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Umfrage Nr. 02: Welchen Stellenwert hat für Euch der Realismus in SF-Romanen?


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135 Antworten in diesem Thema

Umfrage: Umfrage Nr. 02 (48 Mitglieder haben bereits abgestimmt)

Welchen Stellenwert hat für Euch der Realismus in SF-Romanen?

  1. Realismus ist für mich von essentieller Bedeutung. (6 Stimmen [12.50%])

    Prozentsatz der Stimmen: 12.50%

  2. Realismus ist für mich wichtig, allerdings stören mich zusätzliche "unrealistische" Elemente nicht. (13 Stimmen [27.08%])

    Prozentsatz der Stimmen: 27.08%

  3. Ist mir eigentlich egal. (2 Stimmen [4.17%])

    Prozentsatz der Stimmen: 4.17%

  4. Realismus steht nicht im Vordergrund und ist sekundär. (6 Stimmen [12.50%])

    Prozentsatz der Stimmen: 12.50%

  5. Alleine die Geschichte steht für mich im Vordergrund, Realismus spielt für mich keine Rolle. (11 Stimmen [22.92%])

    Prozentsatz der Stimmen: 22.92%

  6. ganz andere Antwort, bitte im Thread angeben (10 Stimmen [20.83%])

    Prozentsatz der Stimmen: 20.83%

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#61 Pogopuschel

Pogopuschel

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Geschrieben 27 Juli 2009 - 18:15

Die Erklaerungen und Interpretationen koennen sich aendern, aber nicht die Beobachtungen. Ein Apfel sollte auf der Erde immer Richtung Boden fallen. Tut er das nicht, braucht es eine Erklaerung in der Geschichte.

Fällt der Apfel Richtung Erde, oder fällt die Erde Richtung Apfel. :) Das erinnert mich an den Antrieb von Prof. Farnsworth Raumschiff aus "Futurama", der nicht das Raumschiff bewegt, sondern dass Universum um das Raumschiff herum.

Bearbeitet von Pogopuschel, 27 Juli 2009 - 18:16.


#62 Mycroft

Mycroft

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Geschrieben 27 Juli 2009 - 18:29

Ich finde es gut, wenn SF-Romane in sich schlüssig sind, wenn bspw. eine "intelligente" Theorie über Antischwerkraft dargestellt wird.Wenn das nicht mit unserem heutigen Stand der Wissenschaft übereinstimmt, ist das nicht per se ein Mangel.Schlüssige Beschreibungen von Menschen und Nichtmenschen sind auch toll. :)
Anderswo known as Yart Fulgen

#63 Morn

Morn

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Geschrieben 27 Juli 2009 - 19:34

Ich will jetzt gar nicht für den völligen Relativismus der Erkenntnis sprechen, ich finde die wissenschaftliche Ethik tatsächlich in weiten Teilen eine tolle Sache - aber eben gerade, insodern sie auch immer auf der Anzweifelbarkeit dessen beharrt, was aus empirischen Daten als Gesetzmäßigkeit gefolgert wird.

Es ging mir nicht um die Anzweifelbarkeit der (vermuteten) Gesetzmaessigkeit, sondern um die Gegebenheit der empirischen Daten.

Du kannst eine Milliarde Mal einen Apfel runterfallen lassen und hast trotzdem nicht bewiesen, dass Äpfel nach unten fallen. Dafür müsstest du erst mal beweisen, dass es so etwas wie "unten" überhaupt gibt.

Ich muss "unten" nur definieren: ein Ort mit niedrigerem Gravitationspotential. Ich will es ja auch nicht beweisen, dass es immer so ist. Aber gleichwohl wuerde sich doch jeder wundern, wenn ein Apfel in eine unerwartete Richtung fliegen wuerde (und auf der Erde ist die erwartete Richtung: zum Erdboden). Und zumindest ich wuerde in der (beobachtbaren) Realitaet * (Koennen wir uns darauf einigen, das, was wir (mit oder ohne Hilfsmittel) wahrnehmen, der Einfachheit halber so zu nennen?) oder in einem SF-Roman eine Erklaerung dafuer verlangen. Meine Aussage war bloss, dass ich denke, dass das vermutlich jeder möchte. Da hat mir bisher auch noch niemand widersprochen. @ Pogopuschel: Alles eine Frage des Bezugssystems. :) EDIT: * oder besser formuliert: unserer Erfahrung widerspricht.

Bearbeitet von Morn, 27 Juli 2009 - 19:44.


#64 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

    Interstellargestein

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Geschrieben 27 Juli 2009 - 19:45

Aber das bedeutet auch, dass insbesondere naturwissenschaftliche Erkenntnisse eben im höchsten Grade "produziert" sind und damit auch nicht einfach als äußerliche Realität behandelt werden können.

Sorry, Jakob, aber mir fällt bei dieser Diskussion - mich übrigens wenig interessierend, da sie m.E. mal wieder völlig woanders gelandet ist, als dort wo die Umfrage anfing - und insbes. deinem Post der alte rhetorische Trick ein: "Gewinne ein Argument, indem du es auf die Metaebene hievst, und diese insgesamt ad absurdum führst."

Wenn man die ganze Terminologie in Frage stellt, ist der Bezugsrahmen gesprengt. D.h. noch lange nicht, dass nur der Roman um den es geht, dann das Bezugsrahmenvakuum füllt. Auch noch andere Bezugsrahmen gelten. Wären naturwissenschaftliche Erkenntnisse so abgehoben jeglicher von ALLEN Menschen wahrnehmbarer Wirklichkeit, gäbe es heute wohl kaum DVD-Player, oder, noch einfacher, Autos. Nicht alle Erkenntnis muss absolut geerdet sein, damit sie zumindest in der relativen Wiederholbarkeit des Alltags brauchbar und damit einflussreich sein kann.

Kaum ein SF-Roman stellt alles, oder auch nur 50%, das wir kennen in Frage, und definiert entspr. den "Rest"-Bezugsrahmen neu. Eher ändert sich sehr wenig; Adam Roberts redet i.d.R. von DEM Novum, das ein SF-Roman einführt. Dem einen! Wenn die Umfrage nicht haupts. den Zweck hatte, Spaß zu machen (hatte ich eigentlich gehofft), bezieht sie sich evtl. darauf wie leichtfertig SF-Stoffe mit dem Fallenlassen des alltäglichen technologischen Bezugsrahmen umgehen. Da ich Matthias aus anderen Posts ja schon etwas länger kenne, habe ich das "alltäglich" noch ein wenig enger interpretiert, und dann Pi mal Daumen abgestimmt (Option 2).

P.S.: Da hier schon mehrere die bisherige Diskussion gelobt haben, möchte ich festhalten, dass ich sie müßig finde. Sie bringt mir wenig. Lieber wäre mir mehr inhaltliche Diskussion von SF-Literatur, alt und neu, anhand von konkreten Beispielen, die alle einsehen können. Sozusagen ein Schwarm großer und kleiner Lesezirkel! :) O.Ä.. Definitionsdiskussionen habe ich für 2 Lebzeiten schon zu Genüge hier im Netzwerk erlebt...

/KB

Yay! Fantasy-Dialog Ende Januar...
Prof.: Dies sind die Bedingungen meiner Vormundschaft. (schiebt 2 Seiten über den Tisch) [..]

Junge: (schockiert, aber er nickt)

Prof.: Sehr gut... Noch eine Sache. Es fällt auf, dass du noch keinen Namen hast. Du benötigst einen.

Junge: Ich habe einen! -...

Prof.: Nein, das genügt nicht. Kein Engländer kann das aussprechen. Hatte Fräulein Slate dir einen gegeben?

Junge: ... Robin.

Prof.: Und einen Nachnamen. [..]

Junge: Einen [anderen] Nachnamen... aussuchen?

Prof.: Englische Leute erfinden sich namentlich ständig neu.

(Studierter Brite in besten Jahren, vs. dem Jungen, den er vor kurzem vorm Verenden in einem chinesischen Slum rettete, grob übersetzt aus Babel, im Harper-Voyager-Verlag, S. 11, by Kuang)


#65 WeepingElf

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Geschrieben 27 Juli 2009 - 20:01

Für mich ist Realismus in der Science Fiction sehr wichtig, wenn auch eher im Sinne "Common Sense" als "orthodoxe Wissenschaft". Ist es unrealistisch, ist es keine SF mehr, sondern Fantasy, Horror oder weißichwas - was nicht zu bedeuten hat, dass es schlecht wäre. Aber auch bei Fantasy, wo es von Magie nur so knistert, müssen die Welt und der Plot in sich stimmig sein (es sei denn, man hat es mit einer Parodie wie Pratchetts Scheibenwelt zu tun). Mit "ISSO", wie wir es im Weltenbastler-Forum nennen, kann ich nichts anfangen. Aber wenn sich etwas "Science Fiction" nennt, dann erwarte ich auch eine gewisse Portion "wissenschaftlicher Korrektheit", wovon natürlich Abstriche zu machen sind, wenn es etwa um überlichtschnelle Reisen geht. Mich stören dabei nicht nur physikalische Unmöglichkeiten, sondern auch humanoide Aliens, die sich mit Menschen kreuzen können, naive Sprachbastelei und dergleichen mehr, und etwa bei "siliciumbasiertem Leben" sehe ich Rot.

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#66 Jakob

Jakob

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Geschrieben 27 Juli 2009 - 20:51

Wenn man die ganze Terminologie in Frage stellt, ist der Bezugsrahmen gesprengt. D.h. noch lange nicht, dass nur der Roman um den es geht, dann das Bezugsrahmenvakuum füllt. Auch noch andere Bezugsrahmen gelten. Wären naturwissenschaftliche Erkenntnisse so abgehoben jeglicher von ALLEN Menschen wahrnehmbarer Wirklichkeit, gäbe es heute wohl kaum DVD-Player, oder, noch einfacher, Autos. Nicht alle Erkenntnis muss absolut geerdet sein, damit sie zumindest in der relativen Wiederholbarkeit des Alltags brauchbar und damit einflussreich sein kann.

Da habe ich ja nichts gegen einzuwenden, das Naturwissenschaft brauchbare und praktikable Ergebnisse erzeugt und auch Erkenntnisse, die in dem Sinne wahrer sind, dass sie mehr von unseren Beobachtungen kohärent erklären können. Aber die Meta-diskussion hat hier ja schön früher angefangen, und mir ist in dem Zusammenhang wichtig, dass gerade Naturwissenschaften, wenn gewissenhaft betrieben, eben nicht mit absoluten Wahrheiten handeln. Die sind eher was für den Alltagsverstand, wo sie sich ja auch oft bewähren. Ich finde, das betrifft auch die SF stark, weil es gerade in der Hard SF ja meistens eher darum geht, wissenschaftliches Plausibilitätsgefühl zu vermitteln und weniger darum, Voraussagen zu treffen oder gar empirisch erhobene Daten zu reproduzieren. Dabei hast du aber natürlich recht, dass der Bezugsrahmen für wissenschaftliches Plausibilitätsgefühl über den Roman hinausgeht - nur hat es bei vielen Büchern eben gar nicht viel Sinn, sie auf diesen weitergehenden Rahmen zu beziehen. Damit zurück zur Umfrage: Ich finde, das Problem mit den Optionen ist, dass sie wissenschaftlichen Realismus graduell anlegt. Damit werden dann tendenziell Bücher und Filme in einen Topf geworfen, die sich an einer wissenschaftlich glaubwürdigen Erzählweise versuchen, dabei aber grob fehlgehen (Star Trek passt da oftmals), und welche, die ganz bewusst eigene Weltsysteme und Naturgesetze entwerfen, die durchaus SF-artig sein können (China Mieville dürfte wohl ein bekanntes Beispiel sein, Ian MacLeod soll das wohl auch gelungen betrieben haben, und vielleicht müsste man sogar Parallelweltengeschichten hinzurechnen). Und das erscheint mir irgendwie ungünstig. Deshalb passt mir auch keine der Abstimmungskategorien: Bei einem Roman von Peter Watts ist es mir tendenziell extrem wichtig, dass er sorgfältig recherchiert und wissenschaftlich genau rüberkommt, bei Dan Simmons ist mir das recht schnuppe. Besser wäre es, die Umfrage auf Hard-SF einzugrenzen und zu fragen, wie wichtig den Lesern hier Genauigkeit ist. Die Frage ist dann vielleicht etwas müßig, und so geht die Umfrage 2 in meinen Augen eigentlich in Umfrage 1 und der Option, ein Häkchen bei der Hard SF zu setzen, auf.
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#67 Armin

Armin

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Geschrieben 27 Juli 2009 - 21:16

Um mal kurz zum Thema zurückzukommen: Ich habe bei der Antwort stark zwischen zwei eigentlich ziemlich konträren Möglichkeiten geschwankt - nämlich "Realismus ist für mich wichtig, allerdings stören mich zusätzliche "unrealistische" Elemente nicht" und "Alleine die Geschichte steht für mich im Vordergrund, Realismus spielt für mich keine Rolle". Damit hat für mich diese Umfrage ihren Sinn schon dadurch erfüllt, dass ich darüber nachgedacht habe ... Danke, Matthias, gute Frage.Entschieden habe ich mich übrigens für Letzteres. Eine gute Geschichte schlägt in meinen Augen alles. Der Kram kann noch so hanebüchen sein, wenn er mir gut erzählt wird. (Ich hoffe, meine Zeitungsleser lesen das nicht. Da gelten selbstverständlich andere Regeln :) )

#68 simifilm

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Geschrieben 27 Juli 2009 - 22:24

Sorry, Jakob, aber mir fällt bei dieser Diskussion - mich übrigens wenig interessierend, da sie m.E. mal wieder völlig woanders gelandet ist, als dort wo die Umfrage anfing - und insbes. deinem Post der alte rhetorische Trick ein: "Gewinne ein Argument, indem du es auf die Metaebene hievst, und diese insgesamt ad absurdum führst."

Das sehe ich in diesem Fall durchaus nicht so. "Realismus" ist nun mal ein sehr belasteter Begriff, der keineswegs so einfach zu handhaben ist, wie mancher sich das naiverweise vorstellt. Man landet, wenn man den Begriff ernst nimmt, eigentlich unweigerlich bei ganz grundlegenden Fragen. Und da Realismus ja der zentrale Begriff dieser Umfrage ist und er in der Ausgangsfrage ziemlich naiv verwendet wird, erstaunt es mich gar nicht, dass wir nun bei einer erkenntnistheoretischen Diskussion gelandet sind.

P.S.: Da hier schon mehrere die bisherige Diskussion gelobt haben, möchte ich festhalten, dass ich sie müßig finde. Sie bringt mir wenig. Lieber wäre mir mehr inhaltliche Diskussion von SF-Literatur, alt und neu, anhand von konkreten Beispielen, die alle einsehen können. Sozusagen ein Schwarm großer und kleiner Lesezirkel! :) O.Ä.. Definitionsdiskussionen habe ich für 2 Lebzeiten schon zu Genüge hier im Netzwerk erlebt...

Dass es hier im Netzwerk oft Definitionsdiskussionen gibt, ist wohl richtig. Aber gerade eine Diskussion wie diese zeigt mir eben auch, dass noch viel Klärungsbedarf besteht. Abgesehen davon: Niemand hält Dich davon ab, die Diskussion in eine andere Richtung zu lenken. Wenn andere an der Richtung interessiert sind, werden sie schon darauf eingehen.

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#69 Crashlander

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Geschrieben 27 Juli 2009 - 22:28

Fällt der Apfel Richtung Erde, oder fällt die Erde Richtung Apfel. :) (...)

Nach Newton und Einstein ist beides der Fall - die Erde zieht den Apfel an, und der Apfel die Erde. Diesen Einwurf halte ich für sehr passend in der Diskussion, den er zeigt auf, wie der "Realismus" in jedweder Geschichte begrenzt werden muß. Die gegenseitige Anziehung von Masse sollte jedem Menschen mit solider Allgemeinbildung bekannt sein, dennoch wird sie in der Regel ignoriert, man beschränkt sich auf die Anziehung des apfels durch die Erde. Eben weil die Anziehung der Erde durch den Apfel so gering ist, daß sie nicht ins Gewicht fällt. Und genauso muß man abwägen, wenn man eine Geschichte erzählt: Ist dieses oder jenes kleine Faktum für die Geschichte so wichtig, daß man es bis ins kleinste Detail erklären muß, oder würde diese Erklärung der Geschichte nur schaden? Spielt eine Geschichte im wesentlichen auf einem bestimmten Planeten, dann kann es von Vorteil sein, wenn man diesen Planeten realistisch gestaltet (Eigenrotation, Jahreslänge, Klima, Monde usw.), andere Planeten, die nur beiläufig erwähnt werden, brauchen nicht so genau erklärt werden. Reisen die Protagonisten mit "Überlicht" von Planet zu Planet, dann sollte man vielleicht erklären, wie das gehen soll. Hat die Raumfahrt keine unmittelbare Bedeutung, dann kann man das vernachlässigen. Soll heißen: Bei der Erde sollte man sich um Realismus bemühen, die vielen Äpfel brauchen aber nicht bis ins letzte Detail realistisch zu sein.

#70 Jakob

Jakob

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Geschrieben 27 Juli 2009 - 23:06

Nach Newton und Einstein ist beides der Fall - die Erde zieht den Apfel an, und der Apfel die Erde. Diesen Einwurf halte ich für sehr passend in der Diskussion, den er zeigt auf, wie der "Realismus" in jedweder Geschichte begrenzt werden muß. Die gegenseitige Anziehung von Masse sollte jedem Menschen mit solider Allgemeinbildung bekannt sein, dennoch wird sie in der Regel ignoriert, man beschränkt sich auf die Anziehung des apfels durch die Erde. Eben weil die Anziehung der Erde durch den Apfel so gering ist, daß sie nicht ins Gewicht fällt. Und genauso muß man abwägen, wenn man eine Geschichte erzählt: Ist dieses oder jenes kleine Faktum für die Geschichte so wichtig, daß man es bis ins kleinste Detail erklären muß, oder würde diese Erklärung der Geschichte nur schaden? Spielt eine Geschichte im wesentlichen auf einem bestimmten Planeten, dann kann es von Vorteil sein, wenn man diesen Planeten realistisch gestaltet (Eigenrotation, Jahreslänge, Klima, Monde usw.), andere Planeten, die nur beiläufig erwähnt werden, brauchen nicht so genau erklärt werden. Reisen die Protagonisten mit "Überlicht" von Planet zu Planet, dann sollte man vielleicht erklären, wie das gehen soll. Hat die Raumfahrt keine unmittelbare Bedeutung, dann kann man das vernachlässigen. Soll heißen: Bei der Erde sollte man sich um Realismus bemühen, die vielen Äpfel brauchen aber nicht bis ins letzte Detail realistisch zu sein.

Ich bin mir aber nicht so sicher, ob realistisch das gleiche bedeutet, wie "erklärt". Das würde zumindest zu gewissen Problemen führen, denn: wann gilt etwas als erklärt? Ist "Normalerweise sind überlichtschnelle Reisen unmöglich, mit Wurmlöchern aber doch" eine Erklärung? Es geht ja nicht um die Frage, ob ein Autor sich einfach die Mühe erspart, etwas Unwesentliches genau auszugestalten, sondern darum, ob etwas Wesentliches im Widerspruch zum gegenwärtigen Wissen über die Beschaffenheit des Universums steht. Etwas kann ja auch ganz und gar unerklärt dastehen und trotzdem im verlangten Sinne realistisch sein. Ich will ja nicht nerven, aber ich finde, auch dieses Statement deutet doch eher darauf hin, dass (Natur-)wissenschaftlichkeit in Romanen eher als Plausiblitätstechnik zu verstehen ist, die ebengewissen Regeln wissenschaftlicher Diskurse folgt, um sich wissenschaftlich "anzufühlen". Mit graduell messbarem Realismus hat das dann aber wieder wenig zu tun.
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#71 simifilm

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Geschrieben 28 Juli 2009 - 06:29

Ich will ja nicht nerven, aber ich finde, auch dieses Statement deutet doch eher darauf hin, dass (Natur-)wissenschaftlichkeit in Romanen eher als Plausiblitätstechnik zu verstehen ist, die ebengewissen Regeln wissenschaftlicher Diskurse folgt, um sich wissenschaftlich "anzufühlen". Mit graduell messbarem Realismus hat das dann aber wieder wenig zu tun.

Es gibt da einen Schweizer Filmwissenschaftler, der in seinem Buch argumentiert, dass just dies das Wesen jeglicher SF ist †¦ :)

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#72 Diboo

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Geschrieben 28 Juli 2009 - 07:27

Es gibt da einen Schweizer Filmwissenschaftler, der in seinem Buch argumentiert, dass just dies das Wesen jeglicher SF ist †¦ http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/cool.png

Und ich stimme dem zu. Das sieht man auch, wenn man die Naturwissenschaft wieder verlässt: "Alternative history"-Romane müssen nicht jedes historische Detail richtig haben, sie müssen die vergangene Zeit nur plausibel darstellen, so dass der Leser ein Gefühl von Authentizität erhält - authentisch sein muss nicht. Dass beinharte Historiker dann zuviel kriegen, ist zu verschmerzen...

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#73 Helmuth W. Mommers

Helmuth W. Mommers

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Geschrieben 28 Juli 2009 - 07:54

Ich habe mich für "Realismus" entschieden und meinte damit "Glaubwürdigkeit".

#74 Susanne11

Susanne11

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Geschrieben 28 Juli 2009 - 08:14

Ich will ja nicht nerven, aber ich finde, auch dieses Statement deutet doch eher darauf hin, dass (Natur-)wissenschaftlichkeit in Romanen eher als Plausiblitätstechnik zu verstehen ist, die ebengewissen Regeln wissenschaftlicher Diskurse folgt, um sich wissenschaftlich "anzufühlen". Mit graduell messbarem Realismus hat das dann aber wieder wenig zu tun.

Genau so. In vielen Romanen könnte man genausogut "okkulte Wissenschaften" als Plausiblitätstechnik verwenden, das machte keinen großen Unterschied. Es geht wahrscheinlich nur darum, eine Art "Heimatgefühl" zu erzeugen. Die naturwissenschaftliche oder okkulte Korrektheit ist minderwichtig, solange das "Gefühl des Wiederkernnens" entsteht.

#75 Morn

Morn

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Geschrieben 28 Juli 2009 - 10:12

Das sehe ich in diesem Fall durchaus nicht so. "Realismus" ist nun mal ein sehr belasteter Begriff, der keineswegs so einfach zu handhaben ist, wie mancher sich das naiverweise vorstellt. Man landet, wenn man den Begriff ernst nimmt, eigentlich unweigerlich bei ganz grundlegenden Fragen. Und da Realismus ja der zentrale Begriff dieser Umfrage ist und er in der Ausgangsfrage ziemlich naiv verwendet wird, erstaunt es mich gar nicht, dass wir nun bei einer erkenntnistheoretischen Diskussion gelandet sind.

Wurde "Realismus" nicht eher dieser Position folgend benutzt (aus Wikipedia)?

Der Wissenschaftliche Realismus ist eine realistische Position in der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, die besagt, dass eine erkennbare Wirklichkeit existiert, die unabhängig vom menschlichen Denken ist, und dass die Bestätigung einer wissenschaftlichen Theorie die Annahme begründet, dass diese Wirklichkeit so aussieht, wie diese Theorie das aussagt. Insbesondere betrifft dies in vielen Varianten des wissenschaftlichen Realismus die objektive Existenz der in einer Theorie beanspruchten Entitäten.

(Allerdings gibt es anscheinend auch einen Naiven Realismus) http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/wink.png

Ein naiver Realismus ist im Vergleich zu Kant das andere Extrem der realistischen Auffassungen. Vertreter dieser Position gehen davon aus, dass die Welt so ist, wie sie der Mensch wahrnimmt. Dabei wird selbstverständlich berücksichtigt, dass es Sinnestäuschungen gibt und dass die wahrgenommenen Sinnesdaten erst durch kognitive Prozesse im Gehirn umgewandelt werden. Naive Realisten sehen jedoch ein unmittelbares Abbildungsverhältnis zwischen der Welt und den Vorstellungen im Bewusstsein. Insgesamt nimmt der Mensch daher die Welt so wahr, wie sie im Wesentlichen ist. Da diese Auffassung dem Alltagsverständnis entspricht, spricht man auch von Common-Sense-Realismus.

)

In vielen Romanen könnte man genausogut "okkulte Wissenschaften" als Plausiblitätstechnik verwenden, das machte keinen großen Unterschied.

Ist es dann noch SF? Ist das nicht ein grosser Unterschied? Ich muss noch weiter ueberlegen, welche Aussage in der Umfrage fuer mich zutrifft.

#76 molosovsky

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Geschrieben 28 Juli 2009 - 10:25

Brüder & Schwestern! ›Realismus‹ ist die Gegenthese zum ›Nominalismus‹; das wissen wir doch aus unserem Philosophie- und Theologieunterricht. Universalienstreit, Platons Ideenlehre (oder Ideenleere) und so. In einer anderen Welt (Arbre aus Stephensons »Anathem)« nennt sich das der Streit zwischen der Syntactischen und Semantischen Fakultät. Weiterbeten! Grüße Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 28 Juli 2009 - 10:26.

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.

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#77 simifilm

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Geschrieben 28 Juli 2009 - 10:36

Wurde "Realismus" nicht eher dieser Position folgend benutzt (aus Wikipedia)?

Was Matthias da genau im Kopf hatte, weiss ich nicht. Wenn von Science Fiction und Realismus die Rede ist, gehe ich spontan mal eher von einem literaturtheoretischen Ansatz aus. Beim Wiederlesen des Eingangspost sehe ich aber, dass Matthias Realismus mehr oder weniger synonym mit «naturwissenschaftliche Richtigkeit» verwendet. Die in dem verlinkten Artikel beschriebene Position scheint mir hier nur begrenzt sinnvoll, denn in dieser Position (die alles andere als unproblematisch ist) geht es, soweit ich es verstehe, vor allem um zwei Fragen: Bildet Wissenschaft die Welt ab und gibt es einen stetigen Fortschritt in der wissenschaftlichen Erkenntnis (was der Wissenschaftstheoretiker Thomas S. Kuhn beispielsweise vehement bestreiten würde). Selbst wenn wir davon ausgehen, dass diese Position korrekt ist, ist damit doch nur wenig gewonnen, denn was bringt Dir das für das Wurmloch? Es wurde hier ja schon verschiedentlich davon gesprochen, dass Realismus eigentlich ein Effekt ist, Diboo nennt es ein «Gefühl von Authentizität». Nun kann man dieses Gefühl zweifellos gründlicher oder weniger gründlich zu erzeugen versuchen. Wenn ich dieses Gefül bei einem Physiker hervorrufen möchte, brauche ich einiges mehr an technischem Wissen als bei einem wissenschaftlich ungebildeten Leser. Aber am Ende liegen die meisten SF-Nova doch einfach schlicht und ergreifend ausserhalb dessen, was die Wissenschaft heute für möglich hält.

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#78 Jakob

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Geschrieben 28 Juli 2009 - 10:44

Brüder & Schwestern! ›Realismus‹ ist die Gegenthese zum ›Nominalismus‹; das wissen wir doch aus unserem Philosophie- und Theologieunterricht. Universalienstreit, Platons Ideenlehre (oder Ideenleere) und so. In einer anderen Welt (Arbre aus Stephensons »Anathem)« nennt sich das der Streit zwischen der Syntactischen und Semantischen Fakultät. Weiterbeten! Grüße Alex / molo

Genau - wir machen einfach "Anathem" zur Leseanforderung für diesen Thread, Fraa Molo!
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#79 Crashlander

Crashlander

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Geschrieben 28 Juli 2009 - 11:21

Ich bin mir aber nicht so sicher, ob realistisch das gleiche bedeutet, wie "erklärt". Das würde zumindest zu gewissen Problemen führen, denn: wann gilt etwas als erklärt? Ist "Normalerweise sind überlichtschnelle Reisen unmöglich, mit Wurmlöchern aber doch" eine Erklärung? Es geht ja nicht um die Frage, ob ein Autor sich einfach die Mühe erspart, etwas Unwesentliches genau auszugestalten, sondern darum, ob etwas Wesentliches im Widerspruch zum gegenwärtigen Wissen über die Beschaffenheit des Universums steht. (...)

Gut, da habe ich mich etwas unklar ausgedrückt. Daher: ich meinte natürlich, daß es für eine Geschichte besser sein kann, sich nur dort verstärkt um "Realismus" zu bemühen, wo es für die erzählte Geschichte wichtig ist. Um ein Beispiel heranzuziehen: In seiner Mars-Triologie bemüht sich Kim Stanley Robinson um eine realistische Darstellung des Terraforming des Mars und um die soziologischen, kulturellen Wandlungen, die die Siedler erfahren. Von der Überschwemmung der Erde durch das Auftauen der Antarktis erfährt man nur am Rand. Er hätte sicherlich auch genau nachforschen können, welche Regionen bei einem Anstieg des Meeresspiegels um vier bis sechs Meter betroffen wären, das einbauen können und so die Romane noch realistischer machen können. Aber wäre das gut für die Geschichte gewesen? Natürlich bedeutet "Realismus" nicht immer, das alles erklärt werden muß, doch wenn man über die Grenzen des heute bekannten hinaus geht, dann ist für einen hohen "Realismusgrad" schon notwendig, daß man erklärt, wie das möglich sein soll. Oder allgemeiner: Geht es um überlichtschnelle Raumfahrt, dann benötigt man eine (Pseudo-)Erklärung, wie es funktionieren soll, ist die Raumfahrt nur nötig damit die Protagonisten (oder ihre Vorfahren) zum Handlungsort kommen konnten, dann reicht es in den meisten Fällen aus zu erwähnen, daß sie dorthin gelangt sind.

#80 simifilm

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Geschrieben 28 Juli 2009 - 15:21

Natürlich bedeutet "Realismus" nicht immer, das alles erklärt werden muß, doch wenn man über die Grenzen des heute bekannten hinaus geht, dann ist für einen hohen "Realismusgrad" schon notwendig, daß man erklärt, wie das möglich sein soll. Oder allgemeiner: Geht es um überlichtschnelle Raumfahrt, dann benötigt man eine (Pseudo-)Erklärung, wie es funktionieren soll, ist die Raumfahrt nur nötig damit die Protagonisten (oder ihre Vorfahren) zum Handlungsort kommen konnten, dann reicht es in den meisten Fällen aus zu erwähnen, daß sie dorthin gelangt sind.

Ich möchte da einhaken, denn da ist noch eine weitere Varianten denkbar. In jedem Fall geht es um das Novum «Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit». Eine Geschichte kann hier unterschiedliche Schwerpunkte setzen, nämlich: - «technische Erklärung» des Novums. Es wird also möglichst viel Hirnschmalz darauf verwendet, wie bestimmte technische Probleme dieses Novums gelöst werden können. - direkte Auswirkungen des Novums. Wie verändert sich die Gesellschaft durch dieses Novum. Was bedeutet das für die traditionellen Fortbewegungsmittel, für die Politik, Kultur und die Ferienindustrie? - das Novum wird im Grunde gar nicht thematisiert. Es ist nur nötig, weil sonst die eigentliche Geschichte (Angriff der Mutanten aus einer fernen Galaxie, Entdeckung des grössen Ur-Örps an der Ende der Lichtstrasse, nicht möglich wäre). Für die Varianten 2 und 3 sind im Grunde keine Erklärungen notwendig. Variante 3 ist das, was Crashlander zum Schluss beschreibt; aber auch bei Variante 2, bei der das Novum ja im Mittelpunkt steht, sind ausführliche technische Erklärungen nicht zwingend notwendig, denn der Fokus liegt hier auf den Auswirkungen des Novums und nicht auf seiner konkreten Funktionsweise. Variante 2 kann mit ausführlichen Erklärungen aufwarten, muss dies aber nicht. Wirklich nötig sind die nur bei Variante 1. Und damit sind wir auch wieder bei der Frage, was «Realismus» hier bedeuten kann oder soll. Wenn wie bei Variante 2 der Fokus auf den konkreten sozialen, politischen und individuellen Auswirkungen des Novums liegt, kann das sehr realistisch wirken, allerdings nicht auf einer technischen Ebene. Da geht es dann viel mehr um die plausible Schilderungen von sozialen Zusammenhängen und der Reaktionen der Figuren. Das wäre eine Form von Realismus, die ich bei SF für sehr wichtig halte, die mit naturwissenschaftlicher Richtigkeit aber nur sehr begrenzt was zu tun hat. Viele SF-Romane und -Filme (und beileibe nicht die schlechtesten) funktionieren nach diesem Prinzip.

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#81 Jakob

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Geschrieben 28 Juli 2009 - 18:59

Und damit sind wir auch wieder bei der Frage, was «Realismus» hier bedeuten kann oder soll. Wenn wie bei Variante 2 der Fokus auf den konkreten sozialen, politischen und individuellen Auswirkungen des Novums liegt, kann das sehr realistisch wirken, allerdings nicht auf einer technischen Ebene. Da geht es dann viel mehr um die plausible Schilderungen von sozialen Zusammenhängen und der Reaktionen der Figuren. Das wäre eine Form von Realismus, die ich bei SF für sehr wichtig halte, die mit naturwissenschaftlicher Richtigkeit aber nur sehr begrenzt was zu tun hat. Viele SF-Romane und -Filme (und beileibe nicht die schlechtesten) funktionieren nach diesem Prinzip.

Das klingt doch gut aufgedröselt und fast schon definitorisch (definitiv?). Ursula K. LeGuin und Kim Stanley Robinson wären da wohl die naheliegendsten Vertreter dieser Form von "Realismus".
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#82 Morn

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Geschrieben 28 Juli 2009 - 19:37

simifilms Definitionen (1) und (2) scheinen mir auch eine gute Definition von dem zu sein, was in Umfrage 1 als Hard bzw. Soft SF bezeichnet wurde.

#83 simifilm

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Geschrieben 29 Juli 2009 - 08:07

simifilms Definitionen (1) und (2) scheinen mir auch eine gute Definition von dem zu sein, was in Umfrage 1 als Hard bzw. Soft SF bezeichnet wurde.

Streng genommen sind das ja keine Definitionen, sondern nur Beispiele. Der Haken bei Hard SF à la Variante 1 ist, wie Jakob ja auch schon ausgeführt hat, dass hier echte Erklärungen gar nicht möglich sind. Wenn jemand tatsächlich erklären könnte, wie man die Lichtgeschwindigkeit überschreitet, würde er wahrscheinlich keinen Roman schreiben, sondern die Idee zum Patent anmelden. Die meisten Nova lassen sich nicht wirklich erklären, womit wir wieder nahe beim Hexenbesen sind, nur wird der Schein technischer Plausibilität gewahrt.

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#84 molosovsky

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Geschrieben 29 Juli 2009 - 09:16

Die meisten Nova lassen sich nicht wirklich erklären, womit wir wieder nahe beim Hexenbesen sind, nur wird der Schein technischer Plausibilität gewahrt.

Hervorhebung von mir.
Schönes Sprungbrett für die These, dass die SF die Seefahrts-, Eisenbahn- und Flieger-Abenteuergenre verkleinert bz.w verdrängt hat.

Grüße
Alex / molo

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#85 Matthias

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Geschrieben 29 Juli 2009 - 11:23

Der Haken bei Hard SF à la Variante 1 ist, wie Jakob ja auch schon ausgeführt hat, dass hier echte Erklärungen gar nicht möglich sind. Wenn jemand tatsächlich erklären könnte, wie man die Lichtgeschwindigkeit überschreitet, würde er wahrscheinlich keinen Roman schreiben, sondern die Idee zum Patent anmelden. Die meisten Nova lassen sich nicht wirklich erklären, womit wir wieder nahe beim Hexenbesen sind, nur wird der Schein technischer Plausibilität gewahrt.

Das ist eine Denkweise, die sich sehr fern von einer naturwissenschaftlichen Denkweise bewegt. Man kann sehr wohl Nova konstruieren - wie Du es nennst - die den naturwissenschaftlichen Gesetzen genügen. Auch Überschreitung von Lichtgeschwindigkeit ist z.B. durch verschiedene Theorieanssätze, d.h. verschiedene Randbedingungen erklärbar.
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#86 HawaiiRoyal

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Geschrieben 29 Juli 2009 - 11:29

"Realismus ist für mich wichtig, allerdings stören mich zusätzliche "unrealistische" Elemente nicht."Diese Aussage trifft es bei mir so ziemlich genau. Die meisten meiner Lieblingsbücher und -filme aus dem Bereich SF basieren auf diesem Prinzip. Allerdings tendiere ich im Zweifelsfall eher zum Realismus hin. Einzige Ausnahme: Das Star-Wars Universum.

#87 simifilm

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Geschrieben 29 Juli 2009 - 11:43

Das ist eine Denkweise, die sich sehr fern von einer naturwissenschaftlichen Denkweise bewegt.

Aha, inwiefern denn.

Man kann sehr wohl Nova konstruieren - wie Du es nennst - die den naturwissenschaftlichen Gesetzen genügen. Auch Überschreitung von Lichtgeschwindigkeit ist z.B. durch verschiedene Theorieanssätze, d.h. verschiedene Randbedingungen erklärbar.

Das streite ich gar nicht ab; mir geht es vor allem darum, wie diese "verschiedenen Theorieanssätze" innerhalb eines Romans als Plausibiliserungselemente eingesetzt werden.

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#88 raps

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Geschrieben 29 Juli 2009 - 12:01

Ich möchte mich hier nicht an Realismusdefinitionsdiskussionen beteiligen, sondern erklären, warum ich nicht abstimmen werde. Ich weiß nämlich nicht, was ankreuzen.
Ich glaube, Realismus, Glaubwürdigkeit oder was auch immer interessiert mich vor allem, was die Charaktere anbetrifft UND (wichtig!!!!!!) wenn es dem Autor darum ging, ein glaubwürdiges Plot zu fabrizieren.
Also: Mich interessiert 'Realismus' nicht bei Terry-Pratchett-Romanen, weil diesem Autor die Glaubwürdigkeit der Handlung am A**** vorbeigeht, er vielmehr bemüht ist, gut getimete Pointen unterzubringen und skurrile Situationen zu entwerfen.
Außerdem bin ich grundsätzlich bereit, in der phantastischen Literatur Erfindungen / Situationen zu akzeptieren, die ziemlich wirklichkeitsfern sind (Telepathie, Laserkanonen, Sternentore usw.).
Nur möchte ich, dass Menschen sich wie Menschen benehmen und die Regeln der Wahrscheinlichkeit innerhalb des gegebenen Universums beachtet werden.
Als Beispiel führe ich mal einen Roman an, den ich gerade lese. Anscheinend geht es darin u.a. darum, dass die Erde seit 1000 Jahren mit irgendeiner fremden Macht im Krieg ist. Dummerweise gibt es gleich zu Anfang einen Fall von †šIdiotenplot†™ (den Ausdruck - genauer gesagt: †šidiot plot†™ - hat neulich jemand auf einer britischen Website benutzt, und da ich den lustig fand, benutze ich ihn jetzt weiter http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/smile2.gif ):
Die feindliche Macht hat heimlich 1,5 Mio. Drohnen in unserem Sonnensystem verteilt. Kein Wunder, dass einige davon (genauer: 5) vom irdischen Militär gefunden und eingefangen wurden. Lustigerweise fand sich in jeder einzelnen dieser 5 Drohnen eine Liste (mit den Namen von 335 Wissenschaftlern), die die Drohnen offenbar einer auf der Erde wirkenden Spionageorganisation namens „Pax Universalis“ übermitteln sollten. Nr. 1 auf dieser Liste ist einer der Protagonisten des Romans: Jem Nirin. Als er vom Militär über die Liste aufgeklärt wird, sind bereits 13 Leute von den 335 ermordet worden und 8 weitere verschwunden. Mehrere berichteten vorher, von †šPax†™ kontaktiert worden zu sein. - Was passiert also als Nächstes? Unser Protagonist wird gleich auf seinem nächsten Raumflug von einem Mitpassagier angelabert. Und diese Dame gibt an, sie arbeite für eine Firma mit Namen †¦ Pax Universalis. Seufz. Entweder wird diese Vorgehensweise irgendwann noch als besonders genialer Trick beschrieben oder sie ist einfach unglaublich dämlich, also ein gutes Beispiel für †šIdiotenplot†™.
Wenn ich so etwas finde, denke ich SCHEISSE "nicht hinnehmbar" und verliere das Interesse.
Kurz noch mal gesagt: Mich interessiert Realismus immer da, wo er vom Autor beabsichtigt ist oder ich glaube, ihn zurecht erwarten zu können.

Grüße, Rainer

#89 Jakob

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Geschrieben 29 Juli 2009 - 12:06

Ich glaube, da geht es um verschiedene Begriffe von "sich nicht erklären lassen": Simon meint damit, so wie ich das verstehe, dass sich z.B. der Überlichtantrieb "nicht erklären lässt" in dem Sinne, das kein vollständiger wissenschaftlich-technischer Weg von unserem Stand hin zu ihm darlegbar ist. Du meinst mit "nicht erklärbar" wahrscheinlich eher, dass etwas den so bekannten Naturgesetzen widerspricht. Wenn Simon sagt, dass die meisten Novae sich nicht erklären lassen, meint er sicher nicht, dass sie prinzipiell unmöglich sind.Ich glaube, es gibt schon einen Unterschied zwischen dem Hexenbesen und dem pseudowissenschaftlichen, ansatzweise erklärten Überlichtantrieb: Der Hexenbesen erzeugt eben nicht die Erwartungshaltung, dass etwas in der Art auch in unserem Universum möglich wäre, der Überlichtantrieb, wenn im Sinne der Hard SF gut dargelegt, eben schon. Das liegt daran, dass es keinen "Weg" zum Hexenbesen gibt, der wissenschaftlich plausibel erscheint.Bei irgendjemandem (ich meine, es war John Clute) habe ich einen Versuch der Unterscheidung zwischen Fantasy und SF anhand der vorgeblichen Kontinuität zu unserer Welt vorzunehmen. Die SF steht fast immer in der einen oder anderen Form der Kontinuität (Zukunft, Paralleluniversum, zuweilen auch Vergangenheit), die Fantasy ist tendenziell losgelöst (mythische Vergangenheit, andere Welten). Dazu gehört, dass die SF tendenziell auf historischen Wandel orientiert ist, die Fantasy tendenziell auf Stabilität. Ich glaube, das hat irgendwas mit der Diskussion zu tun.

Bearbeitet von Matthias, 29 Juli 2009 - 12:24.

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#90 simifilm

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Geschrieben 29 Juli 2009 - 12:23

Ich glaube, da geht es um verschiedene Begriffe von "sich nicht erklären lassen": Simon meint damit, so wie ich das verstehe, dass sich z.B. der Überlichtantrieb "nicht erklären lässt" in dem Sinne, das kein vollständiger wissenschaftlich-technischer Weg von unserem Stand hin zu ihm darlegbar ist. Du meinst mit "nicht erklärbar" wahrscheinlich eher, dass etwas den so bekannten Naturgesetzen widerspricht. Wenn Simon sagt, dass die meisten Novae sich nicht erklären lassen, meint er sicher nicht, dass sie prinzipiell unmöglich sind.

Yep, absolut.

Ich glaube, es gibt schon einen Unterschied zwischen dem Hexenbesen und dem pseudowissenschaftlichen, ansatzweise erklärten Überlichtantrieb: Der Hexenbesen erzeugt eben nicht die Erwartungshaltung, dass etwas in der Art auch in unserem Universum möglich wäre, der Überlichtantrieb, wenn im Sinne der Hard SF gut dargelegt, eben schon. Das liegt daran, dass es keinen "Weg" zum Hexenbesen gibt, der wissenschaftlich plausibel erscheint.

Kein Widerspruch von meiner Seite, das ist genau das, was ich mit «Plausibilisierungselemente» meine. Unmöglich ist das Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit gemäss heutigem Wissen auf jeden Fall. Ob es prinzipiell unmöglich ist oder momentan nur praktisch unmöglich, ist da relativ egal. Ob Wurmloch oder Hexenbesen - in beiden Fällen wird ein Novum bemüht, dass ausserhalb unseres heutigen Wissens liegt. Im einen Fall wird aber eben ein wissenschaftlich-technizistisches Vokubular bemüht, im anderen Fall bedient man sich beim Märcheninventar. Das hat dann eben Auswirkungen auf die Erwartungshaltung, wie Jakob schreibt.

Bei irgendjemandem (ich meine, es war John Clute) habe ich einen Versuch der Unterscheidung zwischen Fantasy und SF anhand der vorgeblichen Kontinuität zu unserer Welt vorzunehmen. Die SF steht fast immer in der einen oder anderen Form der Kontinuität (Zukunft, Paralleluniversum, zuweilen auch Vergangenheit), die Fantasy ist tendenziell losgelöst (mythische Vergangenheit, andere Welten). Dazu gehört, dass die SF tendenziell auf historischen Wandel orientiert ist, die Fantasy tendenziell auf Stabilität. Ich glaube, das hat irgendwas mit der Diskussion zu tun.

Dieser Ansatz ist bei verschiedenen Autoren zu finden (unter anderem bei mir, wobei ich da gar keinen Originalitätsanspruch erhebe). Um was im Kern geht, ist, dass von SF zumindest implizit die Behauptung ausgeht, dass sie in unserem, nach naturwissenschaftlichen Gesetzen funktionierenden Universum spielt, dass es also die angesprochene Art der Kontinuität gibt. Diese Kontinuität wird dabei vor allem über bestimmte sprachliche (oder beim Film bildliche) Register aktiviert. Hexenbesen -> Märchen, Wurmloch -> SF.

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