Von Feuer und Dampf
Steampunk - ein relativ neues Genre der Phantastik hält langsam auch in deutschen Bücherregalen Einzug. Es geht um Alternativ-Historie, um sf-ähnliche Geschichten über die Kraft des Wasserdampfes, angesiedelt in der guten alten victorianischen Reifrockzeit, als Maschinen noch voller Liebe von einsamen, verrückten Tüftlern zusammengeschraubt und erprobt wurden.
Erste deutsche Steampunk-Anthologie
Jetzt hat der Arcanum Fantasy Verlag mit "Von Feuer und Dampf" die - nach eigener Aussage - erste deutsche Steampunk-Anthologie beziehungsweise "das erste deutschsprachige Werk, das sich voll und ganz dem Thema Steampunk widmet" herausgebracht. Herausgegeben wurde das Buch von Stefan Cernohuby, und die Autoren stammen aus dem Kreis der Gruppe "Geschichtenweber", die bereits durch zahlreiche sehr sorgfältig durchkomponierte Anthologien auf sich aufmerksam machte.
So ist auch dieses Buch keine "normale" Anthologie von Geschichten, die unverbunden für sich allein stehen können, vielmehr handelt es sich um miteinander verwobene Storys, die aufeinander antworten und die zum Teil Nebenfiguren aus den Vorgängergeschichten aufgreifen und in den Mittelpunkt stellen. Dadurch hat die vorliegende Sammlung zwar noch nicht ganz die Einheit eines Romans erreicht, ist aber deutlich geschlossener als eine handelsübliche Anthologie. In vier Gruppen - vorgegeben durch die Handlungsorte Berlin, Wien, Hamburg und München - stimmten sich die Autoren sehr eng aufeinander ab, hinzu kommt, dass am Ende der einzelnen Stadt-Abschnitte von einer Hauptperson berichtet wird, wie sie in die jeweils nächste Stadt gelangte.
Von Dampfkraft, Robotern und Zeppelinen
Die Geschichten erzählen von sehr unterschiedlichen Errungenschaften des technischen Fortschritts. So berichtet Charlotte Engmann in ihrer Geschichte "Saubere Arbeit" noch von den heutigen Lesern so bekannten Dingen wie einem Heißluftballon oder einer Dampfwäscherei, und in Oliver Hohlsteins Geschichte "Mit Begleitung" spielen die ersten Vorführungen von Filmen eine Rolle. Doch bereits in der dritten Geschichte, "Der Rosenbaum-Golem" von Gerd Scherm, geht es um einen künstlichen Wächter, eine Art dampfbetriebenen Roboter, der außer von Technik auch von alter jüdischer Magie beseelt ist. Der Leser erfährt von einer geheimnisvollen Weltmaschine unter den Straßen von Wien, die Erdbeben verursacht und Zeitreisen ermöglicht, erlebt Luftkämpfe und Unfälle von Zeppelinen und dampfbetriebenen Flugzeugen mit, fährt im Dampftaxi durch die Straßen und liest von Dampfautorennen, kann sich schließlich sogar über einen dampfbetriebenen Bratwurstgrill auf dem Münchner Oktoberfest freuen. Und nicht nur für Gewerksschaftsanhänger und sonstige Freunde der Lohngerechtigkeit wird der Streik der Trambahnritzenreinigungsweiberl ein besonderes Erlebnis sein (übrigens eine früher tatsächlich gebräuchliche Berufsbezeichnung, wie Autorin Simone Edelberg mir versicherte).
Beeindruckende Bergmanns-Geschichte
Besonders beeindruckend ist der Prolog vom Torsten Sträter, der die Geschichte eines jungen Bergmannssohns schildert, der nach dem Tod seines Vaters dem Bergbau Lebewohl sagt, um etwas anderes, besseres im Leben zu finden. Die Schilderungen des Kohlegeruchs, der engen Schächte und des Dunkels, die Beschreibung vom Ende des Vaters wirken so dicht und lebensecht, als hätte der Autor selbst jahrelang unter Tage gearbeitet und sei an einer Staublunge erkrankt.
Fazit: Ein faszinierender Blick in eine Zeit, die es hätte geben können. Für Steampunk-Fans ein Muss, für alle anderen eine dringende Empfehlung.
Von Feuer und Dampf. Hrsg. v. Stefan Cernohuby. Dortmund: Arcanum Fantasy Verlag, 2010. 226 S. Euro 10,90.
© Petra Hartmann