Malcolm Max: Der Kannibale von London
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Ein intergalaktischer, transtemporaler Steckbrief, ausgestellt auf Malcolm Max und seine "Familie", paranormale Kopfgeldjäger aller Art und ein Kannibale, der in London Prostituierte entführt, ermordet und nur abgenagte Knochen von ihnen übrig lässt - Peter Mennigen und Ingo Römling ziehen auch im sechsten Malcolm-Max-Album alle Register des Horrors und Ekels - und ihres bezaubernden schwarzen Humors, der sich in betont gestelzten Dialogen äußert.
Der Einstieg ist verblüffend: Edmund Hillary und Tenzing Norgay sind kurz vor dem Gipfel des Mount Everest, als ihnen ein denkbar unzweckmäßig gekleideter Mann entgegen kommt und sie fragt, ob sie eine Frau und zwei Mädchen gesehen haben. Was Malcolm in diese unwirtliche Höhe und ungewöhnliche Zeit verschlagen hat, eine Rückblende, die fast das gesamte Album umfasst, soll es klären.
In den dunklen Ecken des Londoner Westends
Malcolm und die Halbvampirin Charisma untersuchen ein leerstehendes ehemaliges Hospital, in dem Malcolm auf eine wunderschöne Frau in Not trifft. Die vorgebliche Dame verwandelt sich allerdings bereits im Moment ihrer "Rettung" in ein tentakelbewehrtes Monster, das dem Helden mit einem Dolch zu Leibe rückt und sich, dank Malcolms Geistesgegenwart, kurz darauf erst in ein totes Tentakelmonster und schließlich in eine Schleimpfütze verwandelt. Nur einer von drei ekligen Todesfällen, mit denen die Helden in diesem Album konfrontiert werden. Denn Malcolm und Charisma müssen auch im Dirnenmilieu des heruntergekommenen Westends in London ermitteln.
Jack the Ripper hatten die beiden ja schon im zweiten Hörspielabenteuer der alten "Gespenstergeschichten"-Zeit sein meuchlerisches Handwerk gelegt. Doch nun geht es um komplett skelettierte junge Frauen, an deren Knochen noch Bissspuren einer unbekannten Bestie zu entdecken sind.
Ermittlungen im Prostituierten-Milieu
Das Album bietet einen spektakulären Aufmarsch von zahlreichen Prostituierten vor Malcolms Wohnung, sehr interessante Bilder von Charisma und vor allem von Polizist Cumberland im Dress der käuflichen Liebesdienerinnen, ein Voodoo-Ritual der charmanten Lavina und einen tragisch-genial-skrupellosen Zeitmaschinenbauer, der buchstäblich über Leichen geht, um das Leben seiner Tochter zu retten. Außerdem gerät Malcolm arg in die Bredouille, als er Charisma einen ausgesprochen unromantischen Heiratsantrag macht, beziehungsweise doch keinen Heiratsantrag, aber eben doch ... Die Situation wird jedenfalls fast so unangenehm wie die Begegnung mit diversen übernatürlichen Kopfgeldjägern.
Sehr angenehm fand ich, dass sich Malcolms doch recht groß gewordener Haushalt wieder etwas dezimiert hat: Fiona und Solace schicken lediglich einen Brief aus dem Urlaub an der Cote d'Azur mit einem skandalträchtigen Bikini-Foto. Allerdings sind die beiden Jung-Detektivinnen Emmeline und Miranda wieder mit dabei und mit eigenen Ermittlungen zu einem Erdbeben beschäftigt, das London erschütterte.
Blut, Schleim und Ratten
Das Album ist erneut ein humorvoll-spannendes, fantastisches Abenteuer in den düsteren, versifften Gegenden Londons, spart nicht an genussvoll ausgemalten ekligen Szenen, ist reich an Schleim, Blut, Knochen und Ratten und lebt von seiner herrlich verdrechselten Sprache und seinem Spaß am Parodieren alter Trash-Horror-Topoi. Auf jeden Fall ist es ein Band, der Spaß macht und der - nicht nur wegen des offenen Endes - nach einer Fortsetzung schreit. (Es ist doch ein offenes Ende? Bitte, Peter Mennigen, lass das nicht das letzte Wort gewesen sein!)
Fazit: Düstere, blutige Geschichte mit reichlich Gesplatter und einem besonderen Helden-Duo. Schleim, Blut und die Dreckecken Londons, dazu frotzelige Dialoge auf Nahezu-Shakespeare-Niveau geben dem Abenteuer seine ganz besondere Atmosphäre. Einfach schön.
Malcolm Max, Kapitel 6: Der Kannibale von London. Text: Peter Mennigen, Zeichnungen und Farbe: Ingo Römling. Bielefeld: Splitter-Verlag, 2023. 64 S., Euro 17.
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© Petra Hartmann