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Chinesische SF-Anthologien: "Zerbrochene Sterne" und "Quantenträume"


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4 Antworten in diesem Thema

#1 Zack

Zack

    Illuminaut

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Geschrieben 18 September 2020 - 19:55

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Hallo zusammen,

 

nachdem ich von Hao Jingfang "Wandernde Himmel" gelesen habe und eigentlich auch "Die Siliziuminsel" von Qiufan Chen bzw. mal was von Cixin Liu lesen wollte, bin ich erstmal bei den Anthologien "Zerbrochene Sterne" und "Quantenträume" hängen geblieben. Eine perfekte Gelegenheit, mal reinzuschnuppern, was besagte Autoren so schreiben - und was andere zu bieten haben ^^

 

"Zerbrochene Sterne" gefiel mir insgesamt ganz gut, es waren ein paar gelungene Geschichten dabei, insbesondere von Qiufan Chen (yeah, cyberpunkig) und Cixin Liu (kluge Story mit Zeitreise von Ideen). Allerdings gehen viele Geschichten doch eher in Richtung Magischer Realismus als Science Fiction. Lese ich zwar persönlich auch ganz gerne, aber ich hatte eine reine SF-Anthologie erwartet und hatte daher meine Schwierigkeiten mit manchen Beiträgen (ausführliche Rezension hier).

 

Ganz anders sieht es bei "Quantenträume" aus, hier handelt es sich um reine SF und wow, einige Geschichten fand ich herausragend und die anderen zumindest gut, wobei ein Beitrag etwas am Thema vorbeischrammt (ausgerechnet die Eröffnungsstory von Xia Jia, hier wäre ihre in "Zerbrochene Sterne" enthaltene Story "Gute Nacht, Traurigkeit", die sich mit Alan Turing und dem Wesen von KI beschäftigt, besser gewesen). Das Thema "Künstliche Intelligenz" wird auf vielfältige Weise behandelt, wobei der Fokus auf Robotern und ihrer Fähigkeit, zu denken, zu fühlen und sich ihrer selbst bewusst zu sein liegt. Die KIs werden überwiegend neutral/positiv dargestellt, während immer wieder Kritik am Menschen herauszulesen ist. Hier gibt es KIs mit Persönlichkeit in Fußbadewannen, deren rechtlicher Status geklärt werden muss, Roboter, die ein Hotel auf dem Uranusmond Titania renovieren oder nach Erleuchtung suchen und Buddhisten werden, ein Hybridwesen aus Mensch und Maschine, das auf einer verbrannten Erde nach Überlebenden sucht, die obligatorische Liebesgeschichte zwischen Mensch und KI, Kopien von Menschen und die Frage, ob es sich dabei wirklich um diesselbe Person handelt und vieles mehr (ausführliche Rezension hier).

 

Spannend an beiden Anthologien fand ich sowohl die Unterschiede zur westlichen SF als auch die Gemeinsamkeiten. "Quantenträume" ist dabei sicher die zugänglichere und auch spannendere Anthologie.

 

Hat es hier jemand gelesen? :)

 

Viele Grüße

 

- Zack


“Die Farben sind der Ort, wo unser Gehirn und das Universum sich begegnen.” (Paul Cézanne)


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#2 Wrong

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    Infonaut

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Geschrieben 19 September 2020 - 10:06

@ Zack: Vielen Dank für den Link mit deiner ausführlichen Rezension. Leider habe ich die von dir angesprochenen Anthologien noch nicht gelesen, aber die chinesische phantasische Literatur scheint mir mittlerweile der für mich persönlich interessanteste Bereich der aktuellen Sci-Fi zu sein. Hao Jingfangs "Peking falten" fand ich richtig gut. Ihren Roman habe ich leider noch nicht gelesen. Dafür aber Lius "Kugelblitz":

 

Ich habe den Roman vor einigen Tagen beendet und kann ihn größtenteils empfehlen. Leider kann er das anfänglich sehr hohe Niveau nicht ganz halten. Am Ende wird es doch etwas blockbustermäßig, und die Geschehnisse überschlagen sich dann doch eine Spur zu schnell. Starke Seiten hat der Roman m. E. besonders dann, wenn der Autor tief in die wissenschaftliche und akademische Arbeit eintaucht. Da gibt es sogar den einen oder anderen Gänsehautmoment, wenn bahnbrechende Erkentnisse die Handlung teilweise auf den Kopf stellen. Gerade zu Beginn hat mich der Roman etwas an Haruki Murakami erinnert. Dann kommt allerdings der letzte Teil, und der Roman flacht, wie bereits erwähnt, etwas ab.



#3 Zack

Zack

    Illuminaut

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Geschrieben 19 September 2020 - 19:34

@Wrong: Zu "Wandernde Himmel" von Hao Jingfang gibt es im PHANTAST #21 "Weltenschöpferinnen" eine Rezi: klick

 

Mir hat der Roman gut gefallen, ich finde ihn sehr kreativ und klug geschrieben, auch wenn er für meinen persönlichen Geschmack etwas zu ruhig und langwierig war. Aber was die naturwissenschaftliche/technische Seite angeht war "Wandernde Himmel" seeehr interessant und auch die Gegenüberstellung von Sozialismus-Utopie auf dem Mars und Hyperkapitalismus auf der Erde hat mir gefallen. Es wird anhand von Einzelschicksalen gezeigt, wie gut die Gesellschaft im Sozialismus (keiner Diktatur wie China!) funktionieren kann, aber dass er nicht für alle gleichermaßen gut ist und trotz Bemühungen um Gerechtigkeit letztlich scheitert, jedem gerecht zu werden, weil Menschen einfach zu verschieden sind und verschiedene Bedürfnisse haben.

 

In den beiden Anthologien fand ich nun aber doch Autor*innen, die ich noch spannender finde und von denen ich gerne mehr in Deutschland lesen würde :)


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#4 Dadaistin

Dadaistin

    Cybernaut

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Geschrieben 20 September 2020 - 00:15

"Quantenträume" steht noch auf meiner persönlichen To-Do-Liste, "Zerbrochene Sterne" habe ich angesichts des doch sehr anmaßenden Untertitels "Die besten chinesischen Science-Fiction-Stories" eher mäßig empfunden. Zum einen wegen der nicht ganz sauberen Genrezuordnung (wie erwähnt), zum anderen war die qualitative und stilistische Schwankungsbreite doch sehr hoch.



#5 Garuda

Garuda

    Limonaut

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Geschrieben 20 September 2020 - 18:39

Science-Fiction asiatischer Autoren ist, seit diese zumindest in englischer Sprache verfügbar ist, schnell zu meinem Favoriten geworden. Ich habe bisher alle auf Englisch und Deutsch veröffentlichten Werke, Romane wie Kurzgeschichten, asiatischer Science-Ficiton-Autoren gelesen - zumindest habe ich noch nichts aus dem Bereich gefunden, das ich bisher noch nicht gelesen habe. Einzige Ausnahme ist tatsächlich das oben von Zack erwähnte "Quantenträume", was ich aber sehr bald nachholen werde - und auch von mir ein Dank für die Rezension :wink2:

 

Obwohl die Gruppe der chinesischen Autoren derzeit weit überwiegt, kann ich auch die meisten Geschichten anderer asiatischer Autoren empfehlen. Ich finde, dass hier derzeit mit das größte Innovationspotenzial in der Science-Fiction vorhanden ist.

 

Zacks Einwand bzgl. der Genreeinordnung der Geschichten in "Zerbrochene Sterne" kann ich nachvollziehen, wobei ich aber eher zu den Leuten gehöre, die das Genre und seine Charakteristiken sehr weit auslegen. Aber solche Diskussionen hat es natürlich immer schon gegeben, z. B. damals bei den Werken von Christopher Priest.

 

Die Wahl des Untertitels für "Zerbrochene Sterne" habe ich beim Kauf des Buches damals auch für unpassend empfunden, vor allem weil Ken Liu die Geschichten (wie auch schon in der zuvor erschienen Anthologie "Invisible Planets") ja eben nicht als "Best of" der chinesischen Sience-Fiction ausgewählt hat, sondern nach - wie er auch offen zugibt - rein persönlichen Motiven. Dies erklärt eben zum Teil dann auch die "seltsame" Mischung. Ich kann "Zerbrochene Sterne" (obwohl es mir in der englischen Übersetzung sprachlich besser gefallen hat) auf jeden Fall emfpehlen, genauso wie "Invisible Planets". Andere Anthologien, die ich ebenfalls empfehlen kann, sind: "Where the Stars Rise" und "The Reincarnated Giant".


Bearbeitet von Garuda, 20 September 2020 - 18:40.



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