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Exploitation SF


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312 Antworten in diesem Thema

#31 Lomax

Lomax

    Illuminaut

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 12:38

Es ist eine Sache, wenn sich ein Autor aus persönlicher Neigung und Interesse mit Ideen beschäftigt,
die schon einmal da waren. Das tun wir alle mehr oder weniger. Von Exploitation würde ich erst
reden, wenn sich ein Autor systematisch an Ideen und Themen anhängt, die ihm im gegebenen
Moment am erfolgsversprechendsten erscheinen, unabhängig von eigener Neigung und Kreativitöt.

Na, die Aussage disqualifiziert ja meiner Einschätzung nach bereits den ganzen Ansatz als ernstzunehmendes literaturwissenschaftliches Modell. In letzter Konsequenz sehe ich dann nur wieder einen Rückgriff auf das Klischeebild des schlechten Deutschunterrichts - "Was hat der Autor sich dabei wohl gedacht?" - und den Versuch, das als irgendwie valides Kriterium in die Literaturbetrachtung einzuführen. Und nicht mehr die Frage, was davon man eigentlich im betrachteten Text auch sieht.

Ich denke mal, jedes auch nur im mindesten sinnvolle Kriterium für Textqualität muss man auch an den Texten feststellen können, ohne erst mal den Autor fragen zu müssen, was für eine Neigung er denn hat (oder über diese Neigung zu spekulieren). Wenn man dann ein formal analysierbares Kriterium hat, dann kann man auch anfangen, darüber zu diskutieren, ob es überhaupt sinnvoll ist.
Ich fand, ehrlich gesagt, schon das Eingangsposting zu "schwammig", um mehr als ein "Rant" zu sein und Ausdruck diffusen Weltschmerzes über den Literaturmarkt, über "die (anderen) Autoren" und "die (anderen) Leser".
Aber die oben zitierte Einschränkung wäre dann noch mal ein Schritt zurück im Aussagewert des Ansatzes.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)

#32 Thomas Sebesta

Thomas Sebesta

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 12:46

... Ich fand, ehrlich gesagt, schon das Eingangsposting zu "schwammig", um mehr als ein "Rant" zu sein ...


Wie würdest du das Eingangspost schreiben damit es mehr als ein "Rant" ist (ich muss zugebene, ich habe keine Ahnung was ein "Rant" ist - Aufklärung?"

Gruß
Thomas

Thomas Sebesta/Neunkirchen/Austria

Blog zur Sekundärliteratur: http://sebesta-seklit.net/

Online-Bibliothek zur Sekundärliteratur: http://www.librarything.de/catalog/t.sebesta

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#33 Diboo

Diboo

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 12:58

Wie würdest du das Eingangspost schreiben damit es mehr als ein "Rant" ist (ich muss zugebene, ich habe keine Ahnung was ein "Rant" ist - Aufklärung?"

Gruß
Thomas


Ein "rant" ist ein erboster Wortschwall.

"Alles, was es wert ist, getan zu werden, ist es auch wert, für Geld getan zu werden."
(13. Erwerbsregel)

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#34 Gast_Michael Iwoleit_*

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 13:07

Wer versteht schon WIRKLICH - und die Betonung liegt auf wirklich - , wie z.B. das Internet funktioniert. Oder die
Mobilfunknetze?


Das ist ein schönes Beispiel, an dem man einiges festmachen kann, wenn Du mir den Exkurs gestattest:

Ich habe mich schon einige Male mit Leuten gestritten, die strikt abgelehnt haben, daß es so etwas wie
eine Computer- und Internet-Kultur - ich nenne es allgemeiner "Cyberkultur" - überhaupt gibt; will sagen:
eine Kultur in dem Sinne, daß sie nicht nur mit neuartigen Dingen hantiert, sondern darüber eigene Ideen,
Bewertungsmaßstäbe, Metaphern, Klassiker und Bildungsgüter entwickelt. In diesem Sinne gibt es, auch
wenn viele Bildungsbürger das nicht wahrhaben wollen, eine zwar junge, aber eine echte neue Kultur
der Computer und Medien.

In den Köpfen traditioneller Bildungsbürger sitzt oft noch das Klischee fest, daß die Beschäftigung mit
Computern und Medien zwangsläufig mit Illiterarität und Verlust traditioneller Bildungsgüter einhergehen
muß. Das ist aber nur der Fall, wenn man unter Computer- und Medienkompetenz, wie heute vielfach
noch, lediglich versteht, einen Rechner starten, einen Browser bedienen oder in MS Word einen Brief
tippen zu können. Wenn es sich darauf beschränkt, sieht die Computerwelt tatsächlich ziemlich kulturlos
aus.

Wenn Kinder aber z.B. im Vorschulalter eine speziell zu diesem Zweck entwickelte Programmiersprache
wie Logo lernen (die kein Spielzeug, sondern eine vollwertige Programmiersprache ist), hat das tatsächlich
ähnlich heilsame Auswirkungen wie Sprach-. Mathematik- oder Musikunterricht, weil dabei ähnliche kognitive
Instanzen im Gehirn angsprochen werden. Wenn Kindern die Grundzüge der Mengenlehre beigebracht werden,
damit sie die Grundlagen der Mathematik verstehen, sollten sie auch die Grundzüge der Schaltalgebra lernen,
damit sie verstehen, vor welcher Art von Maschinen sie einen Großteil ihres Lebens sitzen werden, und sich
nicht ein X für ein U vormachen lassen.

In seinem Text "How to Become a Hacker"* hält der Computer-Aktivist Derek Raymond an ziemlich oberster
Stelle einen bemerkenswerten Tip für angehende Programmierer bereit: Lerne Deine Sprache. Schreibe gutes
Englisch. Kein Hacker wird Dich für voll nehmen, wenn Du keine korrekten Sätze formulieren kannst. Praktisch
alle Weltklasse-Programmierer - kein Bill Gates, für den immer andere alles gemacht haben, sondern Torvalds,
Joy, Gosling usw. usw. - sind erstklassige Prosaautoren, die sich mühelos zwischen zwei, drei und manchmal
noch mehr Sprachen bewegen. Viele sind obendrein gute Mathematiker oder sogar Musiker. Und wen sollte
es wundern? Sie haben die Köpfe dafür. Durch die ernsthafte Beschäftigung mit der Cyberkultur haben sie
universelle Fähigkeiten ausgebildet, die sich in unterschiedlichen Richtungen anwenden lassen.

Das traditionelle Bildungsbürgertum hat hier, scheint mir, ganz elementare Entwicklungen verpaßt oder ist
gerade dabei, zum Schaden der nachwachsenden Generationen. Auch und gerade wenn einem die Kunst/
Kultur am Herzen liegt, sollte einen diese Entwicklung beunruhigen. Wenn es nicht gelingt, die traditionelle
Bildung mit der Weltkultur und der Cyberkultur zu fusionieren, wird es am Ende gar keine Kultur mehr geben.

Gruß
MKI

* Daß "Hacker" gern mit "Crackern" verwechselt werden - zwei völlig unterschiedliche Szenen - ist, nebenbei,
nur ein Sympton für die allgemeine Computer-Unbildung.

#35 Gast_Michael Iwoleit_*

Gast_Michael Iwoleit_*
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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 13:11

Ein "rant" ist ein erboster Wortschwall.


Jetzt versuche ich mal, etwas besonnener zu argumentieren, und bin immer
noch am "ranten". Seufz...

Bearbeitet von Michael Iwoleit, 11 Oktober 2010 - 13:11.


#36 Gast_Michael Iwoleit_*

Gast_Michael Iwoleit_*
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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 13:18

Ich denke mal, jedes auch nur im mindesten sinnvolle Kriterium für Textqualität muss man auch an den Texten feststellen
können, ohne erst mal den Autor fragen zu müssen, was für eine Neigung er denn hat (oder über diese Neigung zu
spekulieren). Wenn man dann ein formal analysierbares Kriterium hat, dann kann man auch anfangen, darüber zu
diskutieren, ob es überhaupt sinnvoll ist.


Über Textqualität habe ich gar nicht so viel gesagt. Es ging erstmal darum. einige Genre-Merkmale zu identifizieren,
und die kann man nicht ausschließlich textimmanent festmachen, sondern nur in Bezug zum kulturellen Umfeld,
in dem sich ein Genre formiert. Und im übrigen scheinst Du ein kurzes, eher essayistisches Statement mit einer
wissenschaftlichen Aussage zu verwechseln, die sie weder sein kann noch will.

Gruß
MKI

#37 Lucardus

Lucardus

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 13:23

Es ist eine Sache, wenn sich ein Autor aus persönlicher Neigung und Interesse mit Ideen beschäftigt,
die schon einmal da waren. Das tun wir alle mehr oder weniger. Von Exploitation würde ich erst
reden, wenn sich ein Autor systematisch an Ideen und Themen anhängt, die ihm im gegebenen
Moment am erfolgsversprechendsten erscheinen, unabhängig von eigener Neigung und Kreativitöt.
Die Übergänge vom einen zum anderen sind sicher fließend.


Ich nehme an, du meinst z. B. auch die derzeit rollende Welle der Zombiesierung (oder Verwerwolfung) von Klassikern
der (Unterhaltungs-)Literatur, was ursprünglich mal eine originelle Idee war und jetzt bis zum Erbrechen ausgeweidet wird. Die deutschen Lokalisierungen (Karl May unter Werwölfen) kommen ja auch gerade völlig unerwartet und so zufällig wie die Benzinpreissteigerung zum Ferienanfang auf den Markt. :coool:

Ich würde darunter aber auch die "Abschöpfer" zählen, die vom Erbe und der Orginalität eines anderen Autoren schöpfen, bis alles kaputt geschrieben ist, was noch an Würde da war. Frank Herberts Dune ist so ein Beispiel, wo aus jedem Bierdeckel, den Herbert angeblich mal bekritzelt hat, eine Trilogie hervorgebläht wird, die natürlich eine ähnliche stoffliche und handwerkliche Dichte aufweist wie eine echte Blähung. Leider stinkt sie dann nicht einmal ordentlich.

Bei Eschbach bin ich mir auch nicht sicher, ob er Ideen abschöpft, die ihm gerade zeitgemäß und verkaufbar erscheinen. Ich habe seine neueren Werke nicht mehr gelesen, weil sie mir persönlich zu "mainstreamig" sind und ich seinen Stil auch nicht so hinreißend finde, dass ich es allein deswegen lesen müsste. Toll bei Eschbach finde ich, dass er auch SF-Jugendbücher schreibt. Und das Thema Mars würde ich nicht gerade als Mode-Erscheinung sehen, das ist ein klassisches Thema der SF in modernem Gewand. Dafür würde ich ihm einen Preis verleihen. Da fällt mir auf: gibt es beim DPP eine Kategorie Jugendbuch?

Ich glaube, es wird auch immer schwerer Originalität zu wahren, wenn man selbst als Autor im "Markt" drin ist. Ich kenne zumindest einen Autor (auch persönlich), der wirklich toll schreiben kann und originelle Ideen hat. Ich habe seinen letzten Roman gekauft, weil er von ihm war und nicht wegen des Themas (ja, es handelte sich um einen "Völkerroman"). Der Roman war enttäuschend. Das war nicht er. Später in einem Interview kam auch heraus, die Idee dazu sei ihm vom Verlag vorgeschlagen worden. Es ist auch eine Fortsetzung erschienen. Ich schätze ihn deshalb nicht weniger. Es ist auch für viele eine Frage des Brot-und-Butter-Handwerks.

Was man als Leser bestenfalls tun kann, ist die Bücher zu empfehlen, die sich durch Originalität oder (was nicht herabmindernd gemeint ist) die sorgfältige Ausarbeitung schon da gewesener Themen herausheben. Das macht durch die enorme Präsenz der Medien (fast alle Fernsehbuchsendungen berichten über die selben Bücher) zwar nur den Tropfen auf dem heißen Stein, aber auch Potter hat sich (wenn ich mich recht entsinne) zunächst durch Mundpropaganda so weit entwickelt.

Ich lese gerade einen "Spukhaus" Roman von Gene Wolfe. Das Thema ist alt. Jemand zieht in ein Haus ein, und da geschehen seltsame Dinge. Der Titel macht auch keinen Hehl daraus, worum es geht: "The Sorcerer's House". Die Umsetzung finde ich hingegen mitreißend und ganz klar mit Wolfes Handschrift versehen. Ich glaube, Wolfe könnte ein Kochbuch schreiben und es wäre eben ein "Wolfe". Solche Autoren gibt es, die sind mir lieb und teuer.

Nachdenklich macht mich eher, dass z. B. bei den Neuvorstellungen (auch bei Locus) nahezu alle Romane Bestandteile von Serien sind. Damit allein ist schon Originalität des Themas eingeschränkt, da der Autor oft lange bei einem Grundthema verweilt oder auch niemals mehr davon wegkommt. Die Fantasy ist dabei deutlich stärker betroffen, bei der SF sind es dann eher die "Space Operas".

Das totale Ausschöpfen der eigenen, vielleicht sogar originellen, Ideen ist eigentlich genauso schlimm, wie das bewusste Schreiben für den Markt.
Goodreads: Ich lese gerade" (sorry, nur für "Mitglieder" sichtbar)
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#38 Diboo

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 13:26

Da fällt mir auf: gibt es beim DPP eine Kategorie Jugendbuch?


Nein. Würde sich das quantitativ lohnen? Ernsthafte Frage, ich weiß es wirklich nicht.

Nachdenklich macht mich eher, dass z. B. bei den Neuvorstellungen (auch bei Locus) nahezu alle Romane Bestandteile von Serien sind. Damit allein ist schon Originalität des Themas eingeschränkt, da der Autor oft lange bei einem Grundthema verweilt oder auch niemals mehr davon wegkommt. Die Fantasy ist dabei deutlich stärker betroffen, bei der SF sind es dann eher die "Space Operas".


Aber das entspricht dem Leseverhalten vieler Menschen, u. a. dem meinen. Wenn ich von einem Universum was Gutes gelesen habe, will ich mehr davon. Ich bin ein großer Freund der Fortsetzung.

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#39 Beverly

Beverly

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 13:35

Hm, Autoren schreiben sicherlich aus den unterschiedlichsten Gründen. Einer davon ist auch, daß sie einen gewissen Spaß daran daran.

Dann sollte man aber auch nicht gänzlich vergessen, daß das Buch eine Ware ist und viele Autoren versuchen, aus dem Verkauf ihr Leben zu bestreiten.

Unter diesem Aspekt zählt keine "literarische" Qualität, sondern allein der Markt und was dieser hergibt.

Daß Buchware von Autoren in gewiß nicht unbedeutendem Umfang marktorientiert produziert wird, dürfte hier doch nun wirklich niemanden überraschen. Und daran ist auch gar nichts Anstößiges. Genauso wenig es anstößig ist, wenn jemand in einem Warenhaus Flaschen ins Regal stellt und damit ewas für seinen Lebensunterhalt tut.

Am Markt vorbeizuschreiben ist und war schon immer tödlich. Nur wer seine Einkünfte aus anderen Quellen bezieht, kann sich das leisten und dann vielleicht auch "literarisch Hochwertiges" - was immer das auch sein mag - produzieren.


Zugespitzt formuliert: Autoren sollen das schreiben, worauf sie Lust haben und wonach ihnen der Sinn steht. Wenn jemand Unterhaltungsliteratur schreibt, die schnell gekauft und weggelesen wird - gut! Wenn jemand eher anspruchsvoll schreibt, für ein Nischenpublikum oder experimentell - auch gut!
Es wird nur schlecht, wenn irgendeine Instanz Zensur ausübt, sei es "Reichskulturkammer" oder "Markt". Es wird auch schlecht, wenn Autoren resp. Intellektuelle nur noch das schreiben und sagen, was bei der Zensur ausübenden Instanz "ankommt".

#40 Lomax

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 13:38

ich muss zugebene, ich habe keine Ahnung was ein "Rant" ist - Aufklärung?"

Wenn ich im Deutschen die wesentlichen Konnotationen erhalten will, würde ich es wohl mit "durch unverbindliche Phrasen sich ganz allgemein ereifern" umschreiben. Im Sinne des Unterschieds zwischen "zielorientiert argumentieren" und "seinem Ärger Luft machen" wollen ...

Wie würdest du das Eingangspost schreiben damit es mehr als ein "Rant" ist

Präziser. Und dann habe ich meine Zweifel, dass es sich so formulieren lässt, dass eine wirklich greifbare und sinnvolle Aussage herauskommt.
Die erste Schwäche des Eingangspostings ist in meinen Augen, dass literarische und "weltliche" Vorbilder in einen Topf geworfen werden - nach Michaels Aussage ist es ja dieselbe "Exploitation", ob ein Autor den ersten großen Roman über Klimawandel schreibt, wenn der Klimawandel gerade in den Medien ein großes Thema ist, oder ob ein Autor den 6. Harry-Potter-Klon schreibt. Ich bezweifle, dass sich die "Exploitation" des "Zeitgeists", "brandheißer Themen" sich wirklich 1:1 mit dem "Aufspringen auf einen literarischen Trend" vermischen lässt - denn das Aufgreifen aktueller Themen ist ja gerade auch ein wünschenswertes Kriterium für wertige Literatur. Da dürfte es schwierig werden, zu unterscheiden, wann ein Autor als wertiger Trendsetter gesellschaftlich bedeutsame Themen aufgreift und literarisch verarbeitet, und wann er nur verwerflicherweise auf ein Thema "aufspringt".
Da wären dann meine Zweifel, ob man überhaupt sinnvollerweise das Aufgreifen heißer gesellschaftlicher Themen für die Literatur als "Exploitation" verurteilen kann - vor allem dann, wenn das Thema bis dahin wirklich nur "da draußen" ist und noch nicht adäquat in der Literatur angekommen.
Exploitation als das Anhängen an literarische oder auf dem Buchmarkt schon präsente Trends - das hätte ich erst mal als präziseres und deutlich diskussionsfähigere These angesehen. Aber auch da kommen mir persönlich Zweifel, ob das bei näherer Betrachtung wirklich so greift. Klar fällt es auf, dass nach einem "Harry Potter" erst mal ein halbes Dutzend weitere nachkommen, und der erste Reflex ist es, sich darüber ärgern. Aber lässt sich das Phänomen dann wirklich unter dem Begriff "Exploitation" eingrenzen?
Bei näherer Betrachtung stellt man dann nämlich fest, dass unter den "Harry Potter Klonen" zwar viele Bücher sind, die tatsächlich wie Klone wirken - aber immer auch ein paar Bücher, die auf den Trend aufspringen, aber tatsächlich so eigenständig sind wie dutzende Bücher vor dem Trend und die ohne "Harry Potter" auch ohne das Label bestehen könnten. In dem Falle wird der Trend zum reinen Marketinginstrument und führt dazu, dass seitens der Verlage Bücher auf eine "Trendschiene" gesetzt werden, die eigentlich nur ein paar oberflächliche Ähnlichkeiten haben und im Grunde herzlich wenig mit dem Trend zu tun.
Und selbst wenn die Ähnlichkeiten größer sind, bin ich schon aus eigener Erfahrung vorsichtig damit, von "Exploitation" zu sprechen. Ich nämlich sammle als Autor seit mittlerweile 25 Jahren Ideen und Exposees in Notizbüchern, und ich muss sagen: Manche Themen scheinen wirklich in der Luft zu liegen. Mancher Romanentwurf, den ich in meiner Jugend mal eben notiert habe und der damals wirklich neu gewesen wäre, ist inzwischen schon zum Trend geworden ... und teilweise schon wieder gegangen. Ich gehe mal davon aus, vielen Autoren geht es so - sie haben Ideen schon lange gehabt und schreiben sie nicht unbedingt für den Trend; sie können ihre Ideen nur besser verkaufen und finden dann einen Verlag dafür, wenn ein anderer Titel gerade einen Trend angestoßen hat. Sprich: Manches davon, was wie Exploitation wirkt, ist möglicherweise sogar vor und auf jeden Fall unabhängig von dem scheinbaren Trendsetter entstanden und hätte dementsprechend auch unabhängig davon erscheinen können.
Wäre es für einen Autor dann automatisch hochwertiger, auf die Verwertung eines Romans zu verzichten, wenn ein anderer eine ähnliche Idee schon gebracht hat? Auf den ersten Blick ... vielleicht. Aber bei näherer Betrachtung kommen Zweifel. Ein Roman wirkt womöglich weniger originell, wenn er nicht der erste zum Thema ist - aber er wird dadurch ja nicht als Werk an sich schlechter, wenn er unabhängig vom früher erschienen Werk entstanden ist. In gewisser Hinsicht könnte man auch sagen, der Autor wäre blöd, einen fertigen Roman nicht zu verkaufen, wenn gerade ein ähnlicher erschienen ist und die Verlage händeringend nach "etwas wie XX" suchen. Aber das wäre dann vielleicht zu schnöde kommerziell argumentiert.
Ideell allerdings stelle ich fest, dass ich immer noch ein paar Ideen in meinem Ideenbuch finde, die damals, als ich sie aufschrieb, neu waren, die es jetzt nicht mehr wären - die ich aber trotzdem nicht aufgegeben habe und nicht aufgeben will. Einfach, weil ich das Gefühl habe, dass das Thema nicht mehr neu ist - aber die Umsetzung. Denn wenn ich als Autor das Gefühl habe, die bisherigen Umsetzungen lassen genau das vermissen, was ich im Sinn hatte, ist es dann nicht gerade ein guter Grund, das Buch trotzdem zu bringen, sozusagen als "Gegenmeinung" zu einem innerliterarischen Diskurs zu dem Thema, der sich durch die Summe aller Bücher mit vergleichbarem Thema aufspannt? So viel jedenfalls dann, wenn der Autor tatsächlich vorhat, etwas eigenes hinzuzufügen und nicht nur auf "den Zug aufzuspringen".
Und damit wären wir dann wieder bei dem Konzept, dass ich gerade bei Michael kritisiert habe: Das nämlich die Qualität des Werkes sich nur daran festmachen lässt, "was der Autor sich dabei gedacht hat". Und ich habe das Gefühl, der Ansatz der Argumentation über "Exploitation" führt fast zwangsläufig an diesen Punkt ... auch wenn das erste Posting noch Spielraum für formalistische Differenzierungen lässt. Aber, wie aufgeführt, ich sehe in der Praxis eine Menge konkreter Werke, die aus der einen Richtung betrachtet Ansätze zu eigenständiger Wertigkeit bieten, aus der anderen Seite durchaus in einen "Trend" eingebunden sind; und die Differenzierung dazwischen liegt dann allzu oft im Auge des Betrachters, ob er den "eigenständigen Wert und Ansatz" erkennen kann - und landet damit in Geschmacklichkeit und Spekulation.

Darum, nein, wüsste ich nicht wirklich, wie ich das Eingangspost formulieren würde, damit es mehr wird als ein "Rant". Ich sehe genug Beispiele auf dem Literaturmarkt, die durchaus dazu einladen, von "Exploitation" zu sprechen. Ich sehe aber auch jede Menge Probleme, die mich daran zweifeln lassen, ob sich das als literaturwissenschaftlich sinnvolle Kategorie formulieren lässt.
Ich denke, es ist ein Ansatz, der einem unter den Fingern zerbröselt, sobald man versucht, ihn zu präzisieren.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)

#41 Diboo

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 13:42

Zugespitzt formuliert: Autoren sollen das schreiben, worauf sie Lust haben und wonach ihnen der Sinn steht. Wenn jemand Unterhaltungsliteratur schreibt, die schnell gekauft und weggelesen wird - gut! Wenn jemand eher anspruchsvoll schreibt, für ein Nischenpublikum oder experimentell - auch gut!
Es wird nur schlecht, wenn irgendeine Instanz Zensur ausübt, sei es "Reichskulturkammer" oder "Markt". Es wird auch schlecht, wenn Autoren resp. Intellektuelle nur noch das schreiben und sagen, was bei der Zensur ausübenden Instanz "ankommt".


Der Markt zensiert nicht. Niemand wird daran gehindert, seine Werke der Nachfrage auszusetzen. Einzelne Marktakteure mögen meine Romane nicht nehmen wollen, aber es finden sich immer andere und notfalls könnte ich selbst direkt der Anbieter werden. Das heißt natürlich nicht, dass die Nachfrage tatsächlich besteht. Aber das ist eben das Risiko, das jeder Anbieter eingeht.

"Alles, was es wert ist, getan zu werden, ist es auch wert, für Geld getan zu werden."
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#42 Gast_Michael Iwoleit_*

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 13:48

Jetzt wird's gerade richtig spannend, und ich muß für ein paar Stunden raus, um mir ein paar Brötchen zu verdienen. Ganz kurz aber: Sollte ich mal einen auführlicheren Essay zu dem Thema schreiben, hätten mich einige Statemenrts hier zumindest mit guten Anregungen versorgt. Bei manchen Themen ist ein schrittweises Einkreisen vielleicht die bessere Methode als eine strikte Definitions-Schlußfolgerungs-Struktur. Ich erinnere an Susan Sontags berühmten Essay "Anmerkungen zu 'Camp'", der am Ende, ohne das Phänomen des Camp-Stils eindeutig zu definieren, völlig klar gemacht hat, was "Camp" ist. Gruß MKI

#43 Lucardus

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 13:57

Nein. Würde sich das quantitativ lohnen? Ernsthafte Frage, ich weiß es wirklich nicht.

Sicher bin ich mir auch nicht, aber es wäre vielleicht einen Versuch wert. Dann stellt sich höchstens die Frage, ob man damit die von den Eltern für würdig erachteten Bücher prämiert oder die von den Kindern/Jugendlichen prämierten. Vielleicht könnte man die Abstimmung dann mit fiesen Fragen über Mangas und andere Jugendkultur für Erwachsene "unzugänglich" machen, um Eltern auszufiltern. :coool:

Aber das entspricht dem Leseverhalten vieler Menschen, u. a. dem meinen. Wenn ich von einem Universum was Gutes gelesen habe, will ich mehr davon. Ich bin ein großer Freund der Fortsetzung.

Ich bin mir dessen bewusst, ich bin im Prinzip auch nicht viel anders gestrickt. Habe auch z. B. nichts gegen Trilogien, wenn sie Substanz bieten, aber die allermeisten Vielbänder (5+) sind einfach irgendwann nur noch heiße Luft. Das ist oft kein Universum, sondern ein Hohlkörper, der durch den Erfolg am Leben erhalten werden muss. Es fehlt an Substanz. Es wird einfach ein Mehrteiler angesetzt, wo man früher einen allein stehenden Roman beim Verlag untergebracht hätte. Die Grundidee oder das Konzept reicht aber eigentlich höchstens für einen Roman. Ansonsten darf ich ja als langjähriger Perry Rhodan Leser nicht meckern. Aber z. B. Mark Brandis zeigt, dass man ohne weiteres auch eine Reihe hinlegen kann, die nicht langweilig wird. Nur sind die Ideen halt nicht über 5 oder 6 oder 10 Bände ausgewalzt, sondern das Universum dient als Kulisse. Das ist ok, wenn die Kulisse auf soliden Füßen steht.
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#44 Pogopuschel

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 14:06

Nein. Würde sich das quantitativ lohnen? Ernsthafte Frage, ich weiß es wirklich nicht.


Da ich mich ja gerad auf einer Mission für das Jugendbuch befinde :coool: sage ich - unbedingt. Vielleicht bekommt man dadurch auch Jugendbuchautoren zu Lesungen auf die Bucon (auch wenn das natürlich nicht die Aufgabe eines Preises ist).

#45 Stormking

Stormking

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 14:14

Habe auch z. B. nichts gegen Trilogien, wenn sie Substanz bieten, aber die allermeisten Vielbänder (5+) sind einfach irgendwann nur noch heiße Luft. Das ist oft kein Universum, sondern ein Hohlkörper, der durch den Erfolg am Leben erhalten werden muss.

Ich nenne das das Star-Trek-Phänomen. Irgendwann ist das Serienuniversum derart bunt und beliebig geworden, daß es im Prinzip nicht mehr vom Star-Trek-Universum zu unterscheiden ist. Im TV-Bereich ist das z.B. bei Stargate passiert. Am Anfang stand ein vielleicht nicht sonderlich anspruchsvoller, aber dafür stylischer Film, nach zehn Seasons TV-Serie war es ein völlig beliebiges SciFi-Universum geworden, mit bewohnten Planeten an jeder Ecke, für jedes Klischee ein eigenes außerirdisches "Volk" und soviel Raumverkehr, daß man eigentlich Ampeln im Erdorbit aufstellen müßte.

#46 Beverly

Beverly

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 14:25

Als bekennender Exploitation-Autor - in meinen Romane findet sich nicht ein Funke sonderlicher Originalität! - kann ich nur sagen: JA! Und: Es macht großen Spaß!


Nicht alles am Schreiben macht Spaß. Vielleicht es ist sogar gut, dass Manches, wie Korrektur lesen, eher mühselig ist, weil man sich da als Autor ebenso abplagen muss wie andere Menschen mit ihrer Arbeit auch. Aber das Schreiben muss etwas sein, was man gerne macht.

Vor allem dann, wenn einem am Genre gefällt, dass viele Autoren die bekannten Geschichten mit unterschiedlichen Charakteren und unterschiedlichem Stil und der einen oder anderen Wendung immer wieder neu erzählen. Ich bin mir sicher, dass das nicht nur mir so geht. Hin und wieder mal was Außergewöhnliches, na gut. Aber bei 90 % meiner Lektüre hätte ich gerne immer wieder nur das, von dem ich genau weiß, dass es mir zu lesen Spaß macht. Und das soll auch bitte fleißig weiter geschrieben werden.


Es können ganz unterschiedliche Dinge sein, die mir beim Lesen Spaß machen und oft sind das recht intellektuelle Aspekte. Aber Spaß muss das Lesen machen.

#47 Lomax

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 15:03

Jetzt versuche ich mal, etwas besonnener zu argumentieren, und bin immer
noch am "ranten".

Ich denke mal, mit dem, was im gesperrten Thread Anstoß erregte und was jetzt anderswo so heiß diskutiert wird, hat "Ranting" gar nichts zu tun. Seinen Unmut äußern über eine bestehende Entwicklung ist ja nichts, was unbedingt Anstoß erregt. Es verstößt gegen keine "Nettikette", und es muss nicht immer gleich eine literaturwissenschaftliche Diskussion dabei rumkommen. Wenn genug Leute den Unmut teilen, gibts vermutlich sogar viel Zustimmung auf der Gefühlsebene ... ich sage halt nur, es kommt letztlich auch nicht mehr dabei raus als das Schulterklopfen in der Peer Group, und solche Diskussionen habe ich zu mehr oder minder verwandten Themen schon so oft erlebt, dass ich nicht mehr das Gefühl habe, da wirklich noch was Neues zu sagen zu können.
Das Eingangsposting war halt, nach allen Erfahrungen mit ähnlichen Diskussionen, so, dass ich mir davon keinen weitergehenden Erkenntnisgewinn mehr versprochen habe und darum auch eigentlich nichts dazu schreiben wollte. Bis dann mit dem "Wichtig ist nur, was der Autor denkt" nach meiner Empfindung ein Punkt erreicht war, wo die Kriterien endgültig dem literarischen Anspruch, der hiermit ja vertreten werden sollte, Hohn sprachen. Da ist die Diskrepanz zwischen Fundierung und Anspruch dann wirklich so groß, dass man sich fragen muss, ob man tatsächlich noch von einer zumindest qualitativ höheren Position gegen den "Geschmack der Masse" argumentieren kann.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)

#48 Beverly

Beverly

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 15:27

Es ist eine Sache, wenn sich ein Autor aus persönlicher Neigung und Interesse mit Ideen beschäftigt,
die schon einmal da waren. Das tun wir alle mehr oder weniger. Von Exploitation würde ich erst
reden, wenn sich ein Autor systematisch an Ideen und Themen anhängt, die ihm im gegebenen
Moment am erfolgsversprechendsten erscheinen, unabhängig von eigener Neigung und Kreativitöt.
Die Übergänge vom einen zum anderen sind sicher fließend.


Ich selbst habe als Leser von Science Fiction und bei SF-Filmen viele tolle Ideen kennen gelernt:

- die Übertragung von Bewusstseinen von Körper zu Körper bei H. G. Wells
- in Star Trek "Gateways" der Iconianer, mit denen man in Sofortzeit jeden Ort in der Milchstraße erreichen kann
- eine Zivlisation in Schwerelosigkeit in Romanen von Larry Niven und Lois McMaster Bujold
- eine Kultur mit drei Geschlechtern (DAS SPIEL AZAD von Iain Banks)
- Unsterblichkeit bei "Perry Rhodan"
- die Erschaffung künstlicher Universen in "World of Tiers" von Philipp José Farmer

Mir ist bei diesen Ideen zweierlei aufgefallen. Die, die sie hatten, nutzten sie selbst nicht richtig aus bzw. dachten ihre Konsequenzen nicht zu Ende. Bei Wells ist die Übertragung von Bewusstseinen nur der Plot in einer Horrorgeschichte, die Gateways der Iconianer werden geheim gehalten oder sogar zerstört, weil dann alle Raumschiffe reif fürs Abwracken sind, die Kultur mit drei Geschlechtern bei Banks ist noch repressiver als ein zweigeschlechtliches Patriarchat und bei "Perry Rhodan" ist nur eine kleine Elite unsterblich. Komischerweise rückten auch keine Exploiters an, die mit einem Verlag und Marketing im Rücken diese Ideen zu Ende dachten und einem breiten Publikum präsentierten. An den gescholtenen Exploitern fällt dagegen auf, dass sie mit viel Trara 08/15-Ideen präsentieren. So ist DER SCHWARM nur eine aufgeblähte Schmonzette über Monster in der Tiefsee.

Hätte ich fast vergessen: bei Dan Simmons HYPERION gibt es die Farcaster und die Unsterblichkeit. Aber die Farcaster funktionieren nach dem "Fall" nicht mehr und die Unsterblichkeit qua "Kruziform" wird als Horrortrip dargestellt.

Fazit: Wenn wirklich fantastische Ideen kommen, werden sie nur zu oft schlecht gemacht und als Bedrohung dargestellt.

Sorry für die Eigenwerbung, aber oft habe ich das Gefühl, Geschichten, wo alle Menschen mit einem "Gateway" reisen können, wohin so wollen und sie so lange leben können, wie es für sie Sinn macht, selbst schreiben zu müssen. Von drei und mehr Geschlechtern ganz zu schweigen ...

#49 Henrik Fisch

Henrik Fisch

    Soeinnaut

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 17:24

Ein Buch ist erst einmal ein Kulturgut und lange, lange danach, wenn überhaupt, eine Ware.

Das schließt einander nicht aus.

Und eigentlich sehe ich es genau umgekehrt: Ein Buch ist zuallererst mal eine Ware, für die man Geld hinblättern muss. Genau wie für jede andere Ware wie Lebensmittel, Kleidung und so weiter. Erst danach, wenn man das Buch gekauft hat, hat es die Chance zum Kulturgut zu werden, weil es nämlich erst dann gelesen und in die Gedanken des Käufers einsickern kann. Was nützen sonst Lagerhäuser voller Kulturgüter, die keine Sau interessiert (weil nicht gekauft)?

Und ein Kulturgut ist es schlussendlich auch nur dann, wenn man sich für eine Kultur interessiert und mit Hilfe von Büchern mehr über diese Kultur erfahren möchte. Zum Beispiel Historiker.

Bis dennen,
Henrik
Gerade fertig gelesen
Gregory Benford, Larry Niven, "Himmelsjäger"
Gerade am Lesen
Gregory Benford, Larry Niven, "Sternenflüge"
Gerade gesehen
Serie "Mad Men"

#50 Andreas Eschbach

Andreas Eschbach

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 19:37

was mir an Autoren wie Frank Schätzing und, in weit geringem Maße freilich, an Andreas Eschbach mißfällt, ist der Umstand, daß sie im Grunde auf literarischem Gebiet etwas fortsetzen, was im Kino der Sechziger- bis Achtzigerjahre als "Exploitation" bezeichnet wurde.

Die Vertreter des Exploitation-Genres waren künstlerische Zweit- und Resteverwerter. Sie haben keine eigenen thematischen Innovationen gesetzt, sondern sich an vorhandene Erfolge, Themen und Diskussionen angehängt, seien es Sex, Crime, oberflächliche Exotismen oder was auch immer.
Exploitation auf literarischem Gebiet beschränkt sich nicht auf offenkundige Versuche, die Erfolge anderer für sich auszuschlachten (von Harry-Potter-Imitationen bis zur Woge pseudotheologischer Thriller im Gefolge Dan Browns). Sie ist Ausdruck einer generellen geistigen Unbeweglichkeit von Schriftstellern, die sich in Ermangelung eigener originärer Konzepte auf externe Anstöße verlassen müssen (was nur in den seltensten Fällen zu überzeugenden Ergebnissen führt).


Ich habe jetzt den ganzen Thread gelesen, verstehe aber offen gestanden immer noch nicht genau, was Du meinst, Michael. Mag an meiner geistigen Unbeweglichkeit liegen, sowas kann man selber ja immer schwer beurteilen, aber es wäre doch hilfreich, wenn Du genauer ausführen könntest, wo z.B. ich mit welchem Buch Deiner Meinung nach welche Sünde im Sinne dieser ominösen "Exploitation" begehe.

Ich kann für mich nur sagen, dass ich immer die Bücher schreibe, die mir fehlen. Und in der Regel fehlen sie mir, weil es sie nicht gibt, oder jedenfalls nicht so, wie ich sie gerne hätte.

Ob die Grundidee des jeweiligen Buches rasend originell und noch nie dagewesen ist, interessiert mich dabei erst in zweiter Linie. Schön, wenn's so ist, aber das Wichtigste ist mir, dass sie mich fasziniert. Und mich faszinieren manchmal eben Themen, die gerade (oder schon länger) im Gespräch sind. Peak Oil. Wahlcomputer. Der Nobelpreis. Es könnten ja auch andere Autoren daraus schon lange nicht zu überbietende Romane gemacht haben: Haben sie aber nicht. (Wäre eine interessante Frage, warum eigentlich nicht!) Also mach ich es halt selber.

Anbei: Wenn wir darauf bestehen, dass nur der SF-Roman mit einer noch nie dagewesenen Idee "gültig" ist, dann können wir den Laden sowieso zumachen, denn spätestens Stanislaw Lem hat jede Idee schon gehabt.

Zum Kollegen Schätzing kann ich aus meiner Sicht anmerken, dass ich den "Schwarm" in der ersten Hälfte ausgesprochen inspiriert empfand; lediglich der Showdown war mir zu konstruiert. Aber die Idee der "Yrr" war großartig, und das auf "halt ein Roman über Monster in der Tiefe" zu reduzieren (wie ich das hier irgendwo gelesen habe) verkennt die Dimension dieses Bildes in atemberaubender Weise. Ich wüsste nicht, wo Schätzing hier irgendwas "exploitet" haben soll. Im Gegenteil, das Faszinosum des "Schwarms" war doch, dass er einem ein ganz neues Bewusstsein für die Rätsel der real existierenden (und weitgehend unbekannten) Tiefsee vermittelt; das war etwas Neues, so schon lange nicht mehr Dagewesenes: Und das, wenn irgendetwas, hat den Erfolg dieses Buches bewirkt.

Und "Limit"? Ich hab's mit ziemlichem Vergnügen gelesen, fand es besser geschrieben, aber weniger faszinierend als den "Schwarm". Leitet sich der Erfolg von "Limit" wirklich daraus her, dass Schätzing massenhaft Reminiszenzen an alte SF-Filme, Serien usw. bringt? Ganz bestimmt nicht. Maßgeblich waren das geschickte Marketing und der Name des Autors, den sich viele gemerkt haben, und mit diesem Trick hat er der deutschen Leserschaft einen Roman untergejubelt, der quasi ein "Best of SF Novels" ist und der, stammte er nicht von dem Bestsellerautor Schätzing, unverkäuflich gewesen wäre.

Der vermutlich wichtigste Exploitation-Autor mit SF-Bezug war Michael Crichton. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen,
ist Crichtons Werk eine Umkehrung des klassischen Hase-Igel-Spiels: Wo immer sich Michael Crichton hinbewegte, seine Themen waren schon vor ihm da. Autoren wie Crichton agieren nie, sie reagieren nur. Kocht die Gender-Debatte mal wieder hoch, kommt Mr. Crichton auf die wenig originelle Idee, einen Mann zum Opfer eines sexuellen Übergriffs zu machen.


Das ist Ansichtssache. Ich fand das eine originelle Idee. Wie gesagt: Hätten ja auch andere drauf kommen können. Sind aber nicht. Und was, wenn nicht das, ist das Kennzeichen einer originellen Idee?

Werden in einem medialen Sommerloch zum 1,5millionsten Male die lieben Dinosaurier bemüht, schreibt Herr
Crichton Jurassic Park.


Da bist Du falsch unterrichtet. "Jurassic Park" war zehn Jahre lang ein Drehbuch, das keinen Produzenten fand, sodass Crichton sich entschloss, einen Roman daraus zu machen. Seinen besten, meiner Ansicht nach.

Und für Dinosaurier braucht man kein Sommerloch, die sind seit hundert Jahren Dauerthema und gehen immer.

Am anderen Ende des Spektrums dieser Diskussion steht, jedermann zur Warnung, allerdings eine eigenartige Literaturkritik und -praxis, die bei Autoren zwar immer wieder die Pflicht zur "Welthaltigkeit" anmahnt, gleichzeitig aber ein Wort wie "Waldsterben" für literaturunfähig und aktuelle Bezüge etwa zur Massenarbeitslosigkeit für eines ernsthaften Schriftstellers unwürdig hält.


Ich frage mich, ob die "Exploitation"-These nicht genau in diese Falle geht. Wenn man keinen Roman zur Gender-Debatte schreiben darf, nur weil es das Thema schon gibt - das ist doch ein ziemlich schräger Vorwurf, oder? Dann dürfte man im Grunde gar nichts schreiben.

#51 Andreas Eschbach

Andreas Eschbach

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 19:51

Bei Eschbach bin ich mir auch nicht sicher, ob er Ideen abschöpft, die ihm gerade zeitgemäß und verkaufbar erscheinen.


Na ja. Das ist der Standardvorwurf, den alle einigermaßen erfolgreichen Autoren zu hören kriegen. Also nix Originelles, tut mir leid! :D

Was die Kreativität von Autoren übrigens tatsächlich einschränkt, ist Einflussnahme seitens der Verlage. Im Grunde möchte der Verlag, dass ein Autor sein erfolgreiches Buch einfach nochmal schreibt, und dann nochmal, und nochmal ... nur halt immer ein klein bisschen anders. Experimente werden eher ungern gesehen. Das (und nicht irgendein ominöser "Exploitation Trend") ist die stärkste verflachende Kraft in der Literatur.

Dagegen anzugehen ist richtig schwierig. Ich kenne viele Kollegen, die darunter leiden. Die jede Menge Ideen hätten für ganz andere Bücher als alles, was sie bisher geschrieben haben - aber ihr Verlag will diese Bücher nicht, sondern Band zwölf-und-fuffzig der beliebten und erfolgreichen Reihe, die ihre Fans hat und weggeht wie warme Semmeln.

Ich bin von derartigen Einflussversuchen auch nicht ausgenommen, konnte ihnen aber, wie man anhand meiner Bibliografie unschwer sieht, bislang widerstehen. Nicht, weil ich so widerstandsfähig bin, sondern dank des glücklichen Umstandes, dass ich rechtzeitig mit sehr unterschiedlichen Büchern erfolgreich war.

#52 †  a3kHH

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 20:15

Daß Du so ruhig bleibst - Respekt!

#53 Stormking

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 20:24

Daß Du so ruhig bleibst - Respekt!

Der Mann ist einfach erwachsen.

#54 Gast_Frank Böhmert_*

Gast_Frank Böhmert_*
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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 20:39

Was die Kreativität von Autoren übrigens tatsächlich einschränkt, ist Einflussnahme seitens der Verlage. Im Grunde möchte der Verlag, dass ein Autor sein erfolgreiches Buch einfach nochmal schreibt, und dann nochmal, und nochmal ... nur halt immer ein klein bisschen anders. Experimente werden eher ungern gesehen. Das (und nicht irgendein ominöser "Exploitation Trend") ist die stärkste verflachende Kraft in der Literatur.

Das kann ich -- als sozusagen einigermaßen erfolgloser Autor :D -- nur unterschreiben.

Wie oft bin ich aufgefordert worden, ein Exposé, eine Textprobe, sonst etwas vorzulegen. Und wie oft hieß es dann, ja, doch, schreiben könne ich, aber der und der Aspekt der Geschichte sei doch, hm, unglücklich. Es war leider ausnahmslos der, auf den es mir ankam; der Aspekt, der die Geschichte für mich interessant machte.

So kommt es, dass ein Böhmert zwar gern und dankenswerter Weise zur Würze in eine Anthologie oder Serie aufgenommen wird, seine Einzelromane aber immer wieder außenvor geblieben sind.

Denn das, was ich spannend finde an einer Geschichte, bleibt natürlich drin. Geld verdienen kann ich auch anders.

Bearbeitet von Frank Böhmert, 11 Oktober 2010 - 20:50.


#55 fahrenheit.451

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 20:43

Ich kann für mich nur sagen, dass ich immer die Bücher schreibe, die mir fehlen. Und in der Regel fehlen sie mir, weil es sie nicht gibt, oder jedenfalls nicht so, wie ich sie gerne hätte.


Das ist doch mal ein großer Satz... Die im Eröffnungs-Posting offenbar gemeinten Exploitation-Produkte hingegen haben niemandem gefehlt. Am wenigsten ihren Verfassern.

Anbei: Wenn wir darauf bestehen, dass nur der SF-Roman mit einer noch nie dagewesenen Idee "gültig" ist, dann können wir den Laden sowieso zumachen, denn spätestens Stanislaw Lem hat jede Idee schon gehabt.


Das hat er selbst jedenfalls gedacht.

Bearbeitet von fahrenheit.451, 11 Oktober 2010 - 20:45.

  • (Buch) als nächstes geplant:Shazim. Der verborgene Plan
  • • (Film) gerade gesehen: Enterprise, Staffel 4

#56 Beverly

Beverly

    Temponaut

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 20:54

Zum Kollegen Schätzing kann ich aus meiner Sicht anmerken, dass ich den "Schwarm" in der ersten Hälfte ausgesprochen inspiriert empfand; lediglich der Showdown war mir zu konstruiert. Aber die Idee der "Yrr" war großartig, und das auf "halt ein Roman über Monster in der Tiefe" zu reduzieren (wie ich das hier irgendwo gelesen habe) verkennt die Dimension dieses Bildes in atemberaubender Weise. Ich wüsste nicht, wo Schätzing hier irgendwas "exploitet" haben soll. Im Gegenteil, das Faszinosum des "Schwarms" war doch, dass er einem ein ganz neues Bewusstsein für die Rätsel der real existierenden (und weitgehend unbekannten) Tiefsee vermittelt; das war etwas Neues, so schon lange nicht mehr Dagewesenes: Und das, wenn irgendetwas, hat den Erfolg dieses Buches bewirkt.


Die "Monster in der Tiefsee" sind von mir und das liegt daran, dass ich bei DER SCHWARM nach der Hälfte schlicht das Handtuch geworfen habe, weil es mir zu lang wurde und das Lesen keinen Spaß mehr machte. Dadurch habe ich keine Zeile vom Faszinosum der Yrr mitbekommen, um so mehr aber von den Katastrophen, die sie verursachten und denen Tausende oder Millionen Menschen zum Opfer fielen. By the way hat mich das ziemlich deprimiert und dazu beigetragen, dass ich nach der Verwüstung Europas keine Lust mehr hatte, weiter zu lesen.

#57 fictionality

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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 22:13

Ich selbst habe als Leser von Science Fiction und bei SF-Filmen viele tolle Ideen kennen gelernt:

- die Übertragung von Bewusstseinen von Körper zu Körper bei H. G. Wells


Habe noch nie einen größeren Schwachsinn gehört. Bewusstsein lässt sich nicht kopieren, das widerspricht jeder Wissenschaft. Wenn wir von Maschinen reden, okay, aber echte Menschen lassen sich nicht kopieren. Da gäbe es längst schon wieder irgendwelche Geisteskommunisten oder so.

PS: Ich meinte mit Schwachsinn Wells, nicht Beverly.

Bearbeitet von fictionality, 12 Oktober 2010 - 02:56.


#58 Gast_Michael Iwoleit_*

Gast_Michael Iwoleit_*
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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 23:12

Daß Du so ruhig bleibst - Respekt!


Ich wüßte nicht so recht, warum Andreas unruhig werden sollte. Daß er weit besonner ist als ich,
streitet niemand ab. Deshalb habe ich ihm ja den Link auf diese Diskussion geschickt, damit mit
meine These kommentieren kann, so er mag.

#59 Gast_Michael Iwoleit_*

Gast_Michael Iwoleit_*
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Geschrieben 11 Oktober 2010 - 23:39

Ich frage mich, ob die "Exploitation"-These nicht genau in diese Falle geht. Wenn man keinen Roman zur Gender-Debatte
schreiben darf, nur weil es das Thema schon gibt - das ist doch ein ziemlich schräger Vorwurf, oder? Dann dürfte man im
Grunde gar nichts schreiben.


Das habe ich eigentlich so nicht gemeint. Die These bedarf sicher noch einiger Vertiefung, aber am Beispiel von Crichton
habe ich's genannt: Es gibt Autoren, die agieren, die setzen Themen. Und es gibt Autoren, die reagieren nur, die kommen
ohne externe Vorlagen nicht aus. Am Beispiel Gender-Debatte: Ich sehe einen grundsätzlichen Unterschied zwischen der
Behandlung des Themas etwa in Doris Lessings A Golden Notebook (zu seiner Zeit auch ein aktuelles Buch, aber
aktuell durch eine im realen Leben an der Debatte beteiligte Autorin) auf der einen und in Crichtons Roman auf der anderen
Seite (bei dem ich immer den Eindruck hatte, daß die Themen, die er behandelt, für ihn persönlich eher gleichgültig sind).
Das eine ist literarisch, das andere journalistisch.

In Deinen Büchern sehe ich die Exploitation-Tendenz immer stärker ausgeprägt in den Romanen Eine Billion Dollar, Der
Nobelpreis, Ausgebrannt
. Aber dazu später mehr.

Schöne Grüße
Michael

#60 Gast_Michael Iwoleit_*

Gast_Michael Iwoleit_*
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Geschrieben 12 Oktober 2010 - 00:04

Ich denke mal, jedes auch nur im mindesten sinnvolle Kriterium für Textqualität muss man auch an den
Texten feststellen können, ohne erst mal den Autor fragen zu müssen, was für eine Neigung er denn hat
(oder über diese Neigung zu spekulieren).


Es muß nicht haltlose Spekulation sein. Was natürlich auch davon abhängt, welche Informationen und
Quellen über den Autor selbst zur Verfügung stehen. Ich habe z.B., ohne den Autor zu konsultieren, in
einem Essay über Ballard, glaube ich, recht gut wiederkehrende Bilder und Motive auf einzelne Lebens-
stationen zurückführen können. Das war mühsam, aber machbar, weil die Zusammenhänge in seinen
Interviews und Selbstaussagen aufzufinden waren.

Was ich meine, ist doch eigentlich etwas ganz Alltägliches, das jeder aus seinem Leben kennt. Nehmen
wir an, Du hast eine lebenslange Leidenschaft, sagen wir Schachspielen. Nehmen wir an, Deine Opa
hat's Dir einst beigebracht und Dir das erste Brett geschenkt. Du hast Dich im Laufe des Lebens immer
wieder damit beschäftigt, und schließlich hat es auch im Schreiben Spuren hinterlassen. Solang sich ein
Autor nicht versteckt wie Thomas Pynchon, wird man solche persönliche Züge aus seiner Biographie
heraus erklären können. Ohne zu spekulieren.

Etwas ganz anderes ist ein Autor, der immer nur auf fahrende Züge aufspringt, die er nicht in Gang
gebracht hat. Nach dem Motto: "Tolle Idee. Kein Wunder, daß alle darüber reden. Sollte ich auch mal
machen, dann reden vielleicht alle über mich."* Auch das kann man, mit etwas zeitgeschichtlichen
Rückbezügen, einem Autor auf die Dauer nachweisen. Jedenfalls wenn es zu einer Grundhaltung wird.

Die Übergänge, wie gesagt, sind fließend. Und daß Exploitation etwas grundsätzlich Schlechtes sein
muß, habe ich auch nicht gesagt. Meine Statement war, wie schon im Untertitel erwähnt, eine
Annäherung.

Gruß
MKI

* Nicht daß ich Dir das unterstellen wollte, Andreas.


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