Betrachtung seit der Moderne ab ca. 1750‹ durch phantastische Erzählweisen von statten ging. Da kommt freilich mein begeistertes Phantastik-Fan-Sein zum tragen, und die Möglichkeit mich zu irren hab ich eingeräumt.

Wie schon gesagt: Ich bin mir nicht sicher, was mit dieser 'planetaren Betrachtung' gemeint ist, ob damit ein bestimmter Typ von Literatur oder Literatur überhaupt gemeint ist; aber das ist etwas, was nur Clute selber erklären könnte.

Zu Deinen übrigen Ausführungen: Ich habe da inhaltlich gar nicht so viel zu einzuwenden, nur dass mir diese Art von Wertungen (Phantastik ist gut, weil sie dies und dies leistet) ziemlich fremd ist. Und das aus verschiedenen Gründen, aber primär weil ich nicht glaube, dass die Phantastik (wie immer sie auch definiert ist) eine bestimmte Funktion oder Wirkung hat. Das Phantastik im Sinne von Todorov immer auch auf die Relativität von Weltbildern hinweist, würde ich ich unterstützen. Aber wenn man von einem weiteren Phanatstik-Verständnis ausgeht, sehe ich das schon nicht mehr. Für viele Märchen, Fantasy und SF sehe ich das schon nicht mehr. Da tendiere ich dann lieber dazu, einzelne Werke anzuschauen, anstatt solche Globlaussagen zu machen

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Geschrieben 08 Mrz 2008 - 09:08

Puh, da hamm wir uns wieder in eine friedlichere Zone gebabbelt, was mich freut Simi. Ich bin wohl eher ein ›halb leer‹-Typ, und ich darf gar nicht zulassen hier über meine Vergangenwart und Gegenwart in Sachen ›Kommunikation im Alltag‹ zu reden, weil ich da meistens zu einem pessimistischen Resummee gelange (wie der bei »Schu des Manitu« sagt: Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden). †” Ich habe nur selten das Gefühl, das andere mich verstehen, wenn ich mal nicht-funktionsbezogenen Arbeits- oder Alltags-Orgakram rede.

†¦Fehlkommunikation auf relativ hohem Niveau†¦

Ohhh, das ist aber schöner Balsam ;) Undeutlich war ich ja in Sachen »Phantastik ist gut, weil†¦« denn gemeint ist bei all dem natürlich »Gute Phantastik ist gut, weil†¦« und ich deute auch Clute entsprechend, weil er ja lauter Beispiele anführt, von Sachen, die ihn offensichtlich begeistern. Grüße Alex / molo

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