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Shatter [First/1984]

Geschrieben von yiyippeeyippeeyay , 14 Dezember 2015 · 2.133 Aufrufe

First 20.Jhdt.

Eingefügtes Bild

Ein wahrer Klassiker des Computer-Zeitalters, wurde SHATTER von Künstler Mike Saenz und Texter Peter Gillis als das erste Comic konzipiert, das vollständig am Computer gezeichnet werden sollte. In dem Jahr als der brandneue Apple Macintosh mit MacPaint ein erstes einigermaßen starkes Programm anbot, womit man Schwarz-Weiß-Pixel-"Gemälde" produzieren konnte - inkl. einer Auswahl von Schriftarten inkl. Effekte für eingebettete Texte, und einem einigermaßen fähigen "resize"-Feature. Saenz war so überzeugt von diesem neuen Computer/Programm, dass er der Meinung war, er würde das Monat für Monat hinbekommen. Die beiden überzeugten First-Chef & Verleger Rick Oliver das Experiment zu wagen.

 

Das 1. Heft war ein "Special", also ein normal langes Heft, das nur dem neuen Projekt gewidmet war. Darin stellten Saenz & Gillis den Protagonisten Sadr al Morales vor, neben vielen anderen Namen auch "Shatter" genannt, der ein "Temp"-Ermittler im Chicago der nicht all-zu-fernen cyberpunkigen Zukunft ist - und auf ein morbides Geschäft stößt nachdem verstorbenen Genies kurz nach ihrem Tod RNA aus dem Gehirn entzogen wird, das, in einen normalen anderen Menschen verpflanzt, demjenigen ein Jahr lang das gleiche Talent beschert; derjenige muss dann nur noch lernen, das technisch zu meistern. Das ist unter Reichen & Machtgierigen ziemlich begehrt, und daher kommt es immer häufiger vor, dass die "Quellen" kalt gemacht werden, um ihr RNA zu ernten.

 

Dieser - m.E. innovative Cyberpunk-Plot - wurde dann als Backup-Geschichte in dem First-Titel JON SABLE weiter entwickelt, bis SHATTER dann endlich seine eigene Reihe bekam - zu welchem Zeitpunkt Saenz & Gillis allerdings schon wieder ausgestiegen waren. Als die Hauptserie dann mit der Nr. 14 endete, hatte ein neuer Dauerzeichner, Charlie Athanas, fast alle Pflichten einigermaßen gekonnt übernommen. Aber das Heft lief da wohl nicht mehr gut genug - das "Neue" war inzwischen wohl passé & die Stories nach wie vor recht wild - und wurde wenige Monate später eingestellt.

 

Jedenfalls erlebt man zusammen mit Shatter, der sich als RNA-Speicher-Naturtalent herausstellt (bei ihm haben RNA-Aufrüstungen permanente Wirkung), einige wilden Ritte durch die Welten, die sich Leute in den 80ern im Cyberpunk-Milieu so ausdachten: Er verknallt sich in eine hübsche Serienkillerin, die mit den großen Firmenkonglomeraten, die hinter dem RNA her sind, kooperiert, lernt den Artists' Underground kennen, die ihn angeblich studieren wollen, trifft seine Mutter in Asien, die ihn dort auch für eines der Konglomerate rekrutieren will, tut sich mit der Kämpferin Revenant zusammen, die sich nie seinen Namen merken kann, ihn aber sehr loyal beschützt, und kämpft am Ende gegen abwasser-patrouillierende Roboterhunde, die er durch das illegale Verschütten von Coca-Cola (in der neuen sauberen Welt der Zukunft als toxischer Müll verschrieen) aus ihren Untergrundverstecken lockt.

 

Es geht ziemlich ab.

 

Grafisch ist alles recht interessant, schon rein als kleiner CAD-Geschichtsunterricht! Man sieht dass es Zeichner immer wieder Leid werden, die ganzen Hintergründe neu zu zeichnen (computerisierte 3D-Konstruktionen, die man drehen konnte, gab's noch nicht!), was dann mit innovativer Farbgeberei versucht wird, wett zu machen. Einmal scheint Saenz Fotos irgendwie eingescannt zu haben, und benutzt sie verpixelt für die Gesichter in einem der Hefte. Besonders gut gelingen ihm & Athanas schwarz-glänzende Oberflächen, z.B. die polizeilichen Exoskelett-Rüstungen, die ab und an zum Einsatz kommen.

 

Wenn man stundenlang durchblättert, staunt & lacht man viel (Letzteres wg. der Grobheit mancher Grafik im Vergleich zu heute, u.a.), und liest die oft spannend-verwickelten Cyberpunk-Szenarien, mit typischerweise vielen losen Enden.

 

Macht also verpixelt höllischen Spaß!

 

P.S.: Das verlinkte Coverbild oben ist das der aktuell neu kaufbaren Version vom Ait Planet Lar Verlag, die allerdings völlig ohne Farbe daher kommt; daher bleibt dieser Verlag im Eintragstitel usw. unerwähnt. Einen alten First-Sammelband in Farbe mit den 1. 4 Hauptheften, plus den ganzen "backups" aus den JON-SABLE-Heften in einem Band gibt es antiquarisch ("the revolutionary graphic novel" steht vorne auf dem Cover). Der Auszugsthumbnail rechts oben verlinkt auf seine Quelle, ein Artikel zum Comic des Blogs "Ablogalypse".





Kann mich erinnern, dass es im P.M. (oder Stern?) damals einen Kurzbericht darüber gab - ein Comic komplett am Computer gezeichnet war eine Sensation! ... Ich weiß noch, dass von "Bomben mit tickenden Rattengehirnen" die Rede war.

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yiyippeeyippeeyay
Dez 22 2015 20:11

Genau - & viele andere nicht-so-schlechten Ideen! :) Allerdings würden Unwissende heute die vergleichsweise schlechte Qualität der Grafiken wohl eher ablehnen. Aber als der 1. Mac herauskam, hab ich auch stundenlang an einem Demosystem im Laden gesessen & mit MacPaint herum gespielt. Damals schien das wie ein Wunder - & da war die Machart des Comics schon eine geniale Idee. (Und die vielen Plotideen waren ja auch nicht schlecht...) Daran sieht man auch gut wie SEHR sich computer-assistierte Grafikmöglichkeiten in nur knapp über 3 Jahrzehnten verbessert haben.

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