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Eden


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2 Antworten in diesem Thema

#1 tichy

tichy

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Geschrieben 08 September 2004 - 13:38

Eden
Stanisław Lem

(Von "Eden" gibt es derzeit keine aktuelle Auflage, ich habe mir das Buch bei Amazon gebraucht besorgt.)

Der Roman stammt aus dem Jahr 1959 und stellt, nach den "Jugendwerken" (Lems eigene Einstufung: "Der Mensch vom Mars", "Die Astronauten" und "Gast im Weltraum") das erste seiner ernstzunehmenden Werke dar (also das erste, für das er sich im Rückblick nicht schämt). Später folgten dann "Solaris" 1961, "Rückkehr von den Sternen / Transfer" 1961, "Der Unbesiegbare" 1964, "Pilot Pirx" 1968, "Die Stimme des Herrn" 1968.

Ähnlich wie im "Unbesiegbaren" benutzt er ein Standardszenario der SF, um seine neue Idee zu entwickeln, in diesem Fall den Absturz eines Raumschiffs auf einem unerforschten Planeten. Und während es im "Unbesiegbaren" die Technosphäre ist, die eine bio-ähnliche Evolution entwickelt, ist es in "Eden" die Biospäre, die technisch verändert wird. Insofern kann man die beiden Bücher als Geschwister ansehen.

Diese Idee dessen, was man heute "Manipulation der Keimbahn" nennen würde, war zu seiner Zeit sicher sehr originell, ist ist aber weitgehend das einzig interessante an dem Werk. Die Handlung ist langweilig und ohne roten Faden, die Personen bewusst flach -- letztere haben nicht einmal Namen, werden nur als "der Physiker", "der Chemiker" usw. bezeichnet. Hier hat sich Lem vielleicht noch nicht ganz von dem sozialistisch inspirierten Zukunftsoptimismus gelöst, der schon aus seinen Frühwerken bekannt ist; so gibt es auch keinen "Kapitän", "Kommandeur" oder ähnliches, sondern lediglich einen "Koordinator" in dem sechsköpfigen Team.

Während Lems folgende Werke trotz der weitverbreiteten technischen Anachronismen (immerhin sind sie teils über 40 Jahre alt) kaum altern, fragt man sich hier auch immer wieder "warum in aller Welt müssen die einen Schwarzweissfilm entwickeln? Haben die kein Video?" oder "Haben die wirklich einen atomschlagsicheren Panzer dabei, aber kein einziges fliegendes Aufklärungsgerät?". Die Handlung verliert so weiter an Plausibilität.

Die Gesellschaftsform, die Lem beschreibt, ist allerdings nicht uninteressant und erinnert in einigen Details an Orwells 1984 -- ich verstehe das als Anfang der subtilen Kommunismuskritik, die später vor allem in Lems satirischen Werken erkennbar ist.

Mein Fazit: Ich habe das Buch for vielleicht 15 Jahren zum ersten Mal gelesen, und ich hatte es als besser in Erinnerung, als es sich beim erneuten Lesen erwiesen hat. Es stellt für mich eine Zwischenstufe dar zwischen seinen Frühwerken und den späteren Meisterwerken. Insofern vielleicht eher historisch interessant für Lem-Freunde, aber definitiv kein "must read".

"From today's perspective Eden is neutral in my eyes. It is so-so.  From the point of view of literature it is a rather unsuccessful book;  its characters tend to be schematic and the pictured universe is a bit "flat" and one-dimensional. This literature of the "second sort" is quite good in comparison with average science fiction - but one cannot line up a man of regular height with hunchbacks and claim that he is an Apollo."

-- tichy
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#2 Rusch

Rusch

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Geschrieben 22 September 2004 - 11:00

Große Zustimmung, auch wenn ich fand, dass die Beschreibungen der Doppelts am Ende ein wenig plump war. Zu Beginn wirkte alles sehr phantastisch und man konnte sich keinen Reim aus den Erkenntnissen machen. Die Lösung am Ende war dann zu menschlich.

#3 tichy

tichy

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Geschrieben 22 September 2004 - 14:19

Was mich am meisten wundert ist, dass ein Autor, der 1959 noch so ein leicht amateurhaftes Werk schreibt, und nur zwei Jahre später ein Meisterwerk wie "Solaris" erschafft ... irgendwo dazwischen muss die Raupe in den Kokon gekrochen und als Schmetterling wieder heraus gekommen sein ;) -- tichy
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