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21 Antworten in diesem Thema

#1 Jürgen

Jürgen

    CyberPunk

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Geschrieben 13 Februar 2008 - 09:15

Hallo liebe Autorinnen und Autoren.Es ist mittlerweile eine Tradition bei diesem Wettbewerb, dass Autorinnen und Autoren einen eigenen Thread während der laufenden Abstimmung haben, in dem sie sich mit den Mitbewerbern unterhalten und Meinungen austauschen, aber auch Kritik an den Geschichten der Teilnehmer vornehmen dürfen.In der Vergangenheit war dieser Thread innerhalb des CAPCo.de immer der "heisseste" Treffpunkt, weil es teilweise zwischen den Autoren hoch her ging.Diese "Auseinandersetzungen" gehören einfach zu dem Wettbewerb dazu. Allerdings sind wir nicht böse, wenn einige Grundregeln für Forendiskussion auch hier eingehalten werden."Nur keinen Streit vermeiden" bleibt die Devise, aber mit bitte mit Stil und persönlichem Respekt vor den anderen Teilnehmern.Danke
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#2 Jakob

Jakob

    Temponaut

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Geschrieben 17 Februar 2008 - 23:12

Also, wenn ich es richtig verstehe, ist hier der richtige Ort, um mich über die Geschichten meiner MitbewerberInnen zu verbreiten. Drei davon habe ich bisher gelesen:"Schizophrenie für Anfänger" ist grundsätzlich eine schöne Variation eines klassischen Split-Personality-Krimi-Themas. Das Noir-Feeling ist natürlich typisch Cyberpunk und an sich könnte das stilistisch auch recht süffig sein. Insgesamt ist mir die Story aber zu holperig, was vor allen Dingen an den World-Building-Ambitionen liegt: In einer achtseitigen Kurzgeschichte muss ich nicht wirklich von dem Ring um die Erde und der missglückten Besiedlung des Mars erfahren, das lenkt von Story und Figuren ab. Außerdem verfällt die Story mir an diesen Punkten zu sehr ins Dark-Future-Klischee.Entweder, die Story müsste einen Großteil des Hintergrunds aussparen und sich wirklich aufs essentielle konzentrieren - oder sie müsste ein Roman sein.Trotzdem, habe ich ohne größere Ermüdungserscheinungen gelesen und war gut unterhalten, und das will schon eine Menge heißen!(Übrigens finde ich, dass der Titel anders lauten sollte - Schizophrenie ist nicht das Gleiche wie eine Multiple Persönlichkeitsstörung!)"Icegirl" fand ich runder und die Sexszene, die den Großteil der Story einnimmt, zwar nicht zutiefst innovativ, aber trotzdem (oder gerade deshalb?) ahem - mitreißend. Handwerklich also gute Arbeit. Der nüchterne Schluss ist natürlich enttäuschend (schließlich hat man eine große, dramatische und evtl. schreckliche Enthüllung erwartet), aber das soll ja wohl auch der Effekt sein - ein Downer nach dem Hochgefühl. Trotzdem, ein bisschen zu Hopplahopp und auch zu moralistisch kommt mir das Ende rüber. Und als kleine Randbemerkung: Der Begriff "rivalisierende Jugendbanden" greift für mich in einer Cyberpunk-Story irgendwie völlig daneben. Der ist mir doch allzu direkt aus dem konservativen Tageszeitungs-Sprech übernommen und passt so auch nicht zur Hauptfigur."Klick, Klick, Kaleidoskop" fand ich klasse. Gutes Erzähltempo (zum Ende hin vielleicht etwas gehetzt), eigenwillige, starke Bilder, und ein interessantes Konzept zum Thema Identität, das ich so noch nicht anderswo gelesen habe. Gibt's eigentlich sonst gar nicht viel zu zu sagen - absolut solide, gefällt mir bestens, und ich wäre kein bisschen böse, wenn die Story gewinnt!
"If the ideology you read is invisible to you, it usually means that it’s your ideology, by and large."

R. Scott Bakker

"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama

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#3 Jakob

Jakob

    Temponaut

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Geschrieben 18 Februar 2008 - 10:36

"The Me That You Know": Die Idee gefällt mir ganz gut, stilistisch finde ich die Story aber zu unausgereift. Gleich der zweite Satz ist eine ziemlich schwerfällige, grammatikalisch fragwürdige Konstruktion mit zwei Relativsätzen, von denen einer schwer in Bezug zum Hauptsatz zu bringen ist. Ich finde auch, dass man doch eher eine Spur "von" Fußabdrücken hinterlässt, und "die ruhige Gestalt" des Captains ist einfach zu viel des Guten, insbesondere, wenn sie gerade "einen ihrer Lieblingsdrinks" trinkt. Das ist irgendwie zu verwurschtelt, zu bemüht um literarische Komplexität, wo es zwei einfachere Sätze viel besser getan hätten.Dann gibt es aber auch wieder wunderbare Kleinigkeiten in den Dialogen - die Sache mit dem "Pong-Ball" ist z.B. amüsant und glaubwürdig. Aber warum sie verderben, indem man sie im nächsten Satz erklärt? Das wirkt wie Leserbelehrung. Entweder der Leser versteht die Anspielung oder nicht.Schließlich ist mir auch die Asteroiden-Verfolgungsjagd zu unglaubwürdig. Die Story versucht in meinen Augen eigentlich, einen Tonfall technischer Glaubwürdigkeit zu treffen. Dazu würde aber auch gehören, dass ein Asteroid nicht irgendwelche Kurswechsel vollführt, sondern schlicht und einfach geradeaus fliegt - es sei denn, er trifft auf ein Hindernis. Aber es ist nun wirklich mehr als unwahrscheinlich, dass ein Asteroid in kurzer Folge an mehrere Artgenossen prallt, selbst im Asteroidengürtel des Sonnensystems - der ist nämlich ganz sicher nicht im eigentlichen Sinne besonders dicht. Deshalb funktioniert die Schachspiel-Metapher in meinen Augen auch überhaupt nicht. Oder habe ich irgendeine Besonderheit, die es mit dem Ding auf sich hat, nicht verstanden?Auch das unglaublich unprofessionelle Captain-Ahab-Verhalten der Crew erscheint mir übertrieben.Das klingt jetzt nach ziemlich harscher Kritik, aber eigentlich finde ich, dass die Story sehr viel Potential hat. Die Idee ist gut, die beiden Hauptfiguren sympathisch, und die Drohung des abzusehenden Raumschiff-Katastrophenszenarios sorgt von Anfang an für Spannung. Der Teufel steckt hier im Detail - es würde sich in meinen Augen wirklich lohnen, noch ausgiebig an dieser Story zu feilen.
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R. Scott Bakker

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#4 Naut

Naut

    Semantomorph

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Geschrieben 18 Februar 2008 - 20:54

So, hier schlagen wir uns also gegenseitig auf die Köpfe? ;) Fein.

Beginne ich also mal mit dem Pornoreißer Icegirl. Durch eine bizarre Synchronizität habe ich vor ein paar Wochen eine Geschichte mit demselben Arbeitstitel begonnen, die aber zum Glück eine völlig andere Handlung hat (sonst müsste ich wohl mal ein paar CTs von meinem Gehirn machen lassen - nachher bin ich noch ein Präcog oder so). Aber zurück zur Geschichte: Die Sexszene ist natürlich geil - im wahrsten Sinne des Wortes. Zusammen mit dem Ende ergibt sich ein schlüssiges Bild. Darüber hinaus finde ich das ganze allerdings nicht so unglaublich originell: Porno und Splatter sind zwar die zwei Ausformungen künstlerischen Schaffens, die am unmittelbarsten, aber damit auch in ihrer Bandbreite und Nachhaltigkeit am meisten begrenzt wirken. Die Botschaft der Geschichte finde ich dadurch seltsamerweise bereits in unzähligen Softpornos wieder: Dass Abweichung von der sexuellen Norm zwar lustig & spannend sein mögen, sich aber auf lange Sicht nicht lohnen, weil sie eine wesentliche Komponente unterschlagen. Die Schmuddelfilmchen transportieren diese Message durch angeklebte Happy-Ends in monogamer Zweisamkeit, was offenbar einer Erwartungshaltung des Publikums entspricht. Die vorliegende Geschichte schlägt hier den Bogen in die andere, den Rezepienten frustrierende Richtung.
Wie gesagt, konsequent & funktionell, aber auch ein wenig langweilig.

Schizophrenie für Anfänger hat ein paar andere Probleme. Die Grundkonstellation ist durchaus interessant und in ihrer Überschaubarkeit, trotz der eher bekannten Pointe, dennoch lohnend. Aber die vorliegende Geschichte scheitert meiner Meinung nach an der doch eher rudimentären Psychologie der/des Protagonisten. Interessant ist ja nicht, dass hier jemand mordet, denn die Motivation wird mit einem schlichten "Weil er irre ist" zu kurz beantwortet. Interessanter wäre (für mich), was denn überhaupt in eine solche Situation führt, bei weitem interessanter als - Verzeihung - Infoquark über tote Marskolonien und orbitale Schrotthalden. Hier wirkt es auf mich, als wäre ein Kammerspiel an einer Spaceopera genäht worden, um dann naturgemäß etwas torkelnd voranzukommen. Aber mit etwas Mühe könnte man bestimmt viel aus der Geschichte holen!
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#5 thomas t

thomas t

    Yoginaut

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Geschrieben 18 Februar 2008 - 22:37

So, ich hab mir jetzt alle Geschichten reingezogen, da wird es Zeit, meinen Senf dazu zugeben. Rein subjektiv versteht sich. :D Bei einigen Storys sind mir massive Rechtschreibfehler aufgefallen. Leute, ich bin Legastheniker und wen MIR das auffällt ... Klar, es geht um den Inhalt und nicht nur die Rechtschreibung, aber man sollte sich schon einen Testleser zulegen, er auch auf die Rechtschreibung schaut.Existenzabstieg: Ein paar Ministorys, verbunden durch wichtige Kleinigkeiten. Auch wenn mich das an Existenz (keine Ahnung, wie man den Film wirklich schreibt) erinnert, ein interessantes Konzept. Aber hier wird es schnell langweilig. Schon nach der zweiten Geschichte habe ich mich gefragt: „Wie krepiert er jetzt?". Auch der Schluss kann mich nicht so recht überzeugen, was vielleicht daran liegt, dass die Welterklärung zu früh stattfindet. Schade.Icegirl: Cybersex, Fetisch und SM einfach geil. Respekt, dass du dir das traust. Trotzdem wirken die SF-Elemente sehr bemüht und kommen nicht natürlich rüber. Aber darüber sieh ich gern hinweg. Nur der Schluss hinterlässt bei mir einen schalen Nachgeschmack. Zu konservativ für diese Story. Ich hatte halb erwartet, dass sie von dem Typen gehackt wird, oder sonst etwas schlimmes mit ihr geschieht. Ein ganz großes Schade von mir.Klick, klick, Kaleidoskop: Einfach geil. Vor allem das Umschalten zwischen den Sichtweisen des Hauptcharas. Wirkt alles genauso schräg wie plausibel. Auch die Frau kommt glaubwürdig rüber. Bonny und Clyde auf der Flucht vor dem System. Nur der Kapuzenmann wirkt etwas platt, aber das tut der Story keinen Abbruch. Eindeutig einer meiner Favoriten. Vielleicht liegt das auch daran, dass ein Freund von mir ein ähnliches, wenn auch nicht ganz so radikales Kunstprojekt am Start hat.König der grauen Inseln: Für Antikrieg bleibt zu wenig im Kopf hängen. Viel Weltenbeschreibung, wenig Story. Mehr kann ich dazu nicht sagen.Lost inside: Schon der erste Satz ist anstrengend. Danach wird es auch nicht besser. An sich aber keine schlechte Idee. Der feuchte Traum eines Nerds/Otakus. Wirklich schade, dass du dich nicht so viel getraut hast wie die Autorin von Icegirl.Lucky: Die Geschichte ist eigentlich ein Drehbuch für einen Roman. Leider sind die Charaktere nicht ausgearbeitet. Wirklich schade finde ich das beim Detektiv. Der hätte zumindest einen Namen verdient. Du hast auch zu viele Storylines (ich glaub es sind 4) eingebaut. Zwei weniger hätte deinen Hauptcharas wirklich gut getan.Mother Net: Etwas verwirrend die Story. Vor allem check ich nicht, warum Mother in rauswerfen sollte. Aber gut, mit KI-Storys bin ich noch nie klar gekommen. Doch sie arbeitet im Kopf und das gefällt mir. Darum geb ich dir Außenseiterchancen.Rückkopplung: Noch eine KI-Story. Die ist aber ausgereifter als Mother Net. Aber ich musste sie ein zweites Mal lesen, bevor ich das hier schreiben konnte. Sie ist sang und klanglos durch mein Hirn gegangen ohne auch nur irgendetwas zu berühren. Da hätte mehr möglich sein sollen. Schade.Schaukasten: Das ist eigentlich mehr eine Hintergrundstory, aus der man ein paar tolle Geschichten machen könnte. Aber als eigenständige Geschichte doch zu platt. Der Schluss ist zwar plausibel, wirkt aber noch etwas konstruiert. Für SF wäre ein Bewusstseinstransfer cooler gekommen, als die doch ziemlich konservative chirurgische Anpassung. Schade.Schizophrenie für Anfänger: Abgesehen davon, dass der Hauptchara eine Persönlichkeitsspaltung hat und nicht Schizophren ist (dafür müsste er zB Stimmen hören) enthält die Story zu viel Weltenbeschreibung. Die Idee des Tubus gefällt mir. Auch wie der Hauptchara durch den Avatar scheint. Aber die Weltenbeschreibung ... damit hast du dir leider Platz für die Story genommen. So kommt der Krimi nicht in Schwung und Spannung nicht auf. Schade.Sein und nur Sein: Eine halbe KI-Story und endlich mal ein Bewusstseinstransfer. Die Charas sind gut ausgearbeitet. Cool finde ich, dass die KI menschlicher rüber kommt als der Mensch. Nur der Übergang zwischen dem Kreisen der Gedanken und dem Entschluss zum Besuch holpert heftig. Trotzdem wieder ein Favorit.Stuck With a Valuable Friend: Die witzigste Geschichte hier. Und das trotz der Verschwörungstheorie - geil. Das Auftauchen der zweiten Persönlichkeit ist sehr gut vorbereitet. Nur das mit der Hirnpartitionierung finde ich etwas umständlich. Jeder Hypnotiseur kann eine zweite Persönlichkeit installieren, wenn er nur genügend Zeit hat. Aber gut, sonst wärs keine SF. Definitiv ein weiterer Favorit.The Me That You Know: Wieder mal ein umständlicher Satz am Anfang. Das ist echt nicht gut für den Einstieg. Die Idee mit dem Delfin als Piloten finde ich an sich cool. Leider hat die Geschichte Logikfehler, in die man ganze Häuser bauen könnte. Die Jagd nach dem Asteroiden zum Beispiel. Oder die rechtliche Situation des Delfins. Etwas mehr Überlegung im Vorfeld hätte dem ganzen sehr gut getan. Schade.Toys: Was soll ich dazu schon sagen? Meine Story ist einfach die Beste :coool:Wie man sich ändern kann: Sehr verwirrend deine Story. Eine Tour de Force mit zu viel Pseudophilosophie á la GitS. Der Anfang kommt sehr gut, frisch und schnell. Aber der Übergang vom ich- zum du-Erzähler ist viel zu hart und macht das zunichte, was du mit dem Anfang aufgebaut hast. Irgendwie habe ich das Gefühl du hattest viel zu wenig Platz für deine Geschichte. Daher wirken wohl auch die Wendungen sehr konstruiert. Schade.Tja, das wars mit meinem kleinen Rundumschlag. Ich wünsche allen Beteiligten noch eine anregende CapCo! ;)
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#6 Muside

Muside

    Infonaut

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Geschrieben 19 Februar 2008 - 02:13

Nun, nach drei Jahren wird es langsam Zeit für einen ersten Platz für Niklas Peinecke. Da trifft es sich doch gut, dass seine Geschichte, verglichen mit dem Umfeld, diesmal über jeden Zweifel erhaben ist: Der Text lässt sämtliche Mitbewerber in jeder Hinsicht hinter sich, egal, ob in Bezug auf Idee, Handlung oder Stil. Wenn die Bewertung alleine nach solchen Aspekten erfolgen würde, wäre Klick, klick, Kaleidoskop schon jetzt der erste Platz sicher. Da der Qualitätsabstand dieses Jahr sehr deutlich ist, prophezeie ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Sieg.

Weitere Kandidaten:

König der grauen Inseln: Stil ist wie immer bei Christian Günther topp, und auch das Ende - wie immer - ein emotionaler Uppercut. Dass das Ganze in einem originellen Szenario spielt und die Figuren äußerst glaubwürdig herüberkommen, gereicht der Story ebenfalls nicht zum Schaden.

Icegirl: Nicht wirklich ein Kandidat, da das Thema 'Identität' meiner Meinung nach verfehlt wurde. Aber als Science Fiction-Geschichte ansonsten völlig überzeugend. Das Thema, die von direkten Sinnesempfindungen entkoppelte Sexualität, wurde konsequent und ohne Abschweifungen umgesetzt. Eine mutige, wenn auch nicht sehr tiefsinnige - aber immerhin sehr sinnliche - Story.

Sein und nur Sein: Eine sehr komplexe und intelligente Story. Mir gefielen hier vor allem der religiöse Subtext und das unentwegte Spiel mit den Doppelbödigkeiten der Motive aller Charaktere.

Stuck With a Valuable Friend: Diese Story verbucht für sich den großen Vorzug, plotweise relativ stark zu sein (was unter Amateurschriftstellern selten ist). Die Handlung schlägt immer mehrmals unvorhergesehene Richtungen ein, und die wechselnden Erzählperspektiven sorgen für Aufmerksamkeit beim Leser.

Toys: Das ist eine Geschichte voller guter Ideen. Und es sind echte Emotionen im Spiel, denn was wir hier miterleben, ist eine handfeste und glaubhaft herübergebrachte Tragödie. Von dieser Warte aus mit die stärkste Story im Wettbewerb.

#7 Naut

Naut

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Geschrieben 19 Februar 2008 - 21:37

Es mag daran liegen, dass ich gerade eben eine Folge "Angel" gesehen habe, aber Stuck with a valuable friend durchwehte für mich eine Brise Joss Whedon: die Story hat so eine Rockstar-Attitüde, dieses Umkippen von einer vertraut/unvertrauten Popkultursituation in eine bizarr-fantastische Konfrontation (ohne dass die Handelnden ihren Charakter einbüßen), das finde ich whedonesk. Sie hätten auch Cyborgs sein können, oder Vampire oder von sumerischen Göttern besessen, aber hier ist es eben ein Schläfer-SF-Konstrukt. Hinreißend!

(Die Geschichte braucht eine kleine Überarbeitung, weil zu Beginn ein paar Wendungen etwas zäh, ein paar Worte wiederholt sind. Tut dem Ganzen aber keinen Abbruch.)
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#8 Jakob

Jakob

    Temponaut

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Geschrieben 20 Februar 2008 - 00:02

Es mag daran liegen, dass ich gerade eben eine Folge "Angel" gesehen habe, aber Stuck with a valuable friend durchwehte für mich eine Brise Joss Whedon.

Das ist mit Abstand das schönste Lob, das ich jemals für eine Geschichte gekriegt habe! Jetzt kann kommen was will, ich bin glücklich ;)
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R. Scott Bakker

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#9 Jakob

Jakob

    Temponaut

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Geschrieben 20 Februar 2008 - 11:54

Bei "König der grauen Insel" bin ich ziemlich zwiegespalten: An sich eine schöne Stimmungsgeschichte, aber stilistisch ein klein wenig zu holperig, um den eigenen Ambitionen gerecht zu werden. Besonders einige Dialogstellen wirken sehr gestelzt, und teilweise wird die Moral auch zu dick aufgetragen.Andererseits eine sehr gelungene Pointe, die auch das Thema "Identität" erst wirklich ins Spiel bringt. Die Hauptfigur muss letztlich begreifen, dass sie selbst ein Produkt dessen ist, was sie hasst ... nicht unbedingt neu, aber als Motiv immer wieder gut.Eigentlich finde ich die Story überdurchschnittlich, aber irgendwie wirkt sie eben auch etwas zu bemüht.
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#10 Naut

Naut

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Geschrieben 20 Februar 2008 - 19:37

Wie man sich ändern kann von Benedict Marko war für mich eine der monströsesten, intensivsten Leseerfahrungen seit "Psyhack" - was sicher auch am ähnlichen Thema lag. Gegenüber früheren Geschichten bleibt der Autor hier sehr nah an seiner Figur. Das Ende ist eine wirklich interessante Kehre, die mich noch Stunden später beschäftigt hat. Für mich schon mal ein ganz heißer Favorit für den ersten Platz.
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#11 animoid

animoid

    Nochkeinnaut

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Geschrieben 22 Februar 2008 - 11:25

So, nun hab ich alle Geschichten einmal durch und will mein Gequake dazu auch mal loswerden.

Schizophrenie für Anfänger
Mich hätte an der Geschichte der Punkt interessiert, wo der gespaltene Kommissar sich selbst auf die Schliche kommt, da wo seine Identitätsbrüchigkeit einsetzt. Vom Stil her ists mir etwas zu statisch geraten, mehr Beobachtung und weniger Belehrung. Show, don't tell. Und was das ganze nun mit Schizophrenie zu tun hat...


The Me That You Know
Delfine in Raumschiffen? David Brin und sein Uplift-Zyklus lassen grüssen. Trotz des Motivklaus hab ich die Geschichte gern gelesen, weil sie so locker und humorig daher kommt und trotzdem Dramatik hat. Ich mochte den Gedanken, dass Psychologen in der Zukunft tendenziell ohne Job dastehen, hehe. Das NIN-Zitat hätte ich allerdings nicht gebraucht.


Wie man sich ändern kann
Sehr schwer, sich dem Präsens zu entziehen und dadurch wirken die Brutalo- und Ekel-Szenen doppelt brutal un dekelig. Aber die Geschichte hat definitiv Tempo, das mochte ich. Der Perspektivwechsel ist ein wenig holprig, schleudert einem die Metaebene mitten ins Gesicht.

Toys
Eigentlich mochte ich ja Peter, aber leider hat er kaum Charakter.
Stilistisch manchmal verwirrend und bemüht. Vom Thema her - Brüderchen rettet Schwesterchen - hat es mich an so manch fieses Märchen erinnert, der selbstbetrügerische Resetknopf am Schluss schafft eine gute Wendung.

Existenzabstieg
Rasantes Tempo, manchmal etwas umständlich formuliert, dadurch wird der Lesefluss wieder etwas gebremst. Dennoch sehr filmisch, manche Passagen haben mich an eine Kamerafahrt erinnert.

König der grauen Inseln
Schöne Bildsprache, sehr anschaulich und atmosphärisch, ich konnte gut in die Stimmung der Geschichte eintauchen. Die inneren Monologe und auch manche Dialoge kommen sehr heroisch und leicht angekitscht daher, da hätte es nicht geschadet, die Pathosschraube ein wenig runterzudrehen.


Teil 2 folgt gleich!
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#12 animoid

animoid

    Nochkeinnaut

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Geschrieben 22 Februar 2008 - 11:46

Schaukasten
Sehr nachlässig formuliert und mit vielen Worthülsen ("wenn man integriert ist, weiß man, wo man suchen muss, um zu erfahren was zu tun ist."), aus der Dialogform lässt sich sooo viel mehr machen. Die meiste Zeit bleiben die Charaktere für mich flach, da ist zu wenig Unterfütterung zwischen der ganzen wörtlichen Rede.

Stuck with a Valuable Friend
Ein sehr gefälliger Stil, der Humor wurde treffend gesetzt. Arme, dumme Journalistin. Eine meiner Favoritengeschichten.

Sein und nur Sein
Noch ein Favorit. Die beiden Figuren ergänzen sich gut & sind sympathisch und raffiniert charakterisiert, das Thema Identität wird um das Monsterthema Religion erweitert, sehr gelungen.

Klick, klick, Kaleidoskop
Der Mann, die Frau, das Roadmovie. Flucht und Suche nach Identität verknüpfen sich sehr gut, wie ich finde, das Kaleidoskopmotiv ist auch sehr passend. Sehr temporeich und mit gefälligem Humor. Yet another favourite!

Lost inside
Sehr tief ins Klischee gegriffen. Stellenweise holperig formuliert.

Lucky
Namen! Gib den Leuten Namen! Nicht nur "der Detektiv", "der Informant", "der Mörder". Das macht die Geschichte über das kosmische Glück eines Hundes stilistisch leider etwas klotzig.

Rückkopplung
Wenn man da einige Adjektive streichen würde, wäre es ein ganz gelungener Expeditions- oder Zustandsbericht. Der Name Müller-Lüdenscheid hat mich zu sehr an Loriot erinnert.
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#13 Naut

Naut

    Semantomorph

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Geschrieben 22 Februar 2008 - 21:55

Rückkopplung sehe ich eher in der Tradition älterer Phantastik oder der SF der 60er Jahre, der New Wave, mit ihren Konzepten des Inner Space. Allerdings ist es für New Wave dann formal schon fast wieder etwas brav.
Wo wir beim Thema Form sind: Stellenweise fand ich die SPO-Konstrukte etwas monoton zu lesen.
Am Schluss dann als Auflösung eine Upload-Variante, in ihrer atechnischen Konzeption eher "Tron" als "Neuromancer". Insgesamt hat mich die Geschichte damit recht gut unterhalten, aber von den Füßen gerissen hat sie mich auch nicht gerade.
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#14 Jakob

Jakob

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Geschrieben 23 Februar 2008 - 15:45

"Rückkopplung" hat mich leider nicht überzeugt. Das liegt weniger an den Fragmenten (die ich, von ein paar kleinen Ausrutschern und der allzu breiten Bemühung klischeehafter Metaphern im ersten Absatz einmal abgesehen, sehr gelungen finde), und mehr an dem ausgedehnten Infodump am Ende, der die aufgebaute Atmosphäre des Rätselhaften zerstört. In meinen Augen sind solche Fragmentgeschichten möglich, dann müssen sie aber Puzzlecharakter haben, sich langsam zusammensetzen und im Kopf des (aufmerksamen!) Lesers auskristallisieren. Das kann ein echtes Aha-Erlebnis sein. Hier bleibt es dagegen bei einer Abfolge interessanter kleiner Fragmente, deren Anzahl und Verteilung aber letztlich unbedeutend bleibt, da die Erklärung nachgereicht wird und die Lektüre des Vorangegangenen zum Verständnis völlig unnötig ist.Eine sorgfältigere Strukturierung oder eine plotlastigere Geschichte hätten bei dem sehr bildhaften und eindrücklichen Schreibstil allerdings sicher zu einem beachtenswerten Ergebnis geführt!
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R. Scott Bakker

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#15 Christian Günther

Christian Günther

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Geschrieben 26 Februar 2008 - 14:31

Hier nun meine kurzen Kommentare zu den Stories, die ich bisher gelesen habe.
So richtig begeistert bin ich ehrlich gesagt noch nicht, lassen sich doch zu viele der Stories auf die zwei Grundkonzepte
"verloren im Cyberspace" und "2 Geister teilen sich ein Gehirn" herunterbrechen.
Und was mir auffiel: Oft wird versucht, zusammenhanglose Szenen durch fragmentarische Erzählweise zu rechtfertigen. Dies mag ja typisch für den Cyberpunk sein, aber es sollte unbedingt auch Sinn ergeben und nicht nur verschleiern, dass es gar keinen Handlungsfaden gibt.


Existenzabstieg
Viele Fehler und unschöne Formulierungen haben mir etwas den Lesespaß getrübt (wobei "Lachend schnellte mein Ellbogen nach hinten" und "Ich bekomme mein Geld und die Leute, die auf mich gewettet haben" schon herrliche Stilblüten darstellen).
Eine richtige Story ist es irgendwie nicht, es gibt ja im Grunde keine greifbare, handelnde Person, nur einen Geist, der hilflos durch die virtuellen Ebenen geschleudert wird, ab und an mal zweifelt, aber nicht wirklich Profil bekommt.
Das Ende war irgendwie klar, würde aber in seiner jetztigen Version durchaus als Endszene für eine Folge aus "Twilight Zone" taugen.

Wie man sich ändern kann
Ich wette, der Autor ist Rollenspieler. Nicht nur wegen der Magic-Karten, sondern wegen des Konzeptes, einen Menschen auf sieben Zahlen zu reduzieren.
Ganz nette Idee, die Auflösung am Ende fand ich dann aber recht platt.
Im Grunde hat Guido Seifert in seinem Kommentar zur Story schon alles gesagt (auch wenn ich da zum Teil erstmal eine Anleitung zu brauchte :wine: ).

Stuck with a valuable Friend
Die Story hat eine schöne, greifbare Atmosphäre, sowohl Personen als auch Umgebung wirken "echt".
Trotzdem fand ich sie gegen Ende hin zunehmend schwächer, weil ich durch die Perspektivwechsel nicht sauber durchgestiegen bin und ich auch das Konzept der "2 Geister teilen sich ein Gehirn"-Story nicht besonders originell finde.

Lucky
Hier hatte ich arge Probleme durchzusteigen. Zu viele Absätze, Schauplätze und Personen werden aneinandergereiht, pseudomysteriös, bis alles zu einem Brei verschwimmt und mich die Auflösung auch nicht mehr so richtig packen kann.
Ist mir insgesamt viel zu konstruiert und seelenlos.

Mother Net
Diese Story gehört in die Kategorie "verloren im Cyberspace", neben dem "2 Geister teilen sich ein Gehirn" die zweite Grundidee, die beim diesjährigen Wettbewerb gehäuft vorkommt.
Auch hier fehlt mir die Seele, der Bezug, die Menschlichkeit (oder Unmenschlichkeit) die mich in die Geschichte saugt und mit den Figuren mitgehen läßt.

Rückkopplung
Geist im Netz, ja, okay. Und dann? Auch hier finde ich leider nur eine Idee, keine Story. Ein paar fragmentarische Bilder und eine Erklärung am Ende, was das alles soll - nee, das ist mir zu wenig.
Dass Motörhead vorkommt, gibt bei mir nen Pluspunkt.

Klick, klick, Kaleidoskop
Ja, schreiben kann er, ganz klar. Stilistisch einwandfreie Geschichte, wobei mir auch hier eine gewisse Distanz im Wege steht. Liegt vielleicht auch daran, dass ständige Persönlichkeitswechsel eine Identifikation mit der Hauptfigur ziemlich, nun ja, erschweren.
Im Grunde eine Variation des "2 Geister teilen sich ein Gehirn"- Themas, die Motivation und Begründung des Ganzen sind nicht übel.

Icegirl
Nun sind wir wieder "verloren im Cyberspace". Eine saftige Sexszene. Mehr eigentlich nicht, alles was drumherum gruppiert wurde, verblasst eigentlich neben dem Hauptteil.

Der Rest folgt...

#16 Christian Günther

Christian Günther

    Cybernaut

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Geschrieben 02 März 2008 - 12:56

Hier meine weiteren Kurzkommentare zu den übrigen Stories:

Toys
Hier stimme ich ziemlich mit Franks Meinung überein: Die Idee finde ich klasse, die Ausführung dagegen etwas holprig. Auch mir hat das hübsche Gimmick der Manga-Tattoos sehr gefallen. Wenn diese Story nochmal gründlich überarbeitet wird, hat sie echt Potential.

Sein oder nur sein
Puh, nicht ganz leicht zu lesen. Ich hatte anfänglich Probleme, mir zu merken, wer wer ist, was virtuell und was real ist.
Insgesamt hats mich nicht richtig gepackt, dafür blieben mir die Figuren über die gesamte Strecke zu fremdartig.

Schaukasten
Das Ende habe ich nicht ganz geblickt. Will der Dicke jetzt dem Interviewten seinen Körper anbieten? Und was ist dann die Moderatorin? Ein Android? Ein Hologramm?
Hm. Dazu kommt, dass für die Story, die von der Idee her gar nicht übel ist, meiner Meinung nach die Interviewform ungeeignet ist. so kommt der gesamte Inhalt doch sehr doziert und leblos daher.
Dazu kommt, dass Interviewteile und Fragmente mit direkter Handlung ohne Trennung ineinander übergehen. Das hakt.

Lost Inside
Das habe ich schon tausend Mal gelesen, glaube ich. Dicker, häßlicher Typ flüchtet in den Cyberspace, stirbt in der Realität und existiert fortan virtuell.
Aber da ich selbst auch schon sowas geschrieben hab, halt ich lieber die Klappe.

The me that you know
Okay, mal wieder die altbekannte "lost in cyberspace"-Nummer. Diesmal aber mit einer interessanten Variation, Delfine als Anspielung auf Gibsons Johnny Mnemonic (?), Weltraum-Setting.
Hab ich gern gelesen. NIN fand ich auch überflüssig, aber so überflüssigen Kram baue ich selbst auch immer ganz gern ein, deshalb hab ich dafür volles Verständnis :huh:

Schizophrenie für Anfänger
Kalt, klinisch, sperrig. Wie das Setting, so die Story. Schöne Ideen für den Hintergrund, krimiartige Handlung - aber insgesamt eigentlich nix Neues.

So, das wars erstmal dazu von meiner Seite. Mag teilweise etwas hart klingen, aber wir sollen hier ja kein Blatt vor den Mund nehmen.
Insgesamt ists gerade recht ruhig geworden beim CapCo.de, ich hoffe es kommt bald wieder Leben in die Bude!

Bearbeitet von Christian Günther, 02 März 2008 - 12:58.


#17 Naut

Naut

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Geschrieben 05 März 2008 - 21:35

The me that you know: Ich sollte erwähnen, dass ich ein großer Fan von NIN bin, außerdem David Brins "Sternenflut" ziemlich gut finde und die Delphinszene in "Johnny Mnemonic" auch genial finde. Deshalb kann ich diese Geschichte gar nicht schlecht finden. Die Grundidee - gelifteter Delphin als Captain o' the ship - ist anbetungswürdig.
Auf der anderen Seite stimmt fast alles, was an der Geschichte kritisiert wurde: FTL + Gravitationsgeneratoren sind hier einfach überflüssiger Mist, warum nicht gleich Telekinese und Gandalf; die Story kommt zu Anfang schwer in Gang, was auch an den zuweilen etwas verschwurbelten Satzkonstrukten liegt; und ich empfehle dem Autor dringend Nachhilfe in Astronomie und Physik: Asteroidenfangen ist nicht schwer, denn die Dinger ändern nicht so einfach ihre Bahn, und zum Einfangen ist letztlich nur die Relativbewegung relevant. Das heißt, wenn man einmal das Schiff halbwegs mit dem Kurs des Brockens sychronisiert hat (was jeder 8-Bit-Rechner kann), dann ist das so, als versuche man mit einem Dreirad in die Garage zu fahren. Genau. Nicht so schwer. Das Hauptproblem ist eher, überhaupt einen Asteroiden zu finden, denn entgegen der SciFi@RTL2-Meinung kann man sich sehr gut mitten im Gürtel (egal ob Asteroiden- oder Kuiper-Gürtel oder Oortsche Wolke) befinden und nirgends ein Steinchen sehen, so dünn sind diese Gebiete bestückt.
Aber mit etwas Arbeit wäre das alles auszuräumen, und das würde lohnen, denn die Idee ist gut!
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#18 Naut

Naut

    Semantomorph

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Geschrieben 07 März 2008 - 22:09

König der grauen Inseln besticht durch ein tolles Szenario. Darüberhinaus fand ich die Geschichte etwas handlungsarm, wobei ja durchaus Handlung da war: Ein Boot kommt, er macht sich auf, usw. aber aus irgendeinem Grund konnte ich diese Handlung nicht richtig miterleben.
Abgesehen davon gibt es wirklich nichts zu meckern. Die Idee und die restliche Umsetzung sind nämlich wirklich gut.
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#19 Jakob

Jakob

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Geschrieben 11 März 2008 - 10:47

Mal sehen, ob ich noch alle schaffe ...
jetzt habe ich gerade "Existenzabstieg" gelesen. Die Szenen sind zwar alle für sich genommen dynamisch erzählt, aber ich störe mich doch arg an zahlreichen viel zu umständlichen Sätzen: "Mehrmals gehe ich mir mit meiner Zunge über meine kaputte Lippe." Wie wär's einfach mit: "Immer wieder fahre ich mir mit der Zunge über die kaputte Lippe." Man muss auf deutsch keine Possesivpronomen für Körperteile verwenden, das ist ein in diesem Fall wirklich mal völlig überflüssiger Anglizismismus, der meistens nur zu unnötigen Satzflusshemmern und Wortwiederholungen führt!
Was mich auch wahnsinnig stört sind Sätze wie "der Firmenchef unserer Agentur möchte ihnen um vier persönlich für ihre Gewinn bringende Börsenspekulation danken." Dieser Firmenchef hat doch wohl einen Namen, oder? Würde die Sekretärin dann nicht diesen Namen verwenden an Stelle einer umständlichen Umschreibung, die offensichtlich nur dem Zweck dient, dem Leser das Setting zu erklären? Noch unglaubwürdiger ist dann die Formulierung "Gewinn bringende Börsenspekulation". Warum sollten sich leitende Bankangestellte (oder was auch immer das für Leute sind) der Sprache ihrer Kritiker bedienen? So wenig ich mich mit "Börsenspekulation" auskenne, ist das Wort selbst wohl kaum eines, das im Fachjargon eine irgendwie näher bestimmte Handlung bezeichnet. Dabei hätte hier wirklich ein winziges bisschen Recherche genügt, um irgendeinen ansatzweise glaubwürdigen Ersatz zu finden ("... möchte ihnen persönlich für die gelungene Übernahme von NovoTrans Industries danken", oder so.) Kurz: Der ganze Satz ist eine einzige Worthülse, eine allgemeine Mitteilung an den Leser, die keinen Wirklichkeitseffekt erzeugt, weil es ihr an arbiträren Details (Namen, genauen Bezeichnungen von Tätigkeiten) fehlt.

Schließlich fühlte ich mich in der Mitte dann noch, als ob ich direkt von "Fight Club" in "Terminator" wechsele, was wenig Originalität vermittelt.

Sorry, aber obwohl einige Passagen durchaus ganz schön abgehen, hinterlassen sie im Kontext der Geschichte dann letztlich eher den faden Beigeschmack der Effekthascherei.
"If the ideology you read is invisible to you, it usually means that it’s your ideology, by and large."

R. Scott Bakker

"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama

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#20 Jakob

Jakob

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Geschrieben 11 März 2008 - 11:30

"Sein und nur Sein" finde ich gelungen. Die Pointe ist gut aufgebaut, nicht absehbar, aber doch vorbereitet, die beiden Figuren klar und interessant gezeichnet. Mir schlägt die Geschichte (wie Guido Seifert ja schon bemängelt hat) am Ende zwar auch ein bisschen zu stark in Richtung "transzendente Moral" aus, aber sie zwingt einem die Position Ludwigs auch nicht auf - man kann sich durchaus entscheiden, sowohl Jenn als auch Ludwig kritisch zu betrachten.Doch trotz zahlreicher sehr gelungener Beschreibungen und eines hervorragenden Storyaufbaus - auch hier wieder nervige Stilblüten. An einer Stelle heißt es etwa, dass Ludwig "Worte zwischen den Lachern hervorbringt", eine wirklich scheußlich unelegante Umschreibung für etwas, das ich schlicht und einfach als "Glucksen" bezeichnen würde. Ich habe den Eindruck, dass nicht nur bei dieser Geschichte einfach das letzte, abrundende Selbstlektorat fehlt, oder vielleicht auch ein kritischer und kompetenter Probeleser. Das kann natürlich auch an der Einsendefrist des Wettbewerbs liegen (ich hatte ja nun das Glück, bereits seit einem halben Jahr eine zum Thema passende Story in der Schublade zu haben, die schon einige Transformationen durchlaufen hat). Jedenfalls: Aus "Sein und nur Sein" wäre in meinen Augen mit einer vorsichtigen stilistischen Glättung noch eine ganze Menge mehr rauszuholen!
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#21 Jakob

Jakob

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Geschrieben 11 März 2008 - 11:57

"Wie man sich ändern kann" - Logiklöcher, eine bremsende Erklärpassage, verschwörungstheoretisches Geraune - Scheißegal, die Story ist fett. Da stimmt tatsächlich mal so ziemlich jeder Satz. Herrliche, eigenwillige Bilder, mit ganz kleinen Ausnahmen (die genannte Erklärpassage) erstklassige Dialoge, Figuren, die mit ein paar hingeklatschten Schattenspritzern sofort präsent sind, und all die kleinen Details, die z.B. bei "Existenzabstieg" gefehlt haben. Die Story macht einfach Spaß: An keiner Stelle hat man das Gefühl, dass der Autor mit der Sprache ringt, um ihr eine bestimmte Szene, einen Gedanken, ein Bild abzukämpfen - stattdessen ist die Sprache selbst präsent, im besten modernistischen Sinne als "Material", sie verengt nicht auf ein Autorenziel hin, sondern schließt die Fahrstuhltür zu einer Shining-mäßigen Bilderflut auf. Scheiß auf die Idee und den Plot, das Ding ist einfach gut geschrieben!
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#22 Jakob

Jakob

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Geschrieben 12 März 2008 - 13:05

"Toys": Da kann ich wenig zu sagen - die Story ist zwar im Großen und Ganzen solide erzählt, und auch die Pointe ist ganz interessant, aber ich reagiere einfach so was von allergisch auf "lass-mich-sterben"-Plots, dass die Story mir kaum gefallen kann.
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