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China Miéville - Der Eiserne Rat


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56 Antworten in diesem Thema

#1 Holger

Holger

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Geschrieben 01 Mrz 2006 - 00:18

Hier der zweite Thread zum Lesezirkelbuch im März:

Eingefügtes Bild

Viel Spaß!

Holger
"Rezensionen: eine Art von Kinderkrankheit, die die neugeborenen Bücher befällt."
(Georg Christoph Lichtenberg)

#2 Michael Birke

Michael Birke

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Geschrieben 07 Mrz 2006 - 16:41

Dann fang ich mal an... fast hätte ich das im Thread zu den ersten Kapiteln gepostet.China Miéville macht es selbst Kennern seiner Romane schwer.Das Buch macht retrospektiv wesentlich mehr Sinn als während des Lesens, das möchte ich ihn negativ ankreiden:Der Beginn mit Cutter und den anderen Flüchtlingen ist recht zusammenhanglos. Der Eiserne Rat, eine Legende... zu viel mehr taugt der Beginn nicht. Außer zur Kuriositätenschau a la Miéville.Dann der Wechsel zu Ori und seinen trägen Revoluzzern: Mich hatte es an dieser Stelle immer noch nicht gepackt.Bis der Eiserne Rat Dampf macht war ich bereits enttäuscht, das Buch wird aber gegen Ende zu besser... nur leider habe ich ein Problem mit China Miévilles Wirkungsabsicht:Was soll das? Ein kommunistisches Manifest schreibt er nicht gerade, er zeigt sehr kritisch wie eine solche Revolution scheitern kann. Sieht jemand vielleicht am Ende, der Zug kehrt ja nach New Crobuzon zurück und rettet die Stadt, vielleicht eine Moral oder Lehre?Ich eher nicht, vielmehr beobachtet Miéville und die Distanz zu seinen Figuren ist dieses Mal besonders groß. Schillernde Charaktere waren ja bereits in den Vorgängern nicht gerade sein Markenzeichen, dieses Mal langweilten sie mich jedoch. Teilweise habe ich sie auch nicht wirklich verstanden, Beispiel Cutter. Brokeback-Mountain-Syndrom? Wozu diese aufgesetzte und völlig überflüssige homosexuelle Beziehung? Ich hätte da mehr oder eben einen Verzicht auf die ganze Thematik erwartet.Diese sehr politisierende Beobachtung seiner Welt lässt Raum für alle Arten von Interpretation, wenn das Miévilles Absicht war, gut, das hat er geschafft... ich zerbreche mir den Kopf darüber, was ich aus der Geschichte machen soll.Unterhaltsam finde ich das aber nicht unbedingt... eine Miévillsche Träumerei in meinen Augen.Am gelungensten erschien mir Judah Low und sein völliger Kontrollverlust: Er ist ja einer der Gründungsväter des Rates, am Ende kann er ihn kaum noch kontrollieren. Da er Golemist ist und sein Name wohl an Rabbi Loew angelehnt ist meinte ein Amazon-Rezensent, man könnte diesen Bezug als Sinnbild für den Kontrollverlust ansehen... gut.Ich habe mir noch über keinen Miéville so den Kopf zerbrochen - das kann man als Kompliment ansehen, gefallen hat mir der Roman alles in allem trotzdem nicht.

#3 Jakob

Jakob

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Geschrieben 07 Mrz 2006 - 16:57

Ich hatte nicht den Eindruck, dass der Zug die Stadt bei seiner Rückkehr in irgendeiner Art und Weise rettet ... viel eher ist das, was passiert, doch wirklich sehr deutlich metaphorisch: Die Revolution erstarrt zum Symbol und wird dabei im dialektischen Sinne "aufgehoben" - d.h. sie wird erstens "bewahrt", zweitens "auf eine andere Stufe gehoben" und drittens "zum Verschwinden gebracht". Und dieses Ereignis lässt sich aus der perspektive des Romans nicht eindeutig positiv oder negativ bewerten: Natürlich ist der Eiserne Rat gerettet, aber natürlich hat man ihm auch die Chance genommen, historisch konkret wirksam zu werden. Ich denke, dass Mieville sich da weniger auf den Realsozialismus bezieht und mehr auf die aktuelle Situation revolutionären Denkens: irgendwo im symbolischen Raum, irgendwie ewig aufgeschoben. Und das ist vielleicht auch besser so ... aber die Frage bleibt eben offen.Was das Buch darüber hinaus macht, ist eben, die Verstricktheit der Revolution in die Verhältnisse, aus denen sie kommt zu thematisieren. Das gilt offensichtlich für die "rächende" Figur Toro, und es gilt auch für den Eisernen Rat, der ja erst durch Wrightbys großes Projekt entstehen konnte (und der in gewisser Weise eben nicht nur die Revolution gegen den Kapitalismus darstellt, sondern auch seine innere Revolutionierung, die Erweiterung der Grenzen seiner produktiven Kapazität - das bringt Wrightby am Ende des Romans selbst auf den Punkt).Vielleicht ist das Buch tatsächlich schwer zugänglich, wenn man keinen Bezug zum Marxismus hat, und vielleicht hat Mieville von daher eines seiner Ziele, nämlich einen für viele Leser spannenden Roman zu schreiben, verfehlt. Ich für meinen Teil fand es hochspannend, der Entfaltung seiner Metapher zuzuschauen - dem habe ich viel mehr abgewonnen als dem recht episodischen, linearen "The Scar", dass man ohne Probleme um die eine oder andere Episode hätte kürzen können.
"If the ideology you read is invisible to you, it usually means that it’s your ideology, by and large."

R. Scott Bakker

"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama

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#4 Rusch

Rusch

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Geschrieben 08 Mrz 2006 - 08:44

Vielleicht könnt ihr mit Euren massiven Spoilern noch ein bißchen warten?Wir wollen hier nicht gleich über das Buch als Ganzes sprechen, sondern zunächst über den Verlauf der zweiten Hälfte.Also, ich habe jetzt den Endlosen Zug durch. Es ist nun klar, was mit dem Eisernen Rat gemeint ist und die Vermutung lag nahe. Zur Halbzeit muss ich aber sagen, dass Miéville nicht das sehr hohe Niveau von "The Scar" erreicht. Der Eiserne Rat ist nicht schlecht, aber die anderen beiden Bas Lag Romane waren besser.

#5 Jakob

Jakob

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Geschrieben 08 Mrz 2006 - 11:30

Ups, Sorry. ich dachte, im zweiten Thread ist dann schon alles erlaubt ... ist aber zugegebenermaßen nicht ganz logisch. In Zukunft werd ichs einfach markieren, wenn sich etwas direkt aufs Ende bezieht.
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#6 molosovsky

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Geschrieben 08 Mrz 2006 - 15:30

Hallo zusammen.

Aufregend wie unterschiedlich die Meldungen bisher sind, obwohl: täusch ich mich, oder sind im GuG die Eindrücke solche der Ratlosigkeit und ›Verstimmtheit‹.

Ausnahme freilich Jakob: Du kennst Dich deutlich besser als ich aus, wie man all diese ideologisch-politischen Felder, Spannungen und Stränge im Auge behält und kannst entsprechend klarer Eindrücke formulieren. RESPEKT!
†” Ich steh ein bischen vor dem IC-Panorama, wie die Opfer aus PSS vor den ausgebreiteten Slake-Moth-Flügeln. (Bugs Life/Das Große Krabbeln: »I can't help it. It's so beautiful.«)

Für die »The Scar«-Freunde vielleicht eine kleine Hilfe: In den New Crobuzon-Abschnitten um Ori taucht die Figur des Spiral Jacob auf. Dieser Kerl ist ein ehemaliger Kaffeehaus-Kumpel von Tanner Sack, den Remade-Protag aus »The Scar«.



Aufregend finde ich auch, daß einige von Euch z.B. »The Scar« hochwertschätzen, aber bei IC abwinken. Gerade die große Unterschiedlichkeit der drei Bas-Lag-Romane finde ich sehr reizvoll. So fällt mir auf, daß IC der kürzeste der drei Bas-Lag-Romane ist, aber am meisten Zeitraum und Handlung umspannt.

Zugegeben: die dramaturgische Beschleunigung im Verlauf der drei Bücher †” vom halben Jahr in PSS, über ein Jahr in TS bis zu einem ca. 20-Jahre-Zeitraum in IC †” ist leichter zu verkraften, wenn man die Bücher in ihrer Erscheinungsreihenfolge ließt.

Dann: in PSS und TS wird linear erzählt. IC macht nun was, das ich besonders mag: es sträubt sich gegen lineare Einheit von Zeit und Raum. Die üblichen Orientierungensroutinen von ›geraden Erzählstrukturen‹ greifen nicht wirkich. Ich mag das, denn ich fühl mich zugleich ›tiefer‹ in den Strudel der unmittelbaren Ereignisse hineingestoßen UND werde herausgefordert, mir einen ›Blick von Außen/Oben auf die Handlung‹ aufrechtzuhalten. Zugleich homöopathische und allotopische Effekte, eben ›maximal‹. †” Ich geb zu: ›Kunst‹ die so arbeitet IST erstmal ehr anstrengender als ›glattere‹ Werke. Ich bin nicht so überheblich zu behaupten, daß solche postmodernen Attribute und Eigenschaften wie Nonlinearität & Fragmentarisierung ein Werk automatisch gehaltvoller, besser machen. Aber diese ›modernen‹ und ›postmodernen‹ Methoden reizen mich halt ungemein.
†” Beispiel aus der Filmwelt: Man denke an Terry Gilliam Einteilung von Künstlern in die Kubrik- und die Spielberg-Schublade. Kubriks Filme stellen mehr Fragen (oder stauen mehr Spannungen) als sie beantworten (oder Spannung aufgelößt werden); Spielbergs Filme lösen am Ende die wichtigsten Fragen und härtesten Spannungen ›harmonisch‹ auf.


Immerhin geht es in IC viel um Dinge wie Verwirrung, Vermengung & Vermischung und unvorhergesehene Reaktionen & Auswirkungen. Diese Themen kann man ›lediglich‹ beschreibend behandeln, oder man kann versuchen, durch die Art und Weise der Aufbereitung z.B. ›Verwirrung‹ als Stimmung beim Leser zu evozieren. Das ist heikel, denn instinktiv wehrt man sich ja eigentlich gegen Verwirrtwerden. †” Aus dem 2005-LZ-Jahr fand ich z.B. »More Than Human« in dieser Hinsicht außergewöhnlich & gelungen ›mutig‹. Sprachlich, ›perspektivisch‹ und dramaturgisch ebenfalls ein ganz schön harter Brocken, aber ebenso wie IC eben lohnenswerte ›Avantgarde‹.

Wie auch andere derzeit aufsteigende Autoren (ich sag nur: VanderMeer) kennt und verwendet Miéville solche Techniken wie ›layering‹, was man auf Deutsch schlicht ›Vielschichtigkeit‹ nennen könnte. Tonfall, Themen und Bilder aus unterschiedlichsten Quellen werden Schicht für Schicht, Fitzel für Fitzel vermengt.

Nun ist Literatur mit solchen Ambitionen ähnlich gefährtet wie entsprechende Malerei oder Musik. Wo besonders große Buntheit angestrebt wird, läuft man Gefahl ›grey matter‹ anbzuliefern (siehe z.B. einige Bilder der Pointillisten oder Futuristen).

Strukturell und dramaturgisch ist IC für mich AUCH ein buntes Potpourrie von Kniffen, die den Leser vor den Kopf stoßen. Vielleicht erklärt ja mein Sternzeichen (Widder), daß ich solche Anrempelungen durch Kunstwerke/Unterhaltungsprodukte sehr spaßig finde (wenn sie gut gemacht sind :-)

†¢†¢†¢
Homosexualität. †” Mit ists herzlich wurscht, wer die Figuren einer Liebesgeschichte sind (ich hatte zuletzt auch keine Hemmungen mich von der extremen Romanze in »King Kong« anfixen zu lassen, bis hin zum Kloß im Hals und wässrigen Augen). Ich komm ursprünglich aus der Richtung Splatter, Monster, Äktschn und Härte ect pp ff., und empfinde seit einigen Jahren Sentimentalität, Romanze und Idyllik usw. als meinen ›neuen Hardcore‹. Also immer her mit solchen intelligenten und geschickten Herausforderungen auf diesem Gebiet.

IC nimmt sich ja das Western-Genres zur Brust, wie schon PSS entsprechend sich des großstädtischen Monsterthrillers und TS der See- und Spionage-Abenteuer angenommen hat. Und zum Verwesen und Weiterblühen des Western-Genres gehört nun mal auch, z.B. die Facetten der ›innigen Männerbündelei‹ näher zu beleuchten.
†” EMPFEHLUNG: Die sehr feine HBO-Serie »Deadwood« gucken und sich von ihr das Westerngenre ›updaten‹ lassen (Entwarnung: Dort in Season 1 keine Schwulen, aber viel physische & psychische Härte und Gewalt. Aufgemerkt: Sechs der zehn Scriptschreiber sind Frauen!).

Über die Sexualität von Autoren zu spekulieren ist interessant, meistens aber eigentlich müßig (<= ›müßig‹ nicht nur negativ gemeint). Freilich läse sich z.B. »Der Name der Rose« ›anders‹, wenn Eco ein Schwuler wäre und kein verheirateter Familienmensch. Aber etwaige Leseunterschiede- und Lesefärbungen ob des Wissens um die Sexualität des Autoren beruhen mMn ehr auf lesereigenen Gedankenspielen und Empfindungstaumeleien.

Als Hetero finde ich die geschilderten Intimitäten (so mit Hinternanbieten) zwischen Männern schon ›verstörend‹ †” ich muß meine Phantastie und Hineinversetzungswut ein bischen zähmen, damit ich mir den Männersex nicht zu intensiv vorstelle. Der Blick durch die Homobrille auf Liebe, Sex und Intimität kann, gut gemacht, sehr erfrischend sein (ich erleb das derzeit bei »Six Feet Under« auf DVD).

Immerhin schwelen seit Menschengedenken Spannungen (sozusagen ein ›Kulturkampf‹) zwischen den solitären und dyadischen Vorstellungen vom ›ganzen Menschen‹ (siehe Platons getrenntes hermaphroditische Kugelwesen). Ist der ›ganze Mensch‹ allein zu betrachten, als selbstständiges weibliches oder männliches Einzelwesen? Oder läßt erst eine Zweiheit †” aus Mann und Frau, Adept und Meister, Herr und Knecht, Mutter und Kind, Krieger und Feind †” die Idee des Humanen Wirklichkeit werden? (Ich denke, beide Verfassungen sind ›legetim‹, und die Vermittlung zwischen beiden ist die Kunst.)

Wie aber Cutters Sehnsucht dargestellt wird, überzeugt mich. Als eigentliche ›Spitze‹ aber lese ich die Masturbationsszenen in IC von Cutter, in TS von Bellis. Zum einen berühren die mich nun wirklich peinlich. Rattern ist wohl universell, sozusagen der ›Unisex‹ unter den intimen Handlungen. Andererseits fällt es mir entsprechend leichter, mich in die Figur hineinzuversetzten. Solch ›intime Einblicke‹ in eine Figur bekommt man in der (Mainstream-)Genre-Phantastik nicht so oft. †” Nun könnte man behaupten, Miéville beutet in IC Homoertik aus, will Bedeutung, Tiefe und Relevanz heischen. Den Eindruck hab ich allerdings nicht.

Kurz: Wie auch schon in TS bietet für mich IC eine der aufwühlensten Intim- und Sehnsuchtsgeschichten (vulgo: Romanzen), die ich bisher so gelesen hab. Die tiefste ›Sex- oder gegenseitige Infektions-Beziehung‹ liefern dabei der (weibliche) Kontinent und die (männliche) Metropole selbst, personifiziert in den Nebenfiguren Ann Hari und Weather Wrightby.

Andere tiefe Eindrücke auf ähnlichen Wellenlänge hab ich z.B. bei Byatt (»Besessen«), Orwell (»1984«), Ruff (»Ich und die anderen«), Dörrie (alle Kurzgeschichten) oder John Irving und Helmut Krausser erlebt.

Aber Romanze ist (für mich) in IC dem größeren Thema ›revolutionär-entdeckerische Inbrunst‹ untergeordnet. Man könnte auch sagen, daß IC eine nicht ehr unbequeme Abrechnung mit den heroischen Ambitionen ›große Taten vollbringen‹ ist. Dabei versucht der Roman selbst eine ›große Tat‹ zu sein, so ambitioniert er daherkommt. Hybrisalarm ist also durchaus angebracht. Aber der Adrenalinschub wenn die Sirenen heulen, ist mir in diesem Fall eben willkommen.

Grüße
Alex / molosovsky

Bearbeitet von molosovsky, 08 Mrz 2006 - 15:38.

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

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#7 Gast_Jorge_*

Gast_Jorge_*
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Geschrieben 08 Mrz 2006 - 17:42

†” EMPFEHLUNG: Die sehr feine HBO-Serie »Deadwood« gucken und sich von ihr das Westerngenre ›updaten‹ lassen (Entwarnung: Dort in Season 1 keine Schwulen, aber viel physische & psychische Härte und Gewalt. Aufgemerkt: Sechs der zehn Scriptschreiber sind Frauen!).

:mad: Yep, diese Serie kann man wirklich nur wärmstens empfehlen, sie bietet neben einer interessanten Handlung und Charakteren auch einen tiefen Einblick in die "Blumigkeit" der amerikanischen Sprache("Motherfucker", "Cocksucker" etc. :lol:, also unbedingt im Original mit Untertiteln anschauen). :blink: Zurück zum Thema: Vor "Der eiserne..." lese ich erst noch "Die Narbe/Leviathan"; deshalb meine Eindrücke erst Mitte/Ende des Monats.

#8 Michael Birke

Michael Birke

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Geschrieben 08 Mrz 2006 - 19:36

Ich geb zu: ›Kunst‹ die so arbeitet IST erstmal ehr anstrengender als ›glattere‹ Werke. Ich bin nicht so überheblich zu behaupten, daß solche postmodernen Attribute und Eigenschaften wie Nonlinearität & Fragmentarisierung ein Werk automatisch gehaltvoller, besser machen. Aber diese ›modernen‹ und ›postmodernen‹ Methoden reizen mich halt ungemein.
†” Beispiel aus der Filmwelt: Man denke an Terry Gilliam Einteilung von Künstlern in die Kubrik- und die Spielberg-Schublade. Kubriks Filme stellen mehr Fragen (oder stauen mehr Spannungen) als sie beantworten (oder Spannung aufgelößt werden); Spielbergs Filme lösen am Ende die wichtigsten Fragen und härtesten Spannungen ›harmonisch‹ auf.


Schöner Vergleich mit Kubrick und Spielberg! Ich habe mal einen Teil des Zitats hervorgehoben. Ich glaube daran scheiden sich wirklich die Geister: Ich kann Miéville und auch niemand sonst für eine Methode oder wie man immer es auch nennen mag zujubeln oder ihn deswegen verdammen.

Die Story muss mir gefallen!

Ich bin wohl zu altmodisch um den Stil von Iron Council zu genießen. Mir gefällt es nicht, während des Lesens vergrätzt zu werden um im Nachhinein Sinn in das Chaos zu bringen. Da muss schon etwas mehr vorhanden sein um mich bei der Stange zu halten.

In der Retrospektive hat der Roman zweifellos sogar mehr Potential als PSS oder The Scar!

An Unterhaltungslektüre stelle ich aber den Anspruch, dass sie auch unterhält. Dabei kann sie gerne auch etwas anspruchsvoller sein. Vielleicht war es einfach zuviel Marxismus für mich, den Marxismus, Sozialismus, Kapitalismus & Co relativ kalt lassen... wobei die Idee solche Theorien in Fantasyromanen zu behandeln relativ neu ist, sofern man Animal Farm nicht als Fantasy klassifiziert greifen doch eher SCIENCE- denn Fantasy-Fiction orientierte Romane das Thema auf.

#9 molosovsky

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Geschrieben 09 Mrz 2006 - 10:42

HiJa klar sollte die Story gefallen. †” Nur: WAS ist ne Story? Was erkennt man (noch) als Story, was bleibt wirres Durcheinander, usw?GrüßeAlex / m.†”

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

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#10 Rusch

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Geschrieben 09 Mrz 2006 - 11:00

Mir ist aufgefallen, dass The Scar und Iron Council durchaus vergleichbar sind. In beiden Büchern geht es (zumindest teilweise) um eine Reise und um eine bewegliche Stadt.Allerdings sieht der Eiserne Rat im direkten Verleich zu den Vorgänger Romanen nicht sehr gut aus. Ich werde mit den Protagonisten einfach nicht warm. Es wäre mir wohl egal, wenn in einer überraschenden Wendung einer oder sogar alle den Tod finden würden. Da hat der Vorgänger eindeutig die Nase vorne, denn in dem Buch mochte ich selbst die unwichtigste Nebenfigur.

#11 Jakob

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Geschrieben 09 Mrz 2006 - 12:40

Danke, molosovsky, dass du mir die Angst nimmst, dass nur ich und mein Marx-Lesekreis IC irgendetwas abgewinnen können ... das wäre dann ja doch ein bitteres Urteil gewesen (vor allen Dingen, da der Rest meines Lesekreises nicht Mieville liest).
Offenbar echt ein "Lieben-oder-Hassen"-Buch. Ich glaube auch, dass es Mievilles bislang ambitioniertestes Werk ist, das kommt so zumindest in ein paar Interviews rüber, und dass er sich sehr bewusst gegen Erzählkonventionen sperrt. Das muss natürlich nicht heißen, dass er dabei den Spagat aus Spannungsliteratur und Dekonstruktion von Spannungsliteratur hinkriegt ...
Wer ist denn noch so durch mit dem Buch? Ich frage, weil ich das englische gelesen habe und in der Übersetzung nur ein bisschen geblättert, und dabei bin ich auf den letzten Satz der deutschen Übersetzung gestoßen, an dem ich mich gestört habe. Achtung, folgendes ist echt nur für oberpingelige, und ich will keinesfalls die wunderbare Sprache von Eva Bauche-Eppers kritisieren! Also, da heißt es:


SPOILER:









"Sie streben voran, immerfort." (Oder so ähnlich - habe das Buch nicht hier).

im Englischen Original dagegen: "They are always coming." (also wörtlich und sehr holperig übersetzt: "Sie sind für immer im Kommen", etwas eleganter vielleicht: "Sie sind immer auf dem Weg").

Hat hier noch irgendwer sonst das Gefühl, dass eine ziemlich krasse Bedeutungsdifferenz vorliegt? "Sie streben voran" ist eine Bewegung, die die Perspektive des Sprechers einschließt - als sitze ich selber in der Bahn. "They are always coming" nimmt dagegen eindeutig die Perspektive desjenigen ein, der die Ankunft erwartet. Ich bin deshalb so pingelig, weil ich beim englischen Original geradezu Tränen in den Augen hatte wegen der Tragik des unerfüllten Revolutionsversprechens, das aus der Perspektive der Erwartung zum Ausdruck gebracht wird. Und das wird natürlich völlig untergraben durch das optimistische "Voranstreben". Das Problem liegt natürlich in der deutschen Sprache, die keine Progressivform kennt, weshalb man immer zu uneleganten Umschreibungen greifen muss, um auszudrücken, dass etwas gerade "am Passieren" ist. Dennoch wäre mir hier die Bedeutung wichtiger gewesen als Eleganz.

Bearbeitet von Jakob, 09 Mrz 2006 - 12:42.

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#12 Gerd

Gerd

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Geschrieben 09 Mrz 2006 - 16:17

Ohne mich jetzt in die generelle Diskussion um die (mangelnde oder vorhandene) Qualität des Buches einmischen zu wollen, habe ich eine Frage, Jakob.

ACHTUNG - SPOILER (m.E. zwar höchst harmlos, aber ...)














Wie kommst du auf diese Aussage:

"Sie streben voran" ist eine Bewegung, die die Perspektive des Sprechers einschließt

denn das ist nicht oberpingelig, sondern schlicht und ergreifend Unsinn, sorry. (Der Satz heißt übrigens korrekt "Sie streben vorwärts, nun und immerdar.")

Und ob "Sie sind immer auf dem Weg" gegenüber der gewählten Formulierung eine Verbesserung bedeuten würde - also darüber könnte man jetzt lange streiten.

Grüße
Gerd
Sudden moroseness. One hop too far.

#13 Rusch

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Geschrieben 09 Mrz 2006 - 17:17

"Sie streben voran" ist eine Bewegung, die die Perspektive des Sprechers einschließt

denn das ist nicht oberpingelig, sondern schlicht und ergreifend Unsinn, sorry. (Der Satz heißt übrigens korrekt "Sie streben vorwärts, nun und immerdar.")

Und ob "Sie sind immer auf dem Weg" gegenüber der gewählten Formulierung eine Verbesserung bedeuten würde - also darüber könnte man jetzt lange streiten.

Grüße
Gerd

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Ist dies ein Bibelzitat? Dann müsste es wohl heissen, "Sie streben vorwärt, jetzt und immerdar." Zumindest ist dies eine Formulierung aus der Deutschen Einheitsübersetzung.

Aber letztendlich sind wir damit endgültig in die Gefilde der Erbsenzähler abgedriftet. Und Eva Bauche-Eppers Übersetzung ist sowieso vorbildlich.

#14 Jakob

Jakob

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Geschrieben 09 Mrz 2006 - 17:31

@Gerd:
(Spoilercode bei den Details wohl überflüssig, aber trotzdem: SPOILER):



OK, "vorwärts" ist zugegebenermaßen schon ein bisschen was anderes als "voran". Ich weiß vielleicht nicht so recht wie ich den Bedeutungsunterschied ausdrücken soll - aber "vorwärts" schließt ein, dass das Ziel aus der geschilderten Persperktive vorne liegt. "Come" impliziert dagegen, wie das deutsche "Kommen", dass die Sprecherposition sich am Zielort befindet. Es aufzumalen wäre wahrscheinlich leichter. "He's coming to me" heißt, dass eine Person sich auf mich zubewegt. "Er strebt vorwärts" heißt, dass eine Person sich in eine Richtung bewegt, die von ihr aus als "vorne" definiert ist - das kann natürlich die "Sprecherposition" sein, der Fokus ist aber anders. Genauso in Deutsch: "Komm her" heißt, jemand soll sich zu deiner Position bewegen, "Komm weg" kannst du höchstens sagen, wenn du meinst, jemanden dabei zu begleiten - sonst heißt es "Geh weg". "Geh vorwärts" heißt schließlich, dass jemand in die Richtung gehen soll, in die er ausgerichtet ist. Das kann natürlich praktisch dann "auf den Sprecher zu" bedeuten, das wäre aber eher wenig idiomatisch (weil man eben einfach "Komm her" sagen würde.)
Oberpingelig mag es sein, Unsinn ist es nicht.
Meinen Formulierungsvorschlag finde ich auch nicht besser, ich wollte nur eine deutsche Übersetzung für nicht-englischsprecher beifügen. Ich weiß auch nicht, was ich mit dem Satz als Übersetzer gemacht hätte, es hat mich nur gestört. Vielleicht nur ein Argument dafür, dass beim Übersetzen eben unweigerlich ein anderer Text produziert wird als das Original.

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#15 Dave

Dave

    Hamannaut

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Geschrieben 09 Mrz 2006 - 20:42

Aufregend finde ich auch, daß einige von Euch z.B. »The Scar« hochwertschätzen, aber bei IC abwinken. Gerade die große Unterschiedlichkeit der drei Bas-Lag-Romane finde ich sehr reizvoll. So fällt mir auf, daß IC der kürzeste der drei Bas-Lag-Romane ist, aber am meisten Zeitraum und Handlung umspannt.

Wenn man sich bei einmal die Bewertungen bei amazon.com zu IC ansieht, so ist das positive Abschneiden doch ziemlich interessant. Ich kann es mir eigentlich nur damit erklären, dass die Vorgängerromane eine wesentliche Rolle spielen. Die Leser erfreuen sich weiterhin an dem schönen Schreibstil und zehren von den Eindrücken, die sie bezüglich Bas-Lag bereits gesammelt haben. Vielleicht ist man dann bereit, über einiges hinwegzusehen oder sich etwas weiter in die unzugängliche Geschichte zu vertiefen.
Dennoch verwundert mich die Vergabe so vieler Bestwertungen.
Wie wäre es wohl um den Erfolg beschieden gewesen, wenn dies sein erster Roman gewesen wäre? Natürlich kann man nur spekulieren, aber um mein eigenes Bild nicht zum Wanken zu bringen, würde ich mutmaßen, dass es ein Flop gewesen wäre und sich die Anhängerschaft nie hätte bilden können.

Homosexualität. †” Mit ists herzlich wurscht, wer die Figuren einer Liebesgeschichte sind (ich hatte zuletzt auch keine Hemmungen mich von der extremen Romanze in »King Kong« anfixen zu lassen, bis hin zum Kloß im Hals und wässrigen Augen). Ich komm ursprünglich aus der Richtung Splatter, Monster, Äktschn und Härte ect pp ff., und empfinde seit einigen Jahren Sentimentalität, Romanze und Idyllik usw. als meinen ›neuen Hardcore‹. Also immer her mit solchen intelligenten und geschickten Herausforderungen auf diesem Gebiet.

Die Stellen des Romans, die ein wenig in die sexuelle Richtung gehen, sind doch eher trostlos gehalten, finde ich. Unschön fand ich auch das Auftauchen der Rosaroten Schwuchteltruppe (oder so ähnlich), die ja auch wieder einmal nichts zur Klärung beitragen konnte. Höchsten vielleicht zu der Annahme, dass es sich womöglich nicht um einen homosexuellen Autor, sondern im Gegenteil um einen Schwulenfeind handeln könnte.


Was die Metaphernwelt angeht, so kann ich mir nicht vorstellen, das hier sozusagen ernste Hintergründe auf die Ebene bizarrer Wesen und skurriler Ereignisse runtergebrochen wurden. Das meiste scheint mir der Intuition entsprungen zu sein, schweißfeuchten Träumen oder geheimnisvollen Kräutern.
Das eigentlich Konzept ist womöglich eine flüchtige Notiz auf einem Bierdeckel.

#16 molosovsky

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Geschrieben 09 Mrz 2006 - 20:51

Jakob schrieb:

Offenbar echt ein "Lieben-oder-Hassen"-Buch.

Irgendwer (¿Oscar Wilde?) meinte mal, daß diese Bücher wohl auf jeden Fall ›einen Nerv‹ getroffen haben.

†¢†¢†¢
Hinweis des Politbüros:
Folgenden Text hab ich schon letztes Jahr entdeckt, aber noch keine Gelegenheit gehabt ihn zu goutieren. Dennoch hab ich den leisen Verdacht, daß es ein Miéville bekannter Text ist, und womöglich EIN markanter Inspirationsquell oder Ausgangspfad für seine ganze Phantastik ist:
Leo Trotzki: »Die permanente Revolution«
Im Jargon der mittelalterlichen Scholastik (Kues) nannte sich das glaub ich ›das explodierende All-Eine‹ :-)

Frage an Jakob? †” Bist so hardcore und hast Dir »Between Equal Rights«†¡ angeschafft, bzw. gelesen (oder vor zu lesen)? †” Ich bin nun fast fertig mit dieser »Marxist Theory of International Law« (marxistische Theorie des Völkerrechts).
In Stichworten wage ich die Vermutung, daß die dort erwähnte ›rechtliche Form des Warentausches unter Gleichen‹ Mr. Miéville beim Ausknobeln der sexuellen Themen/Probleme in seinen Bas-Lag-Romanen beeinflußt haben könnte.

†¡ ein Marx-Zitat aus »Das Kapital«:
»Der Kapitalist behauptet sein Recht als Käufer, wenn er den Arbeitstag so lang als möglich und womöglich aus einem Arbeitstag zwei zu machen sucht. Andrerseits schließt die spezifische Natur der verkauften Ware eine Schranke ihres Konsums durch den Käufer ein, und der Arbeiter behauptet sein Recht als Verkäufer, wenn er den Arbeitstag auf eine bestimmte Normalgröße beschränken will. Es findet hier also eine Antinomie statt, Recht wider Recht, beide gleichmäßig durch das Gesetz des Warenaustausches besiegelt. Zwischen gleichen Rechten entscheidet die Gewalt. Und so stellt sich in der Geschichte der kapitalistischen Produktion die Normierung des Arbeitstags als Kampf um die Schranken des Arbeitstags dar †” ein Kampf zwischen dem Gesamtkapitalisten, d.h. der Klasse der Kapitalisten, und dem Gesamtarbeiter, oder der Arbeiterklasse.«
†” Man denke an den Slogan der Trosshuren: »Nur gegen Bares«, im Orig: »No pay, no lay« (dt. S. 285).

Grüße
Alex / molosovsky

Bearbeitet von molosovsky, 09 Mrz 2006 - 20:58.

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#17 molosovsky

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Geschrieben 09 Mrz 2006 - 21:18

@ Dave: IC als Debütroman wäre allerdings ehr ein Knieschuß, keine Frage. Cutters und Judahs Beziehung ist eine traurige Liebesgschicht. Weniger aber, weil Schwulsein an sich verfemt ist: diese Ebene der ›verbotenen‹ oder unerhörten Liebe wird ja in PSS mit der Liebe zwischen Mensch und Khepri-Frau und (positiv im toleranten Armada) zwischen Mensch und Remade behandelt, sowie in IC mit Cutters Lagerfeuergeschichte über sein Frühstücksgeschenk für einen Milizangehörigen. Cutters und Judahs Liebesgeschichte ist tragisch, weil Cutter abhängig von Judah ist, Judah aber viel zu weltoffen ist, um solche kleinen Abhängigkeiten auf Gegenseitigkeit einzugehen zu wollen. Siehe dann als Spiegelung die Beziehung zwischen Judah und Ann Hari. Hier ist Judah am Ende die arme Sau. Die ›Schwuchtelbrigade‹†¡ in der mMn grandiosem Stadtrevolution des »Erneuerrungs« lese ich ebenfalls als traurig-tragisches Bild, weniger als gehässiges Abschlachten von Schwulen durch den Autoren (wie Du spekulierst). †¡ ›Pretty Brigade‹ im Orig., ›Rosa-Rüschen-Brigade‹. †” ARG, wie so manches Male ist die Übersetzung leicht daneben, in diesem Fall: zu viel (dt. S. 536). Dave schrieb:

Das eigentlich Konzept ist womöglich eine flüchtige Notiz auf einem Bierdeckel.

Wie wohl die meisten ersten Konzeptentwürfe :-) Grüße Alex / m.†”

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#18 Jakob

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Geschrieben 10 Mrz 2006 - 13:08

@molosovsky:(Achtung, theoretischer exkurs):"Between Equal rights" werde ich mir vielleicht noch zu Gemüte führen, aber eigentlich hab ich keine Ahnung von marxistischer Rechtstheorie, und da das wohl noch mal ein eigenes Fass ist, schrecke ist doch ein bisschen davor zurück ...Dein Vorschlag, dass "Warentausch" bei IC eine wichtige Rolle spielt, klingt logisch. "No pay, no lay" ist da eigentlich ein interessanter Sonderfall, weil hier die Verkehrsregeln des Klassenkampfes auf eine Sphäre ausgedehnt, die in der klassischen marxistischen Theorie nicht der Produktion von Mehrwert, sondern der Reproduktion (Erholung) von Arbeitskraft dient. Im Endeffekt lehnt sich Mieville da wohl an den marxisitischen Feminismus an, der betont, dass die (hgrößtenteils von Frauen und meist unentgeltliche) Verrichtung von Reproduktionsarbeit von der marxistischen Theorie erst mal als ebenso wichtige Sphäre der Produktion anerkannt werden muss. Diese Idee scheint Mieville hier stark machen zu wollen, oder?Leider fehlt es mir bei all der marxistischen Theorie aber auch immer am Detailwissen, ich habe zwar einen ganz guten Überblick, mich mit dem meisten aber nie wirklich eigehend beschäftigt - Ich hab schon immer lieber "Einführungen" als "Hauptwerke" gelesen. Also stell mir nicht zuviele solche Fragen, sonst gerate ich doch noch in Verlegenheit :thumb:
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#19 Rusch

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Geschrieben 10 Mrz 2006 - 23:15

@ Dave:
IC als Debütroman wäre allerdings ehr ein Knieschuß, keine Frage.

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Hm, das verstehe ich jetzt nicht ganz. Ein Roman muss doch für sich alleine stehend überzeugen, ganz unabhängig davon, ob die nun ein Debutroman, der erste oder letzte Roman einer Trilogie ist. Bedingt mag dies manchmal sicher eine Rolle spielen, aber bei IC spielt das keine so große Rolle, das der Roman recht eigenständig ist.

#20 molosovsky

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Geschrieben 11 Mrz 2006 - 01:18

Uii Rusch,ganz grundsätzlich richtig, daß ein Roman ›für sich‹ stehen sollte. Nur tun sie das halt nie wirklich ›ganz‹. †” Aber: wichtiger Punkt, den Du da aufzeigst.Aber überleg mal: wenn ich Roman-Schriftsteller wär, würd ich mir überlegen, mit was ich debütieren wollte (vorausgesetzt ich habs auf mehrere Romane abgesehen). Gibt ja auch Autoren, deren Debütroman mitnichten ihr erstes vollendetes Buch ist. †” Wurscht egal †¦ ich hielte einen so ambitionierten Versuch in ›Hybrid-Phantastik‹ wie »Eiserner Rat«, für keinen klugegewählten Roman zum ›Auf die Bühne treten‹. Das läßt sich weder leicht und öfter steigern, noch ließe sich diese Welle so gleichbleibend kaum groß weiterreiten. Zwei Wege zur Gestaltung einer üblichen Trio schon mal kaporres. Doch so als der ›Durchgeknallte‹ und ›vollends aus dem Rahmen Fallende‹ einer etwas verschrobenen Trias macht sich IC mMn ganz vorzüglich.Soweit ich abschätzen kann, vereinfacht man sehr, wenn man sich vorstellt, daß Autoren ein Buch separiert nach dem anderen schaffen, wie eine Huhn. ›An Stoffen‹ oder ›Material‹ wird wohl zuallererst gearbeitet‹, dann erst an einzelnen Texten, oder nicht? †” Von King hab ich glaub ich als Teen zuerst mitebekommen, daß er neben seinem Hauptprojekt (damals »The Stand«) ein ihn ausgleichendes Nebenprojekt (»Frühling, Sommer, Herbst & Tod« bearbeitete. Die vier Novellen dienten als ›Lockerung‹ von der Arbeit am Megaepos.Perdido Street Station, The Scar und Iron Council †¦ in dieser Reihenfolge läßt sich eine Steigerung genießen. PSS als ungestümes Allegro, TS als andante moderato und IC von mir aus als ärgeres Synkopen-Scherzo-Finale. †” Wenn ich mir überleg, daß Miéville neben den drei Bas-Lag Romanen eben auch den wirtschafts-rechtswissenschaftlichen Brocken schrieb, dann komm ich nicht umhin an ›Kür‹ und ›Pflicht‹ zu denken.†¢†¢†¢Klarerweise eine Widersprüchlichkeit:wie sollen die ersten drei Bas-Lag-Romane nun jeder für sich alleine stehen UND zugleich ›in beliebiger Reihe‹ als Anti-Trilogie lesbar sein? Beides Eigenaussagen des Autoren †” Lösung? Romane (bzw. ›Kunst‹) sind keine Mathematik :-)GrüßeAlex / molosovksy

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#21 Rusch

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Geschrieben 12 Mrz 2006 - 16:57

So, ich werde wohl heute fertig werden und ich kann inzwischen recht gut festhalten, was genau mich jetzt gestört hat:Es war die Zeitlinie. Das Buch ist an sich vollkommen konfus. Miéville beginnt mit der Suche von Cutter, dann die Vergangenheit von Cutter und Jodah. Dann Ori. Dann der eiserne Rat. Alles ein einziges Kuddelmuddel. Ich bin feind von moderen Konzepten, aber wäre es nicht besser gewesen, das ganze Buch mit der Umkehr der Eiseren Rates zu beginnen und während der Fahrt die Beweggründe aufzuzeigen und die Spannung gleichsam mit der Fahrte einem Höhepunkt zustreben zu lassen? Mir hätte so eine Erzählweise besser gefallen. Doch dies ist wahrscheinlich meine Individuelle Meinung.

#22 Henrik Fisch

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Geschrieben 16 Mrz 2006 - 10:03

Bei mir passiert ein Miéville Kuriosum: Ich werde das Buch, da ich mit Kapitel 16 fertig bin, erst einmal beiseite legen und zu einem späteren Zeitpunkt weiterlesen. Der Grund: Ich tendiere sehr stark in Daves Richtung und mir ist das Ganze alles ein wenig zu wirr. Es ist nicht so, das sich das Buch nicht zu ende lesen werde, aber im Moment verspüre ich eher konkrete Gelüste. So werde ich mich denn ab heute Abend auf Ashers "Die Zeitbestie" stürzen.

Bisherige Wertung: 6 von 10

Bis dennen,
Henrik

Bearbeitet von Henrik Fisch, 16 Mrz 2006 - 10:04.

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#23 Holger

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Geschrieben 16 Mrz 2006 - 11:47

@Henrik:Off-Topic: Schreibst Du was über Deine "Zeitbestie"-Eindrücke in Deinem Blog. Dann könnten wir uns ein bisserl austauschen. Ich bin zwar schon 3/4 durch, aber ich strecke die Lektüre gerne noch ein wenig.GrüßeHolger
"Rezensionen: eine Art von Kinderkrankheit, die die neugeborenen Bücher befällt."
(Georg Christoph Lichtenberg)

#24 Rusch

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Geschrieben 18 Mrz 2006 - 13:13

So, mit etwas Verspätung gibt es nun meine Rezi zum Buch. Der Eiserne Rat

#25 lapismont

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Geschrieben 12 April 2006 - 08:53

Ich hatte das Buch zwar schon am 03. durch, komme aber erst jetzt dazu, mein Fazit zu ziehen.Grundsätzlich ist IC ein Lesegenuss. Das betrifft Sprache (hier auch Lob an die Übersetzerin, trotz der Rüschen), als auch Ideenreichtum. Mieville hat seinen eigenen Barock noch opulenter gestaltet und verziert.Thematisch grenzt der Autor seinen Leserkreis weiter ein. Definitiv ist IC kein Abenteuer- oder Phantastik-Roman aus der Mainstream Abteilung, eher fundamental wie Farmers Flusswelt.Jakob hat mir ja ein wenig die Augen geöffnet für das, was ich nur unbewusst spürte.Die gescheiterte "Revolution" und ihr Symbol sind tatsächlich wesentliche Schlüssel des Romans. Dialektisch wäre es dann sogar, hier Marx als eiserner Rat anzusehen, von der metaphorischen Bedeutung der Eisenbahn selbst, als das Symbol des Marx bekannten Kapitalismus, mal abgesehen.So gesehen schaufelt Mieville hier tief in der Geburtssuppe der kapiltalistischen Gesellschaft. Die Stadt bleibt im Buch permanent resistent. Mieville sieht auch keine neue Gesellschaft. Der Eiserne Rat, als quasikomunistische Räterepublik, weicht ebenso dem äußeren Druck, wie die junge Sowjetrepublik und wird eingefroren, bevor sie korumpiert wird und sich entartet.Keine Zukunft ausser dem Gewesenen.Das alles drückt die Stimmung zusätzlich. Judah, der sich gottgleich fühlt, scheitert wie sein thematischer Vater. Sein Golem aber konserviert. Dass damit die Zerstörung aufgehalten oder verhindert wird, ist ebenso ambivalent, wie trügerisch.Ein undefinierbarer Quantenzustand der Geschichte vielleicht. Doch für die Handlungsgegenwart völlig bedeutungslos. So oder so ist der Aufstand zu Ende.Die Frage bleibt, ob es hier tatsächlich um eine Revolution ging. Das Aufbegehren der Massen als eine Reaktion unterdrückter Klassen zu definieren, erscheint mir hier so nicht ganz einfach zu sein.Ähnlich der Situation 1918, überfrißt sich ein imerialistischer Staat und reduziert sich wieder auf eine gesundere Menge. Die Unzufriedenen, die wieder mal nichts zu verlieren haben, als ihre Ketten, unterliegen in einem Kampf, der eher einem Bürgerkrieg gleicht, als dem Ringen um eine neue Gesellschaft.Wer herrscht denn in NC? Toro beweist blutig, dass es nicht die Bürgermeisterin ist. Die Spitze ist austauschbar.Die großen Firmen herrschen, die Miliz herrscht und es herrscht die Moral, der Codex der Stadt.Das Bürgertum steckt viel zu tief in allen Teilen der Stadt, die klassische Arbeiterklasse oder die sklavenähnliche Remadeklasse, sind auch bei Mieville nicht in der Lage Staat zu machen. In der Führungsriege der Bewegung finden sich Intelligenzler, Gewerkschaftler und Priester.Das beweist mir, dass hier keine Revolution stattfindet, sondern weiter nichts als ein Machtverteilungskampf innerhalb des bürgerlichen Systems. All das, was den Kapitalismus ausmacht, wurstelt weiter am Mehrwertbeschaffungsstreben.Der Eiserne Rat wäre wie ein Tropfen Öl in die Flut gekommen. Zu wenig um die Wogen zu glätten und irgendwann verdaut von gierigen Bakterien.Ihr seht, das Buch drängt mich zu heftigem Nachdenken und vergnügtem Palavern.Ganz mein Geschmack also.9 von 9 Punkten.
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#26 Skydiver

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Geschrieben 12 April 2006 - 11:37

Zurzeit fehlen mir noch ca. 150 Seiten. Im Gegensatz zu einigen der hier schreibenden fühle ich mich bislang blendend unterhalten und kann auch deren Verwirrung nicht nachvollziehen. Diese Forderungen nach einem „roten Faden“ einer „linearen Handlung“ oder „tiefe Einblicke“ in den Charakter einer Person gehen mir ziemlich auf den Keks. Sollte man einem phantastischen Roman nicht mit Fantasie, Einfühlungsvermögen, Neugierde und der Bereitschaft sich überraschen zu lassen gegenüber treten? Es handelt sich eben nicht um einen simplen Roman über die Guten und die Bösen und eine super Revolution die am Schluss die wackeren Helden in den Sonnenuntergang reiten lässt.Ich schlage für den nächsten Lesezirkel mal eine Wahl paradox vor. Laßt uns mal einen wirklichen Pulp-Roman wählen und besprechen. Vielleicht wird dann mal wieder klar auf welch hohem Nivea hier gejammert wird.

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#27 Henrik Fisch

Henrik Fisch

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Geschrieben 12 April 2006 - 12:29

†¦ Diese Forderungen nach einem „roten Faden“ einer „linearen Handlung“ oder „tiefe Einblicke“ in den Charakter einer Person gehen mir ziemlich auf den Keks. Sollte man einem phantastischen Roman nicht mit Fantasie, Einfühlungsvermögen, Neugierde und der Bereitschaft sich überraschen zu lassen gegenüber treten? †¦

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Gemach, edler Himmelsstürmer. Das was ihr dort anmerkt, ist eine unverhohlene Einladung zur Beliebigkeit, die sich erst im Kopf des Lesers zu einer verknüpften Geschichte verfestigt. Die Steigerung davon kommt einem undifferenziertem herniederdrücken von Tasten auf einer Tastatur gleich, solange bis der Umfang eines Romanes erreicht ist. Und sollte der Leser des Jahrhundertwerkes damit nicht zurecht kommen, ist er halt nicht intelligent genug.

Selbstverständlich ist das Vorhandensein eines wie auch immer gearteten roten Fadens eine zwingende Voraussetzung in jeder Art von Prosa; egal ob Brief, Sachtext, Gedicht oder Belletristik. Wir können uns gerne darüber auseinander setzen, ob und wie fern ein roter Faden vom Herrn Miéville bedacht wurde.

Ich schlage für den nächsten Lesezirkel mal eine Wahl paradox vor. Laßt uns mal einen wirklichen Pulp-Roman wählen und besprechen. Vielleicht wird dann mal wieder klar auf welch hohem Nivea hier gejammert wird.

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Das könnte tatsächlich vielleicht einmal ganz heilsam sein. Trotzdem lasse ich es mir nicht nehmen, auch auf hohem Niveau zu meckern. Schon gar nicht in einem Forum, das sich den mehr oder minder ernsthaften Umgang mit der SF-Literatur verschrieben hat.

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#28 Rusch

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Geschrieben 12 April 2006 - 12:38

Ich schlage für den nächsten Lesezirkel mal eine Wahl paradox vor. Laßt uns mal einen wirklichen Pulp-Roman wählen und besprechen. Vielleicht wird dann mal wieder klar auf welch hohem Nivea hier gejammert wird.

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Das könnte tatsächlich vielleicht einmal ganz heilsam sein. Trotzdem lasse ich es mir nicht nehmen, auch auf hohem Niveau zu meckern. Schon gar nicht in einem Forum, das sich den mehr oder minder ernsthaften Umgang mit der SF-Literatur verschrieben hat.

Bis dennen,
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Ja, in der Tat. Ich meine, ich gab dem Roman ja auch 7 von 10 Punkten, was durchaus einem gut entsprich. Auf der anderern Seite gibt es viele gute bis sehr gute Romane, sodass ich jeden Roman mit 6 oder weniger Punkten eher negativ werte. Dies ist auch die Grenze für Romane, die nicht nicht in meiner Bibliothek halte und verscherble, denn ich weiss jetzt schon, dass ich diese nicht noch einmal lesen werde.

#29 Skydiver

Skydiver

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Geschrieben 12 April 2006 - 16:25

Gemach, edler Himmelsstürmer. Das was ihr dort anmerkt, ist eine unverhohlene Einladung zur Beliebigkeit, die sich erst im Kopf des Lesers zu einer verknüpften Geschichte verfestigt. Die Steigerung davon kommt einem undifferenziertem herniederdrücken von Tasten auf einer Tastatur gleich, solange bis der Umfang eines Romanes erreicht ist. Und sollte der Leser des Jahrhundertwerkes damit nicht zurecht kommen, ist er halt nicht intelligent genug.

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Nein, so natürlich nicht. Ich habe nur den Eindruck es wird ein bewusst simpler Romanaufbau gewünscht. Daher auch mein Vorschlag zu einem Pulproman.
Es wird ein kompliziertes Thema behandelt, die Sprache ist bewusst „literarisch“ gehalten, die Figuren sind äußerst vielschichtig und machen zudem eine zeitliche Entwicklung durch. Aber vom Romanaufbau erwarte ich einen Stiel a la „Revolution für Dummies“?

Ich liebe halt Rätsel. Die Verknüpfung von Handlungen, Motiven und Konsequenzen im Kopf des Lesers gehören für mich dazu. Spätere Lösungen des Autors messe ich an meinen eigenen Schlussfolgerungen.

Ich halte jeden der hier schreibenden für intelligent genug. Das vorliegende Buch sollte eben nicht ein solches sein wo hier Leute an ihre Grenzen stoßen. Höchstens an die Grenzen ihrer Geduld.

Bearbeitet von Skydiver, 13 April 2006 - 10:53.

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#30 Henrik Fisch

Henrik Fisch

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Geschrieben 13 April 2006 - 09:51

†¦ Es wird ein kompliziertes Thema behandelt, die Sprache ist bewusst „literarisch“ gehalten, die Figuren sind äußerst vielschichtig und machen zudem eine zeitliche Entwicklung durch. Aber vom Romanaufbau erwarte ich einen Stiel a la „Revolution für Dummies“. †¦

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Das ist die Kernaussage meiner These: Der Inhalt ist wirklich nicht einfach zu verdauen. Da sollte der Autor sich zumindest ein klein wenig am Riemen reißen, um dem Leser bei all dem Schwerverdaulichem über die Runden zu helfen. Wenn zu einem kompliziertem Thema und zu der dichten Sprache und zu den vielschichtigen Charakteren auch noch eine wenig linearer Handlungsablauf kommt, dann wird es einfach ein wenig viel.

Bis dennen,
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