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Jack Vance: Die Mondmotte


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28 Antworten in diesem Thema

#1 Sullivan

Sullivan

    Autarchonaut

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Geschrieben 01 März 2006 - 08:13

Der KG-Lesezirkel für die Monate März und April 2006 hat diesmal ein paar ganz besondere Geschichten von Jack Vance herausgesucht. Einige von euch kennen vielleicht ein paar Bücher von ihm, aber seine Kurzgeschichten sind weitestgehend unbekannt. Das ist schade, denn

Die Mondmotte

ist eine der besten SF Geschichten aller Zeiten. Ihr findet sie in den Sammlungen "Grüne Magie" oder "Die besten Geschichten von Jack Vance" (einem Silberband, den es gewöhnlich sehr preiswert bei eBay gibt).

Für alle, die die oben genannten Bücher nicht mehr bekommen sollten, habe ich die Fassung aus "Die besten Geschichten..." eingescannt und als Anhang an diesen Beitrag gehängt (siehe Symbol am Ende).

Wer sehr gut englisch kann, für den habe ich eine weitere Überraschung: "The Moon Moth" gibt es als Hörspiel, in dem die fremdartige Kultur der Sirenen sehr gut herüberkommt. Ich werde die MP3 Datei im Laufe der Woche online stellen.

Mein Co-Moderator yippie und ich würden uns über eine rege Teilnahme freuen!

Sullivan

Angehängte Dateien


Bearbeitet von Sullivan, 01 März 2006 - 14:40.


#2 Dave

Dave

    Hamannaut

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Geschrieben 01 März 2006 - 12:05

Die Mondmotte ist eine der besten SF Geschichten aller Zeiten. 

Hört, hört, ich habe den ersten Abschnitt gelesen und der ist zumindest so schön geschrieben, dass diese Kurzgeschichte womöglich keine Qual darstellt... <_< (bereit, ein paar Mottenkugeln abzufeuern) Danke für die Bereitstellung der Story, Sullivan. :)

Bearbeitet von Dave, 01 März 2006 - 13:03.


#3 Sullivan

Sullivan

    Autarchonaut

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Geschrieben 01 März 2006 - 20:41

Hallo Dave,

willkommen in der Runde, du wirst es nicht bereuen.

Ich habe heute meine Vance Bücher durchgeschaut und dabei ist mir aufgefallen, dass Die Mondmotte in drei verschiedenen Übersetzungen vorhanden ist.

Die von mir eingescannte Version stammt von Leni Sobez (Moewig Ausgabe). In Grüne Magie (Heyne) finden wir die Übersetzung von Andreas Brandhorst und Heinz Nagel. Und zum Schluss wäre da noch die Goldmann Sammlung Das Segel im Sonnenwind mit der Übersetzung von Tony Westermayr.

Die Moewig Ausgabe liest sich sehr flüssig, kommt dafür dem Original nicht so nahe bis hin zu leichten Verfälschungen. Das größte Manko ist, dass die Fußnoten mit den detailierten Beschreibungen der Instrumente fehlen?! Ich reiche sie irgendwann nach.

Die Heyne Version ist meiner Meinung nach die beste Übersetzung. Sie überzeugt mit treffender und atmosphärischer Wortwahl und ist stilistisch am dichtesten an Jack Vance. Dafür gibt es gleich am Anfang einen kleinen Fehler (statt 70 Jahre wurde 60 Jahre geschrieben).

Die Goldmann Ausgabe vereinigt die Nachteile beider Übersetzungen in sich. Sie versucht, sehr nahe an Jack Vance zu bleiben mit wenig Gefühl für gute deutsche Sprache, was man an Schachtelsätzen und merkwürdigen Phrasen merkt. Dadurch liest sie sich etwas holprig und versprüht nicht den abenteuerlich-rasanten (Moewig) bzw. exotischen (Heyne) Charakter der Geschichte.

Glücklicherweise habe ich auch die englische Original-Ausgabe vor mir und werde alle Fehler gnadenlos aufdecken. :)

Sullivan

#4 Nessuno

Nessuno

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Geschrieben 01 März 2006 - 22:09

Ich habe heute meine Vance Bücher durchgeschaut und dabei ist mir aufgefallen, dass Die Mondmotte in drei verschiedenen Übersetzungen vorhanden ist.

Hallo Sulley,

es gibt außerdem noch die Übersetzung von Birgit Reß-Bohusch in der Heyne Anthologie 30 (9 Science Fiction Stories) bzw. in "13 Science-Fiction-Stories" (RUB 8079).

Nessuno

#5 Nessuno

Nessuno

    Giganaut

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Geschrieben 04 März 2006 - 17:09

Wahrscheinlich kennt ihr das schon: http://www.technovel...t.asp?BkNum=125 Nessuno

#6 Nessuno

Nessuno

    Giganaut

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Geschrieben 04 März 2006 - 20:06

Sehr gute Geschichte. Leicht nachvollziehbarer Plot, raffiniert umgesetzt mit schön ausgedachten Details, exotische Atmosphäre, sprachlich geschliffen, allein der Schluss ist mir etwas zu deftig geraten. Ein typischer Vance eben.

Worum geht es? (Spoilergefahr!)
Der Botschafter Edwer Thissell wird zum Planeten Sirene versetzt, wo eine menschliche Gesellschaft existiert, deren Individuen nur mittels „Prestige“ (strakh) interagieren, ihre Persönlichkeit durch eine Maske ausdrücken und ihre Stimmungen mit verschiedenen Musikinstrumenten ausdrücken. Bereits nach kurzer Zeit erhält der überforderte Thissell den Auftrag, den entlaufenen Schwerverbrecher Haxo Angmark dingfest machen. Angmark gelingt es jedoch, in die Maske eines der drei anderen Menschen auf Sirene zu schlüpfen und sogar Thissell gefangen zu nehmen. Aufgrund einer Verwechslung - Angmark hat sich der Maske Thissells bemächtigt - wird er jedoch von aufgebrachten Einheimischen getötet. Thissell erlangt in den Augen der Einheimischen strakh und erhält die höchste, Helden und Herrschern u.ä. vorbehaltene Maske.

Wie gesagt, halte ich die Geschichte für sehr gut. Ein Meisterwerk ist es allerdings nicht. Neben dem überzogenen Schluss (eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, sagt man wohl; wie will Thissell mit seinen mangelhaften musikalischen Fähigkeiten in Zukunft seinen Status behaupten?), gibt es logische Brüche (warum stellt Thissell nicht einfach persönliche Fragen à la: Was haben wir vor vier Wochen bei unserem Treffen gegessen? Auch das von Thissell praktizierte Verfahren kann nur über einen längeren Zeitraum funktionieren, da es Stimmungsschwankungen, gegebene Anlässe wie Treffen mit Einheimischen, Besuche usw. nicht in Rechnung stellt), mehrere Ungenauigkeiten (z. B. ist Rolver einmal „Director of Space-Port“, dann wieder „local agent for Spaceways“; einmal ist der strapan Thissells „weakest“, das andere Mal sein „easiest“ instrument). Solche Details mindern bei mir den Lesespaß.

Noch eine Anmerkung: Wenn ich recht sehe, ist die „Mondmotte“ (moon moth oder luna moth) das einzige nichtfiktive Tier, das in der Story als Maske dient. Der Sinn dahinter ist wohl, die „Metamorphose“ Thissells von der „häßliche“ Larve zum „schönen“ Schmetterling anzudeuten.

Nessuno

PS.: Weiß jemand, ob es tatsächlich „wolftones“ gibt?

#7 Sullivan

Sullivan

    Autarchonaut

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Geschrieben 06 März 2006 - 10:10

Hallo nessuno,

der Zusammenfassung ist nichts hinzuzufügen, die Geschichte wird damit gut beschrieben. Mir hat besonders der Aufbau sehr gut gefallen. Es geht gleich richtig los, der Hintergrund wird später nachgeliefert und plötzlich ist man mitten drin.

Wie gesagt, halte ich die Geschichte für sehr gut. Ein Meisterwerk ist es allerdings nicht.

Ein wenig auf den Busch klopfen sei gestattet, um den Lesezirkel in Gang zu bringen. :fun:

Die "Ungenauigkeiten" sind mir gar nicht so aufgefallen, erst recht nicht negativ. Ich kann aber verstehen, wenn sich jemand daran stört. Und logische Brüche, nun ja, ich glaube da muss man einfach ein paar Zugeständnisse machen. Da habe ich mich eher darüber gewundert, dass ein normaler Botschafter einen gefährlichen Schwerverbrecher festnehmen soll.

Neben dem überzogenen Schluss...

Jack Vance hat leider die Angewohnheit, seine Geschichten zurecht zu konstruieren (der Tiefpunkt war mit "The Gray Prince" erreicht). Bei der "Mondmotte" verleiht es dem ganzen einen euphorischen Abschluss, der durchaus passend ist. Dass Edwer wahrscheinlich keinen Monat mit seiner neuen Maske überlebt, ist etwas anderes. In diesem Moment ist er der Held!

Die Kultur der Sirenen und das strakh sind faszinierend. Ob soetwas wirklich funktionieren kann? Man muss als Individuum mit Leistungen glänzen, um an Ansehen zu gewinnen. Zusätzlich muss man die verschiedenen Instrumente beherrschen, um sein Ansehen im Wettstreit verteidigen zu können. Abhängig von der gewählten Maske kann das simpler Spott sein bis hin zu Duellen mit tödlichem Ausgang.

Wie wird man eigentlich ein Sklave? Wahrscheinlich gibt es soetwas wie ein Kasten System. Als Sklave geboren hat man keine Möglichkeiten, die so wichtigen Instrumente zu erlernen. Überraschenderweise besitzen aber selbst die Sklaven ein gewisses Prestige, dass sie über die Nicht-Einheimischen hinaushebt.

Noch eine Anmerkung: Wenn ich recht sehe, ist die „Mondmotte“ (moon moth oder luna moth) das einzige nichtfiktive Tier, das in der Story als Maske dient.

Interessante These, wäre natürlich möglich. Was denken die Mitleser?

Sullivan

#8 Nessuno

Nessuno

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Geschrieben 06 März 2006 - 15:02

Die Kultur der Sirenen und das strakh sind faszinierend. Ob soetwas wirklich funktionieren kann?

Das ist fast schon ein Glaubensfrage. Nach meinem persönlichen Eindruck funktionieren antikapitalistische Systeme nur in mehr oder minder archaischen Gesellschaften. Ich habe den Eindruck, dass sich Vance bei seiner Geschichte von Marcel Mauss hat inspirieren lassen. Mauss hat ja in „Essai sur ledon" (dt. Die Gabe) ein Gesellschaftssystem in Polynesien beschrieben, wo Gesellschaft und Wirtschaft nicht auf Geld, sondern auf gegenseitiges "Schenken" (wovon wiederum das Prestige abhängig ist) aufgebaut ist. Diese Gedanken des Prestiges und des Verteilens von Gütern ohne Profitabgesicht findet sich ja auch bei Vance.

Nessuno

#9 Sullivan

Sullivan

    Autarchonaut

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Geschrieben 07 März 2006 - 08:35

Ich hoffe es lesen noch mehr Leute mit? Gebt euch mal einen Ruck, die mehr als 30 Downloads sprechen ja für sich.

Wie versprochen habe ich das MP3 Hörspiel zur "Mondmotte" hochgeladen.
Vorsicht: sehr gute Englisch Kenntnisse sind ein Muss!

Ihr findet das Hörspiel auf meiner Homepage (gepackt im RAR Format, ~17 MB). Die Zugriffsdaten für die geschützte Seite lauten:

User: sfboard
Pass: Shayol05

Sullivan

#10 Morn

Morn

    Temponaut

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Geschrieben 07 März 2006 - 15:23

Achtung Spoiler! Diese Geschichte ist das erste, was ich von Jack Vance gelesen habe. Sie macht Lust auf mehr von ihm. Es wird eine faszinierende Gesellschaft beschrieben, vor allem, was ihre Kommunikation betrifft mit verschiedenen Musikinstrumenten, Gesang und verschiedenen Masken, die sowohl soziale Stellung als auch momentane Gemuetsverfassungen ausdruecken. Ich hatte mir die Masken zuerst eher so wie Faschingsmasken vorgestellt. Da man aber wohl das Haar verdeckt wird, geht sie wohl ueber den ganzen Kopf, also eher so wie ein Helm. Ich hatte mich gefragt, ob der Gesuchte nicht auch auf den Gedanken kaeme, seine Haare zu faerben (falls es dort ueberhaupt die Moeglichkeit dazu gibt), aber in dem Fall waere es vielleicht gar nicht noetig. Was mich in der Beschreibung gewundert hat, ist, dass die Aussenweltler sich so daran gewoehnt haben, eine Maske zu tragen, dass sie erschrecken, wenn sie jemanden ohne Maske sehen, und die Maske auch gar nicht abnehmen wollen. Thissell hat sich nur nach drei Monaten so daran gewoehnt, dass er ganz verzweifelt ist, als er von Angmark ohne Maske auf die Strasse gezerrt wird. Dieses neue Schamgefuehl hat sich m.E. nach zu schnell entwickelt. Ich habe mich auch gefragt, ob die Masken ueberhaupt abgenommen werden, z.B. zum Waschen oder Rasieren. Dier Absatz, in dem Thissell seine Maske abnimmt und in den Spiegel schaut, laesst mich irgendwie daran zweifeln. ("Er kannte sich fast selber nicht mehr.") Ich glaube nicht, dass so eine (menschliche) Gesellschaft funktionieren kann, aber weniger wegen der Ausrichtung auf Prestige, das sogar als Bezahlung dient, als wegen der sehr grossen Bedeutung der Individualitaet. Es scheint, dass jeder alles machen darf. Es wird gesagt, dass sich niemand in die Angelegenheiten eines anderen einmischt. (Dazu noch spaeter eine Anmerkung.) Aber was haelt dann die Gesellschaft zusammen? WIe funktioniert sie? Das einzige, was jemanden davon abhaelt, zu stehlen oder zu morden, koennte der Verlust von Prestige sein. Aber das waere ja nur der Fall, wenn es oeffentlich werden wuerde. Und es koennte vielleicht auch sein, dass man welches gewinnt, da es schwierig war, etwas zu stehlen. Dass Angmark "gemordet, betrogen, Schiffe zerstoert, gefoltert, erpresst, geraubt und Kinder in die Sklaverei verkauft hat", wird als "unwichtige religioese Differenzen" bezeichnet. (Vielleicht weil er es Aussenweltlern angetan hat?) Es gibt offenbar keine Polizei und keine Gerichtsbarkeit dort. (Das wuerde ja auch der Nichteinmischung widersprechen.) Jeder muss sich selbst verteidigen. Dafuer kam mir die beschriebene Gesellschaft zu geordnet vor. Was die Nichteinmischung betrifft, habe ich mich gewundert, dass Angmark wohl von sehr vielen Leuten bedraengt wurde, nicht nur von denen, die von Thissell unabsichtlich beleidigt worden waren. Das scheint mir ein Widerspruch zu sein. Noch ein Wort zur Uebersetzung. Ich finde die Wortwahl im Deutschen am Ende etwas ungluecklich. Am Ende spricht ein Einheimischer von Glueck (im Original vermutlich "happiness"), obwohl mal erwaehnt wird, dass es in der sirenischen Sprache kein Wort fuer "Glueck" (im Original vermutlich "luck") gibt. Hier waere eine freiere Uebersetzung dann m.E. nach besser gewesen. Den Ausdruck "wolf tones" gibt es tatsaechlich. Die Mondmotte lebt laut Wikipedia in der erwachsenen Form nur wenige Tage, da sie dann keine Nahrung zu sich nimmt. Sie haben nicht mal Muender. Ich koennte mir vorstellen, dass Vance diese Bezeichnung fuer Thissells Maske gewaehlt hatte, ob seine Ueberlebenschancen in dieser Gesellschaft anzudeuten.

#11 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 08 März 2006 - 10:06

Hallo morn, im Original heißt es am Schluss "good fortune", d.h. mit "Glück" ist der Begriff ganz gut übersetzt. In der Heyne Ausgabe wird "Ehre" benutzt, aber das trifft es nicht ganz.

Was mich in der Beschreibung gewundert hat, ist, dass die Aussenweltler sich so daran gewoehnt haben, eine Maske zu tragen...

Drei Monate halte ich auch für wenig. Ich habe 1 Jahr gebraucht um mich an das "Grüß Gott" in Bayern zu gewöhnen. :mad:

Aber was haelt dann die Gesellschaft zusammen?

In diesem Sinne gibt es keine "Gesellschaft", nur einen losen Zusammenschluss von Individuen. Das kann nur funktionieren, wenn ein gewisser Mindeststandard das Überleben sichert und das scheint hier der Fall zu sein. Kriminalität ist so eine Sache. Wahrscheinlich muss man genügend Sklaven zum Schutz einstellen, um sein Eigentum zu schützen?! Oder wird die Nichteinmischung von Geburt an eingeimpft? Dann wäre es kein Problem und alle Herausforderungen laufen "offen" und nicht heimlich, durch Betrug, ab. Vielleicht verliert man aber auch an Ansehen? So ganz klar kommt das nicht heraus, man kann, wie beim nächsten Punkt, nur interpretieren.

Dass Angmark "gemordet, ..., wird als "unwichtige religioese Differenzen" bezeichnet.

Es gelten nicht die gleichen Moralvorstellungen und es gibt keine universale Gerichtsbarkeit. Wenn fremde Völker meinen, sie müssen Angmark verfolgen oder zur Verantwortung ziehen, dann können sie es tun - aber ohne Mithilfe der Sirenen, sie mischen sich nicht ein. Entscheidend ist, dass die lokalen Regeln befolgt werden und da kennen die Sirenen keine Gnade. Dadurch wird noch einmal das Dilemma von Edwer deutlich. Er ist bei der Gefangennahme von Angmark auf sich allein gestellt, ohne auch nur ansatzweise die Virtuosität zu besitzen, um ihn auf legale, sirenische Weise herausfordern zu können. Die aufbrausende Menge macht sogar deutlich, dass die Geduld seiner Mitmenschen bereits arg strapaziert war und nur noch der lezte Tropfen gefehlt hat. Sullivan

#12 Morn

Morn

    Temponaut

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Geschrieben 08 März 2006 - 10:15

im Original heißt es am Schluss "good fortune", d.h. mit "Glück" ist der Begriff ganz gut übersetzt. In der Heyne Ausgabe wird "Ehre" benutzt, aber das trifft es nicht ganz.

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Ich bezweifelte nicht, dass es schlecht uebersetzt war, in finde es nur ungluecklich, hier im Deutschen aus dem schon genannten Grund den Begriff "Glueck" zu verwenden, auch wenn er hier eine andere Bedeutung hat. Ich denke, "Ehre" waere hier tatsaechlich besser, auch wenn es die Bedeutung im Englischen nicht ganz trifft.

#13 Nessuno

Nessuno

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Geschrieben 11 März 2006 - 18:27

Ich habe mir gerade die englische Hörspielversion angehört. Ziemlich pfiffig gemacht! Manchmal sogar recht frei, z. B. die Eingangssequenz mit der Ermordung des betrunkenen Botschafters und den Atemübungen von Thissell. Hast du Information darüber, wer das Hörspiel gemacht hat, Sulley?Nessuno

#14 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 15 März 2006 - 13:13

Erstmal mein Fazit, dann lese ich eure Posts...

Eine großartige Geschichte, durchgezogen wie eine typisch chinesische Erzählung über Intrigen am kaiserlichen Hof o.ä. (ich denke da z.B. an meinen Namensvetter Kai Lung ;)). Sogar die tolle Idee, dass Stil und Würde und Anerkennung des Status (sorry, "strakh") des Gegenübers bei der Sprache mehr als alles Andere zählen, wirkt auf mich alt-chinesisch/-japanisch. Nur das mit den Masken gibt dem Ganzen einen venezianischen Touch (inkl. Teil-Demaskierung am Ende! :D).

Wie bei einigen anderen KGen, die ich von Vance kenne, ist die Story solide (er benutzt einen Standardaufbau einiger Kriminalromane auf neue Art und Weise, in einer Welt in der typische Nachforschung nicht funktionieren KANN), aber das wirklich Hervorragende ist der detaillierte Weltenbau: Die Instrumente, die Sprache, die Masken, die gesellschaftlichen Schichten. Genau wie der Hauptprotagonist unterschätzt man am Ende die Fremdheit dieser Gesellschaft: Wer eine Reise macht, kann nur dann was erzählen, wenn er überlebt!

(Jetzt mal die anderen Posts hier durchsehen...)

Hm, ihr habt vieles gesehen, das ich übersehen hatte. Ich fand auch einige Fehler im dt. Text, und da Sulli gerade incommunicado ist (noch ein paar Tage), werde ich mir vornehmen auch ohne seine Zustimmung zumindest die komprimierte Version oben zu ändern. Eure Vorschläge für bessere Übersetzung versuch ich ein zu setzen; bei "Glück" ist ja das Problem, dass es im Deutschen nur diesen einen Begriff gibt, für Glücklichsein UND Fortuna im weiteren Leben. (Letzteres ist m.E. offensichtlich am Ende gemeint.)

Was die Mondmotte angeht, so folge ich hier der "wikipedischen" Deutung - ein "niederes" Wesen, das kaum überlebensfähig ist.

Zur Glaubwürdigkeit der Gesellschaft... Ich finde Vance hat gerade das, was Morn gerade wenig glaubwürdig findet, als These betont!: Die Wichtigkeit des gesellschaftlichen Status jedes Individuums hält diese anarchische Gesellschaft (in der sich alle nachts von der Küste entfernen müssen, damit sie nicht auf die furchtbaren Nachtmenschen treffen!) aufrecht - korrektes Verhalten bzw. Reaktion auf Verstöße wird NUR vom allgemeinen Empfinden bestimmt; eine Gesellschaft, die nur auf Etikett basiert, ist also letztendlich immer ein Mob. In diesem Gebilde endlich Wer zu sein, wird schnell zur Sucht. Da Thissell gegen Ende an die Spitze dieser Etikettpyramide gesetzt wird, und da er ja inzwischen merkbar Teil des Zundarischen Way of Life geworden ist, denke ich, hat er gute Chancen lange zu leben - die Maske macht den Menschen.

P.S.: Die Geschichte mag kein "Meisterwerk" sein, aber sie ist eine meiner Favoriten (hatte sie nur noch nicht in dt. gelesen). Gerade bei SF-Geschreibe, finde ich, zählt die Idee, die geschaffene Welt, am meisten, Literarisches kommt danach.

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 15 März 2006 - 14:28.

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Yay! Fantasy-Dialog Ende Januar...
Prof.: Dies sind die Bedingungen meiner Vormundschaft. (schiebt 2 Seiten über den Tisch) [..]

Junge: (schockiert, aber er nickt)

Prof.: Sehr gut... Noch eine Sache. Es fällt auf, dass du noch keinen Namen hast. Du benötigst einen.

Junge: Ich habe einen! -...

Prof.: Nein, das genügt nicht. Kein Engländer kann das aussprechen. Hatte Fräulein Slate dir einen gegeben?

Junge: ... Robin.

Prof.: Und einen Nachnamen. [..]

Junge: Einen [anderen] Nachnamen... aussuchen?

Prof.: Englische Leute erfinden sich namentlich ständig neu.

(Studierter Brite in besten Jahren, vs. dem Jungen, den er vor kurzem vorm Verenden in einem chinesischen Slum rettete, grob übersetzt aus Babel, im Harper-Voyager-Verlag, S. 11, by Kuang)


#15 Jueps

Jueps

    Klabauternaut

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Geschrieben 16 März 2006 - 00:39

Täterättätä - ich hab' soeben meine erste Vance-Geschichte gelesen. ;)

Erster Eindruck: "Die Mondmotte" wird in meinen Augen von Seite zu Seite immer besser, ja, Satz für Satz immer mitreißender. Alles in allem eine fabelhafte Geschichte, die bei mir flott neutrales Interesse in staunende Begeisterung zu wandeln verstand.

Besonders herausragend - wie von yip schon gesagt - ist

der detaillierte Weltenbau: Die Instrumente, die Sprache, die Masken, die gesellschaftlichen Schichten.

Die Idee des Strakh ist faszinierend, wenngleich ich mich zwischendrin fragte, inwieweit ein solches System funktionierte, da es ja eine ziemlich subjektive Einschätzung sein kann, ob jemand nun Prestige/Würde besitzt, oder nicht.
Was passiert zum Beispiel in einer Situation mit mehreren Beteiligten, bei der sich einer beleidigt fühlt, ein anderer jedoch alles in Ordnung findet, ein Dritter zu viel auf sein eigenes strakh hält...das stelle ich mir doch recht chaotisch vor. Oder zumindest ist die Anfälligkeit für Chaos sicher nicht gering in dieser Gesellschaft.

Die unterschiedlichen Musikinstrumente sind trotz eingeschobener "Lexikondefinition" meines Erachtens erst einmal etwas schwer auseinander zu halten, machen die Geschichte aber um so vielseitiger. Eine beneidenswerte Idee des Autors!

~~~

Was nun das Ende der "Mondmotte" betrifft, das fand ich gar nicht so 'unpassend', wie einige andere Leser hier. Das Finale kam sehr ironisch und augenzwinkernd rüber, und ich fand es geradezu "befreiend", dass sich eine Geschichte mal völlig in Wohlgefallen auflöst, den Leser nicht unter einer dunklen Wolke zurücklässt. Ob Thissell fortan als Angmark auf dem Planeten leben wird?

Abschließend möchte ich noch auf eine Frage eingehen, die von Morn eingebracht wurde:

Was mich in der Beschreibung gewundert hat, ist, dass die Aussenweltler sich so daran gewoehnt haben, eine Maske zu tragen...

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich das Bedürfnis, eine Maske zu tragen (sprich das neue Schamgefühl), recht schnell bei den Außenweltlern entwickelt hat. Wie die Instrumente sind die Masken in Sirene ja etwas Existenzielles, absolut überlebensnotwendig und Grundlage jeder zwischenmenschlichen Beziehung. Wenn man sich 3 Monate Tag und Nacht mit dieser Bedeutung beschäftigt, stets die Auswirkungen zu spüren bekommt, dann geht das schon in Fleisch und Blut über, vermute ich mal. Vor allem am Ende, wo Thissell vor einer pfeifenden Menge erniedrigt wird, fand ich sein entsetztes Verhalten und das erschütterte Betteln nach einer Maske recht nachvollziehbar.

So viel erst einmal von meiner Seite. :D

PS: Aaargh, ich wollte meine Geschichte doch immer auf einem Hausboot beginnen lassen! Jetzt muss ich mich wie ein Ideendieb fühlen!

Bearbeitet von Jueps, 16 März 2006 - 01:10.

»Ich bin nicht besonders helle, und es dauert ein bißchen, bis ich etwas kapiere. Aber wenn du mir Zeit läßt, dann werde ich lernen, dich besser zu verstehen als irgend jemand sonst auf der Welt.«


#16 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 16 März 2006 - 11:08

Was passiert zum Beispiel in einer Situation mit mehreren Beteiligten, bei der sich einer beleidigt fühlt, ein anderer jedoch alles in Ordnung findet, ein Dritter zu viel auf sein eigenes strakh hält...das stelle ich mir doch recht chaotisch vor. Oder zumindest ist die Anfälligkeit für Chaos sicher nicht gering in dieser Gesellschaft.

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Meine Meinung dazu deutete ich ja schon an: Alle bestimmen auf Dauer das Prestige des Einzelnen im Mob. Dass dann irgendwann Fairness auf der Strecke bleibt, und der Mob bei Waffengleichheit aller deswegen eigentlich immer nur ein eher kurzlebiges Phänomen sein kann, scheint mir wahrscheinlich. Aber die Masken unterstreichen auch immer wieder die wenigen eisernen Regeln in der Zundarschen Gesellschaft, denke ich. Andererseits machen sie ja das Aufspüren von (einheimischen) Verbrechen fast unmöglich, wie diese Story demonstriert.

P.S.: Mein Tipp für die eigene Story - möglichst NICHT den Anspruch haben originell zu sein. Wenn man viel liest (sollte man das als angehender Autor lieber etwas eindämmen?! ;)) findet sich immer irgendein bekannterer SF-Autor, der wohl auf telepathischem Wege von einem geklaut hat. :D

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 16 März 2006 - 11:16.

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Prof.: Dies sind die Bedingungen meiner Vormundschaft. (schiebt 2 Seiten über den Tisch) [..]

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Prof.: Sehr gut... Noch eine Sache. Es fällt auf, dass du noch keinen Namen hast. Du benötigst einen.

Junge: Ich habe einen! -...

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#17 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 20 März 2006 - 14:49

Letzte Chance auf Worte zu dieser Story... Ich starte heuer den 2. Thread - mit eine der frühsten Vance-Stories.P.S.: Sollten euch Vance o.a. Autoren/Stories hier langweilen, benutzt bitte ab Anfang April des Vorschlagsthread für den nächsten KG-Lesezirkel (beginnt ab Mai) um mal beherzt etwas zu empfehlen was IHR gerne besprochen haben würdet!

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#18 Dave

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Geschrieben 20 März 2006 - 21:42

Ehrlich gesagt, ich habe es dreimal versucht und nicht geschafft, diese Story zu lesen.
Es ist wie bei den Romanen von Jack Vance, ich komme mit diesem Genre-Mix nicht zurecht.
Es ist ja manchmal so, dass man Autoren mögen möchte aber es partout nicht auf die Reihe bekommt.

:rolleyes:

#19 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 22 März 2006 - 17:20

Das macht nichts! (Wenn du Lust hast, erklär mal, was du an der Story als Genre-Mix empfindest? Mir kommt sie eher wie "normale" soziale SF vor - mit einigen klugen Innovationen. Ach so, du meinst evtl. den Krimi-in-der-SF? Ist das nicht inzwischen gang und gebe?)Morgen beginne ich den 2. Thread. Ende nächster Woche den Vorschlags-Thread für den nächsten Zirkel ab Mai!

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 22 März 2006 - 17:22.

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#20 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 23 März 2006 - 17:08

Hallo,

kurz zum Hörspiel, Nessuno, der Original Link ist hier. Ich habe die RM Dateien in MP3 umgewandelt.

Die unterschiedlichen Musikinstrumente sind trotz eingeschobener "Lexikondefinition" meines Erachtens erst einmal etwas schwer auseinander zu halten, machen die Geschichte aber um so vielseitiger. Eine beneidenswerte Idee des Autors!

Das ist eine Besonderheit bei Vance. Er verwendet gerne neue Begriffe, die mit einem Wort mehr ausdrücken als ein englisches (oder deutsches) Äquivalent. In Kriegssprachen auf Pao verfolgt er sogar die Idee, dass die Sprache eine Gesellschaft prägen kann, d.h. mit gewollt kriegerischen Begriffen werden die Menschen zu Kriegern erzogen. Aber das nur am Rande, ich schweife ab. :smokin:

Als Genremix, wie Dave meinte, würde ich gerade diese Geschichte nicht bezeichnen. Wir haben zwar eine Detektivgeschichte vor uns, aber das Beschreiben von fremden Kulturen ist doch eines der typischen SF Themen, oder? Es ist alles etwas weicher, mit weniger Technik.

Eure Interpretationen zur Maske der Mondmotte haben mir gefallen. Ich habe nicht daran gedacht, dass Jack Vance sie mit Absicht gewählt haben könnte um die Veränderung von Thissel auszudrücken.

Dass dann irgendwann Fairness auf der Strecke bleibt, und der Mob bei Waffengleichheit aller deswegen eigentlich immer nur ein eher kurzlebiges Phänomen sein kann, scheint mir wahrscheinlich.

Leider spricht Vance nicht an, wie die restliche Verteilung läuft. Muss sich jeder selbst um Lebensmittel kümmern? Gibt es Restaurants und würde jemand freiwillig eine heruntergekommene Absteige führen wollen, damit auch Leute mit niederem Ansehen bedient werden?

Wie sieht es mit den Sklaven aus, wieso oder wie wird man ein Sklave? Kann man sich hocharbeiten? Diese Fragen stehen aber nicht im Mittelpunkt und wenn Sirene etwas nicht ist, dann ist es das plausible Abbild einer Gesellschaft. Dafür macht es Spaß, in diese Richtung zu denken...

Sullivan

#21 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 23 März 2006 - 17:33

wenn Sirene etwas nicht ist, dann ist es das plausible Abbild einer Gesellschaft. Dafür macht es Spaß, in diese Richtung zu denken...

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Hi, Urlaub-Sulli, willkommen! Wollte nur noch anmerken, dass Vances Denkanstoß so stark ist, dass ich mir mal einige Gedanken gemacht hatte, ein Rollenspielabenteuer basierend auf der Welt der Mondmotte zu "bauen". Nun sind ja Rollenspielwelten auch nicht immer die plausibelsten, andererseits ist aber ja Glaubwürdigkeit öfter eh subjektiv. Ich denke, ein guter Autor lenkt entweder (i) seine Leser gedanklich in die von ihm gewollte Richtung (und versorgt sie mit gerade ausreichenden Daten zu seinem Wolkenschloss), oder (ii) präsentiert eine hübschen freischwebenden Weltwürfel, den man beliebig frei interpretieren kann. Vance wirkt auf mich immer wie Typ i, aber evtl. will er ja eigentlich ii sein? :smokin:

/KB

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Prof.: Dies sind die Bedingungen meiner Vormundschaft. (schiebt 2 Seiten über den Tisch) [..]

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Junge: Ich habe einen! -...

Prof.: Nein, das genügt nicht. Kein Engländer kann das aussprechen. Hatte Fräulein Slate dir einen gegeben?

Junge: ... Robin.

Prof.: Und einen Nachnamen. [..]

Junge: Einen [anderen] Nachnamen... aussuchen?

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(Studierter Brite in besten Jahren, vs. dem Jungen, den er vor kurzem vorm Verenden in einem chinesischen Slum rettete, grob übersetzt aus Babel, im Harper-Voyager-Verlag, S. 11, by Kuang)


#22 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 24 März 2006 - 14:20

Hallo yippie,

Vance wirkt auf mich immer wie Typ i, aber evtl. will er ja eigentlich ii sein?

Nein, glaube ich nicht. Das ist vielleicht sogar einer der Gründe, wieso seine Bücher häufig in Richtung Fantasy abdriften. Dort kann er auf genügend Bekanntes zurückgreifen und pickt sich die Sachen heraus, die ihm am meisten Spaß machen - sei es eine verrückte Gesellschaft, auf die man einen kurzen Blick wirft, oder seine Charaktere wie Detektive, Betrüger, Magier, extrovertierte Sonderlinge oder Menschen ohne Vergangenheit. Sullivan

#23 Gast_Jorge_*

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Geschrieben 27 März 2006 - 22:02

Noch eine Anmerkung: Wenn ich recht sehe, ist die „Mondmotte“ (moon moth oder luna moth) das einzige nichtfiktive Tier, das in der Story als Maske dient.

Interessante These, wäre natürlich möglich. Was denken die Mitleser?

Nun, in den Biographien verschiedener Nachschlagewerke findet sich der Hinweis, das Vance mit der Handelsmarine den Pazifik befuhr. Bestimmt hat er vielfältige Eindrücke von der Meeresfauna-und Flora sowie von den an den Küsten und Inseln ansässigen Kulturen gesammelt und diese einfliessen lassen . Dafür könnte z.b. "der Seedrache" sprechen(eine andere Bezeichnung für Seepferdchen oder Fetzenfisch), "der Insel Alk"(die Alkenvögel, Meeresbewohner wie z.b. der Papageientaucher), "der Waldkobold"(nachtaktive Lemuren auf Madagaskar), "die Äquatorialschlange"(die Wasserschlange, ein Sternbild, das z.b von der Südsee aus vollständig betrachtet werden kann), die Maskenkultur(gerade die Inseln im Pazifik sowie Java, Sumatra etc. besitzen einen wahren Schatz an vielfältigen Maskenarten und Formen, wie ein Besuch in jedem guten Völkerkundemuseum zeigt) sowie polynesische und andere Mythologie-und Göttergestalten("Haigott", "Demiurg"). Die Geschichte selbst hat einen sehr guten Eindruck bei mir hinterlassen(habe dafür mein noch ungelesenes Exemplar von "Grüne Magie" hervorgeholt). Wir könnten gerne noch weitere Geschichten von Vance hier lesen("Die letzte Festung"? "Die Drachenreiter"?)

#24 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 28 März 2006 - 08:47

... "Demiurg" ...

Die Geschichte selbst hat einen sehr guten Eindruck bei mir hinterlassen(habe dafür mein noch ungelesenes Exemplar von "Grüne Magie" hervorgeholt). Wir könnten gerne noch weitere Geschichten von Vance hier lesen("Die letzte Festung"? ...

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Ja, die Festung hatte ich Sulli auch schon vorgeschlagen; erstaunliche Bilder/Motivationen.

Den engl. "demiurge" kenn ich aus einigen englischen Büchern/Texten - scheint also ein öfter benutztes Bildwort zu sein, nicht nur Vielreisenden wie Vance zugänglich. Das ist doch griechisch, oder? Zuletzt vor meinem Auge aufgetaucht als Folgentitel der Aeon-Flux-TV-Serie.

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 28 März 2006 - 08:48.

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#25 Nessuno

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Geschrieben 28 März 2006 - 11:38

Den engl. "demiurge" kenn ich aus einigen englischen Büchern/Texten - scheint also ein öfter benutztes Bildwort zu sein, nicht nur Vielreisenden wie Vance zugänglich. Das ist doch griechisch, oder? Zuletzt vor meinem Auge aufgetaucht als Folgentitel der Aeon-Flux-TV-Serie.

Ja, demiurgos ist altgriechisch und bedeutet: "öffentlicher Arbeiter" bzw. einfach "Handwerker", "Künstler". Seine besondere Wirkung hat das Wort durch Platons Dialog "Timaios" erhalten, wo der Demiurg unsere Welt nach einem idealen (Ideen-)Vorbild erschafft. In der späteren Philosophie konnte daher mit Demiurg auch einfach Gott (bzw. in manchen Richtungen der Teufel) bezeichnet werden. In der Science Fiction taucht das Wort tatsächlich relativ häufig auf, bei Gene Wolfe zum Beispiel.

Nessuno

#26 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 30 März 2006 - 17:08

Jorge hatte an dieser Stelle einen erstaunlichen Post zu der wahrscheinlichen Herkunft der Masken der Mondmotte eingestellt, und ich hab in Abstimmung mit ihm daraus einen neuen Thread gemacht.

In seinem Post war am Ende noch von einigen NIcht-Masken-Dingen die Rede - die will ich euch nicht vorenthalten:

Die Nüsse, die die Sklaven kauen, dürften im realen Leben ihre Entsprechung im weitverbreiteten Gebrauch der Betelnüsse im pazifischen Raum haben.

Auch interessant der kleine Abstecher in die Quantenphysik in Form der Astrogramme(können vor dem Absenden bereits eintreffen).


Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 30 März 2006 - 17:09.

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Junge: Ich habe einen! -...

Prof.: Nein, das genügt nicht. Kein Engländer kann das aussprechen. Hatte Fräulein Slate dir einen gegeben?

Junge: ... Robin.

Prof.: Und einen Nachnamen. [..]

Junge: Einen [anderen] Nachnamen... aussuchen?

Prof.: Englische Leute erfinden sich namentlich ständig neu.

(Studierter Brite in besten Jahren, vs. dem Jungen, den er vor kurzem vorm Verenden in einem chinesischen Slum rettete, grob übersetzt aus Babel, im Harper-Voyager-Verlag, S. 11, by Kuang)


#27 Morn

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Geschrieben 08 April 2006 - 12:37

Bei spiegel online gibt es hier einen Artikel ueber eine Studie, in der die Bedeutung von Strafen und Bestraftwerden untersucht wurde. Besonders interessant, wie ich finde, im Zusammenhang mit "Die Mondmotte" ist hier der letzte Abschnitt, in dem kurz auf die Bedeutung eines guten bzw. schlechten Rufes eingegangen wird. Ein Zitat aus dem Artikel:

Der Ruf ist das soziale Korrektiv, das unsere Gesellschaften am Leben erhält, meint zum Beispiel der britische Anthropologe und Primatenforscher Robin Dunbar.

Auf Sirene hat der Ruf ja noch eine weitaus groessere Bedeutung, da er auch als Zahlungsmittel dient. Nur stellt sich mir nach wie vor die Frage, ob die Masken dafuer nicht eher hinderlich sind, da der Ruf ja mit der Maske verbunden ist und nicht mit eigentlichen Person.

#28 Gast_Guest_*

Gast_Guest_*
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Geschrieben 09 April 2006 - 19:55

Auf Sirene hat der Ruf ja noch eine weitaus groessere Bedeutung, da er auch als Zahlungsmittel dient. Nur stellt sich mir nach wie vor die Frage, ob die Masken dafuer nicht eher hinderlich sind, da der Ruf ja mit der Maske verbunden ist und nicht mit eigentlichen Person.

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Aber eine bestimmte Maske kann man auf Sirene doch nur erwerben, wenn man den den entsprechenden Ruf hat. Insofern finde ich das nicht hinderlich, sondern im Gegenteil: Man kann den strakh seines Gegenübers zumindestens grob einschätzen, auch wenn man den Betreffenden gar nicht kennt.

#29 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 10 April 2006 - 07:07

Hallo Morn,ich stimme unserem Gast zu, die Masken sind wie Kleidung nur dass sie nicht mit Geld bezahlt werden. Im Unterschied zum Geld kann man "strakh" jederzeit erwerben, indem man seine Virtuosität unter Beweis stellt. Mit dem "sozialen Korrektiv" ist es so eine Sache. Es gilt nur für Menschen, die sich der Gesellschaft und ihren Regeln fügen. Auf "Sirene" trifft das sicherlich zu, die Regeln sind streng und jeder befolgt sie. Wenn man es sich erlauben könnte, neben der Gesellschaft zu leben oder in einer kleinen Nische, ist die ganze Sache mit dem Ruf hinfällig. Sullivan


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