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Alfred Bester's Kurzgeschichten


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8 Antworten in diesem Thema

#1 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 28 März 2004 - 10:18

Hallo (& dankeschön dass es jetzt ein allgemeines KG-Forum gibt!)

Ich möchte hier eine Lanze brechen (dt. Idiom?) fĂŒr Alfred Bester's KGen, die ich noch gar nicht so gut kenne, die mich aber sehr beindrucken je mehr ich sie vors Auge bekomme. Wenn Andere auch an diesem Autor interessiert sind, und ihnen evtl. KG-Lesen noch neu ist, schlage ich vor z.B. bei ihm anzufangen.

Ich fĂ€nde es gut, wenn hier Rezis zu Bester's KGen erscheinen und darĂŒber diskutiert wird. Viel Spaß dabei!

Ich fang mal mit meiner Lieblingsgeschichte an.

The Pi Man (1959)

Diese Geschichte kann man nicht beschreiben, weil man dann alles gleich verrĂ€t. Kennt jemand den "Galactus"-Charakter im Marvel-Comic-Universum? Nun, es geht hier im sehr ĂŒbertragenen Sinne um einen (wesentlich kleineren) Menschen der "auch nicht anders kann".

Sie zeigt m.E. die Quintessenz von guter Nachkriegs-Stil-Schreibe: Kurze, schnelle SĂ€tze, verrĂŒckte Szenarien, Schnellschuss-Dialoge und Bester's typisches Spiel mit Sprache(n) und Wörtern (um nicht zu sagen Druckzeichen). Man fĂ€llt innerhalb den ersten 5 SĂ€tzen in einen Wirbel aus dem man nicht mehr so schnell herauskommt. Es hilft ĂŒbrigens an einer Stelle ein wenig ĂŒber die New Yorker Beatnikszene vor ca. 50 Jahren zu wissen.

FĂŒr mich eine der besten Kurzgeschichten aller Zeiten.

"Technischer" Hinweis: Wie auch bei anderen Texten von Bester gibt es kaum eine Ausgabe von dieser KG, die keine Setzfehler enthĂ€lt. Auch verschiedene Versionen der KG scheint es zu geben; einige davon weniger gut als andere, finde ich. (Z.B. habe ich gerade die Anthologie Virtual Unrealities von Random House vorliegen, und nenne den Verlag ab sofort Random Generator House, weil er noch nicht mal eine einfache Formel - x.x + x + 41 - satzmĂ€ĂŸig hinkriegt.) Ich habe in meiner Jugend mal aus lauter Verzweiflung die Geschichte abgetippt, und korrigiert und ausgedruckt - wenn ich ein gutes OCR-Programm finde, stell ich sie irgendwann in Zukunft mal ins Web.

Letzte Frage: Gibt es die Geschichte eigentlich auf deutsch?

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 28 März 2004 - 10:49.

/KB

Yay! SF-Dialog Ende MĂ€rz...
Senator: Und dies ist nun die Epoche der Laser?

Farmer: [..] Die Anzahl der Menschen auf der Erde, die voller Hass/Frustration/Gewalt sind, ist zuletzt furchterregend schnell gewachsen. Dazu kommt die riesige Gefahr, dass das hier in die HĂ€nde nur einer Gruppierung oder Nation fĂ€llt... (Schulterzucken.) Das hier ist zuviel Macht fĂŒr eine Person oder Gruppe, in der Hoffnung dass sie vernĂŒnftig damit umgehen. Ich durfte nicht warten. Darum hab ich es jetzt in die Welt verstreut und kĂŒndige es so breit wie möglich an.

Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht ĂŒberleben.

Farmer: Ich hoffe Sie irren sich, Senator! Ich hatte eben nur eine Sache sicher kapiert - dass wir weniger Chancen dazu morgen haben wĂŒrden als heute.

(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob ĂŒbersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)


#2 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 29 März 2004 - 07:42

Es sieht so aus als ob die Geschichte enthalten ist in der Sammlung HÖLLE IST EWIG aus dem Suhrkamp Verlag. Ich schaue heute abend mal nach (und lese sie dann gleich bei der Gelegenheit).Sullivan

#3 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

    Interstellargestein

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Geschrieben 29 März 2004 - 11:32

Toll, Sullivan. Bin gespannt wie der Titel ĂŒbersetzt wurde.

Hier noch eine Bester-KG-Rezi, diesmal ein wenig ausfĂŒhrlicher:

Fondly Fahrenheit (1954)

Ein hochentwickelter Androide, den sein KÀufer in der Zukunft erworben hat, um durch Einnahmen dessen Arbeit (gut) zu leben, fÀngt an durchzudrehen. Die Story fÀngt mit einer Hetzjagd an, und hört mit einer auf; dazwischen sind Mensch und Maschine ewig auf der Flucht, wÀhrend Ersterer versucht zu verstehen was bei Letzterem versagt hat. Man kapiert erst am Ende dass es nicht nur um eine einfache Dysfunktion geht, sondern um etwas viel Bedrohlicheres.

Dies ist eine der bekanntesten Kurzgeschichten Bester's; sie heißt laut einem anderen (sehr lesenwerten) Thread zum Thema KG allgemein auf deutsch Geliebtes Fahrenheit. (Die Fahrenheitskala ist ĂŒbrigens die amerikanische Temperaturskala, d.h. 10° F sind ca. minus 12° C, 100° F sind fast 38° C.)

Strotzend vor sĂŒĂŸ-ekeliger Boshaftigkeit, im Zeichen der Gestalt des sich rĂ€chenden menschlichen Konstrukts (wie ja z.B. auch Sklavenhaltung eins ist), tanzt die Sicht des Betrachters darin vom Kopf des Menschen, zu der Sicht des Androiden, dann der eines neutralen ErzĂ€hlers, hin und her. Manchmal inmitten eines Satzes. Genauso wie der Android (Data wĂŒrde grĂŒn vor Neid) bei seinen AnfĂ€llen anfĂ€ngt dĂ€monenhaft zu tanzen und zu singen:

  Oh, it's no feat to beat the heat.
  All reet! All reet!
  So jeet your seat
  Be fleet be fleet
  Cool and discreet
  Honey...

Dieses (doch eher unĂŒbersetzbare?) Lied ist der Geschichtsfaden, und dokumentiert neben dem Titel m.E. wieder mal Bester's LieblingsnebenbeschĂ€ftigung - mit SĂ€tzen, Wörtern und deren Klang-/Bedeutungs-Spiel. (Nur, was bedeutet "jeet your seat"? Evtl. so etwas wie "beweg deinen Hintern"?) Ich stelle mir einen Voodoo-Rhythmus als Untermalung dafĂŒr vor...

Wie oft bei Bester enthalten die im Rasertempo anscheinend lieblos aneinander gereihten Szenen auch ein wissenschaftliches RĂŒckgrat - SynĂ€sthesie - das Bester aber am Ende genial/manisch/spielerisch verbogen hat.

Ob das Ganze eine Antwort auf Asimov's zu nette Roboter war? Jedenfalls: Wahnsinn! <_<

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 29 März 2004 - 12:33.

/KB

Yay! SF-Dialog Ende MĂ€rz...
Senator: Und dies ist nun die Epoche der Laser?

Farmer: [..] Die Anzahl der Menschen auf der Erde, die voller Hass/Frustration/Gewalt sind, ist zuletzt furchterregend schnell gewachsen. Dazu kommt die riesige Gefahr, dass das hier in die HĂ€nde nur einer Gruppierung oder Nation fĂ€llt... (Schulterzucken.) Das hier ist zuviel Macht fĂŒr eine Person oder Gruppe, in der Hoffnung dass sie vernĂŒnftig damit umgehen. Ich durfte nicht warten. Darum hab ich es jetzt in die Welt verstreut und kĂŒndige es so breit wie möglich an.

Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht ĂŒberleben.

Farmer: Ich hoffe Sie irren sich, Senator! Ich hatte eben nur eine Sache sicher kapiert - dass wir weniger Chancen dazu morgen haben wĂŒrden als heute.

(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob ĂŒbersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)


#4 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 30 März 2004 - 06:33

Ich habe meine beiden Bester Sammlungen mal herausgesucht, folgende Titel sind enthalten:

Aller Glanz der Sterne, Suhrkamp, 1991
Aus dem Englischen von Uwe Anton

    [*]Verwschwindibus (Disappearing Act)
    [*]Adam - und keine Eva (Adam and no Eve)
    [*]Stern des Glanzes, Stern der Pracht (Star Light, Star Bright)
    [*]Achterbahn (The Roller Coaster)
    [*]Oddy und Id (Oddy and Id)
    [*]Eine schwerwiegende Entscheidung (The Starcomber)
    [*]Reisetagebuch (Travel Diary)
    [*]Geliebtes Fahrenheit (Fondly Fahrenheit)
    [*]HĂ€nde weg von Zeitmaschinen (Hobson's Choice)
    [*]Er wollte nicht sterben (The Die-Hard)
    [*]Von der Zeit und der Third Avenue (Of Time and Third Avenue)
    [/list]Die Hölle ist ewig, Suhrkamp, 1993
    Aus dem Amerikanischen von Michael Koseler

      [*]Die Hölle ist ewig (Hell is forever)
      [*]Die Zeit ist der VerrÀter (Time is the Traitor)
      [*]Die MĂ€nner, die Mohammed ermordeten (The Men who murdered Mohammed)
      [*]Der Pi-Mann (The Pi Man)
      [*]Meine AffÀre mit der Science Fiction (My Affair with Science Fiction)
      [/list]

#5 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 30 März 2004 - 06:45

Hallo yippie,

gestern abend habe ich mit großem VergnĂŒgen Der Pi-Mann gelesen, eine wirklich hervorragende Kurzgeschichte in einem irrwitzigen Tempo. Schon die Idee vom Ausgleicher ist genial, aber wie Bester diese Idee umsetzt ist meisterhaft. Nach einer kurzen Weile fĂ€ngt man an, in den gleichen verrĂŒckten Bahnen zu denken wie der Held. Sehr gut hat mir auch der Schluss gefallen, sie bringt die Geschichte zu einem wĂŒrdigen Ende.

Sullivan

P.S. Vielleicht schaffe ich diese Woche noch GELIEBTES FAHRENHEIT. Das Gedicht wurde folgendermaßen ĂŒbersetzt:

Schwitze, schwitze in der Hitze,
ob beim Flitzen oder Sitzen;
bevor die Blitze dieser Hitze
meine GrĂŒtze stibitzen,
rasch, mein SchÀtzchen,
eine kĂŒhle Spritze...


Hat zwar relativ wenig mit dem Original zu tun, aber die Stimmung wird sehr gut wiedergegeben.

#6 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 30 März 2004 - 17:33

Sehr gut hat mir auch der Schluss gefallen, sie bringt die Geschichte zu einem wĂŒrdigen Ende.

    :

Schwitze, schwitze in der Hitze,
ob beim Flitzen oder Sitzen;
bevor die Blitze dieser Hitze
meine GrĂŒtze stibitzen,
rasch, mein SchÀtzchen,
eine kĂŒhle Spritze...

Yo, Sullivan, schön dass sie dir auch gefiel. Hm, das Problem mit dem Ende ist, dass der letzte Satz in den verschiedenen engl. Versionen die ich kenne sich gerade unterscheidet... (Meine Webversion ist hart in Arbeit, also sobald sie on-line geht, sag ich Bescheid und du kannst's ja mal vergleichen.) Wenn du aber allgemeiner meinst, dass Lizzie es "wagt", stimme ich dir zu.

Ja, die dt. Version vom Androidenlied finde ich auch nicht schlecht, allerdings fehlt m.E. der Sinn von "cool and discreet". In der Geschichte haben die Protagonisten ja gerade mit Coolbleiben und Diskretion ihre Hauptprobleme... ;)

Danke fĂŒr deine ausfĂŒhrlichen Bester-KG-Listen - da sind auf jeden Fall einige Titel dabei die ich noch nie gesehen habe.

Die Mohammed-KG wurde wohl fĂŒr den Hugo nominiert, ich fand sie aber etwas enttĂ€uschend. Sie erinnert mich ĂŒbrigens an die Art wie R.A. Lafferty seine KGen aufbaut. Immerhin ist es eine erneute wissenschaftlich "erlaubbare" ErklĂ€rung fĂŒr Zeitreisen (L. Niven machte es ja mit seinen Zeitreisengeschichten Ă€hnlich).

Oddy und Id fand ich zwar interessant, aber auch nicht so umwerfend. Immerhin motivierte die Geschichte mich nochmal den Unterschied zwischen "Ich" und "Es" bei Freud nachzulesen! Man fragt sich auch wer nun zuerst in einer SF-Geschichte ein beweisbares "Talent zum GlĂŒck haben" erfand - van Vogt (in den WaffenhĂ€ndler-BĂŒchern) oder Bester? Niven (in der Ringwelt-Serie) hat auf jeden Fall von einem der beiden geklaut! ^_^

Weiteres in noch folgenden Rezensionen (yippee!)...

P.S.1: Apropos Rezensionen - habe mir jetzt mal die auf deiner Website zu Gaiman's anderen BĂŒchern durchgelesen. Bin motiviert! http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/smile2.gif

P.S.2: Das Pi Man im Titel bezieht sich (u.a.) ja auf ein bekanntes engl. Kindergedicht; das geht leider im Deutschen ein wenig unter.

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 30 März 2004 - 17:37.

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Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht ĂŒberleben.

Farmer: Ich hoffe Sie irren sich, Senator! Ich hatte eben nur eine Sache sicher kapiert - dass wir weniger Chancen dazu morgen haben wĂŒrden als heute.

(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob ĂŒbersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)


#7 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 31 März 2004 - 06:31

Danke fĂŒr den Hinweis mit "Simon", ich hatte mich tatsĂ€chlich etwas gewundert. Der Ausspruch "Simon says" war mir noch einigermaßen gelĂ€ufig, aber das passte hier irgendwie nicht.

Hm, das Problem mit dem Ende ist, dass der letzte Satz in den verschiedenen engl. Versionen die ich kenne sich gerade unterscheidet...

Ich meinte gar nicht so sehr den letzten Absatz (bin schon gespannt auf das Original!). Im vorletzten sagt die Frau folgende Worte:

"Na schön", sagte sie gelassen. "Wir wollen nicht kleinkariert sein. Wenn Liebe etwas Kleines ist und aufhören muss, dann möge sie aufhören. Mögen alle kleinen Dinge wie Liebe und Ehre und Barmherzigkeit und Lachen aufhören - wenn es darĂŒber hinaus etwas GrĂ¶ĂŸeres gibt."

Diese Einstellung gefĂ€llt mir! Mittlerweile bin ich richtig froh, dass ich in der Schule französisch gelernt habe. Dadurch konnte ich die italienischen und lateinischen Passagen halbwegs ĂŒbersetzen. Eine geniale Idee, dass der Pi-Mann warten muss bis sein Englisch wieder da ist. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/wink.png Sullivan

#8 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 22 April 2004 - 12:41

So, ich habe gestern Geliebtes Fahrenheit gelesen. Die Geschichte kam mir irgendwie bekannt vor, wahrscheinlich habe ich sie doch schon gelesen aber dann wieder vergessen.

Die Idee mit dem durchdrehenden Androiden ist wirklich gut und am Ende gibt es eine kleine Überraschung (eigentlich unnötig dies bei einer Kurzgeschichte zu erwĂ€hnen, sie lebt ja hauptsĂ€chlich von der Pointe). Der Wechsel der Perspektiven ist ziemlich verwirrend und erst zum Schluss wird klar, was Bester damit beabsichtigt. Dadurch lohnt es sich auf jeden Fall, die Geschichte ein zweites Mal zu lesen.

Übrigens wĂŒrde sich die Geschichte sehr gut fĂŒr eine Verfilmung eignen, eventuell als Folge von OUTER LIMITS. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/wink.png

@yippie:
Das Lied "Schwitze, schwitze in der Hitze" spielt in der Tat eine wichtige Rolle. Es ist zwar gut ĂŒbersetzt, aber an das Original kommt es nicht heran...

Sullivan

#9 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 27 April 2004 - 17:41

Kleine Sendepause bei mir; habe versucht die unten-folgende Rezi-Reihe abzuschließen (wobei ich nach der letzten KG wieder vorne anfangen musste, bis mir klar war was ich schreiben wollte, und welche ich besonders mag).

Zu Sullivan's Postings: Ja, das Zitat aus Pi Man find ich auch sehr gut. Wenn du eine Chance hast, die KG zu lesen, sag mir doch mal wie dir der Spruch am Ende von der Traitor-KG gefÀllt. (Bin hier und unten nur deswegen etwas geheimnisvoll weil ich nicht immer gleich alles "spoilen" will.)

Zu deinen Worten zur Fahrenheit-KG

Übrigens wĂŒrde sich die Geschichte sehr gut fĂŒr eine Verfilmung eignen, eventuell als Folge von OUTER LIMITS.

möchte ich lieber abwinken, sorry. Aus meiner Sicht könnte man die Stimmung und Form dieser KG nicht ĂŒbertreffen. Jeder Geschichts-Abschnitt, der mit einer "wunderbaren" oder "wunderschönen" Fahrenheit-"Messung" endet, ist doch auch eine Iteration in einer Spirale, der wahre Kern wĂ€chst sozusagen von innen heraus um am Ende in all seinem Schrecken aufzublĂŒhen. Wie soll man das alles in so ein genau darstellendes Medium wie einen Film hineinkriegen? Ich finde diese Geschichte lebt sehr vom Klang/Musik der Stimme des ErzĂ€hlers und der eigenen Fantasie. (Wobei ich durchaus sehe dass sie wiederum bekannte Filmszenen zitiert.)

Hier nun weitere (Kurz-)Rezensionen: Bester scheint ein besonderer Fan der Zeitreise gewesen zu sein - er hat eine ganze Reihe von Zeitreise-Kurzgeschichten geschrieben, von denen ich einige hier kurz nebeneinander besprechen möchte...

    [*]Disappearing Act ('53)
    Zeitreisen sind unmöglich - jeder weiß das - und in dieser Zeitreisegeschichte erklĂ€rt Bester in einer Umgebung, die sehr an Kubrick's Film aus 1964, Dr. Strangelove, erinnert (also einer verrĂŒckten, selbstĂŒberschĂ€tzenden atombombenliebenden Epoche vor noch gar nicht so langer Zeit in einer Alternativwelt gar nicht so weit weg), wie Zeitreisen doch möglich sind, nĂ€mlich auf rein individueller Basis, wenn man ein wenig angegriffen und fantasievoll ist. Und wenn wir Anderen Zeitreisende verstehen wollen, brauchen wir DichterInnen. "Send me a poet," sagt der General am Ende. Make poetry not war, sagt Bester.


    [*]Hobson's Choice ('52)
    Dies ist m.E. eigentlich ein essayistischer Dialog von Bester ĂŒber Zeitreisen, gekleidet in einen dĂŒnnen, eher dĂŒsteren Geschichtsmantel. Ab Mitte der Geschichte unterhĂ€lt sich der Held mit einem Zeitreisemaschinenoperator ĂŒber FĂŒr und Wider, zwischen Kommentaren der beiden ĂŒber stĂ€ndig ankommende Zeittouristen, die (zum Totlachen!) noch zu schnell bzw. langsam in ihrer Sprache getaktet sind, je nachdem ob sie zeitflussabwĂ€rts oder -aufwĂ€rts geschwommen sind. Ansonsten sind die Ankömmlinge stereotypisch gut gelaunt. Am Ende ist die Zeitreise nur noch ein Symbol fĂŒr fehlgeleiteten Eskapismus (man beachte die BettlersprĂŒche, die dauernd in der Geschichte als PausenfĂŒller auftauchen!). Der Titel bezieht sich auf ein englisches Sprichwort und bedeutet man hat gar keine Wahl. Also: HĂ€nde weg von Zeitmaschinen! Die RealitĂ€t, wie immer dunkel sie sein mag, ist dem vor zu ziehen.


    [*]Of Time and Third Avenue ('51)
    Diese Geschichte fĂ€llt in die "Nebeneffekte einer Zeitreise"-Sparte. Ich finde sie besonders lesenswert, weil sie die vorgenommene Zeitreise gar nicht erst mehr erwĂ€hnt. Irgend etwas ist schief gelaufen und ein aufgeweckter junger Mann kriegt ein Buch in die HĂ€nde dass ausfĂŒhrlich die Daten eines Jahres mehr als 30 Jahre in der Zukunft vorhersagt. Das darf nicht sein, also wird ein zeitreisender Agent hingeschickt. (Auch hier frage ich mich ob Bester derartige Agenten als Erster erdacht hat? Kennt jemand eine Geschichte mit derartigen Agenten vor 1951?)

    Sehr gut gefĂ€llt mir hier der lockere, oberflĂ€chliche, ruhige Stil der Geschichte, inkl. den Sprachproblemen die der Agent hat, weil sein Vokabular sich bereits in wenigen Jahrzehnten so weit vom Vokabular der FĂŒnfziger entfernt hat. Der Titel spricht ĂŒbrigens die Zweifel an, die der junge Mann und seine Freundin den grĂ¶ĂŸten Teil der Handlung an dem Agenten haben; 3rd Avenue war in den FĂŒnfzigern nicht gerade Manhattan's nobelste Adresse - Abzockerei war dort Alltag. Bis zum letzten Satz soll eben d. LeserIn auch zweifeln...


    [*]The Men Who Murdered Mohammed ('58)
    Hier erörtert Bester m.E. frei eine Idee, ohne sich furchtbar viel Gedanken ĂŒber eine ausgefeilte ErzĂ€hltechnik zu machen. Am Anfang erinnert mich die Geschichte stark an R.A. Lafferty's Stil. Diese Geschichte hĂ€lt sich an die physikalische Unmöglichkeit von Zeitreisen indem sie das vom Zeitreisenden Erlebte anders erklĂ€rt. Sie ist letztendlich auch ein langes (freches) Kommentar ĂŒber die UnzulĂ€nglichkeit von Professortypen mit der RealitĂ€t umzugehen.


    [*]Time is the Traitor ('53)
    Dies ist eine Zeitreisegeschichte, die gar keine ist; im Sinne unserer Diskussion ĂŒber machbare Zeitreisen an einer Stelle im Zeitreise-Thread geschieht hier höchstens eine Reise in die Zukunft. Sie ist eher eine Parabel darĂŒber wie ein katastrophaler Moment extremer RĂŒcksichtslosigkeit den weitergehenden Lebenslauf vieler Menschen Ă€ndern kann, und dass dadurch auch die Charaktere der Menschen sich Ă€ndern.

    Die Geschichte hat denselben Zack-Zack-Stil wie Pi Man, und da einer der Hauptfiguren auch ein Mann ist, der fremdartige FÀhigkeiten hat und sehr "getrieben" wirkt, das Ganze aber in einem Umfeld von Mord und Tod und verÀchtlichem Umgang mit Frauen stattfindet, könnte man sagen dies ist die "dunkle Seite" von Pi Man.

    Mir gefiel hier wieder sehr der Umgang mit Sprache; Bilder werden stĂ€ndig ĂŒberzeichnet - es gibt einen Mann der der Beste Freund der Galaxie ist, und dafĂŒr auch galaxieweit bekannt ist (und es auch wirklich ist) und einen anderen Mann, der einen WirtschaftskapitĂ€n nur darstellen soll, und den beschreibt Bester immer als "magnificent decoy" (also etwa: "prĂ€chtiger Lockvogel"). Diese Phrase allein löst ein Klingeln bei mir aus, denn es erinnert mich sehr an entspr. Figuren in unserer Weltpolitik. Die Zukunftswelt, die Bester beschreibt, ist die westliche Welt - seine Planeten und Raumschiffe sind nur Verkleidung fĂŒr unsere StĂ€dte und ICEs.

    Die Art wie die Geschichte daher zischt erinnert mich auch sehr an die Cartoon-Szenen im Film Cool World, allerdings etwas weniger sĂŒĂŸ als dort.
    [/list]Meine Favoriten sind die beiden Geschichten mit dem Wort "Time" im Titel. Die ersten beiden Geschichten in der obigen Liste sind ĂŒbrigens klare Antikriegs-Szenarien; Bester macht es Ă€hnlich Kubrick (bzw. dieser machte evtl. Bester 10 Jahre spĂ€ter nach?) indem er den Krieg und seine Vertreter/Opfer skurril bis lĂ€cherlich darstellt.

    Man hat bei Bester oft das GefĂŒhl dass er karikiert: Er ĂŒberzeichnet die patriarchale Welt (z.B. den entscheidungsfreudigen Macho) aber zeigt auch ihre lustig-liebenswerteren Seiten auf. Und gelegentlich gönnt er sich ein leckeres Durch-den-bitteren-Kakao-Ziehen... <_<

    Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 27 April 2004 - 19:25.

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Farmer: [..] Die Anzahl der Menschen auf der Erde, die voller Hass/Frustration/Gewalt sind, ist zuletzt furchterregend schnell gewachsen. Dazu kommt die riesige Gefahr, dass das hier in die HĂ€nde nur einer Gruppierung oder Nation fĂ€llt... (Schulterzucken.) Das hier ist zuviel Macht fĂŒr eine Person oder Gruppe, in der Hoffnung dass sie vernĂŒnftig damit umgehen. Ich durfte nicht warten. Darum hab ich es jetzt in die Welt verstreut und kĂŒndige es so breit wie möglich an.

Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht ĂŒberleben.

Farmer: Ich hoffe Sie irren sich, Senator! Ich hatte eben nur eine Sache sicher kapiert - dass wir weniger Chancen dazu morgen haben wĂŒrden als heute.

(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob ĂŒbersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)



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