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Sternenspiel


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4 Antworten in diesem Thema

#1 tichy

tichy

    Typonaut

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Geschrieben 10 August 2009 - 14:09

"Sternenspiel"
Sergej Lukianenko

Über dieses Buch habe ich mich dann doch ein bisschen geärgert. Das passiert mir dann, wenn ein Roman etwas nicht hält, was ich mir von ihm versprochen habe. Die Erwartungshaltung kam in diesem Fall durch den interessanten Anfang und etliche Empfehlungen für den Autor zustande.

Das Ausgangsszenario ist, wie gesagt, recht originell (wenn auch ziemlich unrealistisch, denn disruptive wissenschaftliche Entdeckungen diesen Ausmaßes sind doch extrem unwahrscheinlich). Aus diesem Start entwickelt sich über die erste Hälfte des Romans eine Handlung, die zwar nur mäßig spannend ist, aber eine Entwicklung auf einen interessanten Höhepunkt erwarten lässt. Ziemlich genau in der Mitte wechselt der Roman dann plötzlich die Perspektive und wir finden uns in einer Gesellschaftsbeschreibung einer anderen Zivilisation wieder. Nennenswerter "sense of wonder" bleibt aber aus, die Spannungskurve steigt nicht sonderlich und das geschilderte Gesellschaftssystem ist leider auch nicht übermäßig originell.

Und dann ist der Roman plötzlich zu Ende. Weder das ursprüngliche Szenario, das immerhin die Vernichtung der Menschheit als Ausgang befürchten lässt, ist weiter beleuchtet, noch ist das Schicksal des Protagonisten aufgelöst worden. Das liegt ganz einfach daran, dass das erst die erste Hälfte des Romans war, der in zwei Teilen verkauft wird. Eine abgeschlossene Geschichte stellt "Sternenspiel" nämlich nicht dar. Man steht am Ende der Lektüre da mit lauter losen Fäden in der Hand und dem Gefühl, dass deren Verknüpfung im zweiten Teil ebenso vorhersehbar ausfallen wird wie ein Großteil der Handlung im ersten Teil.

Für Unterhaltung zu wenig Spannung.
Für Hard SF entschieden zu unrealistisch.
Als "Gesellschafts-Parabel", für die gerade die Ost-SF ja bekannt ist, zündet es bei mir einfach nicht.
Und als Roman literarisch zu nichtssagend.

Die Teilung in zwei Bände scheint mir überdies eine rein wirtschaftliche Entscheidung zu sein. Ja, das Buch ist ziemlich dick, beide Bände hätte man so nicht gleichzeitig zwischen zwei Buchdeckel bekommen. Aber sowohl Erzählweise als auch Drucksatz lassen jedem Menge "Luft", die man da ohne Verlust rauslassen könnte. Die Geschichte wäre so prägnanter erzählt und etliche Bäume bei der Herstellung verschont.

Eine Bewertung in Noten spare ich mir an dieser Stelle, weil ich das Werk in dieser Form als "nur halb gelesen" betrachten muss. Ob ich das Geld und die Zeit in die zweite Hälfte investieren werde bezweifle ich eher.

-- tichy
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#2 Brian

Brian

    Nochkeinnaut

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Geschrieben 01 September 2009 - 09:16

Gerade bei Lukianenko ist mir der Fortsetzungswahn schon häufiger aufgefallen. Die Bücher sind vielleicht vom Volumen her relativ dick, über 500 Seiten kommt er allerdings bei relativ wenigen Zeilen pro Seite selten. Wenn man sieht, dass Heyne auch schon 1200 Seiten Hyperion in einem Buch verpackt hat, ohne dass es unlesbar wurden, könnte Herr Lukianenko sich auch gerne mal herablassen, ein Buch zwischen zwei Deckeln abzuschließen.

#3 lapismont

lapismont

    Linksgrünversifft

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Geschrieben 01 September 2009 - 11:56

Inhaltlich sind beide Bände schon als unterschiedliche Parabeln zu lesen. Man könnte es grob aufteilen in eine diktatorische und in eine freiheitliche Weltenschöpfung.Was Heyne mit der Ziegelsteinproduktion anbelangt, naja, die Marketingexperten lesen keine Bücher in der S-Bahn.
Überlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.
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  • (Buch) gerade am lesen: Cheon Seon-ran – Tausend Arten von Blau

#4 paliato

paliato

    Ufonaut

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Geschrieben 22 Mai 2011 - 14:47

!!! Achtung, folgender Beitrag enthält in seiner Gesamtheit leichte Spoiler !!!

Ich höre im Moment immer beim Arbeiten nebenbei das Sternenspiel-Hörbuch (im Moment das zweite Buch, etwa bei 2/3) und kann dir, lapismont, recht geben. Die sich entfaltende Geschichte um Piotr und seine Erlebnisse stellt im Prinzip zwei Weltenentwürfe gegenüber. Den, wo jedem sein Platz zugewiesen wird und er die im zugedachte Aufgabe erfüllt (das Konklave und die starken/schwachen Rassen), und denjenigen, in dem jeder seine individuelle Freiheit in all ihren Facetten quasi unbeschränkt ausleben kann (der Schatten). Ich meine, auch eine gewisse Widerspiegelung einer rationalen, objektiven, naturwissenschaftlich funktionalistischen Weltsicht auf der einen Seite und einer emotionalen, quasi solipsistisch 'freien' auf der anderen zu erkennen.

Der Hauptakteur Piotr, der dann nach der Rückkehr von den Geometern auch baldigst wieder getrennt vom Rest des Trüppchens unterwegs ist - "huch, ja so ein Zufall", lernt alle möglichen Menschen und andere Wesen kennen, dient als eine Art refklektierter Akteur und Beobachter dieser Weltenentwürfe. Dass Lukianenko gewohnt detailreich und ohne Hast ganze Nebenstorys um russische Supermärkte, Lastwagenfahrer oder fremdmenschliche Lebensweisen entspinnt, trägt zum vermitteln der entwickelten Welten und Ideen bei, würde mich aber in Buchform auch sicher mal ein paar Seiten überspringen lassen. Als Hörbuch stört das weniger, man muss nicht ganz bei der Sache sein und verpasst dennoch nichts.

EDIT:
Aber so viele Ideen, meine Güte! Die ganze Zeit dreht es sich um die Frage, wer oder was ein Mensch ist, was ihn ausmacht, was Dasein ist. Lukianenko bricht ja fast jeden Aspekt dieser Fragen an in jedem seiner Weltenentwürfe und in verschiedenen Varianten. Und gar nichtmal blöd alles. Im Grunde.

Bearbeitet von paliato, 22 Mai 2011 - 15:05.


#5 hawaklar

hawaklar

    Giganaut

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Geschrieben 22 Mai 2011 - 15:15

!!! Achtung, folgender Beitrag enthält in seiner Gesamtheit leichte Spoiler !!!

Der Hauptakteur Piotr, der dann nach der Rückkehr von den Geometern auch baldigst wieder getrennt vom Rest des Trüppchens unterwegs ist - "huch, ja so ein Zufall", lernt alle möglichen Menschen und andere Wesen kennen, dient als eine Art refklektierter Akteur und Beobachter dieser Weltenentwürfe. Dass Lukianenko gewohnt detailreich und ohne Hast ganze Nebenstorys um russische Supermärkte, Lastwagenfahrer oder fremdmenschliche Lebensweisen entspinnt, trägt zum vermitteln der entwickelten Welten und Ideen bei, würde mich aber in Buchform auch sicher mal ein paar Seiten überspringen lassen. Als Hörbuch stört das weniger, man muss nicht ganz bei der Sache sein und verpasst dennoch nichts.

Ich habe auch die beiden Hörbücher gehört und empfand diese als angenehm und anregend. Eine Anmerkung sei mir doch gestattet: Über das Konklave erfahren wir so gut wie nichts - außer dass dort wohl eine sehr pragmatische politische Ordnung herrscht. Hier die überlegenen starken Rassen, dort die jungen, kleinen schwachen Rassen, die nur wegen ihrer einzigartigen Fähigkeiten im Verbund des Konklave verbleiben dürfen und, sobald sie Probleme bereiten könnten, mit der Ausrottung rechnen müssen. Dass es unter diesen Voraussetzungen das Bestreben der Schwachen ist, irgendwie ein Gegengewicht gegen die Starken zu schaffen, ist nur allzu verständlich.

Die erste menschliche Rasse, die Piotr aufsucht sind die Geometer. Bei der Beschreibung deren Gesellschaftsform hatte ich immer den Eindruck, das sei der Versuch, eine perfekte kommunistische Gesellschaft zu beschreiben. Da ich selbst ein wenig links angehaucht bin und schon oft genug versucht habe, die kommunistische Idee gegen plumpe Anfeindungen zu verteidigen (die osteuropäischen Versuche einer kommunistischen Gesellschaftsform des letzten Jahrhunderts hatten damit nämlich wenig zu tun), hat mich dieser Gesellschaftsentwurf schon sehr interessiert, aber spätestens, als ich von den Lagern und den Erziehungs- und Überwachungsmethoden der Lehrer gehört hatte, war mir klar, dass sogar dieser nahezu perfekte Gesellschaftsentwurf seine Tücken hat.

Dem gegenüber steht die Idee des Schattens - eine bis ins letzte individualisierte Gesellschaft - jeder kann nach seiner "Fassong" glücklich werden - und das bei einer potentiellen Unsterblichkeit. Da wurde m. E. sehr schön herausgearbeitet, dass so ein Leben zutiefst langweilig und unbefriedigend werden kann. Zumindest wurde bei der Erforschung des "Schattens" einigermaßen plausibel erklärt, woher plötzlich so viele menschliche Rassen auftauchen.

Wahrscheinlich wäre mir der Text in gedruckter Form auch zu trocken und langweilig gewesen, aber als Hörbuch kann ich solchen philosophischen Texten durchaus was abgewinnen.

"Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders
wäre, aber soviel kann ich sagen: Es muß anders werden, wenn es gut
werden soll." Georg Christoph Lichtenberg (1742 - 1799)

"Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen,
Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen,
sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer."
(Antoine de Saint-Exupéry)



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