Ich würde dem Autor ja gerne direkt fragend antworten, aber... oh well...
Anyway, folgendes Statement CMs zur auch im NGF neu entfachten Gewaltdebatte:
Nun, die erste Frage wäre: und jetzt?ganz kurz zur "unfähigkeit eines schockmoments auf andere art zu bringen".
hm.
ja, ich würde die szene genauso wieder machen. heißt das nun, ich kann es nicht anders machen?
vielleicht noch eins (das ich eigenlich nicht sagen wollte): diese ganze szenerie mit dem inszimmerführen, dem auswählen und dem erschießen des anderen ... leider ist sie der realität entnommen und ein abbild der wirklichkeit. (was das alles noch viel schlimmer macht)
Ich bin ziemlich sicher, daß gerade die Geschichte des letzten Jahrhunderts so einiges an Perversionen anzubieten hat; ein bunter Strauß der kranksten Ideen usw. - in der Tat, es macht schon Sinn, daß Filme wie Saw oder Hostel erst zuletzt und nicht schon in den Goldenen - und verhältnißmäßig unschuldigen - Zwanzigern gedreht wurden; ist nur bedingt eine Budget- und SFX-Frage...
Aber... was bringt es uns, den Lesern, solcherlei Situationen unreflektiert und aus dem Kontext gerissen in einen SF-Kontext "übersetzt" - um nicht zu sagen: kopiert - angeboten zu bekommen? Wo liegt der literarische Mehrwert? Was lernen wir, was erfahren wir über Perversionen, über Gewaltexzesse, über die Psyche der Täter?
M.a.W.: Reicht als Rechtfertigung für die Darstellung perversester Gewaltszenen - Anm.: es geht insb. um eine sehr unschöne Kindstötung, vgl. ca. S. 52ff - der Verweis darauf, "lediglich" von der Reaität "inspiriert" worden zu sein?
Die Situation ist doch die:
Da wird von einigen Lesern das Niveau der Gewaltdarstellungen als mehr oder weniger unerträglich, überzogen oder einfach unnötig kritisiert. Als Antwort des Autors kommt dann, daß das Vorbild für die Szene eine sehr reale Vorlage habe. Wieder Frage eins: Und jetzt? Macht's das besser?
Es bleibt doch zunächst immernoch dabei, daß die Szene erstmal nur da ist, um den Leser ganz dolle zu erschrecken. Hui, die pösen Gui Col. Bevor man jetzt Edgar Allen Poe oder Roald Dahl oder sonstwen als prominentes literarisches Beispiel dafür anführt, daß es völlig okay ist, einfach zu erschrecken, sollte man sich dann aber auch erstmal die Frage beantworten, warum das bei den Herren Dahl und Poe wesentlich unblutiger, sprachlich ansprechender und... ähm... intelligenter funktioniert; sollte man sich also fragen, ob das Kopieren einer zweifellos grausamen und perversen Situation à la "Besatzer/Aggressoren wüten unter ihren Opfern" (siehe Thread-Titel) the way to go ist bzw. sein sollte, wenn es um literarisch, intellektuell und kulturell akzeptable Methoden des "simplen Lesererschreckens" geht.
Denn daß es nicht um mehr geht, ist ja mein primäres Problem mit dieser Szene. Es ist eben nicht so, daß man als Leser hier mit irgendwelchen menschlichen Abgründen (sei es direkt oder per Analogie über die entspr. abgründigen Äquivalente sonstwelcher Fremdwesen) konfrontiert würde. Es wird ja mitunter sehr bestimmt darauf verwiesen, daß PR-Autoren keine Literaten seien. Naja gut; Monti ist offensichtlich kein Littell oder Semprún - warum versucht er's dann? Aber richtig, man wird sagen: das versucht er ja gar nicht. Er will ja nur unterhalten.
Und jetzt sind wir wieder beim entscheidenden Vorwurf.
Das (in diesem Falle zynisch zu nennende) Kopieren grausigster Realwelt-Exzesse zum "wohligen Leserschaudern" ist präzise: Gewaltporno. Das ist Saw. Das ist Hostel. Das ist primitiv.
Das heißt doch, daß der Gewaltporno-Vorwurf sogar noch gestützt wird durch obiges Zitat. Denn wie könnte der Verweis auf reale Vorbilder ihn entkräften? (Man entkommt ja auch nicht dem Porno-Vorwurf in dem man darauf verweist, daß üblicherweise in der Realität ein Mann und eine Frau (oder sonstwelche Kombinationen), wenn sie sich dolle liebhaben... und so weiter... )
Jetzt kann man natürlich mit folgendem Argument kommen.
"Oh Mann, Christian wußte schon, warum er das eigentlich nicht sagen wollte. Eines ist doch ganz klar; der Vowurf der übertriebenen Gewalt ist doch entkräftet, wenn es ein reales Vorbild gibt. Übertrieben suggeriert unrealistisch - und wenn etwas der Realität "abgeschaut" ist, kann es nicht unrealistisch sein. Ergo habt ihr Unrecht, ihr Hater! "
Tjoah... dem spezifischen Vorwurf der überzogenen (im Sinne einer völlig unrealistischen, gar weltfremden) Gewaltdarstellung kann wohl so entgangen werden. Aber mal ehrlich: Ist das der Vorwurf auf den es ankommt, auf den es ankommen sollte?
Womit wir denn bei Frage zwei wären. Lieber Monti, wenn Du den Verweis auf das sehr reale Szenen-Vorbild nicht bringen wolltest, wieso brachtest Du ihn dann?
Letzte Anmerkung:
Jetzt könnte ein aufmerksamer Leser empört aufschreien, daß hier jemand den kreativen Künstlern vorschreiben wolle, welche Stilmittel sie zu verwenden hätten.
Hmm...
Sagen wir mal so... wenn ich literarisch bzw. kreativkünstlerisch erntsgenommen will, dann sollte ich so sensiblen Themen wie Gewaltexzessen von Aggressoren und Besatzermächten - gerade auch aufgrund ihrer historischen Aufgeladenheit - auch mit einer gewissen literarischen bzw. kreativkünstlerischen Ernsthaftigkeit begegnen.
Die Instrumentalisierung solcher Exzesse zum bloßen Schock, zur leichten Leserunterhaltung; das kann man nur bedingt ernstnehmen. Und ja, ich weiß... muß man denn immer alles so furchtbar ernstnehmen?
Nein, muß man nicht. Man kann nur gruseln/schaudern/unterhalten wollen. Aber dann tut's eben auch ein Dahl, ein Poe. Man muß nicht völlig over the top und ultrarealistisch fieseste Folter-Szenarien inszenieren, wenn man nur unterhalten will. Genauer noch: das sollte man nicht.
Betrachten wir es doch einmal aus der Opferperspektive. Nach Montis Worten gab es die Kindtötungs-Situation in der Realität - und das glaube ich ihm sofort. Aber ist das nicht ein bißchen entwürdigend, wenn das unsagbare Leid, das diese perfide Grausamkeit produziert hat, zum simplen Leserspaß verwendet wird? Ich habe doch um Gottes Willen nichts dagegen, daß derlei Qualen in der Literatur thematisiert werden; gerne auch bei Perry Rhodan. Aber dann sollen sie auch thematisiert und nicht bloß instrumentalisiert werden.
Wenn man seicht unterhalten werden will, dann braucht man keinen gritty realism. Wenn man gritty realism will, dann muß man als Leser (und erst recht als Autor!) bereit sein, dahin zu gehen, wo es wirklich wehtut. Dann muß man fordern und gefordert werden. Dann tut's simple Unterhaltung, Badewannenberieselei und dergleichen einfach nicht mehr.
Beziehungsweise muß man dann wenigstens damit leben, daß Perry-Romane wie z.B. "Das genetische Siegel" durchaus zurecht in die gleiche Schublade wie Saw oder Hostel - oder zumindest in ein Schubfach nebenan - gesteckt werden.
Man kann nicht alles haben. Man kann nicht auf sein Recht pochen, leicht unterhalten zu werden. Und gritty realism geboten zu bekommen, weil das Leben nunmal kein Ponyhof ist. Und dann noch der Meinung sein, daß PR mit seinem leichtunterhaltenden gritty realism was besseres, niveauvolleres oder anspruchsvolleres als der nächstbeste Teenie-Slasher wäre...
Mit manchen Vorwürfen muß man (Leser/Fans und Macher/Autoren) dann einfach einmal leben... und wenn sie einem nicht passen; tja, dann sollte man sich ernsthaft überlegen, ob man stur so weitermacht wie gehabt... wenn man damit hingegen kein Problem hat; nun, dann sollte man auch kein Problem damit haben, sich zu bekennen. Dann muß man auch nicht allergisch auf Saw-Vorwürfe und dergl. reagieren. Dann kann man die abnicken und fragen: Wo ist das Problem? Aber ganz so einfach ist das dann ja doch nicht, nicht wahr?