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Ist in der SF das Setting der eigentliche Protagonist?


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24 Antworten in diesem Thema

#1 Frank

Frank

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Geschrieben 11 November 2006 - 14:45

Da ich gerade selbst eine Szenarien-Story geschrieben habe, würde ich folgendes Zitat gern einmal mit euch diskutieren:


Setting. Science fiction, however, is not noted primarily for its characterization. In fact, rightly or wrongly, characterization is often mentioned as a weakness in the field. It is noted for its gimmicks and its settings, not its people. We remember H. G. Wells's time machine rather than his time traveler, the Martian war machines rather than the narrator or his brother. As I have already suggested, one major difference—and perhaps the only one— between most other fiction and science fiction is that, where other fiction assumes the setting (the suburbs, medieval Spain, an airport) and concentrates on the individual living in that setting, science fiction tends to assume the people and concentrates on the setting. Science fiction is more interested in the relationship between setting and people-in-general than it is in any particular person, A science fiction story is often a laboratory case. If we change his environment thus and so, how will mankind change in response? (Asimov's "Nightfall" is a classic example of this.)
Because science fiction creates its own settings, it tends not to date the way much other fiction does. [...] In addition, in a very real sense setting is the lead character in a science fiction story. Science fiction is filled with very real, finely discriminated and individualized settings. Larry Niven's Beowulf Schaeffer and Louis Wu may not be the most memorable of characters, but who can forget the worlds and life forms of Known Space and the Ringworld. Frank Herbert's planet Dune lives in the memory long after Paul Muad-dib Atreides has faded. And who was the central character of Hal Clement's Mission of Gravity?
It seems to me that one quite legitimate way of looking at science fiction is that setting is the main character and plot is simply an expository device for exploring setting. Whether one agrees with this or not, the imaginary, carefully constructed setting is extremely important to a science fiction story, and science fiction readers reserve their highest praises for writers who can create Dunes and Ringworlds. The construction of scientifically plausible alternate settings for human consciousness is science fiction's game, and Asimov is one of its best players.

Patrouch, Joseph F. Jr.: The Science Fiction of Isaac Asimov. New York, 1974, S. xxi-xxii

Was haltet ihr davon?


Hier, schnell nachgereicht:

Setting. Wie auch immer: Science-Fiction wird primär nicht für seine Charakterisierungen geschätzt. Tatsächlich wird – ob wahr oder falsch – eine Charakterisierung häufig sogar als Schwäche in diesem Gebiet angesehen. Es wird für seine Gimmicks und seine Settings geschätzt, nicht für seine Personen. Wir erinnern uns eher an H. G. Wells's Zeitmaschine als an den Zeitreisenden, an die Marsianischen Kriegsmaschinen mehr als an den Erzähler oder dessen Bruder. Wie ich bereits angedeutet habe, gibt es einen großen Unterschied – und vielleicht nur diesen – zwischen den meisten anderen Literaturformen und der Science Fiction – nämlich daß bei anderer Literatur das Setting soweit vorausgesetzt wird (die Vororte, das mittelalterliche Spanien, ein Flughafen) und der Fokus auf das individuelle Leben in diesen Settings gesetzt wird, während die Science-Fiction dazu tendiert, die Personen vorauszusetzen, um sich auf das Setting zu konzentrieren.
Science-Fiction ist mehr daran interessiert, die Beziehung zwischen dem Setting und den Personen im Allgemeinen darzustellen als irgendeine spezifische Person. Eine Science-Fiction-Story ist oft wie eine Versuchsanordnung: Wenn wir die Umgebung hier und dort verändern, wie wird die Menschheit auf diese Veränderung reagieren? (Asimov's "Nightfall" ist hier ein klassisches Beispiel dafür) [...]
Außerdem ist in einem sehr realen Sinne das Setting der eigentliche Hauptprotagonist einer Science-Fiction-Story. Die Science-Fiction steckt voller sehr echt wirkender und säuberlich ausgearbeiteter, individueller Settings. Larry Niven's Beowulf Schaeffer und Louis Wu mögen nicht die erinnerungswürdigsten Charaktere sein, aber wer kann die Welten und Lebensformen des „Known Space“ oder der „Ringworld“ vergessen? Frank Herbert's Planet „Dune“ lebt noch in der Erinnerung weiter, lange nachdem Paul Muad-dib Atreides verblaßt ist. Und wer war eigentlich der Hauptcharakter von Hal Clement's „Mission of Gravity“?
Es scheint mir eine recht legitime Betrachtungsweise, daß das Setting der eigentliche Hauptcharakter ist und der Plot lediglich eine Art „Darreichungswerkzeug“, um das Setting zu erkunden. Ob man zustimmt oder nicht: das imaginäre, sorgfältig konstruierte Setting ist extrem wichtig für eine Science-Fiction-Story, und Science-Fiction-Leser sparen ihre höchsten Lobeshymnen für Autoren auf, die Dune- oder Ringwelten erschaffen können. Die Konstruktion eines wissenschaftlich plausiblen alternativen Settings für die menschliche Imagination ist die spielerische Berufung der Science-Fiction- und Asimov ist einer der besten Spieler.


Bearbeitet von Frank, 11 November 2006 - 19:25.

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#2 molosovsky

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Geschrieben 11 November 2006 - 16:00

A bissi OT: Ich komme mit dem interessanten Auszug ja durchaus zurecht. Nur: ich frage mich, ob alle hier so flotto englische Sachtexte weglesen können. †” Deshalb eine vorsichtige Anregung für Dich, lieber Frank: Willst Du nicht versuchen, obige Passage ins Deutsche zu übersetzten und nachzureichen? Ansonsten: ich stimme mal der These zu, daß das Setting (der Weltenbau!) der eigentliche Protag der SF ist (sowie der Phantastik) Ich finde, daß einer der jüngst eröffneten Threads bei den Fantasy-Kollegen bei BibPhant eine ganz gute Ergänzung zu Deiner Frage hier ist: »Weshalb muß man fremde welten erschaffen†¦†¦wenn wir doch schon so eine unübertroffen wunderbare, vielfältige und geschichtsträchtige im Angebot hätten?« †” Eine durchaus hochvirulente Frage für alle SF/Fantasy-Freunde. Grüße Alex / molosovsky

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#3 Theophagos

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Geschrieben 11 November 2006 - 16:14

Ich stehe dem zitierten Text ambivalent gegenüber.Patrouch behauptet, dass in der SF das Setting eine größere Rolle als in anderen Genres spielt.Zum einen gibt es eine Reihe von Space Operas und hard SF Geschichten, in denen das Setting keine große Rolle spielt, und zum anderen gibt es eine Reihe von anderen Genres, in denen das Setting eine große Rolle spielt: Fantasy, Historische Romane, Milieustudien.Faktisch würde ich jedoch unterschreiben, dass in vielen SF Geschichten das Setting eine größere Rolle spielt als in mimetischen Geschichten, die in der Gegenwart spielen.Die Characterisierung der Figuren fällt faktisch auch häufig schwach aus - Wilsons "Spin" wird oft für die Ausarbeitung der Figuren gelobt, verglichen mit denen der 'Hochliteratur' sind sie aber nur mäßig. Stross' Figuren, der ja gerade für sein Werk "Accelerando" viel Beifall erhielt, neigen zur Armseligkeit.Faktisch würde ich insofern Patrouch rechtgeben, dass häufig das Setting ausgeprägter und die Figuren weniger ausgeprägt behandelt werden.Idealiter wünsche ich mir eine Gleichberechtigung: Ein detailliertes Setting und spannende Figuren - wo es den Plot befördert, denn eine Setting-Beschreibung aus Selbstzweck kann ich nicht viel abgewinnen.Theophagos
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#4 molosovsky

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Geschrieben 11 November 2006 - 16:40

Wegen Setting als Protag in der Hochliteratur: Ich sag nur Paris bei Victor Hugos »Glöckner«, Istanbul in Pamuks »Schwarzem Buch« oder eben Berlin bei Döblins »Alexanderplatz«-Buch, der Kongo-Dschungel bei Conrads »Herz der Finsternis« usw. †” Insofern ist die das freilich eine Übervereinfachung, der nicht-SF diesen Kniff pauschal abzusprechen, bzw. der SF pauschal zuzusprechen. Bei so ziemlich allen Kurzgeschichten von Dick ists herzlich wurscht, wo die spielen. Die ZONE der Strugatzgis gäbe überall angesiedelt ein reizvolles Setting ab.Für mich sind Settings-mäßig die Stadt (oder der Über-Urbs) und die Überlebens-Kapsel (von der Rettungskapsel bis zum Raumschiff) die beiden prominentesten Schauplätze der SF. †” Wüsten-, Dschungel- und sonstige Orts-Atmos kann man alle auf Reise- und Entdeckerberichte zurückführen und sind deshalb imho weniger SF-speziefisch. (Gut: Raumschiff gehen auch auf den Einbaum zurück und die Überlebenskapseln werden ja anhand von Rettungsbooten und Schiftsbruchflößen vorweggenommen, aber auf dem Meer gehts doch noch einige Stufen harmloser zu, als in der lebensfeinlichsten Leere und Weeeeeeeeeeeeeeeeeeeite des Alls).GrüßeAlex / m.†”

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#5 Frank

Frank

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Geschrieben 11 November 2006 - 16:57

Hab ne Hauruck-Übersetzung nachgeliefert ... :thumb:

Bearbeitet von Frank, 11 November 2006 - 17:06.

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#6 WeepingElf

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Geschrieben 11 November 2006 - 17:07

Hallo!

Science Fiction (und ebenso Fantasy) lebt zweifellos zu einem wesentlichen Teil vom Setting. Sie ist nunmal weltenbauende Literatur. Ohne die (meist zukünftige) von der gegenwärtigen oder historischen Realität verschiedene Welt (und sei es auch nur ein relativ kleiner, aber für die Handlung wichtiger Unterschied) wäre es eben keine Science Fiction.

Andererseits ist für gute Science Fiction Charekterisierung ebenso wichtig wie für "Mainstream"-Literatur: die handelnden Personen sollten glaubwürdig sein, vor allem in Bezug auf die mehr oder weniger "exotische" Welt, in der sie leben. Viele SF krankt daran, dass die Welt vollgestopft ist mit futuristischen Technologien, die Menschen sich aber wie Amerikaner der 50er Jahre oder gar wie mittelalterliche Europäer aufführen. Gute SF ist social fabric fiction, die die Auswirkungen einer veränderten Welt auf das Leben der darin lebenden Menschen (oder was auch immer für Wesen) berücksichtigt.

Bearbeitet von WeepingElf, 11 November 2006 - 17:08.

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#7 Thomas Sebesta

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Geschrieben 11 November 2006 - 17:27

...Andererseits ist für gute Science Fiction Charekterisierung ebenso wichtig wie für "Mainstream"-Literatur: die handelnden Personen sollten glaubwürdig sein, vor allem in Bezug auf die mehr oder weniger "exotische" Welt, in der sie leben. Viele SF krankt daran, dass die Welt vollgestopft ist mit futuristischen Technologien, die Menschen sich aber wie Amerikaner der 50er Jahre oder gar wie mittelalterliche Europäer aufführen. Gute SF ist social fabric fiction, die die Auswirkungen einer veränderten Welt auf das Leben der darin lebenden Menschen (oder was auch immer für Wesen) berücksichtigt.

WeepingElf hat mir die da Antwort vorweggenommen.
Man möchte des öfteren annehmen, dass SF-Autoren (speziell neue Autoren) nicht in der Lage sind Charaktere entsprechend zu entwicklen und dass sie sich lieber auf die Wirkung des Settings verlassen um zum Ziel (viele Leser) zu kommen. Es ist ja auch m.E. einfacher (mal locker in die Runde geworfen). Wirklich gute SF verlässt sich aber nicht auf das Setting. Mir sind gut entwickelte Charaktere, die settingkonform handeln, sehr wichtig.

Gruß
Thomas

PS: die Settinglastigkeit ist vielleicht auch ein Grund, warum SF nicht so für voll genommen wird?

Bearbeitet von t.sebesta, 11 November 2006 - 17:28.

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#8 Frank

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Geschrieben 11 November 2006 - 18:55

Also erstmal muss ich sagen, dass oben gepostetes Zitat für mich einem Ablassbrief gleichkam! :D Und dann habe ich tagelang überlegt, was wirklich dran ist - mit folgendem Ergebnis:Willkürlich oder unwillkürlich, als Autor entscheidet man sich, ob man a) eine Personengeschichte schreibt, die sich primär mit dem Innenleben eines Protagonisten auseinandersetzt, weil er beispielsweise einen besonderen Defekt in der Wahrnehmung hat oder Philip K. Dick ist ;) - oder b ) eine Handlungsgeschichte schreibt, die vorrangig eine Geschichte erzählen, ein besonderes Szenario, eine besondere Atmosphäre entwerfen will. Sicher es gibt c) Hybriden in jeglicher Abstufung, aber diese Sichtweise ist mE eine interessante Möglichkeit, an eine neue Geschichte heranzugehen, sowohl als Autor als auch als Leser ...Und der heilige Gral, die Quintessenz, das gelobte Land ist - *tusch* *fanfaren* - "Stimmen der Nacht" von Thomas Ziegler! Diese Geschichte, dieses Buch hat ALLES, was ich von einer SciFi-Story erwarte: Tiefe, Protagonisten, Bilder, Action, brillianter Stil. Perfekt!

Bearbeitet von Frank, 11 November 2006 - 18:56.

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#9 Ulrich

Ulrich

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Geschrieben 11 November 2006 - 20:53

Obiges Zitat zum Setting in der SF bezieht sich vermutlich mehr auf die Erzählungen Isaac Asimovs, siehe Quelle. Eine Verallgemeinerung ist eher schwierig. Ein paar Beispiele, die mir einfallenDie Charakterisierung ist bei Kazuo Ishiguro: "Alles, was wir geben mußten" gut, das Setting kaum zu bemerken. Das ergibt sich aus der Geschichte und ist gut gemacht, zum Beispiel kann ein Kind nicht alles verstehen oder die Zusammenhänge erkennen. John Brunners "Morgenwelt" ist großartig im Setting, die Protagonisten bleiben mir eher nicht im Gedächtnis, außer ein paar Szenen. Ulrich C. Schreiber: "Die Flucht der Ameisen" ist ein Szenario, die handelnden Figuren aufgrund ihres Berufs oder Familienstandes wichtig, nicht aber aufgrund ihrer Persönlichkeiten.Und dann wäre noch "2001 - Odyssee im Weltraum". Gerade im Film ist für mich die einizge "Person" der neurotische und seelenlose Computer HAL, überaus einprägsam das rote Kameraauge. Die Astronauten, z.B. Bowman, haben keine echte Persönlichkeit. Damit entsprechen sie aber genau dem Astronautentypus der sechziger Jahre. Was man brauchte, waren Leute, die die Aufgaben erfüllten. "Echte" Piloten, wie man sich zum Beispiel an den Film-Charakter Han Solo erinnert, sind sie nicht.Ich finde WeepingElf und Thomas Sebesta haben es zum Ausdruck, was in der SF gut gemacht werden kann.

#10 Frank

Frank

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Geschrieben 11 November 2006 - 21:06

Gerade im Film ist für mich die einizge "Person" der neurotische und seelenlose Computer HAL, überaus einprägsam das rote Kameraauge.

Was ja für die (Hypo-)These spricht; schon deshalb, weil der erste Protagonist die erste halbe Stunde(?) nicht überlebt, dann ein zweiter Protagonist eingeführt wird ... und dann nur HAL beim Zuschauer hängenbleibt, nebst ein paar 'übschen psychedelischen Farben und einer Fruchtblase und einem alten Mann, der ... :D

Bearbeitet von Frank, 11 November 2006 - 21:06.

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#11 MartinHoyer

MartinHoyer

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Geschrieben 12 November 2006 - 15:23

Jetzt mache ich mir Gedanken darüber, warum die Charaktere ausgerechnet in den Grenzbereichen der SF besser in Erinnerung bleiben als man meinen möchte.

Figuren wie Darth Vader oder Captain Kirk sagen sogar Leuten etwas, die sich dem Genre ansonsten eher nicht tiefer gehend gewidmet haben. Andererseits können sich auch echte "SF-Fachdeppen" kaum an sonderlich viele Protagonisten bestimmter Titel gerade aus dem Bereich der Hard-SF erinnern ... Es sei denn, sie hätten es gerade frisch gelesen oder anderweitig eine besondere Beziehung zu dem Werk entwickelt.

Liegt das aber wirklich am Genre an sich, oder nicht doch vielmehr an der Popularität ausgewählter Vertreter? Je weniger etwas SF ist, desto grösser ist der Kreis der Rezipienten, desto häufiger sind die Austauschmöglichkeiten unter den Rezipienten (Interaktion anderer Medien lasse ich ebenfalls darunter fallen) und desto persönlicher wird das individuelle Erlebnis, was wiederum direkte Auswirkung auf das Erinnerungsvermögen hat.

Ein weiterer Aspekt ist, was die Art der Erinnerung und ihre Auffrischung angeht.
Wenn ich eines der ursprünglichen Beispiele aufgreifen darf: Dem Konzept der Zeitmaschine begegnet man in der SF immer wieder; es ist genreimmanent. Der Figur des Zeitreisen ist jedoch werkimmanent, sie taucht in ihrer Charakterisierung so nicht erneut auf.
Anders sieht es bei Serien oder Reihen aus, die ihre Figuren mitführen. Hier erfolgt eine ständige Auffrischung der Bekanntschaft mit der Figur, weshalb ihr Schicksal abrufbar bleibt. Deshalb sind Luke Skywalker und Konsorten präsent, Wells' namenloser (!) Zeitreisender jedoch nicht.

Namen sind ohnehin wichtig. Gerade der am Abenteuer orientierte Teil der SF gebraucht auch "abenteuerliche" Namen für seine Charaktere, die sich gut einprägen und im Hirn als Zeiger für die damit verbundene Erinnerung fungiert. "Realistische" SF verwendet gängige, nicht sprechende Namen, die eine Figur nicht aus der Versenkung holen.
Bezeichnenderweise weiß ich noch, dass der eigentlich namenlose Zeitreisende in der jüngeren Verfilmung von "Die Zeitmaschine" den Namen Alexander Hartdegen trug. Ob ich mir einen Alexander Smith genauso gut gemerkt hätte? Wohl eher nicht.
Captain Nemo und sogar Professor Arronax aus "20.000 Meilen unter dem Meer" sind ebenfalls abrufbar, ebenso Ned Land - aber erinnert sich noch irgend jemand an die Protagonisten aus Huxleys "Brave New World"?

Fazit:
Popularität und die Zielgruppenorientierung, eventuell auch noch die spezielle Arbeitsweise einzelner Autoren bestimmt die Wertigkeit der handelnden Figur(en), nicht aber das Genre an sich.
Though my soul may set in darkness, it will rise in perfect light;
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)

#12 Naut

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Geschrieben 13 November 2006 - 09:05

Ich möchte ergänzen, dass Lem - obwohl Asimovs Werk ja bekanntlich nicht gerade wohlgesonnen - eine ähnliche Auffassung wie Patrouch vertrat: Für ihn sollte die Geschichte selbst der eigentliche Protagonist sein. Er wollte damit keine blasse Charakterisierung entschuldigen, sondern hervorheben, dass die SF (im Gegensatz zur sonstigen Literatur) geradezu die Kernaufgabe hat, ein Setting und einen Konflikt zu bieten, der sogar ganz ohne echte Personen funktionieren müsste, ansonsten sei es keine SF. (von mir sehr unvollkommen wiedergegebene Position aus "Phantastik und Futurologie")
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#13 WeepingElf

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Geschrieben 13 November 2006 - 14:14

Hallo!

Ich möchte ergänzen, dass Lem - obwohl Asimovs Werk ja bekanntlich nicht gerade wohlgesonnen - eine ähnliche Auffassung wie Patrouch vertrat: Für ihn sollte die Geschichte selbst der eigentliche Protagonist sein. Er wollte damit keine blasse Charakterisierung entschuldigen, sondern hervorheben, dass die SF (im Gegensatz zur sonstigen Literatur) geradezu die Kernaufgabe hat, ein Setting und einen Konflikt zu bieten, der sogar ganz ohne echte Personen funktionieren müsste, ansonsten sei es keine SF. (von mir sehr unvollkommen wiedergegebene Position aus "Phantastik und Futurologie")

Einerseits ja, SF lebt vom Setting, sonst wäre sie - wie ich schon gesagt habe - keine SF. Die Welt spielt eine zentrale Rolle. So würden z.B. die Stories, an denen ich derzeit arbeite, in den meisten anderen Welten als der, in der sie spielen, schlicht und einfach nicht funktionieren. Sie setzen halt eben voraus, dass die Welt am Scheideweg steht zwischen einer dystopischen Cyberpunk-Zukunft (die in bestimmten Teilen der Welt, wie z.B. in den USA oder dem durch einen Bürgerkrieg zerrissenen China in meinen Stories schon Realität ist) und einer positiveren Zukunft; sie setzten auch einen zweiten Kalten Krieg, diesmal zwischen den USA und der Europäischen Union, voraus. Würde man die Stories beispielsweise ins Perry Rhodan-Universum verlegen, ergäben sie nicht mehr den Hauch eines Sinns.

Andererseits funktioniert keine Story ohne glaubwürdige Charaktere, ganz egal in was für einer Welt sie spielt. Eindimensionale Charaktere, die entweder schneeweiß oder zappenschwarz sind, ergeben einfach keine interessante, facettierte Handlung. Alle handelnden Personen haben in einer guten Geschichte ihre Stärken und Schwächen und ihre Gründe, warum sie so handeln, wie sie handeln.

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#14 Frank

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Geschrieben 13 November 2006 - 14:33

Alle handelnden Personen haben in einer guten Geschichte ihre Stärken und Schwächen und ihre Gründe, warum sie so handeln, wie sie handeln.

Aber was ist mit Personen wie Perry Rhodan oder James Bond? Müssen wir wirklich ihr Seelenleben in und auswendig kennen, um uns gut unterhalten zu lassen? Reicht es nicht völlig aus, dass sie in einer spannenden Welt unterwegs sind, voller technischer kleiner Spielzeuge und böser Schurken ... *polarisier* :thumb:

Bearbeitet von Frank, 13 November 2006 - 14:35.

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#15 WeepingElf

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Geschrieben 13 November 2006 - 14:56

Hallo!

Aber was ist mit Personen wie Perry Rhodan oder James Bond? Müssen wir wirklich ihr Seelenleben in und auswendig kennen, um uns gut unterhalten zu lassen? Reicht es nicht völlig aus, dass sie in einer spannenden Welt unterwegs sind, voller technischer kleiner Spielzeuge und böser Schurken ... *polarisier* :blink:

Nun, das ist gerade das, was ich nicht unter guter SF verstehe :thumb:

Perry Rhodan ist eine Gestalt, der ich nicht auf der Straße begegnen möchte. Ein Diktator, der davon überzeugt ist, dass die Menschheit dazu auserwählt ist, das Universum zu beherrschen, und davon, dass er selbst dazu auserwählt ist, die Menschheit zu beherrschen - das hatten wir doch alles schon einmal. Ich verstehe beim besten Willen nicht, wie Hunderttausende von Menschen, die im realen Leben nie auf den Gedanken kämen, ihr Kreuzchen bei der NPD zu machen, so einen Mist goutieren können.

Und James Bond - na ja, dazu fällt mir auch nicht viel ein, auch wenn er besser charakterisiert ist als Perry Rhodan.

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#16 Frank

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Geschrieben 13 November 2006 - 15:15

Und James Bond - na ja, dazu fällt mir auch nicht viel ein, auch wenn er besser charakterisiert ist als Perry Rhodan.

Wie ist denn James Bond schon charakterisiert: Agent und Held ihrer Majestät, furchtloser Aufreißer, der allen Bösen in den ***** tritt. :blink: Die Sache ist doch die: Wenn ich mir einen James-Bond-Film anschaue, will ich keine tiefschürfende Analyse irgendeines Kindheitstraumas, sondern: ÄKSCHION! Das gilt beispielsweise auch für Batman, gerade bei den Filmen: Musste als Kind mit ansehen, wie seine reichen Eltern durch einen Gauner umgebracht wurden. Will fortan das Böse bekämpfen. Punkt. :thumb: *weiter polarisier*

Bearbeitet von Frank, 13 November 2006 - 15:16.

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#17 WeepingElf

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Geschrieben 13 November 2006 - 15:25

Hallo!

Wie ist denn James Bond schon charakterisiert: Agent und Held ihrer Majestät, furchtloser Aufreißer, der allen Bösen in den ***** tritt. :blink: Die Sache ist doch die: Wenn ich mir einen James-Bond-Film anschaue, will ich keine tiefschürfende Analyse irgendeines Kindheitstraumas, sondern: ÄKSCHION! Das gilt beispielsweise auch für Batman, gerade bei den Filmen: Musste als Kind mit ansehen, wie seine reichen Eltern durch einen Gauner umgebracht wurden. Will fortan das Böse bekämpfen. Punkt. :thumb: *weiter polarisier*

Schon klar. Auch ich bin der Meinung, dass man es mit dem Psychologisieren übertreiben kann.

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#18 Theophagos

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Geschrieben 13 November 2006 - 16:02

Ich wundere mich ein wenig, warum gute Charakterisierungen und interessante Settings einander diametral gegenüberstehen sollen - gute SF hat mE nach beides. Wenn die Figur eindimensional ist, dann muß die Geschichte plausibel machen, warum nur eine Seite der Figur gezeigt wird. In der klassischen Detektiv-Geschichte funktioniert das, in den meisten Kurzgeschichten funktioniert das, aber in komplexeren Geschichten wird's schwer.Unplausible Figuren vermindern immer die Qualität einer Geschichte, egal wie interessant das Setting oder aufregend der Plot ist.Schwarz-Weiss-Zeichnung finde ich öde - so was lese ich nicht freiwillig. Grautöne finde ich auch nicht besonders interessant, aber immerhin akzeptabel. Ich will Farbe & Schattierungen - knifflige politische/moralische Fragen: Darf man die Vernichtung einer Kolonie billigend in Kauf nehmen um die menschliche Zivilisation zu retten? Aber das sind Fragen, die unabhängig vom Setting stellbar sind.Theophagos
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#19 Frank

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Geschrieben 13 November 2006 - 16:20

Ich wundere mich ein wenig, warum gute Charakterisierungen und interessante Settings einander diametral gegenüberstehen sollen - gute SF hat mE nach beides.

Natürlich, volle Zustimmung! Aber bei einer - sagen wir mal 30.000-50.000 Zeichen Längenbegrenzung - man will ja schließlich abgedruckt werden :blink: - muss man eben ein wenig mit dem Platz haushalten; somit kommt es auf den Schwerpunkt an, den ich als Autor setze, beispielsweise: 1) eine phantastische Welt detailreich beschreiben 2) ein philosophisches Rätsel knacken 3) eine abnorme Persönlichkeit/Kreatur darstellen Meines Erachtens darf in einer gut beschriebenen, phantastischen Welt der Protagonist auch mal dünner sein, wenn trotzdem(!) das Interesse des Lesers geweckt werden kann ... Ist dies nicht der Fall, ist sowieso Hopfen und Malz verloren. :thumb:

Bearbeitet von Frank, 13 November 2006 - 16:22.

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#20 WeepingElf

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Geschrieben 15 November 2006 - 00:34

Hallo!

Ich wundere mich ein wenig, warum gute Charakterisierungen und interessante Settings einander diametral gegenüberstehen sollen - gute SF hat mE nach beides.

Ganz genau.

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#21 MartinHoyer

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Geschrieben 15 November 2006 - 09:30

Ohne jetzt jemandem den Idealismus nehmen zu wollen ... Das Ganze entpuppt sich schnell als Worthülse, wenn man den Umkehrschluss wagt: SF ist nicht gut, wenn die Qualität der Charakterisierung nicht dem des Settings entspricht.

Das stimmt jedoch ganz offenkundig nicht, also ist das Thema berechtigt und es besteht nach wie vor Klärungsbedarf. :fun:
Though my soul may set in darkness, it will rise in perfect light;
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)

#22 Theophagos

Theophagos

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Geschrieben 15 November 2006 - 10:44

Ohne jetzt jemandem den Idealismus nehmen zu wollen ... Das Ganze entpuppt sich schnell als Worthülse, wenn man den Umkehrschluss wagt: SF ist nicht gut, wenn die Qualität der Charakterisierung nicht dem des Settings entspricht. Das stimmt jedoch ganz offenkundig nicht, [... - Was man daraus folgert, steht auf'nem anderen Blatt.]

Das ist sicherlich Ansichtssache: Ich bin schon der Meinung, dass der Unmkehrschluß gültig ist. Allerdings meine ich nicht, dass gilt: nicht gut = schlecht. Ich kenne mehr Noten als 0 und 1. Ich will meine Position etwas erläutern. Ich meine nicht, dass es hier einen Prozentsatz gibt: 50% der Worte müssen für den Plot verwendet werden, 25% für das Setting und 25% für die Charakterisierung der Figuren oder so was. Allerdings sollte eine Figur dem Plot entsprechend angemessen charakterisiert werden - ist sie das nicht, so halte ich das für schlecht. Hier geht es mir sowohl um Qualität, wie auch Quantität der Charakterisierung. (Und Schwarz-Weisse Typen sind immer zu wenig.) Wenn den Figuren darüber hinaus noch etwas mehr Persönlichkeit verliehen wird - um so besser. Doch so viel, dass es deutlich vom Plot ablenkt, ist auch gefährlich. Wenn, dann ist es besser eine wirklich spannende Figur. Auch meine ich, dass Figuren am besten am Plot entwickelt werden, also während sie die Handlung voran treiben, zeigen, aus welchem Holz sie geschnitzt sind. Ebenso denke ich über das Setting. Unterschiedliche Geschichten erfordern nun mehr Konzentration in Punkto Setting, andere mehr in Sachen Charakterisierung. Jedoch halte ich in beiden Fällen nicht viel von Selbstzweck-Darstellungen. Nun ist mir klar, dass ein gewisser Doppeltstandard gepflegt wird: "Es ist eine gute SF-Geschichte", heißt: Es ist *bloß* eine gute SF-Geschichte, mit der 'Hochliteratur' kann sie nicht mithalten. (Sie hat halt andere Stärken, heißt es dann entschuldigend.) Derartig trenne ich nicht. Sicher: Für eine SF-Geschichte und eine mimetische Geschichte gelten andere Anforderungen, aber von beiden erwarte ich angemessene* Charakterisierungen der Figuren um sie für gute Geschichten zu halten. Theophagos * Edit: "angemessen" anstelle von "gut"

Bearbeitet von Theophagos, 15 November 2006 - 10:57.

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#23 Truhe

Truhe

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Geschrieben 09 Dezember 2006 - 04:22

Hi erstma, ich bin der Neue...Hab gerade (krankheitsbedingt :-( sehr viel Zeit und bin eher zufällig auf's Forum hier gestoßen. Und da ich wie gesagt gerade sehr viel Zeit habe, dachte ich mir, gebe ich mal meine (extrem subjektiven) Gedanken zum Thema zum besten.Aber genug geschwaffelt, zum Thema:Ist das Setting wichtiger als die Charakterisierung? Ich (wie gesagt: subjektiv) lese Sciene Fiction primärwegen des Settings, wobei Setting eigentlich das falsche Wort ist, da es sich im Deutschen eher auf den Schauplatz als auf die Handlung bezieht. Ich würde Szenario bevorzugen (und werde es im weiteren statt Setting benutzen), da es besser ausdrückt, was für mich die Faszination von Sciene Fiction ausmacht: Eine bestimmte Idee wird im Laufe eines Werkes entwickelt und ihre Folgen (z.B. für die Menschheit) aufgezeigt, was fast schon philospische Züge annehmen, sich aber genauso z.B. auf die Wissenschaft (bestes Beispiel: Zeitreisen) beziehen kann.Dies bezieht sich jedoch nur auf Teile der Sciene Fiction. Space Operas z.B. nutzen die "Zukunft" nur als Kulisse für mehr oder weniger spannende, aber größtenteils althergebrachte Handlungen (wobei Star Wars wohl das Paradebeispiel ist). Diese müssen daher ihre Charaktere entwickeln, da ihnen ein interessantes Szenario, das eben mehr ist als ein paar fremde Planeten, Aliens und Raumschiffe, fehlt. Wobei sich natürlich die Frage stellt, ob Star Wars und Konsorten überhaupt Sciene Fiction sind, oder eher Abenteuerromane im Sciene Fiction-Setting? Ich würde eher zum zweiterem neigen, worüber man aber streiten kann. Auf jeden Fall ist es nicht die Art von Sciene Fiction, die mich anspricht ;-) Um wieder auf's Thema zu kommen: die Art von Sciene Fiction, die mich interessiert, steht und fällt damit, ob sie neue Denkanstöße liefert (ob zu Realität, Zeitreise, Schicksal oder zu menschlichen Verhalten,ect.). Also ist für mich das Szenario wichtiger als die Charakterisierung, da es diese Denkanstöße erst ermöglicht.Was nicht heißen soll, dass die Charakterisierung keine Rolle spielt. Jedoch kann ich einem Sciene Fiction-Werk diesen Mangel eher verschmerzen und ein Werk trotz Defiziten in diesem Bereich als gut oder interessant empfinden, was mir z.B. bei Fantasy oder Thrillern nie möglich wäre.

#24 Ernst Wurdack

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Geschrieben 16 Januar 2007 - 13:17

Aber bei einer - sagen wir mal 30.000-50.000 Zeichen Längenbegrenzung - man will ja schließlich abgedruckt werden :) - muss man eben ein wenig mit dem Platz haushalten

Lieber Frank Dieser Einwurf - gerade von deiner Seite - enttäuscht mich doch ein wenig. Ich verfolge diese Diskussion schon seit einiger Zeit sehr aufmerksam und war bisher der Meinung, es ginge um SF-Romane. An Kurzgeschichten (deutscher Tradition und Definition, nicht US Shortstories) werden ganz andere formale Anforderungen gestellt, und die Entwicklung der handelnden Figuren gehört da sicherlich nicht dazu. Aber das brauche ich gerade dir wahrscheinlich nicht zu sagen. Oder doch, wenn ich diese Zeilen lesen muss? Also vergleiche bitte nicht Äpfel mit Birnen. Du weißt ja, dass ich enorm viele Kurzgeschichten lese, 125 in den letzten paar Wochen, die für den neuen SF Band eingegangen sind, aber immer wieder ist festzustellen, dass Autoren mit allen Mitteln versuchen, in winzigen Kurzgeschichten ein ganzes Universum unterzubringen. Das kann nicht funktionieren. Das Argument mit der Längenbeschränkung kann so nicht stehen bleiben: Es ist nicht viel schwerer, einen Roman unterzubringen, als eine Kurzgeschichte. Nur die wenigsten Autoren versuchen es allerdings ernsthaft. Die Betonung liegt auf ernsthaft. Die Argumente hier in der Diskussion, die sehr sachlich ist und die Fragestellung bisher von verschiedenen Seiten beleuchtet, liefern einen guten Grundstock, wie man als Autor an einen SF-Roman herangehen könnte. Bau darauf auf, und es wird klappen. Sorry, war ein wenig off-toppic. Ich bin gespannt, wie euere Diskussion weiter geht. Gruß Ernst

#25 Frank

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Geschrieben 16 Januar 2007 - 14:08

Also vergleiche bitte nicht Äpfel mit Birnen.

Sehe ich nicht so. Wenn wir davon ausgehen, dass zu einer perfekten Geschichte a ) Lebhafte Charaktere b ) ein ausgefeiltes Szenario c ) eine gute Handlung d ) eine Aussage bzw. eine Ende, das einen Nachhall erzeugt gehören, ist es meiner Meinung nach wesentlich schwieriger alle vier Punkte in einer Kurzgeschichte mit einer gewissen Längenbegrenzung - und die liegt m.E. bei ca. 25.000-50.000 Zeichen - einzuweben; von daher setzt man als Autor - bewusst oder unbewusst - Schwerpunkte, die das ausgewogene Verhältnis der oben genannten vier Punkte verschieben ... Beispiele: Wenn ich eine Action-Story schreiben möchte, müssen die Protagonisten nicht unbedingt eine ausgefeilte Charaktertiefe aufweisen. Möchte ich mich mit dem Seelenleben eines Protagonisten auseinandersetzen, sind Action-Szenen nicht unbedingt von Nöten. Klammer auf: Das sind jetzt alles Reißbrett-Ansichten; nicht dass die Idee aufkommt, dass ich vorher mein "Rezeptbuch" aufschlage, bevor ich eine Story schreibe. Ich schreibe immer aus dem Kopf bzw. Bauch heraus. :) Klammer zu. Und: Ich lasse mich da natürlich gerne jederzeit eines besseren belehren! Also nicht gleich enttäuscht sein! :)

Bearbeitet von Frank, 16 Januar 2007 - 14:08.

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