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Was ist Phantastik


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189 Antworten in diesem Thema

#61 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 29 Oktober 2009 - 21:30

Und am Ende braucht jeder Kategorien. Ohne Kategorien wäre keine Kommunikation und wahrscheinlich auch gar kein Denken möglich.

Kategorien schränken das Erleben ein - mal mehr, mal weniger. Man sollte nicht die Worte bzw. Kategorien mit der erlebbaren Welt verwechseln.

Man kann ohne Kategorien denken und erleben, das ist ein sehr merkwürdiger Zustand, der kaum beschrieben werden kann. Er ist sehr "erlebnisintensiv" - mal vorsichtig ausgedrückt. Ein durchaus "phantastischer" Bewusstseinszustand. I love it.

Solange mir das nicht näher erklärt wird, gebe ich simifilm recht. TrashStars Plädoyer hört sich für mich ein bisschen wie ´ne Werbung für harte Drogen an. Kant spricht von den Verstandeskategorien, die den sensorischen Input sozusagen verarbeiten. Die Verstandeskategorie der Kausalität beispielsweise lässt uns eine Verknüpfung zwischen zwei Ereignissen herstellen, die wir dann als Ursache und Wirkung bezeichnen. Andere Wesen auf dieser Erde verfügen offensichtlich nicht über diese Verstandeskategorie. Die Fliege nimmt immer wieder denselben Weg - und donnert ihre Facettenaugen 50 Mal gegen die Fensterscheibe. Was versteht derjenige unter Denken, der sagt, man könne es ohne Kategorien?

#62 HMP †

HMP †

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Geschrieben 29 Oktober 2009 - 21:38

Lustig -: den landläufig "falsch" benutzten Begriff durch einen landläufig ebenfalls "falsch" benutzen erklären zu wollen. Aber Scherz beiseite. Was mit einem Wort im "eigentlichen Sinn" gemeint sein soll, ist ja eine schwierige Sache. Ein tragischer Held ist im "eigentlichen Sinn" jemand, der schuldlos in eine schuldhafte Verstrickung gerät. Michael Kohlhaas etwa, dessen ausgeprägter Gerechtigkeitssinn ihn zum Verbrecher werden lässt. In diesem Sinn sind die beliebten "tragischen Unfälle" in den seltensten Fällen tragisch - sondern "lediglich" entsetzlich und grauenhaft.

Touché! Was nichts anderes zeigt, wie schnell einem selbst so etwas passiert. Du hast natürlich Recht!
Universal Columnist

Es gibt immer etwas, wozu es etwas zu sagen gibt. Immer!
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#63 simifilm

simifilm

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Geschrieben 29 Oktober 2009 - 21:42

Solange mir das nicht näher erklärt wird, gebe ich simifilm recht. TrashStars Plädoyer hört sich für mich ein bisschen wie ´ne Werbung für harte Drogen an.

Geht mir ähnlich - das klingt wie eine Drogenerfahrung oder wie die Beschreibung eines psychotischen Zustands.

Signatures sagen nie die Wahrheit.

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#64 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 29 Oktober 2009 - 22:26

Touché! Was nichts anderes zeigt, wie schnell einem selbst so etwas passiert. Du hast natürlich Recht!

Tja, das weiß ich gar nicht so genau ... Laut Wittgenstein liegt die Bedeutung eines Worts ja in seiner Verwendung - und die Medien kommen ja schon lange und gerne mit "tragischen Unfällen" rüber. Aber ich gebe zu, dass ich gerne recht hätte - einfach, weil ich schwach genug bin, mich über Sprachschlampereien aufzuregen (und wenn´s mir selbst passiert, bin ich der erste, der´s einsieht). (Wer war wohl der faulmaulige Sprachhunz, der als erster den Dank seines Interviewers mit einem "Gerne" statt eines "Gern geschehen" quittierte?)

Bearbeitet von Guido Seifert, 29 Oktober 2009 - 22:43.


#65 † Christian Weis

† Christian Weis

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Geschrieben 29 Oktober 2009 - 22:41

(Wer war wohl der faulmaulige Sprachhunz, der als erstes den Dank seines Interviewers mit einem "Gerne" statt eines "Gern geschehen" quittierte?)

Vermutlich derjenige, der auch es macht Sinn "erfunden" hat (nein, Gerhard Schröder war's nicht, der hat nur nachgeplappert :cheers: ).

#66 Susanne11

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Geschrieben 29 Oktober 2009 - 22:46

Geht mir ähnlich - das klingt wie eine Drogenerfahrung oder wie die Beschreibung eines psychotischen Zustands.

Das sind aber merkwürdige Assoziationen. :cheers: Damit hat das, was ich geschrieben habe, nichts zu tun. Aber ich gebe zu, dass Diskussionsforen ohne Kategorien und geordnete Denkstrukturen, wahrscheinlich nicht gut funktionieren würden. Und wie extrem man das betreibt ist individuell verschieden. Die einen brauchen mehr davon, die anderen weniger.

#67 simifilm

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Geschrieben 29 Oktober 2009 - 22:53

Das sind aber merkwürdige Assoziationen. :cheers: Damit hat das, was ich geschrieben habe, nichts zu tun.

Vielleicht hast Du was anderes gemeint, aber meines Wissens basieren die gängigen Erkenntnis- und Wahrnehmungsmodelle eigentlich alle darauf, dass bereits in der Wahrnehmung eine Kategorisierung des ungeordneten Stroms von Sinneseindrücken erfolgt. Und alles, was nachher kommt, alles Denken - und Sprache sowieso - spielt sich ebenfalls in Kategorien ab. Diese Prozesse sind nur in Ausnahmefällen wie eben den von mir genannten wirklich ausser Kraft gesetzt.

Vermutlich derjenige, der auch es macht Sinn "erfunden"

Das ist einfach eine falsche - wörtliche - Übersetzung aus dem Englischen.

Bearbeitet von simifilm, 30 Oktober 2009 - 08:11.

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#68 † Christian Weis

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 06:48

Das ist einfach eine falsche - wörtliche - Übersetzung aus dem Englischen.

Ja, klar - erstaunlich ist nur, dass sowas dann dermaßen in den Sprachgebrauch einfließt, dass es irgendwann einfach von sehr vielen (nicht allen) benutzt wird. Bei Genre-Definitionen ist es wohl mitunter ähnlich - es "bürgert" sich etwas ein, was man (da nehme ich mich nicht aus) dann so benutzt, ohne zu hinterfragen, ob es auch passt. So wäre ich z. B. bevor ich das erste Mal von Todorov gehört habe, nicht auf die Idee gekommen, mir seine Definition zu eigen zu machen, weil Todorovs Ansatz das Ganze für mich zu sehr eingrenzt.

#69 simifilm

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 07:48

Ja, klar - erstaunlich ist nur, dass sowas dann dermaßen in den Sprachgebrauch einfließt, dass es irgendwann einfach von sehr vielen (nicht allen) benutzt wird.

Angesichts all der Anglizismen, die heute verwendet werden (und die oft auch falsch sind), erstaunt mich das nicht weiter. Ich höre so oft Dinge wie "ein Planning machen" oder "ein Phoner", die gar kein Englisch sind, dass "Sinn machen" daneben schon fast wie elegantes Deutsch klingt.

Bearbeitet von simifilm, 30 Oktober 2009 - 08:09.

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#70 Naut

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 08:17

Was versteht derjenige unter Denken, der sagt, man könne es ohne Kategorien?

Nur ein kurzer Einwurf zu der Behauptung, alles Denken basiere auf Kategorien: Die KI kennt mindestens einen weiteren Ansatz, nämlich die Modellierung über Ähnlichkeiten oder Metriken. Zu jedem Ding, das mir bekannt wird, stelle ich eine Ähnlichkeit zu mir bereits bekannten Dingen fest, und ordne alle mir bekannten Dinge so mit der Zeit in ein n-dimensionales Kontinuum ein. Dabei nehmen die mir prägnanter erscheinenden, oder mir früher bekannt gewordenen Dinge wichtigere Plätze ein, ich betrachte sie als prototypisch. Jemand, der als Kind Mark Brandis gelesen hat, mag diese Serie als Prototypen für SF nehmen, darum herum entsteht eine lose Wolke an Werken, die ihm mehr oder weniger SF-ig erscheinen und die in größerer Entfernung (und anderer Richtung) in "Fantasy" oder "Horror" oder "Krimi" übergeht.
Prototypisches Denken erfordert keine Definition im engeren Sinne, bildet also keine formale Ontologie (in Form eines Entscheidungsbaums - entweder/oder) aus.
Eine solche Theorie erklärt sehr einleuchtend, warum manche Dinge so klar als SF erscheinen, wogegen andere eher umstritten sind.

Man kann natürlich argumentieren, dass dabei trotzdem über die gewählte Metrik und die Prototypen so etwas wie Kategorien entstehen; allerdings sind es fuzzy Kategorien, unscharf an den Rändern. Außerdem ist eine deratige Auffassung nahezu nutzlos zum Betreiben von Literaturwissenschft, was erklärt, warum es trotzdem immer wieder Genredefinitionen geben muss.

Ich bin mit meiner fuzzy Genreauffassung sehr glücklich. :cheers:
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#71 simifilm

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 08:25

Nur ein kurzer Einwurf zu der Behauptung, alles Denken basiere auf Kategorien: Die KI kennt mindestens einen weiteren Ansatz, nämlich die Modellierung über Ähnlichkeiten oder Metriken. Zu jedem Ding, das mir bekannt wird, stelle ich eine Ähnlichkeit zu mir bereits bekannten Dingen fest, und ordne alle mir bekannten Dinge so mit der Zeit in ein n-dimensionales Kontinuum ein. Dabei nehmen die mir prägnanter erscheinenden, oder mir früher bekannt gewordenen Dinge wichtigere Plätze ein, ich betrachte sie als prototypisch. Jemand, der als Kind Mark Brandis gelesen hat, mag diese Serie als Prototypen für SF nehmen, darum herum entsteht eine lose Wolke an Werken, die ihm mehr oder weniger SF-ig erscheinen und die in größerer Entfernung (und anderer Richtung) in "Fantasy" oder "Horror" oder "Krimi" übergeht.
Prototypisches Denken erfordert keine Definition im engeren Sinne, bildet also keine formale Ontologie (in Form eines Entscheidungsbaums - entweder/oder) aus.
Eine solche Theorie erklärt sehr einleuchtend, warum manche Dinge so klar als SF erscheinen, wogegen andere eher umstritten sind.

Man kann natürlich argumentieren, dass dabei trotzdem über die gewählte Metrik und die Prototypen so etwas wie Kategorien entstehen; allerdings sind es fuzzy Kategorien, unscharf an den Rändern. Außerdem ist eine deratige Auffassung nahezu nutzlos zum Betreiben von Literaturwissenschft, was erklärt, warum es trotzdem immer wieder Genredefinitionen geben muss.

Dieses Prototypen-Modell ist mir durchaus bekannt, aber wie Du eigentlich ja selbst sagst, haben wir hier es sehr wohl mit Kategorien zu tun. Die Kategorien mögen nicht hierarchisch und scharf getrennt sein, es sind aber definitiv Kategorien. Ein wichtiges Buch in diesem Zusammenhang ist George Lakoffs Women, Fire and Dangerous Things, das nicht ganz zufällig den Untertitel "What Categories Reveal About the Mind" trägt.

Und von wegen nutzlos für die Literaturwissenschaft: Der Prototypen-Ansatz wird in der Genretheorie schon seit geraumer Zeit verwendet; eigentlich gehen die meisten neueren Ansätze, die mir bekannt sind, von einem Prototypen-Modell aus.

Bearbeitet von simifilm, 30 Oktober 2009 - 08:29.

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#72 Gast_stolle_*

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 08:41

Man kann natürlich argumentieren, dass dabei trotzdem über die gewählte Metrik und die Prototypen so etwas wie Kategorien entstehen; allerdings sind es fuzzy Kategorien, unscharf an den Rändern. Außerdem ist eine deratige Auffassung nahezu nutzlos zum Betreiben von Literaturwissenschft, was erklärt, warum es trotzdem immer wieder Genredefinitionen geben muss.

Ich bin mit meiner fuzzy Genreauffassung sehr glücklich. :cheers:

Darum bin ich ja froh, dass wir keine literaturwissenschaftliche Diskussion führen. :D Für jene wäre es nämlich notwendig, dass jeder Diskutant seine Begrifflichkeit genau definiert, um überhaupt verstanden zu werden.
Nein, wir reden hier auf unterschiedlichen Niveaus mit unterschiedlichen Ansätzen über (vermutlich) nicht exakt dasselbe Thema. Dies erfordert eine gewisse fuzziness bei Diskussion, weswegen ich diesen Begriff der "fuzzy Genreauffassung" ziemlich sinnvoll finde, (und die Drogen-Kommentare auf Trashstars Einlassungen etwas deplaziert).

#73 simifilm

simifilm

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 09:23

(und die Drogen-Kommentare auf Trashstars Einlassungen etwas deplaziert).

Inwiefern deplaziert? Und noch ein Nachtrag zum Thema Genretheorie und Prototypen: Ich möchte da auf einen Aufsatz eines geschätzten Kollegen von mir verweisen. Der Text ist so eine Art Bestandesaufnahme zum Thema Genrethorie im Bereich Film und hat mittlerweile doch 15 Jahre auf dem Buckel. Bereits da wird aber die Fage, ob und wie ein Prototypenmodell für die Genretheorie sinnvoll ist, ausführlich diskutiert (ca. ab Seite 110).

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#74 Mycroft

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 10:42

So läuft das bei Todorov. Wobei ich mich allerdings nicht an eine X-Files-Folge erinnern kann, bei der alles offen bleibt.

Alles offen vllt. nicht. Ok, wenn Phantastik nach Todorov genau das ist, wo alles offen bleibt, bleiben sehr wenig Geschichten über, die dann noch Phantastik sind.

Du kannst Todorov gerne schreiben. :cheers:

Um ihm zu schreiben, müsste ich ihn fairnishalber auch gelesen haben, und wenn der Begriff "rein" von ihm und nicht von Dir stammt, habe ich Dir mit der Kritik Unrecht getan.
Dessenungeachtet bleibe ich dabei, dass der Begriff einen fließenden statt einen sprunghaften Übergang Phantastik - Nichtphantastik suggeriert. Evt. ist die Übersetzung an der Stelle auch nicht ok. :D

Grundsätzlich kannst Du unzählige Unterscheidungen treffen, wenn es Dir gefällt. Ich kann nur immer wiederholen: Entscheidend ist, dass man sich bei jeder Kategorisierung überlegt, was man damit eigentlich erreichen will.

Ja, es gefällt mir. Es erleichtert die Kommunikation, auch wenn es sich komplizierter anhört.
Wenn man unterschiedliche Systeme von Kategorisierungen hat, die sich dadurch unterscheiden, dass damit unterschiedliche Ziele mit ihnen erreichen will, dann sollten Begriffe, die in dem einen System vorkommen, möglichst nicht in anderen vorkommen, um Verwechselungen zu vermeiden. Wobei ich zugebe, dass das nicht immer strikt eingehalten wird: wenn man Gebäude nach ihrer Nutzung kategorisiert, gibt es welche, die man Kirchen nennt. Man nennt aber auch Gebäude mit eine bestimmten Form (Kategorisierung nach Äußerem) "Kirche".
Form und Funktion sind aber nicht immer deckungsgleich, z.B. könnte man eine Garage als Kirche nutzen, dann wäre es eine Kirche, die nicht kirchenförmig ist. Umgekehrt ist z.B. Gargamels Haus kirchenförmig, wird aber als Wohnhaus mit schwarzmagischen Labor genutzt.
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#75 simifilm

simifilm

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 11:08

Alles offen vllt. nicht. Ok, wenn Phantastik nach Todorov genau das ist, wo alles offen bleibt, bleiben sehr wenig Geschichten über, die dann noch Phantastik sind.

Grundsätzlich ist es bei Todorov schon so, dass Phantastik nur so lange existiert, wie sich die verschiedenen Erklärungen in der Schwebe halten. Findet eine eindeutige Entscheidung statt, verlassen wir das Phantastische. Die Frage, ob das nun für die Geschichte als Ganze oder auch nur für einzelne Teile gelten kann, beantwortet Todorov durchaus widersprüchlich. Einerseits sagt er, dass er von Gattungen spricht, also von Kategorien, die einen Text insgesamt charakterisieren, andererseits meint er aber auch, man könne durchaus nur einzelne Teile einer Erzählung anschauen. Das Problem ist dann einfach Folgendes: Wenn ich sage, der erste Drittel eines Romans ist phantastisch, der Rest aber nicht - was sagt das dann über die Gattung aus? Hier wird einmal mehr deutlich, dass Todorov eigentlich nicht von Gattungen spricht.

Um ihm zu schreiben, müsste ich ihn fairnishalber auch gelesen haben, und wenn der Begriff "rein" von ihm und nicht von Dir stammt, habe ich Dir mit der Kritik Unrecht getan.

Dessenungeachtet bleibe ich dabei, dass der Begriff einen fließenden statt einen sprunghaften Übergang Phantastik - Nichtphantastik suggeriert. Evt. ist die Übersetzung an der Stelle auch nicht ok. :unsure:

Bei einem kurzen Durchblättern der deutschen Fassung bin ich auf die Formulierung "unvermischt phantastisch" gestossen, und im französischen Original ist an der Stelle vom "fantastique pur" die Rede. So wie ich's im Kopf habe, werden dafür auch noch Synonyme verwendet, aber von "unvermischt" spricht er auf jeden Fall, und das ist ja schon ziemlich synonym mit "rein" (eine unvermischte Lösung ist rein †¦).

Wenn man unterschiedliche Systeme von Kategorisierungen hat, die sich dadurch unterscheiden, dass damit unterschiedliche Ziele mit ihnen erreichen will, dann sollten Begriffe, die in dem einen System vorkommen, möglichst nicht in anderen vorkommen, um Verwechselungen zu vermeiden.

In der Realität ist es aber nun mal so, dass der gleiche Begriff in unterschiedlichen Zusammenhängen auch sehr unterschiedliche Dinge bedeuten kann. In den Naturwissenschaften bedient man sich ja oft fachfremder Bereiche, um neue Phänomene zu benennen. Und sobald Du tiefer in irgendeinen Fachbereich eindringst, wirst Du unweigerlich auf Begriffe stossen, die ausserhalb dieses Fachbereichs eine andere Bedeutung haben. Eine Projektion ist im Kontext eines Kinos etwas ganz anderes als in der Psychologie, "Maske" ist im Theater etwas anderes als im Umgang mit Photoshop, und ein Bass kann ein Musikinstrument, eine Stimmlage oder ein Frequenzbereich sein. Und das sind nur drei Beispiele von unzähligen.

Bearbeitet von simifilm, 30 Oktober 2009 - 11:45.

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#76 Susanne11

Susanne11

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 13:44

Vielleicht hast Du was anderes gemeint, aber meines Wissens basieren die gängigen Erkenntnis- und Wahrnehmungsmodelle eigentlich alle darauf, dass bereits in der Wahrnehmung eine Kategorisierung des ungeordneten Stroms von Sinneseindrücken erfolgt. Und alles, was nachher kommt, alles Denken - und Sprache sowieso - spielt sich ebenfalls in Kategorien ab. Diese Prozesse sind nur in Ausnahmefällen wie eben den von mir genannten wirklich ausser Kraft gesetzt.

Mir scheint, du verwechselst die Wirklichkeit mit Modellen. Es gibt unkondionierte Wahrnehmung, man kann es erleben und man kann sich darüber austauschen. Und es hat nichts mit der Einnahme von Drogen oder mit Psychosen zu tun. Aber das ist hier off-topic ... das müssen wir nicht weiter verfolgen. Schließlich sollen Eure geordneten Weltbilder nicht durcheinandergeraten. :unsure:

#77 simifilm

simifilm

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 13:45

Mir scheint, du verwechselst die Wirklichkeit mit Modellen. Es gibt unkondionierte Wahrnehmung, man kann es erleben und man kann sich darüber austauschen. Und es hat nichts mit der Einnahme von Drogen oder mit Psychosen zu tun. Aber das ist hier off-topic ... das müssen wir nicht weiter verfolgen. Schließlich sollen Eure geordneten Weltbilder nicht durcheinandergeraten. :unsure:

Wieso nicht? Würde mich interessieren.

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#78 Mycroft

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 13:46

...Einerseits sagt er, dass er von Gattungen spricht, also von Kategorien, die einen Text insgesamt charakterisieren, andererseits meint er aber auch, man könne durchaus nur einzelne Teile einer Erzählung anschauen. Das Problem ist dann einfach Folgendes: Wenn ich sage, der erste Drittel eines Romans ist phantastisch, der Rest aber nicht - was sagt das dann über die Gattung aus? Hier wird einmal mehr deutlich, dass Todorov eigentlich nicht von Gattungen spricht.

Kann man denn seine Definition einfach ins Deutsche übertragen? Benutzt die deutsche Literaturwissenschaft nur Todorovs Definition? Oder gibt es den deutschen Begriff Phantastik erst seit Todorovs Buch? Kommt das deutsche Wort "Phantastik" vom französischen "fantastique", oder vom "deutschen" Phantasie bzw. direkt aus dem griechischen? Will sagen, ist die Bestimmung eines französischen Begriffes notwendigerweise maßgeblich für die Bestimmung eines deutschen Begriffes, der genauso ausgesprochen wird und dieselbe ethymologische Herkunft in einer dritten Sprache hat?

Bei einem kurzen Durchblättern der deutschen Fassung bin ich auf die Formulierung "unvermischt phantastisch" gestossen, und im französischen Original ist an der Stelle vom "fantastique pur" die Rede. So wie ich's im Kopf habe, werden dafür auch noch Synonyme verwendet, aber von "unvermischt" spricht er auf jeden Fall, und das ist ja schon ziemlich synonym mit "rein"...

Ok, wäre dann "vermischt phantastisch" (nach Todorov) z.B. eine Geschichte, die im letzten Kapitel aufgelöst wird?

In der Realität ist es aber nun mal so, dass der gleiche Begriff in unterschiedlichen Zusammenhängen auch sehr unterschiedliche Dinge bedeuten kann. .... Und das sind nur drei Beispiele von unzähligen.

Ja. Aber je Fachsprache gibt es normalerweise nur eine Definition. Und wenn man die verschiedenen Begriffe in andere Sprachen übersetzt, werden daraus verschiedene Wörter. Z.B. "Runner", "Bishop" und "Stretcher" sind im deutschen "Läufer". Wenn "reine Phantastik" in der Literaturwissenschaft das ist, was Todorov beschreibt, gibt es in der Literaturwissenschaft keinen Oberbegriff für Fantasy, SF und (Teile von) Horror? Wenn doch, lautet er dann auch Phantastik?
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#79 simifilm

simifilm

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 14:22

Kann man denn seine Definition einfach ins Deutsche übertragen? Benutzt die deutsche Literaturwissenschaft nur Todorovs Definition? Oder gibt es den deutschen Begriff Phantastik erst seit Todorovs Buch? Kommt das deutsche Wort "Phantastik" vom französischen "fantastique", oder vom "deutschen" Phantasie bzw. direkt aus dem griechischen? Will sagen, ist die Bestimmung eines französischen Begriffes notwendigerweise maßgeblich für die Bestimmung eines deutschen Begriffes, der genauso ausgesprochen wird und dieselbe ethymologische Herkunft in einer dritten Sprache hat?

Notwendigerweise massgeblich sicher nicht, es ist aber nun mal eine Tatsache, dass Todorovs Modell in der Germanistik sehr wirkungsmächtig war und ist. Das ist beispielsweise in der Anglistik nicht unbedingt der Fall; da ist Todorov weit weniger wichtig. Wann de Begriff "Phantastik" im Deutschen gebräuchlich wird, kann ich nicht genau sagen. In der Literaturwissenschaft taucht er meines Wissens erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Ich weiss, dass bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Bücher mit Bezeichnungen wie "phantastischer Roman" verkauft wurden; wie verbreitet der Begriff insgesamt war und †” vor allem †” was man darunter verstanden hat, kann ich aber nicht sagen.

Ok, wäre dann "vermischt phantastisch" (nach Todorov) z.B. eine Geschichte, die im letzten Kapitel aufgelöst wird?

Die wäre entweder phantastisch-unheimlich oder phantastisch-wunderbar.

Ja. Aber je Fachsprache gibt es normalerweise nur eine Definition.

Willkommen in der Welt der Geisteswissenschaften.

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#80 Morn

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 14:37

Wenn "reine Phantastik" in der Literaturwissenschaft das ist, was Todorov beschreibt, gibt es in der Literaturwissenschaft keinen Oberbegriff für Fantasy, SF und (Teile von) Horror? Wenn doch, lautet er dann auch Phantastik?

Das ist eine Frage, deren Antwort mich auch interessieren wuerde. Darum wiederhole ich die Frage mal, da ich denke, dass simi sie uebersehen hat.

#81 molosovsky

molosovsky

    Phantastik-Fachdepp

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 14:56

Momentane Sache bei mir (deshalb bitte nicht zu ernst nehmen): Bin etwas genervt, dass schon wieder eine allgemeine Diskussion zum Thema »Was bedeutet Phantastik« sich zu einem Gutteil um Todorovs olle Kamellen aus den frühen Siebzigern dreht. Geht doch bitte zu Simis diesbezüglichen Thread, allein schon, weil Simi bei seinem im Werden befindlichen »Todorov für Dummies« die Fehler und Macken von Todorov schön ausdeutet und die geistesgeschichtlichen Hintergründe liefert. Dann: wer sagt eigentlich, dass wir Leser immer auf die Akademiker gucken müssen, um denen ihre ›abgesegneten Definitionen‹ nachzuplappern? Ist ja nicht so, dass wir Normalos eine Erlaubnis einholen müssen. Vielmehr ist es so, dass unter Akademikern auch keine Einigkeit herrscht, nur streiten die formeller und mit mehr Fremdwörtern :-) Also: ich empfehle, selber denken und selber ›definieren‹, auch auf die Gefahr hin, dass man sich zum Gespött macht. Ach ja, fast vergessen. Dem Todorov seinen sehr speziellen Phantastikbegriff sollte man in der Curiositätenkammer bewundern. Tatsächlich lässt sich das, was er meint viel besser mit dem bereits dafür gedachten Begriff ›Ambivalenz‹ bezeichnen. Sinnvoller verwendet bezeichnet ›Phantastik‹ als Schirmbegriff die ganze Spannbreite an Texten, welche mit dem Übernatürlichen, Magischen, Utopischen spielen. Grüße Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 30 Oktober 2009 - 18:30.

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

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#82 Mycroft

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 15:31

Momentane Sache bei mir (deshalb bitte nicht zu ernst nehmen): Bin etwas genervt, dass schon wieder eine allgemeine Diskussion zum Thema »Was bedeutet Phantastik« sich zu einem Gutteil um Todorovs olle Kamellen aus den frühen Siebzigern dreht. Geht doch bitte zu Simis diesbezüglichen Thread, allein schon, weil Simi bei seinem im Werden befindlichen »Todorov für Dummies« die Fehler und Macken von Todorov schön ausdeutet und die geistesgeschichtlichen Hintergründe liefert.

Ok, ich behaupte mal, Todorovs Definition soweit verstanden zu haben, und hinterfrage ihn hier nicht mehr weiter.

... Sinnvoller verwendet bezeichnet ›Phantastik‹ als Schirmbegriff die ganze Spannbreite an Texten, welche mit dem Übernatürlichen, Magischen, Utopischen spielen. ...

Tja, käme mir logisch vor. Aber wer bin ich schon.
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#83 Susanne11

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 17:28

Sinnvoller verwendet bezeichnet ›Phantastik‹ als Schirmbegriff die ganze Spannbreite an Texten, welche mit dem Übernatürlichen, Magischen, Utopischen spielen.

Da sieht man es wieder. Im Grunde ist alles ganz einfach und viel unnützes Gerede drumherum. Herzlichen Glückwunsch zur gelungen Formulierung einer sinnvollen und ausreichenden Definition. Den Satz sollten wir in großen bunten Lettern gut sichtbar hier im Forum irgendwo aufhängen. :unsure: Damit hast du mir eine ausufernde Antwort an Simi erspart und ich muss nicht die nächste Stunde vor dem Rechner sitzen und mir Zeugs aus den Fingern saugen. Statt dessen kann ich in Ruhe "Mahlstrom" zu Ende lesen.

#84 Morn

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 17:53

Sinnvoller verwendet bezeichnet ›Phantastik‹ als Schirmbegriff die ganze Spannbreite an Texten, welche mit dem Übernatürlichen, Magischen, Utopischen spielen.

So verwende ich den Begriff eigentlich auch, aber ob er auch (ausserhalb Todorov) so in der Literaturwissenschaft verwendet wird oder ob es einen anderen Begriff mit dieser Verwendung gibt und wie er heisst, wuerde mich trotzdem noch interessieren.

#85 simifilm

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 18:15

Das ist eine Frage, deren Antwort mich auch interessieren wuerde. Darum wiederhole ich die Frage mal, da ich denke, dass simi sie uebersehen hat.

Noch einmal in aller Deutlichkeit: die literaturwissenschaftliche Definition gibt es nicht. Auch die von Todorov ist in keiner Weise die "offizielle", es ist einfach ein Ansatz, der aus verschiedenen Gründen sehr wirksam war und ist. Aber Du wirst zweifellos auch Literaturwissenschaftler finden, die Phantastik generell als "übernatürliche" Geschichten verstehen. Ganz allgemein ist die Literaturwissenschaft je länger je weniger damit beschäftigt, grosse Gattungs-Klassifikationssysteme aufzubauen; und zwar unter anderem just deshalb, weil man zur Einsicht gekommen ist, dass Gattungen eben keine irgendwie objektiv geartete Sache sind. Um mich einmal mehr zu wiederholen: Definitionen hängen davon ab, was man damit machen will. Welche Definition ein Literaturwissenschaftler wählt, hängt in erster Linie davon ab, was er konkret untersuchen will.

Um auf die Frage zurückzukommen: Ja, es gibt sicher Literaturwissenschaftler, die Phantastik als Oberbegriff verwenden, und es gibt andere, die es nicht tun.

Sinnvoller verwendet bezeichnet ›Phantastik‹ als Schirmbegriff die ganze Spannbreite an Texten, welche mit dem Übernatürlichen, Magischen, Utopischen spielen.

Was heisst schon "sinnvoller" oder "logischer". Am Ende sind das alles nur Konventionen. Objektiv "sinnvoller" ist weder der eine, noch der andere Gebrauch - höchstens verbreiteter. (Was dagegen definitiv nicht sinnvoll ist, ist einfach alles und jedes als Phantastik zu bezeichnen, aber das macht ja ohnehin nur molo :unsure: )

Bearbeitet von simifilm, 30 Oktober 2009 - 22:31.

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#86 Theophagos

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 18:24

Was mich immer wieder verwundert, ist mit welcher Vehemenz über Begriffe, statt über Bedeutungen gestritten wird. Für mich ist die zentrale Frage: Ist die Zusammensetzung der Textgruppe klärend oder verschleiernd? Welches Etikett dann hinterher draufgepappt wird, ist mir einigermaßen egal. Daher: Kann mir mal einer erklären, warum es so wichtig ist, dass die von Todorov untersuchte Textgruppe nicht "Phantastik" heißen darf? Wo Kategorien ja eh' nicht so wichtig sind?Theophagos

Bearbeitet von Theophagos, 30 Oktober 2009 - 18:25.

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#87 molosovsky

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 18:25

Goor nüsch wahr, Simi. Ich unterscheide zwischen Tagtraum, längerem Gedankenspiel, Phantastik und Großraumphantastik. Grüße Alex /molo

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#88 Morn

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 19:03

Was mich immer wieder verwundert, ist mit welcher Vehemenz über Begriffe, statt über Bedeutungen gestritten wird. Für mich ist die zentrale Frage: Ist die Zusammensetzung der Textgruppe klärend oder verschleiernd?


Was versteht man unter "klaerender" bzw. "verschleiernder Zusammensetzung"?

EDIT: Wie=Was

Bearbeitet von Morn, 30 Oktober 2009 - 19:03.


#89 simifilm

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 19:33

Goor nüsch wahr, Simi.
Ich unterscheide zwischen Tagtraum, längerem Gedankenspiel, Phantastik und Großraumphantastik.


Sehr wohl wahr: :unsure:

Das erste, was ich über Bord werfe für diese größenwahnsinnige Überblähung des Phantastikbegriffs ist der olle kleingeistige Gegensatz zwischen ›Phantastik‹ und ›Realismus‹ (womit ja gemeint ist: ›Lüge, Trugbild, Unwahrheit‹ versus ›Fakt, Offenbarung, Wahrheit‹).


Wenn es zu Phantastik - sei sie nun gross- oder kleinräumig - keinen Gegenbegriff mehr gibt, würde ich tatsächlich sagen, dass der Begriff nicht sonderlich sinnvoll ist; Du schreibst ja selbst, dass das unpragmatisch sei. Wozu also einen bestehenden Begriff bewusst so ausweiten, dass ihn garantiert niemand mehr versteht? (wobei es natürlich falsch ist, zu behaupten, Realismus wäre das Gleiche wie Fakt oder Wahrheit, denn es geht ja immer um Fiktion, für die Wahrheit von vorne herein kein Kriterium sein kann. Die Behauptung, Phantastik würde mit Lüge gleichgesetzt, ist ein reiner Strohmann).

Bearbeitet von simifilm, 31 Oktober 2009 - 07:17.

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#90 Guido Seifert

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Geschrieben 30 Oktober 2009 - 20:28

Nur ein kurzer Einwurf zu der Behauptung, alles Denken basiere auf Kategorien: Die KI kennt mindestens einen weiteren Ansatz, nämlich die Modellierung über Ähnlichkeiten oder Metriken. Zu jedem Ding, das mir bekannt wird, stelle ich eine Ähnlichkeit zu mir bereits bekannten Dingen fest, und ordne alle mir bekannten Dinge so mit der Zeit in ein n-dimensionales Kontinuum ein.

Hier liegt ein Missverständnis vor. Ich sprach von den Verstandeskaterorien im Sinne der reinen Verstandesbegriffe, so wie sie von Kant in der Kritik der reinen Vernunft dargelegt werden. Er lehnt sich hier an Aristoteles an und nennt die reinen Verstandesbegriffe Kategorien. Diese ordnet er in einer Tafel unter den Titeln Quantität, Qualität, Relation und Modalität an. Kant beschreibt hiermit ein apriorisches Vermögen, das die Voraussetzung darstellt, überhaupt zu Urteilen über die empirische Welt zu gelangen - so z.B. auch über die Ähnlichkeit zweier Gegenstände. Mein Ausgangspunkt war TrashStars Aussage: Ich kann ohne Kategorien denken. Alleine der Begriff Ich ist nicht zu denken ohne die Kategorien der Einheit, Vielheit und Allheit (= Tafel der Quantität).


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