Zum Inhalt wechseln


Foto

Kultur wird immer mehr zu Müll - Gegenbeispiele


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
42 Antworten in diesem Thema

#1 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

    Interstellargestein

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 13.365 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Berlin

Geschrieben 25 April 2015 - 00:27

Im Berliner TAGESSPIEGEL vom letzten Sonntag gab es ein Essay von einem Engl.-Lit.-Professor, das aussagt, dass aktuell - und damit meint er die letzten 25 Jahre! - kein hochwertiges Kulturerzeugnis mehr geschaffen wurde, das nicht relativ problemlos in Zukunft von der Welt vergessen werden könnte. Events seien "unsere" Kultur, & die dort gezeigten/gespielten Inhalte zunehmend verhunzt.

 

Obwohl ich das Ganze recht interessant finde, frage ich mich, ob der Herr das alles E* meint, oder nur provozieren will. Zum einen fällt mir ein, dass das was heute Pop genannt wird, durchaus in Zukunft evtl. unterschieden werden kann in die ein oder andere (dann) "klassische" Richtung, die wir heute einfach noch nicht wahrnehmen; m.E. ist Pop ein Sammelbegriff, & haben solche Begriffe sowieso nicht immer mehr als nur rein inhaltliche Wurzeln (wie z.B. "weißer" Rock 'n Roll vs. "schwarzem" Rhythm & Blues)?

 

Ich fordere diejenigen von euch, die dem Herrn nicht zustimmen, auf, mindestens 1 Musikstück/Gemälde/Drama/Gedicht o.ä. im eigenen Post zu nennen, das ihr bemerkenswert findet & das evtl. den "test of time" bestehen könnte.

 

Mir fallen aus dem Ärmel geschüttelt musikseitig 5 Tracks des letzten Vierteljahrhunderts ein, die auf mich Laien ziemlich grandios wirken, in punkto Text & Song:

  • "My Army of Lovers" von der fast gleichnamigen schwedischen Band von ihrem Album MASSIVE LUXURY OVERDOSE von 1991
  • Kate Bushs "Lily" aus ihrem großartigen den gleichnamigen Film aus den 40ern hommagierenden Konzeptalbum RED SHOES aus 1993
  • Chers "Walking in Memphis" aus ihrem letzten Album vor ihrem großen Dance-Pop-Comeback (BELIEVE) in 1995
  • Die neuere/längere "John the Revelator"-Version mit u.a. James Brown (!) aus dem 2. Blues-Brothers-Film von 2000
  • Die engl. "Soweto"-Fassung von Co-Berlinerin Joy Denalanes bisher einzigem internationalem Solo-Album BORN & RAISED von 2006 (die engl. Albumversion ist so mächtig, dass mir jedes 2. bis 3. Mal die Tränen kommen)

 

 

P.S. @Mods: Wieder kein SF-Thread. Aber schon einer, der aktuelle Spekulationen über eine gesellschaftliche Entwicklung bespricht - was ja SF-GestalterInnen durchaus was angeht, denke ich.

 

(* Ernst über Oscar Wilde hinaus - der Herr benutzt wahrhaftig das Wort "E-Klasse" um sich auf Musikstücke einzuschränken, die ja auch nur teilweise U(nterhaltung) sind; eine U(nterscheidung), die ich - s. meine Liste oben - nie verstehen werde)


Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 21 Januar 2022 - 22:35.

/KB

Yay! SF-Dialog Ende März...
Senator: Und dies ist nun die Epoche der Laser?

Farmer: [..] Die Anzahl der Menschen auf der Erde, die voller Hass/Frustration/Gewalt sind, ist zuletzt furchterregend schnell gewachsen. Dazu kommt die riesige Gefahr, dass das hier in die Hände nur einer Gruppierung oder Nation fällt... (Schulterzucken.) Das hier ist zuviel Macht für eine Person oder Gruppe, in der Hoffnung dass sie vernünftig damit umgehen. Ich durfte nicht warten. Darum hab ich es jetzt in die Welt verstreut und kündige es so breit wie möglich an.

Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht überleben.

Farmer: Ich hoffe Sie irren sich, Senator! Ich hatte eben nur eine Sache sicher kapiert - dass wir weniger Chancen dazu morgen haben würden als heute.

(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob übersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)


#2 Tiff

Tiff

    Laionaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 2.511 Beiträge
  • Geschlecht:männlich

Geschrieben 25 April 2015 - 06:30

Ich fordere diejenigen von euch, die dem Herrn nicht zustimmen, auf, mindestens 1 Musikstück/Gemälde/Drama/Gedicht o.ä. im eigenen Post zu nennen, das ihr bemerkenswert findet & das evtl. den "test of time" bestehen könnte.

 

Musikstücke, Gemälde, Literatur usw. der letzten 25 Jahre, die auch noch in 100 Jahren nicht nur einzelnen hochspezialisierten Experten bekannt sein werden, wird es sicher geben, aber deren Bekanntheitsgrad muss dann trotzdem nicht besonders hoch sein. Es kommt ja jedes Jahr immer mehr dazu, und auch das wird sich noch steigern. Und nicht zu vergessen, die Menschen sind verschieden. Jeder interessiert sich für etwas Anderes. Hier im SFN findet man kann noch drei Leute, die sich für dasselbe Buch interessieren. Der Trend ist, dass selbst die hochwertigsten Kulturerzeugnisse in der Zukunft in der Masse einfach untergehen.   



#3 MoiN

MoiN

    Galaktonaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 5.246 Beiträge
  • Geschlecht:unbekannt

Geschrieben 25 April 2015 - 07:28

Tja - ein weites Feld.

 

Das müßte man ja auch erstmal festlegen, was IST Kultur und was ist HOCHWERTIG. Und da scheiden sich bereits die Geister.

 

Schaut man hier im Forum z.B. durch die Filmrezensionen, so offenbart sich bereits in aller Deutlichkeit das Problem... ;) Und Filme sind jetzt nur exemplarisch genannt. Einen allgemeinen Konsens wird man nicht erzielen.


πάντα ῥεῖ

 

Büchermarkt ...druckfrisch...dlr lit  ...Verena ... Dana ...swrwi ...brwi ..   .A I N


#4 Zeitreisender

Zeitreisender

    Temponaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.571 Beiträge
  • Geschlecht:unbekannt

Geschrieben 25 April 2015 - 09:15

einem Engl.-Lit.-Professor

 

Das muss ja ein toller Professor sein. Im Artikel wird nicht mal sein Namen genannt.

 

Warum werden Filme nicht genannt? Sind Filme keine Kultur?

 

Chers "Walking in Memphis" aus ihrem letzten Album vor ihrem großen Dance-Pop-Comeback (BELIEVE) in 1995

 

Ich möchte Dich darauf hinweisen, dass es sich um eine Cover-Version handelt. ;)

 

http://www.coverinfo...=search&seite=1

 

(* Ernst über Oscar Wilde hinaus - der Herr benutzt wahrhaftig das Wort "E-Klasse" um sich auf Musikstücke einzuschränken, die ja au nur teilweise U(nterhaltung) sind; eine U(nterscheidung), die ich - s. meine Liste oben - nie verstehen werde)

 

Nein, aus ihm spricht einfach sein einzigwahrer Geschmack, der über allen anderen Meinungen und Geschmäckern stellen will. Die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik ist heute einfach nicht mehr zeitgemäß und veraltet.



#5 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.917 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Zürich

Geschrieben 25 April 2015 - 09:27

Was Gelfert beschreibt, hat seine Ursache letztlich im Niedergang des klassischen Bürgertums. Es gibt nicht mehr eine mehr oder weniger klar definierte Schicht, die bestimmt, was Kultur ist. Entsprechend ist die Produktion und Rezeption heute viel fragmentierter als noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, was wiederum dazu führt, dass der kulturelle Kanon viel weniger eindeutig ist.

 

In gewissen Sparten, die Gelfert erwähnt, kommen noch spezifische "Probleme" hinzu. (E-)Musik, Oper und Theater haben jeweils eine sehr lange Geschichte hinter sich, die dazu geführt hat, dass vielerorts tatsächlich nur noch avantgardistisches Recycling und Re-Mixing möglich sind. Die Prognose, was in diesen Bereichen in 50 Jahren noch relevant sein wird, ist in der Tat schwierig.

 

In der erzählenden Literatur sehe ich das "Problem" dagegen weitaus nicht so akut. Ich bin sehr zuversichtlich, dass auch heute Werke geschrieben werden, die noch in 20 oder 50 Jahren Bestand haben. Daniel Kehlmanns Vermessung der Welt wird ebenso wenig vergessen gehen wie die Werke eines Philipp Roth oder Thomas Pynchon.

 

Die grosse Schwäche an Gelferts Essay ist natürlich, dass er sich eben auf jene Kunstformen beschränkt, die für das klassische Bürgertum wichtig waren. Aber was ist zum Beispiel Kino oder Comic? Fehlanzeige. Um hier ein paar wahllose Titel aufzuführen: Millers The Dark Knight Returns oder Spiegelmans Maus werden den Test der Zeit bestehen, da bin ich sicher. Ich bin auch sehr zuversichtlich, dass eine Film wie Under the Skin mit den Jahren nur an Status gewinnen wird.

Das muss ja ein toller Professor sein. Im Artikel wird nicht mal sein Namen genannt.

 

Und was ist mit dem Namen Hans-Dieter Gelfert, der direkt unter dem Titel steht?


Bearbeitet von simifilm, 25 April 2015 - 11:58.

Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

zfs40cover_klein.jpg ZFS16_Coverkleiner.jpg

  • (Buch) gerade am lesen:Samuel Butler: «Erewhon»
  • (Buch) als nächstes geplant:Samuel Butler: «Erewhon Revisited»
  • • (Film) gerade gesehen: «Suicide Squad»
  • • (Film) Neuerwerbung: Filme schaut man im Kino!

#6 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

    Interstellargestein

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 13.365 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Berlin

Geschrieben 25 April 2015 - 10:15

Ich möchte Dich darauf hinweisen, dass es sich um eine Cover-Version handelt. ;)

    :

Die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik ist heute einfach nicht mehr zeitgemäß und veraltet.

Zum Satz mit dem Ironie-Smiley: Klar. Auch bei "John the Revelator". Und? Bei Cher rede ich von ihrem tollen tiefstimmigen Vortrag & ihr Spiel (übrigens auch im Video) mit der Gender-Grenze.

 

Zum letzten Satz im Zitat: M.E. nicht erst seit heute.

 

@Simon: Was ist denn der Sinn eines allgemein gültigen kulturellen Kanons? Ich sehe den Sinn bei einem von einem Experten vorgestellten Kanon in einem bestimmten Kulturzweig wie Literatur - sozusagen seine spezifische Empfehlung an alle. Aber sonst?


Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 25 April 2015 - 10:16.

/KB

Yay! SF-Dialog Ende März...
Senator: Und dies ist nun die Epoche der Laser?

Farmer: [..] Die Anzahl der Menschen auf der Erde, die voller Hass/Frustration/Gewalt sind, ist zuletzt furchterregend schnell gewachsen. Dazu kommt die riesige Gefahr, dass das hier in die Hände nur einer Gruppierung oder Nation fällt... (Schulterzucken.) Das hier ist zuviel Macht für eine Person oder Gruppe, in der Hoffnung dass sie vernünftig damit umgehen. Ich durfte nicht warten. Darum hab ich es jetzt in die Welt verstreut und kündige es so breit wie möglich an.

Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht überleben.

Farmer: Ich hoffe Sie irren sich, Senator! Ich hatte eben nur eine Sache sicher kapiert - dass wir weniger Chancen dazu morgen haben würden als heute.

(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob übersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)


#7 Zeitreisender

Zeitreisender

    Temponaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.571 Beiträge
  • Geschlecht:unbekannt

Geschrieben 25 April 2015 - 11:04

@simifilm Zwei mögliche Ausreden:

a) Ich ging davon aus, dass Gelfert der Tagesspiegel-Autor ist, der den Artikel reingestellt hat.

b) Ich habe es schlichtweg übersehen. ;)

 

Ich bin auch sehr zuversichtlich, dass ein Film wie Under the Skin mit den Jahren nur an Status gewinnen wird.

 

Drive, 2001 - A Space Odyssey, Eraserhead, Melancholia, Stalker, ...

 

 

Bei Cher rede ich von ihrem tollen tiefstimmigen Vortrag & ihr Spiel (übrigens auch im Video) mit der Gender-Grenze.

 

Dafür hat sie ein Lied genommen, ein Ohrwurm, um auf der sicheren kommerziellen Seite zu sein. Außerdem hat sie Korrekturen am Liedtext unternommen, damit es nicht ganz geklaut aussieht.

 

http://en.wikipedia....is#Cher_version

 

Zu Kate Bush ...

Kate Bush - jaaaaa - diese Frau gehört dazu. Alles was sie getan hat, stammte von ihr - Komposition, Gesang, Tanzeinlagen, Fairlight CMI usw. Sie gehört aus den wenigen Autorenkünstler in der Musik. Der einzige Cover-Song, den ich von ihr kenne, ist Rocket Man von Elton John.


Bearbeitet von Zeitreisender, 25 April 2015 - 11:35.


#8 Sierra

Sierra

    Giganaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIP
  • 767 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Bonn

Geschrieben 25 April 2015 - 11:43

Ich weiß gar nicht, ob es Gelfert wirklich um den "test of time" für bestimmte Songs, Romane geht, ihn scheint ja vornehmlich das derzeitige Erscheinungsbild (die Ästhetik) einzelner Kulturformen zu ärgern und einen s.E. nach in der Gesellschaft und Wissenschaft gepflegten Elite-Kult, den er für den Niedergang von Theater, Musik, Dichtung  mitverantwortlich macht. (Bei letzteren Argument scheint er mir den Einfluss der Literatur- und Kulturwissenschaften auf ihren Forschungsgegenstand weit zu überschätzen).

Auch andere Kritikpunkte kann ich teilweise nicht nachvollziehen, etwa das Lamento, kein Schulkind würde Volkslieder kennen. Schaut man in die Kernlehrpläne oder die Kompetenzerwartungen für die Grundschule, sind Volkslieder nach wie vor verbindlicher Inhalt. Ansonsten müsste Gelfert diese These zunächst mal durch Rezeptionsforschung unter Schülern belegen. Im Übrigen ist dieses Lamento nun wirklich ein alter Hut und wurde selbst schon in Kafkas Zeiten formuliert, als sich bestimmte Personen (meist erwachsene "Bildungsbürger") darüber ärgerten, dass Jugendliche kein Gedicht mehr auswendig kennen und den Tag lang nur diese bunten Heftchen-Romane lesen....

 

Mein Hauptproblem mit dem Text ist, dass ich ihm seine Fürsprache für die "Vermittlung" zwischen "Gegenwart und Vergangenheit, zum anderen zwischen der kreativen Spitzengruppe und dem Rest der Gesellschaft" nicht ganz abnehme, wenn Gelfert von vornherein den Film (und auch die "populäre Musik") so pauschal abwertet und ihm bloßen Event-Charakter und - nicht nachvollziehbar aus meiner Sicht - das Unvermögen zu "kultureller Erinnerung" unterstellt. Denn selbstverständlich reflektieren (erinnern) auch zeitgenössische Filme Kultur und Geschichte und im übrigen - manchmal auf so wunderbare Weise  selbstreferentiell  - sogar die Geschichte ihrer eigenen Gattung. Ich denke da an den Oscar-Prämierten Film "The Artist", einen "modernen" Stummfilm über die Stummfilmära des Kinos - ob Gelfert den wohl gesehen hat?


Bearbeitet von Sierra, 25 April 2015 - 11:46.

Blog Metaphernpark: klick!                              Twitter


#9 Valerie J. Long

Valerie J. Long

    Passionaut

  • Buchcrew
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 3.487 Beiträge
  • Geschlecht:unbekannt
  • Wohnort:Wiesbaden

Geschrieben 25 April 2015 - 11:55

Ich finde die Grenze von 25 Jahren (vergangenes Vierteljahrhundert) willkürlich gezogen, wenn man mit der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vergleichen will. Mindestens muss man dann die letzten 50 Jahre zulassen. Erst dann darf man auch einen Film wie "2001" mit einbeziehen.

 

Dann kann man auch Musicals wie den Dauerbrenner "Starlight Express" aufführen, oder Webber im Allgemeinen. Dann darf sich vielleicht auch ein Peter Jackson Hoffnung machen, eine erinnernswerte Trilogie verfilmt zu haben.

 

Über die Bedeutungslosigkeit von Lyrik möchte ich momentan nicht nachdenken. Diese Kunstform hat vielleicht noch keine nachhaltige neue Ausdrucksform gefunden, nachdem sie Versmaß und Reim über Bord geworfen hat.

 

John Miles' "Music" ist von 1976 und hat aus meiner Sicht noch viel vor sich.



#10 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

    Interstellargestein

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 13.365 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Berlin

Geschrieben 25 April 2015 - 12:04

Ja, "Music" ist großartig! Hab ich das geliebt als Teenie! :wub: q:)d

 

P.S. @Zeitreisender: Synthese ist ein ganz normaler Vorgang in der Kunst; Originalität ist immer (zeit-) relativ, finde ich. Ob etwas kommerziell ist oder nicht ist nicht immer klar definierbar. Im Allgemeinen achte ich bei Popsongs immer erstmal auf das, was ich höre, ungeachtet dessen wie gut die singende Person verdient (oder aussieht).


/KB

Yay! SF-Dialog Ende März...
Senator: Und dies ist nun die Epoche der Laser?

Farmer: [..] Die Anzahl der Menschen auf der Erde, die voller Hass/Frustration/Gewalt sind, ist zuletzt furchterregend schnell gewachsen. Dazu kommt die riesige Gefahr, dass das hier in die Hände nur einer Gruppierung oder Nation fällt... (Schulterzucken.) Das hier ist zuviel Macht für eine Person oder Gruppe, in der Hoffnung dass sie vernünftig damit umgehen. Ich durfte nicht warten. Darum hab ich es jetzt in die Welt verstreut und kündige es so breit wie möglich an.

Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht überleben.

Farmer: Ich hoffe Sie irren sich, Senator! Ich hatte eben nur eine Sache sicher kapiert - dass wir weniger Chancen dazu morgen haben würden als heute.

(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob übersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)


#11 MoiN

MoiN

    Galaktonaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 5.246 Beiträge
  • Geschlecht:unbekannt

Geschrieben 25 April 2015 - 12:10

Wir sprechen hier im Thread aber NUR über persönliche Vorlieben, nicht über Unvergänglichkeit und Wert.

 

Wie viel von dem, was Kritiker vor 100, 200, 500 Jahren hochgelobt haben, ist heute noch bekannt geschweige denn von irgendeiner Bedeutung?

 

Auch der oben genannte Film "2001" - von nicht gerade wenigen habe ich dazu die Meinung gehört: der größte Langweiler aller Zeiten. :whistling:

 

In der schier unüberblickbaren Masse des Produzierten - was bleibt da überhaupt noch an der Oberfläche? Darüber wage ich keine Prognose abzugeben.


Bearbeitet von MoiN, 25 April 2015 - 12:11.

πάντα ῥεῖ

 

Büchermarkt ...druckfrisch...dlr lit  ...Verena ... Dana ...swrwi ...brwi ..   .A I N


#12 Zeitreisender

Zeitreisender

    Temponaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.571 Beiträge
  • Geschlecht:unbekannt

Geschrieben 25 April 2015 - 12:31

Wir sprechen hier im Thread aber NUR über persönliche Vorlieben, nicht über Unvergänglichkeit und Wert.

 

Das tut dieser Professor ja auch. Was Kultur ist, entscheidet die Person alleine für sich und nicht was eine "Elite" behauptet.

 

Auch der oben genannte Film "2001" - von nicht gerade wenigen habe ich dazu die Meinung gehört: der größte Langweiler aller Zeiten. :whistling:

 

2001 ist auch langweilig, wenn man sich nicht darauf einlässt. Aber das kann man auch an vielen tausend anderen Beispielen aus Film und Musik festlegen. Theater klammere ich aus, da ich mich dort wirklich nicht auskenne. Ich bin also schon mal ein Kulturbanause. ;)



#13 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.917 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Zürich

Geschrieben 25 April 2015 - 12:52

@simifilm Zwei mögliche Ausreden:

a) Ich ging davon aus, dass Gelfert der Tagesspiegel-Autor ist, der den Artikel reingestellt hat.

b) Ich habe es schlichtweg übersehen. ;)

 

 

Drive, 2001 - A Space Odyssey, Eraserhead, Melancholia, Stalker, ...

 

 

2001 und Stalker sind ja längst kanonisiert, bei Eraserhead kann man sich wohl streiten. Ob Drive in den Kanon eingeht, wird sich weisen müssen.

 

@Sierra: Dass Gelferts Klage alt ist - geschenkt. Das ist in der Tat ein immer wiederkehrendes Lamento.

 

Zumindest teilweise geht es ihm ja schon um die Frage, inwieweit heutige Werke noch die Zeit überdauern können. Sein Befund ist, dass heute nur noch Müll produziert wird und es kaum noch Werke gibt, deren Verschwinden man bedauern würde. Dazu sind mal ganz wertungsfrei zwei Dinge zu sagen: Einerseits ist die Zahl von Werken, die vergessen gehen, immer viel grösser als derjenigen, die Bestand haben. Ein Grossteil der Literatur, Kunst etc., die in den 1920er oder 1930er Jahren produziert wurden, ist heute ebenfalls vergessen. Andererseits hat die Produktion seither stark zugenommen, es wird heute ganz einfach viel mehr produziert, entsprechend verschwindet auch mehr.

 

Natürlich wäre auch zu fragen, inwieweit just gerade jene Werke, die Gelfert heute als überdauernde Werke betrachtet, seinerzeit nicht von einem von Gelferts Vorgängern als Müll betrachtet wurden. Man nehme als ein Beispiel unter vielen Schnitzlers Reigen. Heute ein unbestrittener Klassiker - wird in der Schule gelesen, regelmässig aufgeführt etc. Bei Erscheinen ein Skandal, der den wohlanständigen Bürger schockierte und der nur von einer kleinen Avantgarde gefeiert wurde. Entsprechende Beispiele gibt es sonder Zahl (kleines Detail am Rande: Als Schnitzler mit Schreiben begann, war der mit ihm befreundete Theodor Herzl der weitaus bekanntere Theater-Autor. Heute dagegen ist Herzl "nur" noch als Begründer des modernen Zionismus bekannt. Dass er einmal ein gefeierter Autor war, weiss kaum jemand, seine literarischen Texte sind ausserhalb von Spezialistenkreisen völlig unbekannt. Das nur als Beispiel, wie unterschiedlich manche Autoren von der Nachwelt wahrgenommen werden). 

 

 

Das tut dieser Professor ja auch. Was Kultur ist, entscheidet die Person alleine für sich und nicht was eine "Elite" behauptet.

 

Das stimmt so sicher nicht. Ganz wertungsfrei kann man festhalten, dass nur gewisse Werke ihre Entstehungszeit überdauern und auch von der Nachwelt wahrgenommen werden. Das müssen noch nicht einmal unbedingt Werke sein, die bei Erscheinen breit wahrgenommen wurden. Viele Klassiker gehen zwischendurch vergessen und werden später wiederentdeckt. Dass aber diese Klassiker prägend für eine Kultur sind, dürfte eigentlich unbestritten sein. Klassiker, der Kanon, das ist das, was nachfolgende Generationen noch immer kennen. Und woran orientiert sich ein Musiker, Schriftsteller, Künstler etc. denn? Normalerweise ja an dem, was ihm auch zugänglich ist, und nicht an dem, was komplett vergessen wurde.

 

 

Wir sprechen hier im Thread aber NUR über persönliche Vorlieben, nicht über Unvergänglichkeit und Wert.

 

Dem würde ich nicht zustimmen. Ich habe zumindest kein Problem damit, dass gewisse Werke, die mir nichts sagen oder die ich sogar ärgerlich oder schlecht finde, Klassikerstatus haben, Teil des Kanons sind. Mulholland Drive finde ich beispielsweise hochgradig ärgerlich, dennoch würde ich nicht bestreiten, dass der Film mittlerweile kanonisch ist (während ich den bereits genannten Eraserhead, den ich für weitaus interessanter halte, nicht unbedingt als Klassiker bezeichnen würde).


Bearbeitet von simifilm, 25 April 2015 - 13:28.

Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

zfs40cover_klein.jpg ZFS16_Coverkleiner.jpg

  • (Buch) gerade am lesen:Samuel Butler: «Erewhon»
  • (Buch) als nächstes geplant:Samuel Butler: «Erewhon Revisited»
  • • (Film) gerade gesehen: «Suicide Squad»
  • • (Film) Neuerwerbung: Filme schaut man im Kino!

#14 Sierra

Sierra

    Giganaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIP
  • 767 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Bonn

Geschrieben 25 April 2015 - 13:19

@ simifilm

(Zu dem anderen schreibe ich nachher vielleicht mehr, aber eine kurze Nachfrage zu "Eraserhead": Warum würdest Du - gerade im Vergleich mit "Mulholland Drive" -  von einen Klassikerstatus eher absehen? "Eraserhead" wurde bspw. in das National Film Registry aufgenommen und hat ja eine relativ breite Nachwirkung in der Populärkultur. Danke.) 


Bearbeitet von Sierra, 25 April 2015 - 13:19.

Blog Metaphernpark: klick!                              Twitter


#15 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.917 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Zürich

Geschrieben 25 April 2015 - 13:26

 

@ simifilm

(Zu dem anderen schreibe ich nachher vielleicht mehr, aber eine kurze Nachfrage zu "Eraserhead": Warum würdest Du - gerade im Vergleich mit "Mulholland Drive" -  von einen Klassikerstatus eher absehen? "Eraserhead" wurde bspw. in das National Film Registry aufgenommen und hat ja eine relativ breite Nachwirkung in der Populärkultur. Danke.) 

 

 

Ich kann das natürlich nicht hieb- und stichfest belegen. Aber ich behaupte, dass, wenn man eine beliebige Gruppe von Filmkritikern, Filmemachern o.ä bitten würde, eine Liste mit den 20, 50, 200 oder wie viel auch immer wichtigsten, einflussreichsten blablabla Filmen zusammenzustellen, Blue Velvet und Mulholland Drive ziemlich sicher genannt würden, Eraserhead dagegen keineswegs so zwingend. Der Film hat sicher einen gewissen Kultstatus, ist aber weit mehr Geheimtipp als andere Werke von Lynch. Die relativ breite Nachwirkung sehe ich nicht unbedingt.


Bearbeitet von simifilm, 25 April 2015 - 13:29.

Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

zfs40cover_klein.jpg ZFS16_Coverkleiner.jpg

  • (Buch) gerade am lesen:Samuel Butler: «Erewhon»
  • (Buch) als nächstes geplant:Samuel Butler: «Erewhon Revisited»
  • • (Film) gerade gesehen: «Suicide Squad»
  • • (Film) Neuerwerbung: Filme schaut man im Kino!

#16 Sierra

Sierra

    Giganaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIP
  • 767 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Bonn

Geschrieben 25 April 2015 - 13:36

Ich kann das natürlich nicht hieb- und stichfest belegen. Aber ich behaupte,....

(Musst Du auch gar nicht, ich finde Deine Einschätzung trotzdem interessant. Thanks.)


Blog Metaphernpark: klick!                              Twitter


#17 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.917 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Zürich

Geschrieben 25 April 2015 - 13:41

(Musst Du auch gar nicht, ich finde Deine Einschätzung trotzdem interessant. Thanks.)

 

Noch zur Ergänzung: Der kanonische resp. klassische Status eines Werks zeigt sich ja nicht zuletzt daran, ob es - im Falle eines Films - regelmässig gezeigt wird - und wie es in der Sekundärliteratur behandelt wird. Und bei beidem würde ich Eraserhead nicht als häufiges Beispiel nennen. Ich kann mich weder daran erinnern, wann der Film zum letzten Mal in einer Reprise gezeigt wurde, noch, wann ich ihm zum letzten Mal in einem filmrelevanten Text begegnet wäre. 


Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

zfs40cover_klein.jpg ZFS16_Coverkleiner.jpg

  • (Buch) gerade am lesen:Samuel Butler: «Erewhon»
  • (Buch) als nächstes geplant:Samuel Butler: «Erewhon Revisited»
  • • (Film) gerade gesehen: «Suicide Squad»
  • • (Film) Neuerwerbung: Filme schaut man im Kino!

#18 Zeitreisender

Zeitreisender

    Temponaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.571 Beiträge
  • Geschlecht:unbekannt

Geschrieben 25 April 2015 - 16:41

2001 und Stalker sind ja längst kanonisiert, bei Eraserhead kann man sich wohl streiten. Ob Drive in den Kanon eingeht, wird sich weisen müssen.

 

Ich schlage Blade Runner, Alien, Metropolis und Das Cabinet des Dr. Caligari noch vor. Ich lasse die 25 Jahre außer acht. Mir geht es um Filme allgemein - seit Anfang des 20. Jahrhunderts.

 

Das stimmt so sicher nicht.

 

Naja, er nennt ein paar Schriftsteller, die ich nicht kenne. Warum hat er George Orwell ausgelassen?!


Bearbeitet von Zeitreisender, 25 April 2015 - 16:48.


#19 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.917 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Zürich

Geschrieben 25 April 2015 - 17:45

Ich schlage Blade Runner, Alien, Metropolis und Das Cabinet des Dr. Caligari noch vor. Ich lasse die 25 Jahre außer acht. Mir geht es um Filme allgemein - seit Anfang des 20. Jahrhunderts.

Ich weiss nicht genau, wem du was vorschlägst, aber die genannten Filme sind alle unbestrittene Klassiker.  

Naja, er nennt ein paar Schriftsteller, die ich nicht kenne. Warum hat er George Orwell ausgelassen?!

Ich verstehe nicht wirklich, auf was du hier antwortest. Du hast geschrieben, dass der Einzelne entscheidet, was Kultur ist, und das stimmt zweifellos nicht, wenn man Kultur als Grösse versteht, die für eine Gesellschaft über einen längeren Zeitraum Gültigkeit hat (was mehr oder weniger die gängige Bedeutung sein dürfte). 


Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

zfs40cover_klein.jpg ZFS16_Coverkleiner.jpg

  • (Buch) gerade am lesen:Samuel Butler: «Erewhon»
  • (Buch) als nächstes geplant:Samuel Butler: «Erewhon Revisited»
  • • (Film) gerade gesehen: «Suicide Squad»
  • • (Film) Neuerwerbung: Filme schaut man im Kino!

#20 Valerie J. Long

Valerie J. Long

    Passionaut

  • Buchcrew
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 3.487 Beiträge
  • Geschlecht:unbekannt
  • Wohnort:Wiesbaden

Geschrieben 26 April 2015 - 07:40

Kultur ist in meinem Joghurt. Nein, ich stimme zu, Simi. In diesem Faden geht es definitiv um Erzeugnisse, die nicht nur für den Einzelnen von Bedeutung sind. Da kann ich nur darum bitten, den ersten Beitrag aufmerksam zu lesen.

#21 Sierra

Sierra

    Giganaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIP
  • 767 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Bonn

Geschrieben 26 April 2015 - 10:13

 

Zumindest teilweise geht es ihm ja schon um die Frage, inwieweit heutige Werke noch die Zeit überdauern können. Sein Befund ist, dass heute nur noch Müll produziert wird und es kaum noch Werke gibt, deren Verschwinden man bedauern würde. Dazu sind mal ganz wertungsfrei zwei Dinge zu sagen: Einerseits ist die Zahl von Werken, die vergessen gehen, immer viel grösser als derjenigen, die Bestand haben. Ein Grossteil der Literatur, Kunst etc., die in den 1920er oder 1930er Jahren produziert wurden, ist heute ebenfalls vergessen. Andererseits hat die Produktion seither stark zugenommen, es wird heute ganz einfach viel mehr produziert, entsprechend verschwindet auch mehr.

 

 

Womöglich ist Gelfert ebenfalls sehr an diesem Aspekt interessiert, nur finde ich eben die Art seiner Belege (Besuch einer "verhunzten" Shakespeare-Aufführung etc.) nicht zielführend. Stattdessen müsste er sich m.E. schon die Mühe machen, wenigstens an einem heutzutage gelobten Küsntler/ Autor (bspw. an dem von Dir angesprochenen Kehlmann) aufzuzeigen, warum dessen Kunstwerke, Romane oder Theaterstücke nur "Müll" sind.

 

 

Natürlich wäre auch zu fragen, inwieweit just gerade jene Werke, die Gelfert heute als überdauernde Werke betrachtet, seinerzeit nicht von einem von Gelferts Vorgängern als Müll betrachtet wurden. Man nehme als ein Beispiel unter vielen Schnitzlers Reigen....

 

Das stimmt, würde Gelfert dieses Aspekt - also die historische Bedingtheit und Wandlungsfähigkeit der Wirkung in der Nachwelt - berücksichtigen, wäre sein Ansatz differenzierter. Zumindest im Falle der von ihm erwähnten "Blechtrommel" war die Begeisterung der ersten Kritik ja nicht ungeteilt. Was Herzl angeht, könnte man wahrscheinlich hinzufügen, dass zumindest "Altneuland" (ich habe dieses Werk allerdings nicht gelesen und kann nur vermuten) politikwissenschaftliche Lektüren geradezu herausfordert  - obzwar es ein literarisches Werk ist - und so zum Autorenbild des "Polikers" Herzl beitrug.

 

Ich kann das natürlich nicht hieb- und stichfest belegen. Aber ich behaupte, dass, wenn man eine beliebige Gruppe von Filmkritikern, Filmemachern o.ä bitten würde, eine Liste mit den 20, 50, 200 .....

 

Ich kann Dein Argument mit der Sekundärliteratur und den dürftigen "Eraserhead"-Reprisen gut nachvollziehen, was die von Dir angesprochene Liste angeht, hätte ich angenommen, dass das "National Film Registry" eben eine gewichtige Manifestation eines solchen Kritikerkonsens darstellt - zumindest zu einem bestimmten Zeitpunkt im amerikanischen Filmdiskurs.

(Interessant finde ich übrigens, dass im "Registry" "Eraserhead" bisher als einziges Lynch-Werk verzeichnet wurde. Das wäre auch der Film meiner Wahl, noch vor "Blue Velvet", den ich auch sehr mag, und - hypothetisch - der Serie "Twin Peaks", die ich "Mulholland Drive", "Lost Highway", "Dune" etc. immer vorziehen würde. Den "Elefantenmenschen" habe ich leider noch nicht gesehen. 


Blog Metaphernpark: klick!                              Twitter


#22 MoiN

MoiN

    Galaktonaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 5.246 Beiträge
  • Geschlecht:unbekannt

Geschrieben 26 April 2015 - 10:25

Kultur ist in meinem Joghurt.

... oder in der Petrischale.

 

Aber gerade die von Yip genannten Beispiele sind doch - meiner Meinung nach - nur persönlicher Geschmack. Daß z.B. "Die Bibel" allgemein als Kulturgut anerkannt ist, dürfte wohl unbestritten sein. Aber aus 25 Jahren etwas für die Zukunft abzuleiten, das würde ich mir nicht zutrauen. Selbst nicht rückblickend auf die letzten 100 Jahren. Manches könnte dann nach weiteren 100 Jahren bereits ganz vergessen sein. Egal, ob es irgendwo mal als Kanon festgeschrieben wurde, es hätte für die Gesellschaft in 100 Jahren keinerlei Relevanz mehr.


Bearbeitet von MoiN, 26 April 2015 - 10:27.

πάντα ῥεῖ

 

Büchermarkt ...druckfrisch...dlr lit  ...Verena ... Dana ...swrwi ...brwi ..   .A I N


#23 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

    Interstellargestein

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 13.365 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Berlin

Geschrieben 26 April 2015 - 10:59

Natürlich sind meine Beispiele persönlicher Geschmack. Mein "challenge" war ja auch, welche Musikstücke o.Ä. noch in, sagen wir, 100 Jahren bekannt sein könnten nach eigener Meinung. Ob so etwas momentan allgemeiner "Kanon" ist, muss noch nichts heißen - dafür sind die bekannten & unbekannten Sachen noch zu jung, als dass wir das abschätzen können. Viele Autoren werden z.B. erst Jahre nach ihrem besten öffentlichen Wirken als "groß" entdeckt... mir fällt da spontan F. Scott Fitzgerald ein, dessen Großer Gatsby - einer meiner Lieblingsromane aller Zeiten - erst durch eine Entscheidung des US-Militärs dauerhaft bekannt wurde, diesen Roman als Lesematerial unter den Truppen zu verteilen, lange nach seinem 1. Erscheinen.

 

Dass momentan Anerkanntes später glatt komplett vergessen werden kann, zeigt ja simifilms Herzl-Beispiel.


Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 26 April 2015 - 15:58.

/KB

Yay! SF-Dialog Ende März...
Senator: Und dies ist nun die Epoche der Laser?

Farmer: [..] Die Anzahl der Menschen auf der Erde, die voller Hass/Frustration/Gewalt sind, ist zuletzt furchterregend schnell gewachsen. Dazu kommt die riesige Gefahr, dass das hier in die Hände nur einer Gruppierung oder Nation fällt... (Schulterzucken.) Das hier ist zuviel Macht für eine Person oder Gruppe, in der Hoffnung dass sie vernünftig damit umgehen. Ich durfte nicht warten. Darum hab ich es jetzt in die Welt verstreut und kündige es so breit wie möglich an.

Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht überleben.

Farmer: Ich hoffe Sie irren sich, Senator! Ich hatte eben nur eine Sache sicher kapiert - dass wir weniger Chancen dazu morgen haben würden als heute.

(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob übersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)


#24 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.917 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Zürich

Geschrieben 26 April 2015 - 14:15

Was Herzl angeht, könnte man wahrscheinlich hinzufügen, dass zumindest "Altneuland" (ich habe dieses Werk allerdings nicht gelesen und kann nur vermuten) politikwissenschaftliche Lektüren geradezu herausfordert  - obzwar es ein literarisches Werk ist - und so zum Autorenbild des "Polikers" Herzl beitrug.

Ist jetzt eine Abschweifung von der Abschweifung: Zum einen ist Altneuland ein spätes Werk Herzls, das er schrieb, als er schon ganz Organisator und Anführer der zionistischen Bewegung war. Also keiner der Texte, für die er berühmt wurde. Zum anderen ist es interessant, dass heute eigentlich niemand mehr den Roman liest. Seltsamerweise ist Herzl sogar innerhalb der Utopieforschung ein erstaunlich unbeschriebenes Blatt (wenn man von der Studie von Clemens Peck absieht, die diesbezüglich Pionierarbeit geleistet hat). Obwohl man argumentieren könnte, dass hier eine der wenigen Utopien vorliegt, die tatsächlich umgesetzt wurden, wird Herzls Werk in der Utopieforschung bestenfalls am Rande erwähnt.  

 

 

Ich kann Dein Argument mit der Sekundärliteratur und den dürftigen "Eraserhead"-Reprisen gut nachvollziehen, was die von Dir angesprochene Liste angeht, hätte ich angenommen, dass das "National Film Registry" eben eine gewichtige Manifestation eines solchen Kritikerkonsens darstellt - zumindest zu einem bestimmten Zeitpunkt im amerikanischen Filmdiskurs. (Interessant finde ich übrigens, dass im "Registry" "Eraserhead" bisher als einziges Lynch-Werk verzeichnet wurde. Das wäre auch der Film meiner Wahl, noch vor "Blue Velvet", den ich auch sehr mag, und - hypothetisch - der Serie "Twin Peaks", die ich "Mulholland Drive", "Lost Highway", "Dune" etc. immer vorziehen würde. Den "Elefantenmenschen" habe ich leider noch nicht gesehen.

 

Ich muss da wohl differenzieren: Es gibt ja durchaus Zwischenstufen zwischen "kanonisierter Klassiker" und komplett vergessenem Werk. Eraserhead ist sicher kein vergessener Film und hat schon alleine durch die Person Lynchs seinen filmhistorischen Platz. Und natürlich fallen solche Listen unterschiedlich aus, je nachdem wer sie zu welchem Zweck erstellt. Ich denke aber schon, dass übers Ganze gesehen, Blue Velvet und Mulholland Dr. die breiter reizipierten Filme sind (in den Sight & Sound Top 50 ist von Lynch zum Beispiel nur Mulholland Dr. drin). In gewissem Sinne ist ohnehin Twin Peaks das Einflussreichste, was Lynch gemacht hat. Sehr überspitzt gesagt: Ohne Twin Peaks gäbe es die heutigen Qualitäts-Serien nicht.

 

EDIT: Seltsam, ich merke gerade, dass ich eigentlich immer Lost Highway meinte, wenn ich Mullholland Dr. schrieb. So viel zur Eindeutigkeit dieser Wertungen. ;)


Bearbeitet von simifilm, 26 April 2015 - 14:20.

Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

zfs40cover_klein.jpg ZFS16_Coverkleiner.jpg

  • (Buch) gerade am lesen:Samuel Butler: «Erewhon»
  • (Buch) als nächstes geplant:Samuel Butler: «Erewhon Revisited»
  • • (Film) gerade gesehen: «Suicide Squad»
  • • (Film) Neuerwerbung: Filme schaut man im Kino!

#25 Theophagos

Theophagos

    Giganaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIP
  • 643 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Hamburg

Geschrieben 26 April 2015 - 15:37

Ich finde das erste Kernargument eigentlich ganz bemerkenswert.

Gelfert stößt ja ins "Die-Kunst-Sinkt-Ins-Bedeutungslose"-Horn.

Dafür verwendet er zwei Argumente.

1. In Zeiten des modernen Kampitalismus' ist auch Kunst eine Ware, ein Konsumgut, um genau zu sein. Konsumgüter werden produziert, verkonsumiert und der Rest auf dem Müll geworfen. Das Witz der Produkte liegt eben im Verbrauch. Was bleibt, ist Müll.

2. Aus verschiedenen Gründen erfüllen die Vermittlungsinstanzen ihre Funktion nicht mehr, deshalb müssen Künstler, die Geld verdienen wollen, ihr Niveau nach unten anpassen.

 

Leider ist der Text ungenau, schlampig und polemisch geschrieben, das macht es schwer, die interessanten Aspekte zu sehen. So sollte Gelfert besser zwischen Lebensart und Kulturgut trennen, Kultur könnte er klarer besetzen und sich später auch daran halten. Die beiden Sätze:

 

Kultur ist zuerst einmal das, was übrig geblieben ist, denn nur das kennen wir. Macht man das zum Kriterium, stellt sich die Frage, was von unserer eigenen Kultur übrig bleiben wird.

machen das Problem deutlich. Erst besetzt er den Begriff, nur um ihn im darauffolgenden Satz anders zu verwenden. Kein Ding kann kleinere Teilmenge seiner selbst sein.

 

Ich glaube beispielsweise nicht, dass er wirklich über Kunstwerke spricht, sondern über die Rezeption von Kunstwerken in der Öffentlichkeit. Diese Rezeption wird eben durch Event- und Konsum-Charakter aktueller Kunst erheblich erschwerte. Leider ist in meiner Interpretation schon viel Spekulation, weil der Text eben so unsauber und unklar formuliert ist. Dennoch finde ich gerade das erste Argument interessant - über den Event-Charakter habe ich mich auch schon in der Vergangenheit beklagt: Es wird viel mehr über die kommenden Filme gesprochen, als über die aktuellen.


"Cool Fusion? What is 'Cool Fusion'?" - "As Cold Fusion is beyond our grasp, we should reach for something ... less ... cold. Cool Fusion."
- Dr. Karel Lamonte, Atomic Scientist (Top of the Food Chain, Can 1999)
  • (Buch) gerade am lesen:Annick Payne & Jorit Wintjes: Lords of Asia Minor. An Introduction to the Lydians
  • (Buch) als nächstes geplant:Che Guevara: Der Partisanenkrieg
  • • (Buch) Neuerwerbung: Florian Grosser: Theorien der Revolution
  • • (Film) gerade gesehen: Ghost in the Shell (USA 2017, R: Rupert Sanders)
  • • (Film) als nächstes geplant: Onibaba (J 1964, R: Kaneto Shindo)
  • • (Film) Neuerwerbung: Arrival (USA 2016, R: Denis Villeneuve)

#26 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.917 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Zürich

Geschrieben 26 April 2015 - 16:01

2. Aus verschiedenen Gründen erfüllen die Vermittlungsinstanzen ihre Funktion nicht mehr, deshalb müssen Künstler, die Geld verdienen wollen, ihr Niveau nach unten anpassen.

Sierra hat diesen Punkt bereits angesprochen. Eine zentrale Vermittlungsinstanz ist zweifellos die Schule - kommt diese ihrer Aufgabe wirklich nicht (mehr) nach? Oder liegt die Schwierigkeit nicht viel mehr darin, dass der Kulturbegriff heute viel breiter ist? Solange es einen halbwegs klaren bildungsbürgerlichen Kanon gibt, ist es einfacher, "Kultur zu vermitteln", als wenn die Schule auch noch die Aufgabe hat, z.B. fremde Kulturen näher zu bringen, etwas über andere Religionen zu vermitteln, aktuelle Erscheinungen wie z.B. Games, Web, Pop-Musik etc. einzubeziehen. Ich behaupte, dass die Schule heute in diesem Bereich viel mehr Dinge leisten muss als früher; dass damit ein klassischer Kanon automatisch weniger umfassend abgedeckt werden kann, ist eigentlich klar.

 

Ein anderer Punkt ist, dass das ursprüngliche Bildungsbürgertum wegstirbt. Diese Erscheinung ist besonders im Bereich der klassischen Musik augenfällig. Vor 30, 40 Jahren gab es in grösseren Städten noch ein wohlhabendes, politisch einflussreiches Bürgertum, für das der regelmässige Konzert- und Opernbesuch selbstverständlich war. Solange es diese Schicht gab, war die Finanzierung der Orchester und Opernhäuser auch kein Problem. Mittlerweile ist dieses Bürgertum aber alt geworden, der Nachwuchs kommt nicht automatisch. Die Folge: Es gehen weniger Leute ins Konzert und politisch schwindet der Rückhalt, entsprechende Institutionen zu subventionieren (das fördert dann auch den Event-Charakter: Da man sich nicht mehr auf die Abonnenten verlassen kann, versucht man, die Leute mit Events - Forellen-Dinner mit Forellenquintett - zu locken. Ich war kürzlich mit meinem Jüngsten in einem Krabbelkonzert. Anscheinend gehören diese Veranstaltungen zu den best besuchten des Zürcher Kammerorchesters).

 

Wie man das wertet, hängt natürlich stark von den eigenen Interessen ab. Man kann es bedauern, dass eine jahrhundertealte Tradition langsam verschwindet, oder man kann begrüssen, dass "echte Kultur" nicht mehr durch eine ökonomisch und politisch mächtige Gruppe definiert wird.


Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

zfs40cover_klein.jpg ZFS16_Coverkleiner.jpg

  • (Buch) gerade am lesen:Samuel Butler: «Erewhon»
  • (Buch) als nächstes geplant:Samuel Butler: «Erewhon Revisited»
  • • (Film) gerade gesehen: «Suicide Squad»
  • • (Film) Neuerwerbung: Filme schaut man im Kino!

#27 Valerie J. Long

Valerie J. Long

    Passionaut

  • Buchcrew
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 3.487 Beiträge
  • Geschlecht:unbekannt
  • Wohnort:Wiesbaden

Geschrieben 26 April 2015 - 16:31

Wenn du schon die klassischen Kulturformen ansprichst: Im Opernabo erlebe ich immer wieder, wie ganze Schulklassen in die Aufführungen gekarrt werden. Wie könnte man diese jungen Leute begeistern? Vielleicht gibt es ein paar darunter, die ein gut gesungenes "Nessun Dorma" goutieren könnten. Vielleicht wäre Interesse da, wenn man Wagners "Ring" wie den Herrn der Ringe inszenieren würde, also als Fantasyspektakel, oder ebenso die "Zauberflöte".

Stattdessen werden die Darsteller in Straßenanzüge gesteckt, die Statisten bekommen Regenmäntel -- oder die Darsteller sind gleich nackt* -- genau wie im Artikel beklagt. Wie sollen die jungen Leute sich mit so einem Stildurcheinander identifizieren, wie sollen sie einen Zugang finden? Es ist nicht ihre Welt, es ist aber auch nicht die Welt des Komponisten.

 

Der Kontrast dazu -- nur geht dort kaum ein Schüler hin -- ist die "Met im Kino". Beim Triumphzug in Aida: echte Pferde auf der Bühne. Da kann man anschließend mal über Ägypten im Altertum reden: Wie war die Welt damals?

 

Bei den jungen Leuten im Freundeskreis ist Interesse am "Bildungsbürgertum" durchaus vorhanden. Wenn es gut gemacht ist, ist der Nachwuchs interessiert. Nein, der "Verfall" dieser "Kultur" ist wohl eher denen geschuldet, die sich aktiv an ihrem Abriss beteiligen.

 

*Nachtrag: So was passiert andernorts, wenn man der 3Sat-Kulturzeit glauben darf. Im Wiesbadener Staatstheater findet derlei nicht statt.


Bearbeitet von Valerie J. Long, 26 April 2015 - 16:33.


#28 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.917 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Zürich

Geschrieben 26 April 2015 - 17:09

Stattdessen werden die Darsteller in Straßenanzüge gesteckt, die Statisten bekommen Regenmäntel -- oder die Darsteller sind gleich nackt* -- genau wie im Artikel beklagt. Wie sollen die jungen Leute sich mit so einem Stildurcheinander identifizieren, wie sollen sie einen Zugang finden? Es ist nicht ihre Welt, es ist aber auch nicht die Welt des Komponisten.

Vorab: Ich finde solche Generalisierungen über die modernen Inszenierungen sehr problematisch, weil sie eigentlich immer falsch sind; da müsste man schon ein konkretes Beispiel anschauen. Mit Oper kenne ich mich zwar nicht aus, aber ich war während mehrerer Jahre ein sehr regelmässiger Theaterbesucher - momentan fehlt es mir leider an Zeit - und ich kann das, was Gelfert beschreibt, schlichtweg nicht nachvollziehen. Ja, es wird heute anders inszeniert als in den 1950er Jahren, aber eine einheitliche moderne Ästhetik - ob verhunzt oder nicht - kann ich nicht erkennen. Dass nicht alles gleich gelungen ist, dass einem manches zusagt und man sich über anderes aufregt - geschenkt. Alles andere wäre ja seltsam. Zugleich - und das dürfte bei der Oper nicht anders sein - glaube ich nicht, dass man heute noch irgend jemanden mit einer "klassischen" 50er-Jahre-Inszenierung begeistern könnte.
 
Zu deinem eigentlichen Punkt: Spontan scheint es mir, dass Darsteller in Strassenanzügen und Statisten in Regenmänteln sehr viel mehr mit der Alltagswelt Jugendlicher zu tun haben als ein Ritter in Rüstung oder ein Prinz in Strumpfhosen. Welche Welt erleben sie denn täglich? Und wie sind die Figuren in Filmen gekleidet?

 

Der Kontrast dazu -- nur geht dort kaum ein Schüler hin -- ist die "Met im Kino". Beim Triumphzug in Aida: echte Pferde auf der Bühne. Da kann man anschließend mal über Ägypten im Altertum reden: Wie war die Welt damals?

Wie gesagt: Zu Oper masse ich mir kein Urteil an. Aber zumindest nach meinem Dafürhalten ist das Event-Kultur pur. Statt Musik zu machen, macht man Spektakel und klotzt mit Schauwerten. Und statt sich mit der Oper zu beschäftigen, spricht man über das alte Ägypten.

 

EDIT: Und noch von wegen moderner Verhunzung: Orson Welles hat Shakespeares Julius Cäsar schon in den 1930ern ausschliesslich mit Männern im Trenchcoat inszeniert - mit begeisterten Kritiken. So neu ist das nicht.

 

EDIT2: Der wesentlichere Punkt scheint mir eigentlich, dass das blosse "Hinkarren" von Schülern noch keine Vermittlung ist. Vermittlung würde heissen, den Opernbesuch vor- und nachzubereiten. Dass eine auf italienisch gesungene Inszenierung einer 200-jährigen Oper für ein ungeübtes Publikum nicht sofort eingängig ist, hängt meines Erachtens nur sehr begrenzt von den Kostümen ab.


Bearbeitet von simifilm, 26 April 2015 - 17:32.

Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

zfs40cover_klein.jpg ZFS16_Coverkleiner.jpg

  • (Buch) gerade am lesen:Samuel Butler: «Erewhon»
  • (Buch) als nächstes geplant:Samuel Butler: «Erewhon Revisited»
  • • (Film) gerade gesehen: «Suicide Squad»
  • • (Film) Neuerwerbung: Filme schaut man im Kino!

#29 lapismont

lapismont

    Linksgrünversifft

  • Fantasyguide Moderator
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 16.188 Beiträge
  • Geschlecht:unbekannt
  • Wohnort:Berlin

Geschrieben 26 April 2015 - 17:15

Es gibt sehr viel Eventkunst die gerade davon lebt, dass sie weder konserviert und damit vermarktet werden kann, noch überhaupt irgendwie bewertet werden muss.

 

Ich glaube, dass Simon mit seiner Einschätzung Recht hat, Kunstbedeutung diffundiert mit dem Niedergang des Bürgertums. Außerdem ist jedes Werk digital nur ein like entfernt. Und wen interessiert Erfolg unter einer Million Followern? Welche KünstlerInnen lassen sich vom Mangel daran abhalten, weiter zu machen?


Überlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.
Fantasyguide
Saramee
Montbron-Blog
  • (Buch) gerade am lesen: Cheon Seon-ran – Tausend Arten von Blau

#30 Valerie J. Long

Valerie J. Long

    Passionaut

  • Buchcrew
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 3.487 Beiträge
  • Geschlecht:unbekannt
  • Wohnort:Wiesbaden

Geschrieben 26 April 2015 - 18:00

Übertriebene Generalisierungen finde ich auch problematisch, daher habe ich solche auch vermieden. Anzüge mit Schlips sind (noch) nicht die Welt der Jugend. Über Vor- und Nachbereitung im Unterricht heute kann ich nichts sagen, aber mit dem Hinkarren ist es natürlich nicht getan. Ich nannte den Stilmix als ein Beispiel dafür, wie der Zugang erschwert wird. Eventkultur war Oper wohl auch schon in den vergangenen Jahrhunderten. Ach ja: Show, don't tell - natürlich trägt die Optik zum Verständnis oder erstmal zum Erkennen bei. Wer ist der König, wer ist der Gefangene? Roter und blauer Schlips? (Nur leicht übertrieben. )


Besucher die dieses Thema lesen: 0

Mitglieder: 0, Gäste: 0, unsichtbare Mitglieder: 0