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MORD AN BORD


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#1 ar-moe

ar-moe

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Geschrieben 15 November 2009 - 13:31

MORD AN BORD
80 Seiten, Taschenbuch, Seitenbindung, Auflage: unbekannt.
Kontakt: TERRANISCHER CLUB EDEN, Joachim Kutzner, Jung-Stilling-Str.47, 42499 Hückeswagen.
Internet: www.terranischer-club-eden.com.

Anlässlich des zehnten Todestages von Wolfpeter Ritter alias Peter Terrid im Jahre 2008 hat der TERRANISCHE CLUB EDEN zu einem Storywettbewerb um die Kosmokriminalisten Lhoreda Machecoul aufgerufen. Die junge Dame ist in zwei von Terrid geschriebenen PR-Planetenromanen TRAUMSCHIFFE DER STERNE (Nummer 366) und IM NICHTS GESTRANDET (Nummer 391) aufgetreten. Vier Jahre später stand sie im Mittelpunkt des einzigartigen PERRY RHODAN-Internetexperiments. Terrid hat mit DIE GALAKTISCHE KREUZFAHRT einen Internetroman geschrieben, dessen Plotentwicklung von den Lesern bis zu einem gewissen Grad mitbestimmt worden ist. Ende 2008 rief der TCE zu einem Storywettbewerb um die Kosmokriminalistin auf. Die Prämisse der eingereichten lautete wie folgt:
Die Handlung beginnt im Dezember 1199 NGZ. (Die Abkürzung „NGZ“ steht hier für „Neue Galaktische Zeitrechnung“. - Welchem Jahr irdischer Realzeit nach Christus das Jahr 1199 NGZ entspricht, bleibt ausdrücklich den Storyschreibern überlassen!) Lhoreda Machecoul befindet sich undercover, getarnt als normale Passagierin, als Sicherheitsbeauftragte an Bord des Raumschiffes EMPRESS OF THE OUTER SPACE (EOS). Die Geschichten sollten nicht länger als 27000 Zeichen sein. Die Texte konnten auch außerhalb des direkten PR-Universums angesiedelt werden, allerdings sollte Lhoreda Machecoul mit einem Mord an Bord konfrontiert werden und jede der Geschichten musste mit dem Satz enden: „Lhoreda fühlte sich jetzt urlaubsreif.“ Der Gewinner des zweiten Platzes wandelt als einziger den letzten Satz ein wenig ab.
Insgesamt siebzehn Geschichten sind eingereicht worden. Zu der Jury gehörten unter anderem die PR-Autoren Uwe Anton und Hubert Haensel, Kai Meyer und Alisha Bionda, sowie exemplarisch genannt Rüdiger Schäfer. Nach Abschluss der Auswahl entschieden sich die Herausgeber Michaela Stadelmann, Kurt Kobler und Joe Kutzner dazu, nur die fünf besten Geschichten in dieser Anthologie mit einem auffälligen positiv prägnanten Titelbild von Alexander Braccu versehen zu veröffentlichen. Inzwischen liegt schon die zweite Auflage dieser Anthologie vor, die erste Auflage ist komplett auf dem Garching Con anlässlich des PR Bandes 2500 verkauft worden.
Im Vergleich zu sonstigen Preisverleihungen fängt die Anthologie MORD AN BORD mit dem ersten Platz an. In der Siegerstory „Eine Frage der Ehre“ von Dieter Bohn muss Lhoreda Machecoul zum Auftakt in der Schiffsbar den handgreiflichen Konflikt zwischen zwei Männern schlichten, die beide von der gleichen, politisch eher instabilen Welt kommen. Sie beginnt mit dem jungen attraktiven Sohn eines anerkannten Politikers und potentiellen Opfer des Konfliktes zu flirten. In der Zwischenzeit wird sein Vater an Bord der EOS in seiner Kabine ermordet. Als einziger Verdächtiger kommt der ältere Mann aus der Bar in Frage. Für Machecoul ist der Fall zu klar, die Beweislage anscheinend zu einseitig und erdrückend. Bei ihren Ermittlungen stößt sie auf eine Ungereimtheit und eine Frage der Ehre.
Die Kurzgeschichte ist stringent geschrieben. Dieter Bohn legt zu Beginn eine etwas zu offensichtliche falsche Spur. Der potentielle Täterkreis ist sehr eng begrenzt. Die Auflösung ist konsequent, sie wird in der Art der Sherlock Holmes-Geschichten/Columbo-Fernsehfolgen präsentiert. Ihr fehlt aber ein Überraschungsmoment und beim Bogen zu der teilweise absurden Politik-/Heldenverehrung in brüchigen Demokratien/Diktaturen werden originellere Alternativen zu leichtfertig ausgelassen.
J. Th. Tanners „Die Fliegen des Teufels“ überzeugt inhaltlich fast noch mehr als die Siegerstory. Zu den größten Schwächen des vorliegenden Textes gehören die etwas gestelzten und unnatürlich erscheinenden Dialoge. Machecouls Antagonistin - eine Weibsmahr von einer Welt, welche die Terraner vor mehr als einhundert Jahren isoliert haben - ist eine faszinierende Persönlichkeit und dem Autoren gelingt es sehr geschickt, die Erwartungshaltung des Lesern zu manipulieren. Im Gegensatz zur ersten Geschichte kann die Kosmokriminalisten den Fall nicht lösen, sondern ist auf Hilfe von dritter Seite angewiesen.
Der Mordfall selbst wirkt plottechnisch ein wenig zu überzeichnet, die Spuren an den Tatorten sind überzeugend unheimlich/fremdartig beschrieben und das komponierte Ende verläuft sich in leicht pathetischen Dialogen, aber zusammengefasst überzeugt „Die Fliegen des Teufels“, weil J. Th. Tanner eine interessante außerirdische Lebensform auf die Menschheit im Allgemeinen und die überforderte Machecoul im Besonderen losgelassen hat.
Von der rein technischen Seite ist Antje Ippensens „Fremder als ein Traum“ eine der besten Geschichten der Sammlung. Sie wird von einem Mord eröffnet und endet mit der Leiche.
Die Autorin hebelt die stringenten Strukturen auf, in dem sie ihren Text mit einem vorläufigen Höhepunkt beginnen lässt. Protagonistin und Leser müssen sich erst orientieren und das macht einen Teil des Reizes der stilistisch ansprechend und deutlich fließender als zum Beispiel „Die Fliegen des Teufels“ geschriebenen Geschichte aus. Schon davor hat sich Machecoul aus Langeweile dem fuchshaften Techniker Naghul Zema anvertraut, der ihr eine Abwechselung angeboten hat. Dabei landet sie in einem Paralleluniversum. Genau zwischen einer gefesselten Außerirdischen und einer Leiche. Der eigentliche Kriminalfall wird in dieser fremdartigen Welt ein wenig in den Hintergrund gedrängt. Antje Ippensen versucht möglichst farbenfroh, ein fremdes Universum zu beschreiben, in welchem sich die Kosmokriminalistin wie der berühmte Fisch außerhalb des Wassers fühlt. Der Leser fühlt sich wie die Protagonistin desorientiert. Er kann die verschiedenen Informationen nicht einordnen. Am Ende schließt sich der Kreis und wie in J. Th. Tanners „Die Fliegen des Teufels“ ist Machecoul weniger wegen des ungelösten Falls, sondern aufgrund der Begegnung mit jeweils einer exotischen Fremden urlaubsreif.
Der vierte - „Toter Mann“ von Norbert Kurz - und fünfte Platz „Der perfekte Mord“ von Norbert Mertens - nutzen cineastische Ideen für ihre Plots aus. Dabei überzeugt „Toter Mann“ mit einer anfängliche Hommage an IMMER ÄRGER MIT HARY etwas mehr. Machecoul stößt beim Schwimmen auf eine Wasserleiche. Ihre Reaktion ist vielleicht ein wenig zu hysterisch, für den Fortgang der Geschichte allerdings notwendig. Als sie den Kommandanten des Schiffes benachrichtigt und zu sich bittet, ist die Leiche plötzlich verschwunden. Machecoul erhält geheimnisvollen, fast archaische Nachrichten unter anderem in Form eines Briefes, bevor sie dank ihrer Beobachtungsgabe - auch hier greift Norbert Kurz auf eine Idee aus einem alten Film zurück - den Spieß umdrehen kann. Für die Story sprechen die flotten, pointierten und ein wenig frechen Dialoge. Allerdings scheut sich der Autor auch, bei einigen wichtigen Szenen - wie dem zweiten Fund der einen Leiche in der Bordsauna - die Spannungsschraube bis zum Anschlag anzuziehen. Die Auflösung entpuppt sich als reine Pointenstory, der Aufwand steht allerdings in keinem Verhältnis zum Ergebnis.
„Der perfekte Mord“ von Norbert Mertens leidet schon unter dem Titel. Es geht hier nicht um einen lange geplanten Mord, sondern eine reihe von Zufällen, die sich zuerst in den Augen der Ermittler zu einem perfekten Mord bzw. einem Mord ohne Mordwaffe zusammensetzen. Eine Leiche wird in seiner Kabine gefunden. Augenscheinlich handelt es sich um einen Berufsspieler, der am Abend zuvor das letzte Geld seiner Freundin im Bordcasino eingesetzt hat. Dank einer sagenhaften Glückssträhne hat er sehr viel Geld gewonnen und sogar einen Falschspieler entlarven können. Die Kosmokriminalistin recherchiert diese Fakten dank zahlreicher Verhöre, die sie mehr oder minder zielgerichtet führt. Im Grunde verdächtigt sie allerdings sehr viele Personen. Etwas absurd wird die Geschichte, wenn selbst der Schiffskoch in den kreis der potentiellen Täter gerät, nur weil er das Essen in der Kabine serviert hat. Am Ende hilft Kommissar Zufall. Wer die Geschichte sehr aufmerksam liest, wird schon im Verlaufe des geradlinigen, eher routiniert geschriebenen Plots zahlreiche Hinweise auf die Auflösung finden. Hier hat Norbert Mertens noch mehr als Norbert Kurz zu sehr in den Archiven der Kriminalfilme gegraben. Auf der anderen Seite ist Norbert Mertens nicht den notwendigen literarischen Schritt weitergegangen und hat aus „Der perfekte Mord“ an die Filme des Film Noir bis zu James Bonds berühmten Casino- Auftritten gemacht.
Der Titel MORD AN BORD ist zwar auf alle fünf Geschichten zutreffend, die Inhalte variieren aber sehr stark und bieten dem Leser ein breites Spektrum an unterschiedlichen Subthemen. Diese Bandbreite reicht von der klassischen Holmes´-Ermittlungsarbeit bis zum Kommissar Zufall, von geplanten perfiden Verbrechen bis zu ein wenig perversen Eignungstests. Zum überwiegenden Teil sind die Texte stilistisch ansprechend, wie es sich aber für Publikationen des TERRANISCHEN CLUBS EDEN gehört sind sie sehr sorgfältig redigiert. Der grundlegenden Idee wie auf dem Cover erwähnt „in memoriam Peter Terrid“ werden sie alle gerecht und Wolfpeter Ritter hätte sicherlich seine Freude an den Herausforderungen, denen sich seine Heldin Lhoreda Machecoul bei vier Wochen bezahltem Urlaub auf einem Luxusraumschiff fast ohne Verbrechen stellen muss.

Thomas Harbach, Lübeck


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