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Exodus 37

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51 Antworten in diesem Thema

#31 Uwe Post

Uwe Post

    FutureFictionMagazin'o'naut

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Geschrieben 19 Februar 2018 - 09:14

 

Das Universum[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;] von [/color]H.D. Klein

zu kurz

Um ehrlich zu sein: Zu lang.

Ich mag in einem SF-Magazin eigentlich keine Märchen über Fliegen lesen, selbst dann nicht, wenn man sie als Metapher auffassen könnte (Menschheit verlässt Heimatplanet und wird von den erstbesten Aliens umgenietet).

Hinzu kommt, dass die Illustration den Schluss spoilert.

Ich möchte es mal so ausdrücken: Ich gehöre nicht zur Zielgruppe dieses Textes.


Herausgeber Future Fiction Magazine (deutsche Ausgabe) ||| Aktueller Roman: ERRUNGENSCHAFT FREIGESCHALTET ||| uwepost.de ||| deutsche-science-fiction.de

#32 Frank Lauenroth

Frank Lauenroth

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Geschrieben 24 Februar 2018 - 12:03

Upgrade für Sandra Meier von Angela & Karlheinz Steinmüller

In Zeiten von Bitcoin und Co war eine solche Story unvermeidbar. Die Steinmüllers sind große Erzähler, aufgrund des Themas bleibt das Ganze aber sperrig. Der Champagner-Gag hätte m. E. aufgrund der filigranen Vorbereitung als Endsatz stärker gewirkt.

 

Check Out von Thomas Kolbe Gute Idee, aber insgesamt nicht stark genug, um lange im Gedächtnis zu bleiben.

 

Das Zeichen von Erik Simon

So gar keine SF, aber Erik Simon ist da sowieso eher Grenzgänger und ich gebe gerne zu, dass ich alles von ihm verschlingen würde. Routiniert erzählte Pointen-Story.   


† In memoriam Michael Szameit / Christian Weis / Alfred Kruse / Rico Gehrke                                                          : Aktuelle Projekte und neue Veröffentlichungen :                                                'Gleich' ist der Tod des kleinen Mannes.


#33 Uwe Post

Uwe Post

    FutureFictionMagazin'o'naut

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Geschrieben 25 Februar 2018 - 19:00

"Die Wettermaschine" von Lothar Nietsch

An sich ein interessanter Plot, bis auf den Dreh mit den Kristallen - der klingt wie auch einem 80er B-Film.

Vor allem ist die Geschichte aus meiner Sicht unnötig umständlich erzählt. Die ganze erste Hälfte ist eine Art Rückblende, gespickt mit Plusquamperfekt und Sätzen, die nicht in dieser Zeitform stehen, aber trotzdem in der Vorvergangenheit spielen. Ich hätte die Story linear erzählt - für die Rückblende sehe ich jedenfalls keinen sachlichen Grund. Vielmehr zerhackstückt das die Dialoge, die vermischt sind mit Infodumps und indirekter Rede. So wirken die Figuren nicht lebendig, sondern ... erzählt.

Geradezu hölzern, sorry, wirken auf mich Sätze wie: 

 

Harb wundere das Folgende nicht.

Was soll denn das?

Der allwissende Erzähler stellt hier unter Beweis, dass er sogar die Zukunft kennt. Damit rückt er sich selbst in den Mittelpunkt, statt die Figuren für sich selbst agieren zu lassen. Oder es ist einfach undurchdacht und eine Stilblüte. Jedenfalls ist der Satz völlig unnötig.

 

Und, schließlich, bei aller Liebe für abgewandelte Sprachen: Dass die Mechaniks aus der Nähe von New York so eine Art Bayrisch sprechen, wirkt auf mich bestenfalls albern.

 

Auch hier spoilert übrigens die Illustration auf Seite 88 den Schluss. Vielleicht wäre es eine gute Idee, wenn die Herausgeber die Künstler explizit darum bitten würden, darauf zu achten, den Inhalt nicht vorweg zu nehmen.


Bearbeitet von Uwe Post, 27 Februar 2018 - 14:27.

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#34 Uwe Post

Uwe Post

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Geschrieben 27 Februar 2018 - 14:20

"Seltene Erden" von Jan Gardemann

Ein routiniert geschriebener 5-Minuten-Krimi, den man nach weiteren 5 Minuten wieder vergessen hat, und (sorry wenn das jetzt bösartig klingt) den zu schreiben einen versierter Heftromanautor auch nicht viel mehr als 5 Minuten gekostet haben kann.

 

"Weihnachtsmann" von Maksym Shapiro

Eine drollige kleine Geschichte, die natürlich unterstellt, dass es Außerirdische geben könnte, die zwar interstellare Reisen beherrschen, aber nicht verstehen, dass man Aussagen von Kindern vielleicht nicht unbedingt hundertprozentig Vertrauen schenken sollte (genausowenig wie Spielfilmen). Ich denke, ich werde die Story mal meiner Tochter vorlesen, die findet das bestimmt ganz witzig - und weist mich zwischendurch darauf hin, dass es ja bekanntlich gar keinen Weihnachtsmann gibt ;-)

 

Da ich jetzt alle Storys durch habe, wage ich ein kleines Fazit. Ich hoffe, es klingt nicht allzu negativ, denn an sich sind die Storys handwerklich weitgehend in Ordung (einziger Ausreißer nach unten ist für mich "Die Wettermaschine"). Aber wenn man sich mal den Tiefgang anschaut, den Anspruch, oder, umgekehrt, zählt, wieviele streng genommen ziemlich oberflächlich daherkommen, dann muss man wohl insgesamt den Begriff "seicht" bemühen. Nur zwei Geschichten (von Dirk Alt und den Steinmüllers) erheben klare sozialkritische Ansprüche. Eine (von Arno) spielt in einer wirklich fremdartigen Welt und zeigt ungewohnte Gedankengänge. Mehrere Storys lassen sich ganz leicht auf ihre Pointe reduzieren. Vielleicht ist die redaktionelle Auswahl ja etwas einseitig geraten. Oder ...? Oder es bestätigt einen Trend, den ich persönlich nicht gutheißen kann: Die zeitgenössische deutsche SF-Kurzgeschichte ist viel zu brav.

 

Ich stelle das mal so als These in den Raum, die am Beispiel der vorliegenden EXODUS-Ausgabe gern diskutiert werden kann.


Bearbeitet von Uwe Post, 27 Februar 2018 - 14:31.

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#35 Frank Lauenroth

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Geschrieben 28 Februar 2018 - 20:17

Krankenbesuch[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;] von [/color]Rolf Krohn

Ein typischer Krohn. Vermischung von Historie und außerirdischer Technik. Das Ende plätschert leider etwas schwächelnd aus. Die Heilung des Jungen hätte sich als Überraschung am Schluss besser geeignet. M. E.

 

Schneefall[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;] von [/color]Arno Behrend

Interessante Idee, diese Projekt aus KI-Sicht zu schildern, aber trotz "neu erworbener Empathieroutinen" blieb mir  die Geschichte fremd und sperrig.

 

Das Universum[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;] von [/color]H.D. Klein

Das Microversum im Macroversum - ist leider ein alter Hut. 


† In memoriam Michael Szameit / Christian Weis / Alfred Kruse / Rico Gehrke                                                          : Aktuelle Projekte und neue Veröffentlichungen :                                                'Gleich' ist der Tod des kleinen Mannes.


#36 klox

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Geschrieben 01 März 2018 - 15:32

Die Wettermaschine von Lothar Nietsch

Ich fand es ein wenig anstrenged die Geschichte zu lesen. Ich denke Uwe Post hat das ganz gut analysiert:

 

Vor allem ist die Geschichte aus meiner Sicht unnötig umständlich erzählt. Die ganze erste Hälfte ist eine Art Rückblende, gespickt mit Plusquamperfekt und Sätzen, die nicht in dieser Zeitform stehen, aber trotzdem in der Vorvergangenheit spielen. Ich hätte die Story linear erzählt - für die Rückblende sehe ich jedenfalls keinen sachlichen Grund. Vielmehr zerhackstückt das die Dialoge, die vermischt sind mit Infodumps und indirekter Rede. So wirken die Figuren nicht lebendig, sondern ... erzählt.

Insgesamt ist die Idee ja ganz net, aber die Idee das der beschriebene Stamm ein Raumschiff reparieren kann, ist zu unglaubwürdig. Insbesondere wenn die Leute sich bei der Nachrungssuche nur relativ primitiven Methoden bedienen müssen. Der Kristall passt dann schon fast wieder ins Gesamtbild :-)



#37 klox

klox

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Geschrieben 01 März 2018 - 22:17

Seltene Erden von Jan Gardemann

Sehr flüssig erzählt, mit guter Ausarbeitung der Personen. Das die Geschichte vorhersehbar und erster Linie ein Krimi mit SF Versatzstücken ist trübt den Gesamteindruck

 

Weihnachtsmann von Marksym Shapiro

Nette Idee schlecht umgesetzt

 

Jenseits der Betondecke - SF in drei Literaturzeitschriften von Dirk Alt

Interessanter Beitrag, insbesondere die SF Ausgabe von "Am Erker" klingt interessant. Einer der interessanteren Sachtexte die ich in letzter Zeit gelesen habe. In Zukunft ruhig mehr davon.

 

 

Gesamteindruck:

 

Wirklich gefallen haben mir nur drei Geschichten: "Das Zeichen" von Erik Simon, Arno Behrends "Schneefall" die Steinmüllers mit ihrer Finanzgeschichte. Der Rest war bestenfalls handwerklich gut gemacht aber, aus meiner Warte, primär langweilig. Die Galerie war leider auch nicht ganz mein Ding. Ein paar Bilder waren ganz ok, generell erinnern mich Collagen immer ein wenig an die Bastelstunde aus dem Kindergarten. Die Lyrik Sektion finde ich überflüssig, lieber mehr Sachtexte.

 

Handwerklich war das Heft wieder sehr gut produziert und alle Texte haben ein vernünftiges Lektorat erfahren. Mein Dank an die Herausgeber und die Autoren, die ihre Kreativität und Zeit geopfert haben um ein solches Heft möglich zu machen. Zwar hat mir das meiste nicht so gefallen, aber mir ist bewußt das die Macher viel Herzblut hineingesteckt haben.



#38 schilling

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Geschrieben 06 März 2018 - 21:06

Das würde ich nicht so sagen. Auch wenn beispielsweise Folter in dieser Geschichte nicht vorkommt, gehört sie garantiert zum Instrumentarium des Regimes. Was die Hauptfigur über das "vorher" erzählt, geht klar in Richtung Psychoterror. Die nicht korrigierbaren Devianten werden zwischen den Zeilen ermordet, auch ein klarer Fall. Von "Einsicht" würde ich auch nicht reden, die "Unterwerfung" ist vielmehr eine Folge der Gehirnwäsche bzw. des Gruppendrucks. Die StaJu ist eindeutig Teil eines Terrorregimes, das keinen Widerspruch, keine zweite Meinung duldet. Dass man Menschen nicht (nur) mit Gewalt gleichschalten kann, wusste schon der Schöpfer des geflügelten Worts von "Zuckerbrot und Peitsche". Ich denke, Dirk Alt ging es darum, darzustellen, dass es viele Wege gibt, Freiheit zu unterdrücken, hier eben auf die "sanfte" Tour. Das macht das Regime nicht netter, und rückt den Autor keinesfalls in eine rechtspopulistische Ecke.

 

Ich wollte ja schon früher noch etwas dazu antworten, mich hatte aber leider die Grippe erwischt, sodass mir nicht so richtig danach war ;) Du hast natürlich mit Einigem, das du sagst, Recht. Was mich aber an dem Text stört, ist, dass er so stark wertet, und dies tut er zuungunsten der Devianten: An ihnen bleibt ja tatsächlich kein gutes Haar, während die StaJus ausschließlich positiv dargestellt sind. Natürlich ist es extrem wichtig, wenn gerade in der phantastischen Literatur 'das Böse' auch mit guten Eigenschaften (und umgekehrt) versehen wird und werden darf, ohne dass gleich Moralapostel vor der Tür stehen (wie beispielsweise bei Bacigalupis Windup Girl, dem da Frauenfeindlichkeit vorgeworfen wurde, weil er die Ausbeutung von Frauen dargestellt hatte) - das Herumreiten auf stets denselben Klischees bringt schließlich niemanden weiter. Aber ich finde, hier ist der Autor über dieses Ziel hinausgeschossen.

 

 

 

Die zeitgenössische deutsche SF-Kurzgeschichte ist viel zu brav.

 

Ich glaube, es fehlen oft auch Visionen. Einerseits führt das zu belanglosen, harmlos-netten Roboter- oder KI-Storys, andererseits zu zynisch-niederschmetternden Storys aus der Cyberpunk-Nostalgie-Ecke, die meiner Meinung nach in der letzten Zeit immer häufiger werden. Es müssen ja nicht ununterbrochen politisch feinsinnige Geschichten geschrieben werden, aber es fehlt auch ziemlich an einfachen Abenteurstorys mit coolen Charakteren und tollen Dialogen, usw...



#39 Uwe Post

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Geschrieben 07 März 2018 - 09:14

Wenn, dann lohnt es sich im Fall der Alt-Geschichte, tiefer ins Detail zu gehen.

 

 

[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]dass er so stark wertet, und dies tut er zuungunsten der Devianten: An ihnen bleibt ja tatsächlich kein gutes Haar, während die StaJus ausschließlich positiv dargestellt sind.[/color]

Das sehe ich etwas anders. Beispielsweise stellt die StaJu den Devianten eine Falle, und sie verurteilen letztlich Unbelehrbare zum Tod. "Ausschließlich" positiv würde ich das keinesfalls nennen.

Was die Devianten angeht, wäre ich ebenfalls sehr vorsichtig. Gegner eines totalitären Systems zu sein, ist kein Zuckerschlecken, man bekämpft es nicht mit Blümchen und Limmericks.

Mich würde interessieren, ob es konkrete Textstellen gibt, an denen Du Deine These festmachst, dass der Text zu sehr Partei für die StaJu ergreift.

 

Freut mich jedenfalls, dass wir uns hier darüber einig sind, dass viele Storys zu seicht sind. Hier lesen ja auch diverse Autoren mit. Also: Traut euch doch mal was! Haut auf die Kacke. Keine Sorge. Noch weniger Leser als jetzt geht ja eh nicht mehr  :aliensmile:


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#40 Waffeleisen

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Geschrieben 07 März 2018 - 10:56

.. nur die Herausgeber müssen das auch wollen ...


Was nicht in mein Regal passt: Booklooker

  • • (Buch) gerade am lesen:Tiefraumphasen

#41 Frank Lauenroth

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Geschrieben 07 März 2018 - 17:09

Die Wettermaschine [color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]von[/color] Lothar Nietsch

Idee gut, aber zu lang und zu umständlich. Und ich stimme Uwe zu: Das Spoilern in den Bildern ist ungünstig. 

 

Seltene Erden[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;] von [/color]Jan Gardemann

Nicht mehr als eine Fingerübung. Die Seltenen Erden sind eine arg bemühte Klammer. Und man hätte es auch komplett ohne den SF-Anteil erzählen können.

 

Weihnachtsmann von Marksym Shapiro

Nette Idee, allerdings meine ich, so etwas woanders schon einmal gelesen zu haben. Irgendein Heyne-Jahresband oder so. 

 

[color=#000080;]Mein Fazit (Prosa und Lyrik)[/color]:

Sehr durchwachsen. Einzig Erik Simons Nicht-SF-Story hat mich überzeugt. Keine Hammerstory dabei, die Lyrik m. E. unnötig bis überflüssig.   


Bearbeitet von Frank Lauenroth, 07 März 2018 - 17:51.

† In memoriam Michael Szameit / Christian Weis / Alfred Kruse / Rico Gehrke                                                          : Aktuelle Projekte und neue Veröffentlichungen :                                                'Gleich' ist der Tod des kleinen Mannes.


#42 schilling

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Geschrieben 07 März 2018 - 20:18

Mich würde interessieren, ob es konkrete Textstellen gibt, an denen Du Deine These festmachst, dass der Text zu sehr Partei für die StaJu ergreift.

 

 

 

Ja, die gibt es. Ich werde sie mal raussuchen, ich weiß aber nicht, ob ich es bis morgen schaffe.



#43 schilling

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Geschrieben 09 März 2018 - 11:58

So, ich habe jetzt mal ein paar Textstellen herausgesucht. Manches kann man natürlich mit inhaltlichen Aspekten erklären, andere Punkte sind aber klar gelöst vom rein Inhaltlichen und sind Resultat von formalen Entscheidungen des Autors (zB sowas wie die Festlegung von Haarfarben (schwarz/böse vs blond/gut), wie man es von Telenovelas kennt usf.).  

 

körperliche und charakterliche Beschreibungen: S. 10 oben: Gegenüberstellung des Sachbearbeiters ("[...] kantiges, entschlossenes Gesicht, stahlgraue Augen, das weißblonde Haar kurz geschoren [...]) und Diederich ("[...]trübe, desillusionierte Augen [...] von Aknenarben und Verunreinigungen gezeichneten Gesicht, dessen Kinn und Wangen unrasiert waren. Die mangelnde Bartpflege und das wild wuchernde schwarze Kopfhaar [...]" ) S. 12 unten: "[...] während die Devianten Fremdheit und Misstrauen ausströmten wie ein sie einendes Krankheitssymptom." S. 13 Mitte: "Reinerz war blond, schneidig und begeistert; [...]" S. 14 Mitte: "Mosche war dünn, geradezu abgezehrt, [...] Sein Erscheinungbild wies zahlreiche Merkmale einstigen Rauschmittelkonsums auf. Alles an ihm war schmal: seine Schultern, sein Gesicht, seine Lippen, seine stark behaarten Arme und Hände. Dagegen war Buck [...] von massiger Statur, ein ständig schwitzendes Kraftpaket [...]" S. 17 oben "So schwächlich seine Kondition war, so geschickt verstand es Mosche, andere für sich arbeiten zu lassen. Darüber hinaus war ihm eine unangenehme Klebrigkeit zu eigen, die ein Nebenprodukt seiner schmutzigen Fantasie sein musste oder eine Folge seines früheren Handelns mit [...] Pornografie." Außerdem äußert er sich lüstern-herablassend über die Mädchen: "In Wahrheit wollen sie nur Schwänze lutschen, die kleinen Luder." Die Stelle ist besonders schwerwiegend, da Mosche durch seinen Namen als Jude gekennzeichnet ist, und gerade solche Vorwürfe der trieb- und krankhaften Lüsternheit in der antisemitischen Propaganda eine Rolle spielen. S. 17 Beschreibung der Mädchen: "[...] sie waren über- oder untergewichtig, apathisch, hatten zerstochene Lippen, Nasen und Ohren oder Tätowierungen [...]" S. 22 unten Beschreibung von Trixi (vgl. Tricksie oder Trixie als Name für Prostituierte, analog zu ugs. "trick" - Freier): "Sie war wortkarg gewesen, zugleich rau und zerbrechlich, spröde und einladend. Er erinnerte ihre von Schnitten und Brandmalen gezeichneten Arme, ihren dürren, wie systematisch zugrunde gerichteten Körper und das mit Lumpen und einer Matratze ausgestopfte Loch, in dem sie gehaust hatte." Handlungen der Devianten: S. 9 Auflistung von Diederichs schlechten Eigenschaften einschließlich der Erwähnung seiner wenigen guten, die die einzigen guten Eigenschaften eines Devianten im ganzen Text bleiben: "[...] kam es vor, dass Sie leistungsschwächeren Mitschülern halfen [...]" S. 10 "Wegen Diebstahl, Sachbeschädigung und Verunreinigungsdelikten wurden Sie verschiedentlich in Verwahrung genommen [...]" S. 18 oben: Buck verrät Diederich bei der ersten Gelegenheit, woraufhin Diederich ihn tätlich angreift. In der Folge provoziert Buck Diederich immer wieder (S. 19), was erst im Geheimen durch die Stajus gestoppt wird (S. 22 oben). Hass und Gewalt: rohe Gewalt, die immer von den Devianten ausgeht vs. sanktionierte Gewalt (Boxkampf) S. 19, 24, 28 ff S. 13 Mitte: "Diederich hasste ihn vom ersten Moment an, noch bevor Reinerz das Wort ergriff [...]" S. 13 unten: "Sein Hass und seine Verachtung mussten ihn immunisieren, eine andere Hoffnung blieb ihm nicht." S. 15 unten: "Als man ihm eine Axt in die Hand gab, hatte Diederich nur den einen Wunsch, mit deren Schneide einen dieser sauberen StaJu-Schädel zu spalten." S. 16 unten: "Packen und prügeln [...]" S. 19 unten: Diederichs Hass nimmt zu: auf die Stajus, sich selbst, auf Buck; dieser Hass führt dazu, dass er den konkreten Plan fasst, Reinerz zu ermorden (S. 20 oben) S. 21: Erkenntnis, dass Neid seinem Hass und seinem Antagonismus dem System gegenüber zugrundeliegt: "Mit einem Mal, durch die Verschiebung seines Tötungswunsches, hatte Diederich begriffen, dass sein Hass Ausdruck eines tief verwurzelten Neides war, den er in einer ihm nun unverständlichen Blindheit mit Widerstandsgeist verwechselt hatte." Stellen, an denen Vertreter der StaJu erkennen lassen, dass sie wissen, wie das System funktioniert und Kritik daran üben: S. 11 "Dass Sie geschlagen wurden, bedaure ich. Wir wissen, dass im Vollzug noch immer missbräuchlich Gewalt angewendet wird [...] so ist uns dieses Phänomen aus grundsätzlichen Erwägungen zuwider." S. 22: "Mensch, Diederich, wir sind ja auch nicht mit allem einverstanden ..." S. 28: [...] das Privileg der Meinungsäußerung muss man sich erarbeiten." Sinn für Fairness vonseiten der Staju: S. 11: "'Ich glaube an Sie [...] Deswegen erhalten Sie von mir eine Chance [...]'" S. 13 "'Unter meinem Kommando sind wir alle gleich!'" S. 14 "'Dennoch ist es wichtig, dass wir im Rahmen des Läupros gegenseitige Toleranz und Nachsicht üben. [...]'" S. 21f Gespräch mit Fips, zB "'Ich bin doch kein Denunziant.'" Und abschließend noch der finale, heldische Topos, der Marsch in den Sonnenaufgang: S. 31: "Just als sich diese [die Marschkolonne] in Bewegung setzte, durchdrang der erste Sonnenstrahl des Tages die schwere, grau durchmengte Wolkendecke [...]"



#44 Uwe Post

Uwe Post

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Geschrieben 11 März 2018 - 17:23

Danke, das ist eine interessante Diskussionsgrundlage. Ich greife mir mal ein paar Exemplare heraus:

 

 

 

[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]S. 10 oben: Gegenüberstellung des Sachbearbeiters ("[...] kantiges, entschlossenes Gesicht, stahlgraue Augen, das weißblonde Haar kurz geschoren [...]) und Diederich ("[...]trübe, desillusionierte Augen [...] von Aknenarben und Verunreinigungen gezeichneten Gesicht, dessen Kinn und Wangen unrasiert waren. Die mangelnde Bartpflege und das wild wuchernde schwarze Kopfhaar [...]" )[/color]

 

Diederich kommt meinem Verständnis nach quasi direkt aus einem Internierungslager. Da kann man nicht erwarten, dass er gepflegt rumläuft. Oder gar fröhlich, was die Augen angeht. Lediglich die Aknenarben sind nicht auf diese Tatsache zurückzuführen.

 

 

 

[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]S. 12 unten: "[...] während die Devianten Fremdheit und Misstrauen ausströmten wie ein sie einendes Krankheitssymptom."[/color]

 

Gut, ein Punkt für Dich. Der Erzähler (mehr oder weniger die Perspektive Diederichs einnehmend) verwendet den negativ besetzten Begriff "Krankheit", man hätte auch einen anderen wählen können.

 

 

 

[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]S. 17 oben "So schwächlich seine Kondition war, so geschickt verstand es Mosche, andere für sich arbeiten zu lassen [..][/color]

 

Noch ein Punkt für Dich. 

 

 

 

[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]S. 22 unten Beschreibung von Trixi (vgl. Tricksie oder Trixie als Name für Prostituierte, analog zu ugs. "trick" - Freier)[/color]

 

Darauf wäre ich nie gekommen, aber von dieser Szene habe ich auch nicht die geringste Ahnung.

 

 

 

[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]S. 9 Auflistung von Diederichs schlechten Eigenschaften einschließlich der Erwähnung seiner wenigen guten, die die einzigen guten Eigenschaften eines Devianten im ganzen Text bleiben: "[...] kam es vor, dass Sie leistungsschwächeren Mitschülern halfen [...]"[/color]

 

Da bist Du komplett auf dem Holzweg. Das ist ein Zitat aus Diederichs Akte, die der StaJu-Mann vorliest. Völlig klar, dass die nicht neutral dargestellt werden, das kann man nicht dem Autor ankreiden.

 

 

 

[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]rohe Gewalt, die immer von den Devianten ausgeht vs. sanktionierte Gewalt (Boxkampf) S. 19, 24, 28 ff[/color]

 

Nun ja, wir erfahren aber auch, dass die StaJu die nicht korrigierbaren Devianten umbringt. Auch wenn es nicht direkt dargestellt wird.

 

 

 

[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]S. 13 Mitte: "Diederich hasste ihn vom ersten Moment an, noch bevor Reinerz das Wort ergriff [...]"[/color]

Dieses Gefühl kann ich völlig nachvollziehen. Sollte er den Typ mögen? Das wäre doch völlig unrealistisch.

 

 

 

[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]S. 15 unten: "Als man ihm eine Axt in die Hand gab, hatte Diederich nur den einen Wunsch, mit deren Schneide einen dieser sauberen StaJu-Schädel zu spalten."[/color]

 

Ich glaube, wenn Du das Opfer eines solchen System wärst, würdest Du nicht viel anders empfinden.

 

 

 

[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]S. 22: "Mensch, Diederich, wir sind ja auch nicht mit allem einverstanden ..."[/color]

 

Das kann man so oder so sehen. Als Verharmlosung oder eben als Kritik. Man kann sogar schlussfolgern, dass der Sprecher schlicht zu ängstlich ist (zu Recht), sich gegen das System zu wehren. Letztlich geht es hier um eine Frage der Anpassung, Mitläuferschaft oder Assimilation.

 

 

 

[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]S. 13 "'Unter meinem Kommando sind wir alle gleich!'"[/color]

 

Das kann ich nicht bewerten. Ein Soldat in Führungsposition, der seine Untergebenen nicht gleich behandelt (oder es zumindest behauptet), bliebe vermutlich nicht lange in seiner Position. Er füllt letztlich also lediglich seine Rolle aus.

 

 

 

[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]S. 31: "Just als sich diese [die Marschkolonne] in Bewegung setzte, durchdrang der erste Sonnenstrahl des Tages die schwere, grau durchmengte Wolkendecke [...]"[/color]

 

Das muss man im Zusammenhang mit dem gesamten Schlussabsatz betrachten. Diederich hat sich ja angepasst, die Stelle ist durch seine veränderte Wahrnehmung gefärbt und in meinen Augen eine passende visuelle Untermalung für den bissigen, traurigen Schluss. Diederich hat sich angepasst, er ist Teil der StaJu, hat die Seiten gewechselt.

 

Jetzt bin ich wirklich auf weitere Meinungen gespannt.


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#45 klox

klox

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Geschrieben 12 März 2018 - 00:10

Jetzt bin ich wirklich auf weitere Meinungen gespannt.

  Puh, das wird nicht einfach. Ich bin ja ebenfalls nicht restlos von dem Text begeistert, aber eher aus dem Grund das mir die Pointe, das "Aha!" fehlt das ich bei SF erwarte. schilling kritisiert das es zuviele positive Aspekte an den Mitgliedern der StaJu gibt, und zuviele negative bei den Rebellierendent. Außerdem erwartet er vom Autor mehr "Klarheit in seinen Texten":  

Nach wie vor denke ich, dass die StaJu allzu positiv dargestellt wird und ihre Gegener allzu negativ. Ich meine, wie böse können 'die Bösen' schon sein, wenn sie doch eigentlich nur nett sind? ... Trotzdem denke ich, dass ein Autor, der sich beruflich und fachlich mit NS-Propaganda beschäftigt, sich durchaus zu etwas mehr Klarheit in seinen Texten durchringen könnte und auch seine Stilmittel (zB sprechende Namen und Naturerscheinungen usw. ) so wählen sollte, dass sie gerade nicht mißverstanden werden.

 

Zwei Forderungen die ich ablehne.

 

Mir geht es einzig darum um die Darstellung realistisch ist oder nicht. Und ich muss sagen das mir die ganze Situation realistisch erscheint. Aufbegehren gegen ein faschistisches System macht dich nicht unbedingt zum netten Menschen. Anpassung und Unterstützung durch Menschen die sich die meiste Zeit fair und gesittet verhalten waren ein wesentlicher Grundpfeiler rechte und linke Diktaturen. Das NS Regime hätte icht funktioniert wenn es ihm nicht gelungen wäre auch solche Menschen einzubeziehen. Das gleiche gilt auch für die linken Diktaturen des Ostblocks, die, zumindest zu gewissen Zeiten, auch nicht viel besser waren. Die StuPa, und ihre Mitglieder, sind im Spannungsfeld von HJ und FDJ gut getroffen.

 

Ich denke das es vielleicht sogar Absicht des Autors war den Leser an dieser Stelle zu fordern. Auch wenn mir das nicht gefällt, kann ich das Ergebnis nicht wirklich als zweispältig wahrnehmen. An zu vielen Stellen, teilweise in Nebensätzen, wird unmißverständlich deutlich wie das System arbeitet. Die Unsicherheit die man empfindet, wie man selbst in dieser Situation reagiert hätte, kann man nicht dem Autor, sondern nur sich selbst anlasten. Ich jedenfalls laste Sie mir selbst an.  



#46 Frank Lauenroth

Frank Lauenroth

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Geschrieben 13 März 2018 - 10:39

 Ich denke das es vielleicht sogar Absicht des Autors war den Leser an dieser Stelle zu fordern. 

Schade, dass der Autor hier nicht mitliest und das kommentieren könnte.


† In memoriam Michael Szameit / Christian Weis / Alfred Kruse / Rico Gehrke                                                          : Aktuelle Projekte und neue Veröffentlichungen :                                                'Gleich' ist der Tod des kleinen Mannes.


#47 Uwe Post

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Geschrieben 13 März 2018 - 21:05

Der Autor liest m.W. mit, äußert sich aber nicht. So wie ich ihn kenne, kann man das hier wohl klar bejahen:

 

 

[color=rgb(40,40,40);font-family:helvetica, arial, sans-serif;]Ich denke das es vielleicht sogar Absicht des Autors war den Leser an dieser Stelle zu fordern[/color]

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#48 schilling

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Geschrieben 14 März 2018 - 11:29

Da bist Du komplett auf dem Holzweg. Das ist ein Zitat aus Diederichs Akte, die der StaJu-Mann vorliest. Völlig klar, dass die nicht neutral dargestellt werden, das kann man nicht dem Autor ankreiden.

  Trotzdem wird genau das später wieder aufgegriffen, auf S. 23, wo seine Wandlung bereits im vollen Gange ist: "Er bemühte sich, anderen Hilfestellung zu leisten [...]"    

Das kann man so oder so sehen. Als Verharmlosung oder eben als Kritik. Man kann sogar schlussfolgern, dass der Sprecher schlicht zu ängstlich ist (zu Recht), sich gegen das System zu wehren. Letztlich geht es hier um eine Frage der Anpassung, Mitläuferschaft oder Assimilation.

  Für mich sieht es eher so aus, als ob Fips durchaus hinterfragt was passiert; er deutet ja auch an, daß man, wenn man hoch genug in der Hierarchie aufgestiegen ist, seine auch kritische Meinung äußern darf. Er ist sozusagen der kritische Nachwuchs, der vielleicht irgendwann die Möglichkeit hat, mit dafür zu sorgen, dass die Ungerechtigkeiten eingestellt werden. Wer weiß.  

Das muss man im Zusammenhang mit dem gesamten Schlussabsatz betrachten. Diederich hat sich ja angepasst, die Stelle ist durch seine veränderte Wahrnehmung gefärbt und in meinen Augen eine passende visuelle Untermalung für den bissigen, traurigen Schluss. Diederich hat sich angepasst, er ist Teil der StaJu, hat die Seiten gewechselt.

  Ãœblicherweise ist der Sonnenaufgang ein positiv besetztes Symbol, meist benutzt, wenn am Ende alle Feinde besiegt sind und die Helden in eine bessere Zukunft blicken. Ich verweise einfach mal auf den Artikel bei TvTropes, weil hier jede Menge Erläuterungen und Material zum Thema gesammelt sind. (Dann muss ich das nicht alles selbst erörtern :))    

Zwei Forderungen die ich ablehne.

  Ich möchte diesbezüglich nochmals auf die Figur des Mosche hinweisen. Sein Name weist ihn als Juden aus und charakterisiert wird er als arbeitsscheue, übertrieben lüsterne Person. Das ist es, auf was ich mich u.a. mit meiner eigentlich wohlwollenden 'Forderung' nach Klarheit und Vermeidung von Mißverständnissen bezogen habe. Denn im Prinzip entspricht eine solche Charakterisierung ganz klassischer antisemitischer Propaganda. Und hier steht der Autor in der Verantwortung, ganz egal ob das Geschriebene Resultat von Absicht oder Schludrigkeit ist.       Ansonsten habe ich irgendwie den Eindruck, dass Dirk Alt vielleicht ein wenig an Houellebecqs 'Unterwerfung' anknüpfen, bzw. einen analogen Entwurf aus christlicher Sicht schreiben wollte. Das beschriebene Regime ist ja eigentlich kein faschistisches, es handelt sich hier um einen militaristischen, christlich-fundamentalistischen Gottesstaat. Natürlich wird in dem Text deutlich, welche extremen Methoden angewandt werden, um missliebige Personen loszuwerden, aber es werden eben auch positive Seiten dieses Systems gezeigt. Immerhin gibt es ein funktionierendes Gemeinwesen, das durchaus auf gegenseitigem Respekt basiert. Das hat ein bisschen was von "Es war ja nicht alles schlecht, damals!" Letzten Endes dient der biblische Römerbrief als Grundlage der Novelle. Erwähnt wird er auf S. 16, als Titel eines Vortrags: "Die Bedeutung des Römerbriefs für unser Staatsverständnis". Sieht man sich Röm 12, 9-21 und Röm 13, 1-7 mal an, erkennt man, wie die Ideen daraus in "Die Läuterung" umgesetzt sind. Dabei nehmen die Stajus die Rolle der guten Christen ein, während die Devianten die 'Bösen' sind. Klar muss man bei einem solchen Thema Unterschiede einander gegenüberstellen, sonst funktioniert ein solcher Text nicht. Aber der Autor dichtet seinen Devianten ganz objektiv schlechte Eigenschaften an, die nur zum Teil der Handlung geschuldet sind, während er die Stajus christliche Werte realisieren läßt. Hass und impulsive Gewalt(bereitschaft) sind doch universell negativ besetzt. In dem vorliegenden Text gehen diese Gefühle und Eigenschaften ausschließlich von den Devianten aus. Natürlich ist das in einigen Fällen nachvollziehbar, aber man sollte meinen, dass es durchaus auch Mitglieder der Staju gäbe, die die Devianten als Verkörperung all dessen, was ihren Idealen widerspricht, verachten - und eben hassen. Aber das tut hier keiner der Stajus, im Gegenteil reagieren sie selbst auf Affronts noch gelassen (S. 14). Hier folgen sie auch tatsächlich den Forderungen aus dem Römerbrief. Ebenso universell negativ besetzt ist der Neid. Ich habe da zwar schon mehrmals darauf hingewiesen, aber nochmal: Diederich kommt in der entsprechenden Szene von ganz alleine zu der Erkenntnis, dass er von Neid geprägt ist. Dies ist die Schlüsselszene, ab der er seine Unterwerfung und Wandlung beginnt. Die Textstelle (S. 20f) ist bestimmt von Diederichs eigenen Beobachtungen und seiner Selbstreflexion; von direktem Zwang ist hier nichts zu finden. Natürlich entspricht dieser Vorgang ganz gut der Stelle Röm 12, 20 - aber die kann man nicht als Gehirnwäsche interpretieren, sondern als Selbsterkenntnis verursacht durch einem entgegengebrachtes Gute. Aber es stimmt schon, dass ohne die Vorarbeit der Stajus die Wandlung so nicht hätte geschehen können. Nur basiert diese Vorarbeit eben nicht auf Gewalt (wie bei 1984).


Bearbeitet von schilling, 14 März 2018 - 12:32.


#49 ShockWaveRider

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Geschrieben 10 Juli 2018 - 11:07

Dann werde ich auch einmal meine Eindrücke peu à peu absondern: Die Redaktion: Editorial Schöner Abriss über das Geschehen in der Welt, in der Szene und hinter den Vorhängen der Exodus-Redaktion. Professionell und gut. Daniel Habern: Jimmy Ahmleth (Illustration: Anna Hermes) Inhalt: Jimmy begehrt gegen den Erziehungsroboter Tyson auf. Doch seine Eltern wollen ihn wieder zur Einsicht bringen. Fazit: Idee uralt (s. Franke), Konflikt unklar, Richtung ebenso, teilweise sprachliche Anfängerfehler.

Die Illu ist weder anspruchsvoll noch ansprechend. Dirk Alt: Die Läuterung (Illustrationen: Michael Vogt) Inhalt: Der Deviante Diederich bekommt noch eine letzte Chance in einem Läuterungsprogramm. Nachdem er anfänglich Widerstand übt, nimmt er schrittweise die Überzeugung des kollektivistischen und totalitären Staatswesens an. Fazit: Die Geschichte einer Gehirnwäsche wie aus dem Lehrbuch. Und das ist die Schwäche - der point of view des Erzählers schwebt über den Wolken. Der Novelle hätte es gut getan, wenn Alt stärker in einzelne Szenen reingegangen wäre. (Langsam habe ich begriffen, dass diese Erzählweise zur klassischen Novelle gehört. Dennoch muss ich es nicht mögen. Und man kann es dennoch anders machen.)

Vogts comicartige Illus rocken!! Angela & Karlheinz Steinmüller: Ugrade für Sandra Meier (I: Uli Bendick) Inhalt: Auf dem Rückflug von einer Konferenz, auf der BWLin Sandra Meier eine neue grundlegende Wirtschaftstheorie vorstellte, erhält sie ein Upgrade in die First Class. Sie begegnet dem Club der Weltlenker, die ihre Theorie sehr schätzen und sie aufnehmen. Auch wenn eininge von ihnen Frau Meier während der Konferenz heftig angegriffen haben. Fazit: Starker Beginn, atmosphärisch dicht geschrieben, aber gegen Ende entgleitet die Geschichte. Traum überflüssig.

Uli Bendicks Illu mit den Formeln ist klasse.

 

Lyrik-Section:

Der Fund in einem Gedicht von Gotthold Ephraim Lessing ist großartig. Die anderen Beiträge sind entbehrlich.

 

Cartoons von Kostas Koufogiorgos:

Mag ja sein, dass die graphische Gestaltung ganz nett ist. Aber die Pointen sind mir zu platt. Das wird wohl nichts mehr mit Koufogiorgos' Humor und mir.

 

Gruß

Ralf 


Bearbeitet von ShockWaveRider, 11 Juli 2018 - 12:28.

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Geschrieben 11 Juli 2018 - 12:33

Weiter geht's: Thomas Kolbe: Check Out (I: Sabine Neuhold) Inhalt: In einem Kryohotel wurde beim Auftauen ein Ehemann vertauscht. Rezeptionisten Tessa begibt sich auf die Suche. Fazit: Nette Idee, starker Auftakt, aber dann verliert die Story an Drive. Die Pointe ist aufgesetzt, zu wenig vorbereitet.

Die Illu sehr stimmungsvoll und witzig, vor allem Tessa mit ihrem Barett ist gelungen. Erik Simon: Das Zeichen (I: Lisa Rein) Inhalt: Der Ich-Erzähler beschwört einen Dämon nur zu seiner Gesellschaft. Ihm kommt eine Geschäftsidee. Unter einem Vorwand wird er fortgelockt, hat aber seine Kreide vergessen. Fazit: Total süß, niedliches Spiel mit Klischees, typisch Simonscher Humor. Leider keine SF. 

Die Illu zeigt gute Ansätze. Dirk Berger: Lichtjahre und Zeitreisen (Galerie-Einführung) Prägnant und treffend benennt Berger die hervorstechenden Merkmale von Mario Frankes Computergrafiken. Als Zugabe gibt es Hintergrundinfos aus der Werkstatt des Künstlers. Mario Franke: Galerie Schöne Mischung aus den letzten 13 Jahren. Man erkennt viele Elstercon-Plakate wieder.

Meine Highlights: „Tatort Zukunft IV“, „Radioaktiv“, „Schrott“, „Der gläserne Mensch V“.

 

Gruß

Ralf


Bearbeitet von ShockWaveRider, 12 Juli 2018 - 10:24.

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Geschrieben 12 Juli 2018 - 10:28

Weiter geht's!

 

Rolf Krohn: Krankenbesuch (I: Oliver Engelhard) Inhalt: Ein Alien besucht die mittelalterliche Erde bei Wittenberg. Laut Kodex herrscht absolutes Kontaktverbot. Aber darf er einer im Sterben liegenden Frau tatsächlich nicht helfen? Bzw. ihren blinden Sohn wieder sehend machen? Fazit: Stimmungsvoll, starker innerer Konflikt, lebendige Charaktere, gut geschrieben. Aber letztlich etwas plakativ.

Engelhards gezeichnete Grafik ist großartig. Arno Behrend: Schneefall (I: Uli Bendick) Inhalt: Beim Terraforming der Venus setzen die Menschen auf selbstreproduzierende fliegende Plattformen mit KI und Gefühlen. Gerade diese Gefühle sorgen für Ärger. Fazit: Niedliche Idee, schöne Details, die Perspektive der Plattformen gut getroffen und durchgehalten. Aber der Plot läuft nicht rund, Das Ende enttäuscht etwas.

Bendicks Illus †¦ die zweite ist okay. H.D. Klein: Das Universum (I: Sabine Neuhold) Inhalt: Tomclop, eine Eintagsfliege, lebt in der Deckenlampe einer verlassenen Wohnung in einer riesigen Mietskaserne. Er kommt zu dem Schluss, das einzige intelligente Wesen der Welt zu sein. Fazit: Bösartige Parabel auf menschliche Selbstüberschätzung, an einem regnerischen Nachmittag aufs Papier gerotzt. Keine SF, aber das macht es auch nicht besser. 

Die Illu ist das beste an der Story. Moreau/Wipperfürth: Nachruf auf Christian Weis Prägnant und persönlich, man spürt die Betroffenheit und die Wertschätzung des Verstorbenen als Autor und als Mensch. Hätte gern etwas länger sein dürfen. Herbert W. Franke: Persönliches zu EXODUS 36 HWF bedankt sich für die Ausgabe zu seinem 90. Geburtstag. Sehr schön. Meine Hochachtung vor dem Mann steigt bis nach Alpha Centauri.

 

Gruß

Ralf  


Bearbeitet von ShockWaveRider, 12 Juli 2018 - 10:29.

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Geschrieben 13 Juli 2018 - 15:17

Und auf geht's zum Endspurt:

 

Lothar Nietsch: Die Wettermaschine (I: Jascha Gerhardt) Inhalt: Postapokalypse. Harb, ein Gottesmann, trifft auf den Stamm der Mechaniks. Ihnen fehlen historische Aufzeichnungen. Sie können jedoch technische Geräte reparieren und wieder gebrauchsfähig machen. Als sie mit Harbs Hilfe die „Wettermaschine“ in Betrieb setzen, erleben sie alle eine Überraschung. Fazit: Ich mag keine Postapokalypsen, aber diese gefällt halbwegs. Den Gegensatz tätiger Ingenieur - denkender Historiker/Theologe schön herausgearbeitet, ohne zu plakativ zu werden. Aber das Ende gibt der Story einen unnötigen Twist.

Illus: Die Mumie in Naziuniform ist eine verschenkte Chance, das Dorf lieblos hingehuscht. Schade. Jan Gardemann: Seltene Erden (I: Uli Bendick) Inhalt: KHK Satorius und Polizeiroboter Fred untersuchen den Mord am Geologen Klimmer, der daheim Titicacafrösche züchtet. Fazit: Süßer Kurzkrimi mit SF-Elementen. Gut geschrieben, gern gelesen. Das Ende rockt mit gleich zwei Überraschungen.

Bendicks Illu ist die beste Grafik der Ausgabe außerhalb der Mario-Franke-Galerie. Maksym Shapiro: Weihnachtsmann (I: Hubert Schweizer) Inhalt: Katja erzählt den insektoiden Aliens vom Weihnachtsmann. Dessen technische Fähigkeiten beeindrucken die Aliens so sehr, dass sie von Katjas Entführung absehen. Fazit: Ja, ganz süßes Spiel mit Klischees. Gelungene Glosse, aber mehr auch nicht.

Schweizers Zeichnungen gewohnt gut. Dirk Alt: Jenseits der Betondecke? (Essay) Inhalt: Dirk Alt stellt gleich drei Literaturzeitschriften vor, die in den Jahren 2016/17 je eine Ausgabe der Science Fiction widmeten: „Metamorphosen Nr. 25“, „Richtungsding Ausgabe IX: Rakete“ und „Am Erker Nr. 73: Ichwolke Menschmaschine“ Fazit: Schöner Blick über den Rand der Betondecke. Danke für die Leseempfehlungen.

 

Gesamtfazit:

Eine Ausgabe mit zumeist soliden bis guten Stories. Relative Highlights sind die Mario-Franke-Galerie, der Essay von Dirk Alt und die liebevolle Satire von Erik Simon, mit Einschränkungen noch die Story von Gardemann.

 

... and this completes the remarks of the shockwaverideranian jury!

 

Gruß

Ralf


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