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Chan-Wook Parks Rache-Trilogie


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6 Antworten in diesem Thema

#1 Jueps

Jueps

    Klabauternaut

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Geschrieben 28 April 2006 - 18:42

Einer der Regisseure unserer Zeit, die immer wieder als herrausragendes Genie bejubelt werden, ist der Koreaner Chan-Wook Park [Jahrgang 1963].

Obwohl "erst" 13 Filme auf sein Schaffenskonto gehen, stieß ich immer wieder auf Kritikerstimmen, die ihn als einen virtuosen oder brillanten Regisseur mit durchgängiger "Trefferquote" zu bezeichnen. Zur Überprüfung all dieser Lorbeeren schnappte ich mir eine Tüte Chips und begann meinen Chan-Wook-Park-Abend.

Welche der 13 Filme ich sehen wollte, war nach einiger Recherche klar: Es mussten Teile seiner allseits als "Meisterwerk" gekrönten "Rache"-Trilogie sein.
Zwischen 2002 und 2005 drehte Park drei voneinander unabhängige Filme zum Thema Rachenehmen, als da wären:

Sympathy For Mr. Vengeance - 2002
Oldboy - 2003
Sympathy For Lady Vengeance - 2005

 

Die Wahl fiel auf die beiden Letzteren.


Film 01 - Sympathy For Lady Vengeance, 2005
Dieser Trailer hatte mich überhaupt erst auf Chan-Wook Park aufmerksam gemacht, außer Frage also, dass "Lady Vengeance" meinen Einstieg markieren sollte.

Es ist die Geschichte der jungen Gefangenen Geum-Ja, die als 19-jähriges Mädchen einen kleinen Jungen ermordet haben soll. Nach 16 Jahren Gefangenschaft wird sie entlassen und stürzt mit dem Zuschauer in die veränderte Welt hinaus. In den folgenden zwei Stunden sind Gegenwartsereignisse mit Szenen der Vergangenheit verwoben und nach und nach erfahren wir, dass dieser Fall auf extreme Weise komplexer ist als angenommen, enträtseln langsam Geum-Jas perfiden Plan. Natürlich geht es um Rache, Rache in unvorstellbarer Form, Rache mit 16 Jahren Vorbereitung...

"Lady Vengeance" ist, um gleich mal auf den Punkt zu kommen, einer der verstörenderen Filme, die ich kenne. Vor allem die letzte halbe Stunde stellt eine Belastungsprobe für den Betrachter dar (Schlagworte: Kindsmord, Vergewaltigung, Folter, urks).

Dennoch ist dieser Film der Grausamkeiten auch ein wunderschönes Gedicht, dem man völlig verfallen kann. Ständig von Vivaldis Gänsehautmusik begleitet, mit versteckten Specialeffects, Farbspielereien - und vor allem oscarreifer Cinematographie/Kamera. Ich kann und will euch nicht mehr verraten, schaut in den Trailer hinein und entscheidet nach eurer Belastbarkeitsgrenze, ob ihr in den Genuss dieses Meisterwerkes kommen wollt.

~*~*

23:00 Uhr, Park ist für mich schon ein Zauberer.
Gespannt lege ich "Oldboy" ein.

Film 02 - Oldboy, 2003
Wow, schon die Exposition des Filmes reicht, um einen zum Zerreißen zu spannen: Ein Mann namens Oh-Dae-Su wird von einem Unbekannten mit violettem Regenschirm in einer Gewitternacht auf offener Straße gekidnappt und in einen seltsamen Raum gesperrt. Er wird die nächsten 16 Jahre in diesem Raum bleiben. Nur ein Fernseher, ein falsches Fenster und Schreibzeug bei ihm.
Oh-Dae-Su kommt schließlich frei. Jetzt ist er nicht mehr viel mehr als eine Bestie, ein Monster. Das erste, was er verspeist, ist ein lebender Oktopus (Wahnsinnsszene, btw). Der Ausdruck auf seinem Gesicht verrät nur ein Verlangen: Rache nehmen, an seinen Kidnappern...

"Oldboy" ist nicht ganz so poetisch wie sein Nachfolger, dafür umso cleverer und - tatsächlich - noch extremer. Der Plot, der sich bis zum Ende nur in Happen offenbart, sorgte auf den Foren der IMDB für einige Schreie des Entsetzens, weil er sich auf perfide Weise mit empfindlichen Tabuthemen auseinandersetzt.

Da ich zwischen Film und Realität zu differenzieren vermag, konnte ich trotz der schockierenden Elemente sehr in die Bildersprache und Emotion des Films eintauchen. Park schafft wieder das Kuriose: Man ist aufs Letzte entsetzt, und doch fasziniert von "Oldboy". Der Film ist stylisch, gut erzählt und gipfelt in einer Auflösung, die einem den Schlaf rauben kann. Wie bei "Lady Vengeance" runden großartige Orchestermusik und Kamera-Arbeit den Sehgenuss ab.
[Desweiteren gibt es den schönsten Kleiderschrank aller Zeiten zu sehen. Echt.]

~*~*

Ich widerspreche keinem Kritiker. Chan-Wook Park ist einer der Großen, vor allem, weil er nicht nur tolle Filme macht, sondern tolle Filme aus schlimmen Themen machen kann.
Bald hole ich "Mister Vengeance" nach, ein bisschen Erholungszeit brauche ich aber auch.


Bearbeitet von Jueps, 01 Januar 2023 - 21:29.

»Ich bin nicht besonders helle, und es dauert ein bißchen, bis ich etwas kapiere. Aber wenn du mir Zeit läßt, dann werde ich lernen, dich besser zu verstehen als irgend jemand sonst auf der Welt.«


#2 Oliver

Oliver

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Geschrieben 29 April 2006 - 09:49

Ich widerspreche keinem Kritiker. Chan-Wook Park ist einer der Großen

Denke ich auch. Da darf man ruhig mal bei Superlativen aus den Vollen schöpfen, er ist einer der wichtigsten Regisseure der Welt im Moment.

Zudem wird der Film nächstes Jahr von Hollywood in stark entschärfter Form geremakt, nachdem es schon 2005 eine dreiste Bollywood-Kopie (sogar mit exakt gleichen Einstellungen) gab. Über diese unnötigen Aufwärmaktionen möchte ich wirklich nicht nachdenken.

Ich eigentlich auch nicht, ansehen werde ich sie mir aber sicher. Das Hollywood-Remake dürfte sicherlich daneben gehen, das Bollywood-Remake habe ich schon gesehen und besprochen, http://oliblog.blogg...trag.php?id=838 das ging im wesentlichen daneben. Oldboy hatte ich kürzlich einmal wieder gesehen und ihn dabei gleich vor Schreck noch etwas aufgewertet: http://oliblog.blogg...trag.php?id=837 Jueps, danke für den netten Thread und Deinen lesenswerten Beitrag. Gib Dir ruhig noch etwas Erholungszeit, "Sympathy for Mr. Vengeance" ist etwas völlig anderes als die ersten beiden Teile. Und dann gönne Dir "JSA Joint Security Area". Das ist großes Blockbuster-Kino von Park, aber nicht minder grandios; sehr bewegend und aufwühlend.

Bearbeitet von Oliver, 29 April 2006 - 09:53.

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#3 eRDe7

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Geschrieben 13 Juli 2007 - 20:25

Hi Jueps.Sehr schön beschrieben!Neben Kim Ki-Duk und Miike gehört Park auch für mich zu den ganz großen Regisseuren unserer Zeit. Da können höchstens noch Cronenberg und Lanch mithalten. :thumb:Hast Du denn inzwischen Sympathy for Mr. Vengeance gesehen?Und hast Du die Director`s Version von Lady Vengeance gesehen - und welche Version findest Du besser?Ralph

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#4 simifilm

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Geschrieben 13 Juli 2007 - 21:21

Obwohl erst (?) 13 Filme auf sein Schaffenskonto gehen, scheuen einige nicht davor zurück, ihn als Kubrick des einundzwanzigsten Jahrhunderts

Blasphemie! Es kann nur einen geben!

Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

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#5 Oliver

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Geschrieben 14 Juli 2007 - 10:30

Blasphemie! Es kann nur einen geben!

Stimmt schon. Trotzdem fällt mir momentan kein lebender Regisseur ein, der Park inszenatorisch das Wasser halten kann, wenn man da überhaupt Vergleiche anstellen kann und darf, da würde ich ihn an die Spitze setzen.
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#6 eRDe7

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Geschrieben 14 Juli 2007 - 11:42

Es gibt natürlich ein paar Leute, die ihm nacheifern wie Kim Jee-Woon. Und dann gibt es natürlich Won Kar-Wai, zumindest, wenn Christopher Doyle an der Kamera dabei ist ...Aber das geht in eine andere Richtung, aber bildlich ebenso grandios.Im "westlichen" Kino würde mir da von den Bildern her höchstens Peter Greenaway einfallen (auch bei Lady Vengeance der Einsatz der Musik). Aber Greenaways beste Filme wirken heute ein wenig altbacken, wie ich finde.Das Schöne an Park ist aber, wie häufig bei asiatischen Filmen, dass er trotz aller grandiosen Optik ernste Themen behandelt - und das nicht in einer amerikanischen 08/15-Variante, sondern neue Ausrucksformen und Denkansätze erschafft.Regisseure wie Park und vielleicht noch mehr Kim Ki-Duk und Takashi Miike machen Filme, die "bewusstseinserweiternd" sind. Das erzeugt bei manchen (wie mir) fast einen Suchteffekt. Man sitzt da und fragt sich: Was kann jetzt noch kommen? Und Zack, noch eine Wendung, ein verrückter Einfall, irgendetwas, das man noch nie irgendwo gesehen hat etc.So gerne ich Kubrick mag, aber er wirkt dagegen teilweise ziemlich "alt" und vor allem harmlos.RalphPs: Natürlich ist Park nicht Kubrick. Er ist Park! :rolleyes: Das macht ihn ja gerade beonders.

Bearbeitet von eRDe7, 14 Juli 2007 - 11:46.

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#7 Sierra

Sierra

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Geschrieben 01 Dezember 2008 - 13:25

...auf ein neueres Interview mit Chan-Wook bin ich eben auf den Seiten des Ikonen-Magazins gestoßen: http://www.ikonen-ma...erview/Park.htm

Bearbeitet von Sierra29, 01 Dezember 2008 - 21:20.

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