Hertha Vogel-Voll: Die silberne Brücke
"Die silberne Brücke" von Hertha Vogel-Voll ist ein Märchen, ein Kunstmärchen, das lange Zeit verschollen und nicht mehr im Buchhandel erhältlich war, bis der Künstler und Verleger Peter Maechler es im Jahr 2004 in einer reich illustrierten Prachtausgabe zu neuem Leben erweckte. Ich bin schon ein paar Jahre immer wieder um dieses Buch herumgeschlichen und konnte mich doch nicht entscheiden ... Nun habe ich das Abenteuer auf mich genommen und mich auf die phantastische Reise auf der silbernen Brücke begeben. Ich habe den Aufbruch keine Sekunde bereut.
Die Kinder Rose und Heinrich freuen sich, als es des Nachts ans Fenster klopft: Draußen stehen der Menschenfresser, die Hexe, der Wolf und der Teufel, um sie abzuholen. Das Märchen ist ins Dorf gekommen. In einer Zeit, in der es noch keine Bücher und erst recht kein Fernsehen gab, kam das Märchen regelmäßig zu den Kindern, um ihnen seine Geschichten zu erzählen und vorzuspielen. Auf dem Marktplatz sind die Kinder bereits versammelt, und da sind auch schon ihre Helden: Hänsel und Gretel, der Däumling ... Dumm nur, dass sich der Teufel während der Vorführung langweilt und in den Häusern der Menschen herumstöbert. Es kommt zu Tumult, und die Erwachsenen erwachen. Die Katastrophe ist perfekt, als ein "Lügenbeutel" boshafterweise den Teufel und die anderen Märchengestalten verleumdet, der wütende Mob tobt, das Märchen verschwindet, der Erdboden tut sich auf, und hervor tritt - das furchtbare "dicke Ende"!
Einzig Rose und Heinrich können das Märchen und seine Geschichten retten. Doch der Weg ist weit, er führt über die silberne Brücke, dorthin, wo die blaue Blume blüht ...
Hertha Vogel-Voll schrieb ihr Märchen "Die silberne Brücke" bereits im Jahre 1937. Gedruckt werden konnte es erst 1949 in Dresden, doch auch in der DDR war das Buch mit seiner zwar konsequent pazifistischen Botschaft, aber eben auch mit seiner Liebeserklärung an die Phantasie wohl nicht so recht willkommen. Die letzte Ausgabe erschien 1958, danach war es zwar nicht verboten, Neudrucke scheiterten jedoch, obwohl es durchaus Leser gegeben hätte, immer wieder an den verweigerten staatlichen Papierzuteilungen.
In der fast fünfzig Jahre später gestalteten Ausgabe von 2004 hat nun der Künstler Peter Maechler diese Liebeserklärung angenommen. Die ganzseitigen Illustrationen - auf jeder linken Seite des großformatigen Buches - zeigen zauberhaft und humorvoll die Stationen von Heinrichs und Roses Reise, der Text - jeweils auf den rechten Seiten untergebracht und großzügig gesetzt - ist von detailreichen, immer anderen Blumengirlanden umwunden. Das Buch hat einen dunkelblauen Samteinband, auf dem mit Goldprägung die Umrisse der blauen Blume zu sehen sind. Ein mit einem Bild der Märchenfiguren bedruckter Schuber, auf dem sich handgeschrieben die Buchnummer der limitierten Auflage befindet, und ein Lesebändchen vervollkommnen das Buch.
Unglaublich, dass so etwas möglich ist. Ich bin immer noch ergriffen.
Fazit: Eine zauberhafte Geschichte in einem zauberhaft gestalteten Buch. Es ist ein Wunder.
Hertha Vogel-Voll: Die silberne Brücke. Illustriert von Peter Maechler. Maechler-Verlag, 2004. 172 S., Euro 13,90.
© Petra Hartmann