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Phantastik-Begriff


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445 Antworten in diesem Thema

#1 simifilm

simifilm

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Geschrieben 06 August 2007 - 09:03

Wegen Todorov: durch die Geschichte hinweg ist die Hauptbedeutung von ›Phantastik‹ schlicht ›Vorstellung‹. Nur ausnahmsweise hat sich eine andere Bedeutung (ich glaub in der Byzantischen Kultur) ergeben, derzufolge ›Phantasie‹ ein vermittelnden Organ zwischen höherem Denken und animalischer Wahrnehmung ist. Schon komisch, daß Todorov grad diesem kuriosen Zweig folgt.

Aber das stimmt doch nun nun wirklich nicht. Wie ja schon hier und anderer Stelle dargelegt wurde, hat 'Phantastik' im deutschsprachigen von Anfang an verschiedene Bedeutungen, und Todorov hat seinen Phantastikbegriff nicht einfach erfunden, sondern folgt einer älteren französischen Tradition.

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#2 molosovsky

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Geschrieben 06 August 2007 - 10:54

Und Simi: Todorovs Zeug wird nicht klüger, weil er damit einer älteren französischen Tradition folgt. Wo schreib ich, daß T. was erfunden hat? Wenn Todorovs Buch einen Index hätt, würd ich jetzt nach seiner Begriffs-Def gucken. Aber soweit ich mich erinnern kann, und soweit ich sein Buch querles, gibt er keine Begriffsdefinition, sondern fängt in Kap. 2 gleich an wild herumzubehaupten (und knetet sich übrigens gleich einen BibVonBabel-Band zurecht, wie†™ IHM taugt, aber dazu später, wenn ich Cazotte bespreche).GrüßeAlex / molo

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#3 simifilm

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Geschrieben 06 August 2007 - 12:40

Und Simi: Todorovs Zeug wird nicht klüger, weil er damit einer älteren französischen Tradition folgt.

Das sage ich auch nicht, aber die Behauptung, dass "durch die Geschichte hinweg die Hauptbedeutung von ›Phantastik‹ schlicht ›Vorstellung‹" ist, ist dennoch falsch. Diese Behauptung stimmte weder für die französische, noch für die deutsche, noch für die englischsprachige Tradition.

Wo schreib ich, daß T. was erfunden hat? Wenn Todorovs Buch einen Index hätt, würd ich jetzt nach seiner Begriffs-Def gucken. Aber soweit ich mich erinnern kann, und soweit ich sein Buch querles, gibt er keine Begriffsdefinition, sondern fängt in Kap. 2 gleich an wild herumzubehaupten (und knetet sich übrigens gleich einen BibVonBabel-Band zurecht, wie†™ IHM taugt, aber dazu später, wenn ich Cazotte bespreche).

Was heisst denn hier "wild rumzubehaupten"? Begriffe sind nie fix, sondern diskursive Einheiten. Todorov hat einen bestimmten, ziemlich engen Begriff, der tatsächlich in Vielem problematisch ist. Aber Du suggerierst zumindest, es gäbe eine 'richtige' Bedeutung von 'Phantastik' und dass Todorov hier was aus der Luft greift (anders kann ich "wild herumzubehaupten" auf jeden Fall nicht verstehen) und damit die korrekte Bedeutung unterschlägt. Todorovs Begriff deckt sich in vielem mit früheren Autoren wie Caillois oder Vax, nur fasst er deren Begriff präziser (was ihn nicht weniger problematisch macht). Für 'französische Ohren' hört sich Todorovs Definition von 'Phantastik' aber sehr viel weniger problematisch an als für deutsche, und deshalb ist es von grosser Bedeutung, dass man sich dieser Traditionen bewusst wird.

Bearbeitet von simifilm, 06 August 2007 - 12:42.

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#4 molosovsky

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Geschrieben 06 August 2007 - 12:58

Wir drehen uns immer wieder im Kreis. Ich mach ja kein Geheimnis daraus, daß ich als Maximalphantast nun mal zur allgemeineren Bedeutung des Begriffs ›Phantastik‹ (Erscheinung, Vorstellung) neige, und soweit ich mich bisher durch den Dschungel gerobbt habe, ist das die ursprünglichere Bedeutung. Ich sag nicht, daß diese Auffassung ›richtiger‹ ist, denn wie und wozu man einen Begriff verwendet wird ja bestimmt von der Absicht, die man durch eine bestimmte Begriffsverwendung anstrebt.Vorstellung, ErscheinungUnschlüssigkeit HirngesprinstSo etwa könnte man grob das Spektrum auffächern, was ›Phantastik‹ bedeutet. ›Unschlüssigkeit‹ und ›Hirngesprinst‹ können sicherlich brauchbare Anwendungen sein, aber dazu brauchts schon einen engeren Rahmen. Und da ich bin halt alter Friedellianer: »Die Wirklichkeit ist überall gleich; †” nämlich unbekannt.« GrüßeAlex / molo

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#5 simifilm

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Geschrieben 06 August 2007 - 15:17

Wir drehen uns immer wieder im Kreis. Ich mach ja kein Geheimnis daraus, daß ich als Maximalphantast nun mal zur allgemeineren Bedeutung des Begriffs ›Phantastik‹ (Erscheinung, Vorstellung) neige, und soweit ich mich bisher durch den Dschungel gerobbt habe, ist das die ursprünglichere Bedeutung.

Aber wo denn bitte? Weder im Deutschen, noch im Französischen noch im Englischen.

Ich sag nicht, daß diese Auffassung ›richtiger‹ ist,

Also in Deinen letzten Posts deutest Du das zumundest stark an.

denn wie und wozu man einen Begriff verwendet wird ja bestimmt von der Absicht, die man durch eine bestimmte Begriffsverwendung anstrebt.

Richtig

Vorstellung, Erscheinung

Dies stimmt nur, wenn Du 'Phantastik' und 'Fantasie' gleichsetzt, was ausser Dir eigentlich niemand tut. Und dann kannst Du gleich noch Fantasy, Fanta und Elefanten dazunehmen.

So etwa könnte man grob das Spektrum auffächern, was ›Phantastik‹ bedeutet. ›Unschlüssigkeit‹ und ›Hirngesprinst‹ können sicherlich brauchbare Anwendungen sein, aber dazu brauchts schon einen engeren Rahmen. Und da ich bin halt alter Friedellianer: »Die Wirklichkeit ist überall gleich; †” nämlich unbekannt.«

Womit der Begriff unbrauchbar wird, aber das hatten wir schon. Ich will Dir Deine Maximalphantastik gar nicht ausreden, auch wenn ich sie für unbrauchbar halte. Aber zu behaupten, dass 'Phantastik' ursprünglich oder eigentlich mit Einbildungskraft gleichzusetzen ist, ist einfach falsch. Das mag mal korrekt gewesen sein, wenn Du in der Ethymologie sehr weit zurückgehst, im einigermassen modernen Sprachgebrauch (mindestens die letzten 150 Jahre) stimmt das aber nicht. Das wird spätestens dann sehr deutlich, wenn Du mal kurz einen Blick in den englischen Sprachraum wirfst, denn dort werden für 'Einbildungskraft/Vorstellung' die Begriffe 'fancy' und 'imagination' gebraucht, die andere Wurzeln haben, während 'fantasy' sehr unterschiedlich konnotiert ist und 'fantastic' ein vollends unklarer Begriff ist. Am einen Ort ist 'fantastic' ein Adjektiv zu 'fantasy, am anderen benennen die beiden ganz unterschiedliche Dinge. 'Fantastic' - was wohl doch die naheliegendste Übersetzung von 'Phantastik' ist - wird aber meines Wissens nirgends mit 'imagination' gleichgesetzt. Die Aussage, dass "durch die Geschichte hinweg die Hauptbedeutung von ›Phantastik‹ schlicht ›Vorstellung‹" ist, ist nur unter der Voraussetzung richtig, dass man Deine Vorstellung von Maximalphantastik teilt, und das tut - so leid mir das tut - fast niemand.

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#6 molosovsky

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Geschrieben 06 August 2007 - 15:50

Ich verstehe ja Deine Magenschmerzen mit meiner ungehörigen Position.Aber das kommt, wie ich ja andernorts schon feststellte, daher, daß ich mich als Privatdilletant nicht um akademische Reputation und Traditionen kümmern brauch.Aus meiner Froschperspektive nähere ich mich dem ganzen ›Phantastik‹/›Realismus‹-Problem eben als kleiner Schlumpf und spiele mit Fragen wie: Was bestimmt ein Weltbild, wie konstruieren wir Wirklichkeit usw.Die von Dir angesprochenen Feinheiten beruhen ja zu einem nicht minderen Teil auf Übersetzungs-Vorgänge. Ich weiß auch, daß im Englischen statt von ›Phantasie‹ eben lange Zeit eher von ›Imagination‹ die Rede war. Was aber haben in der Vergangenheit all die Philosophen und Denker gemacht: über unsichtbare, innere Vorgänge spekuliert (ein Liebling von mir ist ja die ›Phantasiekammer‹ im Gehirn, wie sie Hugo von St. Viktor angenommen hat).Vielleicht beobachtest Du, Simi, ja auch die Entwicklungen und Kontroversen, die durch die Neurowissenschaften, grob gesagt durch die Naturwissenschaften in den Geisteswissenschaften verursacht werden. Wort- und Begriffsgeschichte ist imho zu einem Gutteil die Teil der Geschichte des Infowars, des ›Ideenkrieges um das Sein‹ (siehe Platons Ideenlehre).Kurz: einen endgültig gesicherten und objektiven Phantastikbegriff wird es so schnell wohl nicht geben (imho sogar nie), denn das hieße, naturwissenschaftlich mit hoher Exaktheit nachzuvollziehen und zu erklären, wie eben Vorstellungen des Bewußtseins entstehen, und wie genau es möglich ist, daß der Mensch sich in seinem ›Geist‹ Dinge (reale und ideelle, rationale wie irrationale) vorstellt.Bis dahin bleib ich mit bescheidenem Größenwahn dabei, sehr einengenden Perspektiven auf den ›reinen‹ Phantastikbegriff als als Quatsch zu nehmen. Elaborierter Quatsch, der zu gewisser Zeit seinen Sinn hatte oder unter bestimmten Gesichtspunkten noch haben mag, aber nichtsdestoweniger bleibt es Quatsch (verzeihe den Ausdruck).Schon ganz am Anfang des Diskurses um den Phantastikbegriff stand die Frage, wie man sich sicher sein kann, daß eine jeweilige ›Vorstellungen‹ oder ›Erscheinungen‹ wahr oder unwahr ist. Im Grunde die alte Beschäftigung des Menschen mit Fragen nach unserer Erkenntnisfähigkeit, bzw. Erkenntnissicherheit. Und die sieht aus der Froschperspektive des ›Alltags‹ ganz anders aus, als vom akademischen Kleinkleinhickhack aus.GrüßeAlex / molo

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#7 simifilm

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Geschrieben 06 August 2007 - 17:51

Ich verstehe ja Deine Magenschmerzen mit meiner ungehörigen Position. Aber das kommt, wie ich ja andernorts schon feststellte, daher, daß ich mich als Privatdilletant nicht um akademische Reputation und Traditionen kümmern brauch.

Das mache ich Dir auch gar nicht streitig, aber es macht die Aussage, dass "durch die Geschichte hinweg die Hauptbedeutung von ›Phantastik‹ schlicht ›Vorstellung‹" ist, nicht richtiger. Oder ungefähr gleich richtig, wie wenn ich behaupte, dass die Menschen zu jeder Zeit geglaubt haben die Erde sei eine Kugel und dann anfüge, dass ich unter 'Kugel' auch 'Scheibe' verstehe.

Die von Dir angesprochenen Feinheiten beruhen ja zu einem nicht minderen Teil auf Übersetzungs-Vorgänge. Ich weiß auch, daß im Englischen statt von ›Phantasie‹ eben lange Zeit eher von ›Imagination‹ die Rede war. Was aber haben in der Vergangenheit all die Philosophen und Denker gemacht: über unsichtbare, innere Vorgänge spekuliert (ein Liebling von mir ist ja die ›Phantasiekammer‹ im Gehirn, wie sie Hugo von St. Viktor angenommen hat).

Aber 'Phantastik' ist doch nicht das Gleiche wie 'Phantasie' (ausser bei Dir). Nenn mir bitte nur einen halbwegs seriösen deutschsprachigen Text, der in den letzten 100 Jahren publiziert wurde, der die beiden Begriffe gleichsetzt. Ich bezweifle, dass Dir das gelingt, und damit schaffst Du mit Deiner Maximalposition mehr Verwirrung, als es Todorov je geschafft hat.

Vielleicht beobachtest Du, Simi, ja auch die Entwicklungen und Kontroversen, die durch die Neurowissenschaften, grob gesagt durch die Naturwissenschaften in den Geisteswissenschaften verursacht werden. Wort- und Begriffsgeschichte ist imho zu einem Gutteil die Teil der Geschichte des Infowars, des ›Ideenkrieges um das Sein‹ (siehe Platons Ideenlehre). Kurz: einen endgültig gesicherten und objektiven Phantastikbegriff wird es so schnell wohl nicht geben (imho sogar nie), denn das hieße, naturwissenschaftlich mit hoher Exaktheit nachzuvollziehen und zu erklären, wie eben Vorstellungen des Bewußtseins entstehen, und wie genau es möglich ist, daß der Mensch sich in seinem ›Geist‹ Dinge (reale und ideelle, rationale wie irrationale) vorstellt.

Unsinn, das ist nur dann der Fall, wenn man die Begriffe so vermischt, wie Du es tust. 'Fantasie' wird ja im allgemeinen als eine geistige Tätigkeit, als Teil des kognitiven Apparates verstanden. 'Phantastik' hingegen bezeichnet in den allermeisten Fällen einen Typus von Texten, Filmen, Bildern - meinetwegen auch Musik -, das sind zwei ganz verschiedene Bereiche, und wenn Du das alles durcheinanderwirfst, bringt Dir das nichts. Noch einmal: Ich kenne niemanden ausser Dir, der die beiden Begriffe so synonym setzt, und deshalb ist die Behauptung, dass die beiden Begriffe 'ursprünglich' oder 'eigentlich' synonym sind, falsch.

Schon ganz am Anfang des Diskurses um den Phantastikbegriff stand die Frage, wie man sich sicher sein kann, daß eine jeweilige ›Vorstellungen‹ oder ›Erscheinungen‹ wahr oder unwahr ist. Im Grunde die alte Beschäftigung des Menschen mit Fragen nach unserer Erkenntnisfähigkeit, bzw. Erkenntnissicherheit. Und die sieht aus der Froschperspektive des ›Alltags‹ ganz anders aus, als vom akademischen Kleinkleinhickhack aus.

Solange die "Froschperspektive des ›Alltags‹" derart unpräzise ist und einfach alles durcheinanderwirft, was mit "pha" beginnt, ziehe ich den "akademischen Kleinkleinhickhack" ganz entschieden vor. EDIT: Ich verstehe den Satz "einen endgültig gesicherten und objektiven Phantastikbegriff wird es so schnell wohl nicht geben" eigentlich nicht. Wenn Du 'Phantastik' hier als Literatur-, Film-, etc-Kategorie verstehst, hast Du recht, es wird so schnell keinen "endgültig gesicherten und objektiven Phantastikbegriff" geben, nur ist das eine selbstverständliche Feststellung. Das gilt in den Geisteswissenschaften (und auch in den Naturwissenschaften) für grundsätzlich jede Terminologie, die immer diskursiv und historisch bedingt ist. Es gibt keine "endgültig gesicherte und objektive" Definition von 'Roman', 'Literatur', 'Kunst', 'Drama', 'Epos' (genau so wenig von Klassifizierungskategorien in Flora und Fauna) etc.; diesen Anspruch hat auch gar niemand, den er ist gar nicht nötig, weil es in erster Linie darum geht, dass man seine Begriffe klar definiert und offenlegt. Die eigentliche Qualität einer Terminologie zeigt sich in ihrer konkreten Anwendung - nützen mir diese Begriffe etwas bei der Auseinandersetzung mit Texten, kann ich mit ihnen Dinge klarer beschreiben, die ich sonst nicht beschreiben kann. Das ist im Grunde die einzige wirklich relevante Frage. Mit den von Dir angedeuteten Fragen, wie das menschliche Vorstellungsvermögen funktioniert oder wie sich Schein und Realität auseinanderhalten lassen, hat das gar nichts zu tun.

Bearbeitet von simifilm, 06 August 2007 - 18:16.

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#8 molosovsky

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Geschrieben 06 August 2007 - 18:18

Wir sollten mal nen eigenen Todorov-Thread aufmachen. Wird ja auf die Dauer lästig, wie wir zwei immer wieder sooooo ausführlich unsere gleichbleibenden Standpunkte durchnudeln.

Nochmal: ich bin kein Detailfizzler und geh sehr holistisch an die Sache rann. Nimm von mir aus dieses Michael Ende-Zitat:

Frage: Das ist sicherlich richtig, aber ich finde, der Begriff des Erfundenen erklärt ja noch nicht den Begriff des Realismus oder aber man muß jetzt wahrscheinlich sagen, daß es verschiedene Möglichkeiten des Realismus gibt. Also da sind wir uns ganz sicherlich einig.

Ende: Ja, ja natürlich ... Geschichten, die geschrieben werden, werden erfunden. Die Frage ist nur, auf welcher Basis, in welcher Umwelt spielt sich das ab?
Um mich wieder in einem Vergleich auszudrücken, der das vielleicht deutlicher macht: Ein Landschaftsmaler kann mehr oder weniger stark übersetzen, was er an Landschaft malen will. Er kann das sehr weit abstrahieren, er kann das sehr weit entfernen von der realen, wahrnehmbaren Landschaft. In irgendeiner Weise wird er es aber immer übersetzen müssen, denn die Landschaft, die er wirklich vor Augen hat, kann er gar nicht malen, und selbst wenn er es könnte, wozu eigentlich, die gibt es ja schon. Also gerade der Übersetzungsprozeß ist es, und nun sehe ich zwar einen graduellen Unterschied des Übersetzens, das hängt jetzt ganz davon ab, wie weit man da gehen will, wie weit man ein Bild oder einen äußeren Gegenstand steigern will, bis er förmlich zu einer Art von Traumsymbol wird. Das ist eine stilistische Frage, wie weit der einzelne Autor da gehen will oder wie weit er die Notwendigkeit empfindet zu gehen. Aber es ist für mein Gefühl keine kategorische Frage, und deswegen bin ich eigentlich gegen diese ganze Unterscheidung zwischen realistischer und phantastischer Literatur. Ich glaube nicht, daß sie überhaupt gültig ist.

Quelle
Phantasie ist der Name für ein Vermögen des Bewußtseins.
Phantastik ist eine (wie ich finde) passende Bezeichnungen für mit diesem Vermögen erstellte Werke. Oder wie ich mal schrieb:
Phantastik = medial-narrative Modi, die sich besonders dadurch auszeichnen, daß sie beim Empfänger Bilder, Vorstellungen und Eindrücke sichtbar werden lassen, oder eben für ihn und/oder in ihm erscheinen lassen.
Schwerpunkt ist dabei nun mal klassischerweise, Phantastik zu verengen auf die Bereiche, wo "Unwirkliches", "Nichtexistentes" usw als Material ins Spiel kommt. Ich seh das eben nicht von dieser Material-Fundus-Seite, sondern von Seiten des menschlichen Tätigkeit, in diesem Falle Luftschlossbau, längeres Gedankenspiel usw.

Und wenn ich allein dastehe mit meiner irren Meinung, ist das doch mein Problem, oder? Ich weiß gar nicht, warum Dich das immer noch so aus dem Häuschen bringt. :huh:

EDIT-Ergänz:

Mit den von Dir angedeuteten Fragen, wie das menschliche Vorstellungsvermögen funktioniert oder wie sich Schein und Realität auseinanderhalten lassen, hat das gar nichts zu tun.

Oh, ich denke das hat vor allem mit gesellschaftlichen und politischen Realitäten ALLES zu tun. Meine eigenen Wahrheiten sind natürlich wahr; die Wahrheiten meiner Gegner aber sind höchstens Mythen, wenn nicht gar Hirngespinste :thumb:

Grüße
Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 06 August 2007 - 18:26.

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#9 simifilm

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Geschrieben 06 August 2007 - 19:33

Quelle Phantasie ist der Name für ein Vermögen des Bewußtseins. Phantastik ist eine (wie ich finde) passende Bezeichnungen für mit diesem Vermögen erstellte Werke. Oder wie ich mal schrieb: Phantastik = medial-narrative Modi, die sich besonders dadurch auszeichnen, daß sie beim Empfänger Bilder, Vorstellungen und Eindrücke sichtbar werden lassen, oder eben für ihn und/oder in ihm erscheinen lassen.

Diese Definition halte ich, wie schon mehrfach ausgeführt, für völlig unsinnig weil letztlich gleichbedeutend mit Fiktion und sicher nicht deckungsgleich mit dem, was irgend jemand unter 'Phantastik', aber darum geht's momentan gar nicht.

Und wenn ich allein dastehe mit meiner irren Meinung, ist das doch mein Problem, oder? Ich weiß gar nicht, warum Dich das immer noch so aus dem Häuschen bringt. :huh:

Weil Du vorhin auf der Grundlage dieser Privatdefinition allgemeingültige Aussagen über die Bedeutung des Begriffes 'Phantastik' gemacht hast, die nachweislich falsch sind.

Oh, ich denke das hat vor allem mit gesellschaftlichen und politischen Realitäten ALLES zu tun. Meine eigenen Wahrheiten sind natürlich wahr; die Wahrheiten meiner Gegner aber sind höchstens Mythen, wenn nicht gar Hirngespinste :thumb:

Du solltest bei der Argumentation sauber bleiben und nicht alle Ebenen durcheinander werfen. Du hast ja selbst vorher die 'Alltagsperspektive' ins Spiel gebracht. Im Alltag können die meisten Leute sehr gut zwischen den Dingen unterscheiden, die gemeinhin als 'Fantasie', 'Fiktion' und 'Phantastik' bezeichnet werden, und Leute, die diese Dinge nicht mehr unterscheiden können, kriegenim Alltag meist medizinische Behandlung.

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#10 molosovsky

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Geschrieben 06 August 2007 - 20:35

Ach Du liebe Zeit. Wir haben wieder ein "letztes Wort behalt"-Problem. Ums kurz zu machen:

Weil Du vorhin auf der Grundlage dieser Privatdefinition allgemeingültige Aussagen über die Bedeutung des Begriffes 'Phantastik' gemacht hast, die nachweislich falsch sind.

Gähn. Okey. Hast recht. Ich weiß zwar leider nicht, welchen Punkt Du genau meinst, aber mir solls recht sein. Ich bin zu radikal. Ich schäm mich auch jeden Tag dafür :thumb: Grüße Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 06 August 2007 - 20:41.

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#11 molosovsky

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Geschrieben 06 August 2007 - 21:47

Ich lager mal Simi und meinen Abschweif-Diskurs zum Phantastikbegriff aus dem »Bibliothek von Babel«-Thread aus. Grad wenn ich mir die Genervtheit meines letzten Beitrags durchles, erschien mir das nötig. Noch aus dem »Bibliothek von Babel«-Thread stammt mein Stein des Anstoßes:

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Grüße Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 06 August 2007 - 21:55.

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#12 Konrad

Konrad

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Geschrieben 06 August 2007 - 22:41

Ich möchte ja keine zusätzliche Verwirrung stiften, aber mir ist auch nicht klar, warum Todorov auf dieser Grenzschicht herumreitet und mit viel Aufwand "unschlüssig nicht-Reales" von "dezidiert nicht-Realem" zu trennen.Die künstlerische Methode mit ambivalenten Deutungen zu spielen und die Entscheidung offen zu lassen findet man ja auch bei Kriminalromanen und anderen Erzählungen.Ich kann darin kein Spezifikum der Phantastik erkennen.Gruß,Konrad

#13 molosovsky

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Geschrieben 06 August 2007 - 23:01

Ah Konrad, danke für Deinen Stubs.Ich geb zu, daß ich ein bischen ausraste, wenn man mir so hartnäckig mit der Mahnung zur Exaktheit kommt, wie Simi.Simi, ich nehms Dir nicht übel, im Gegenteil ... ich muß lockerer werden.Im Prinzip hat Simi nämlich ganz recht: wenn ich mich ernsthaft auf dem Feld des Diskurses schlagen wollte, würde ich das so klar und nüchtern machen, wie ich kann. Da ich dies nicht so vermag, wie mein Anspruch von klar und nüchter verlangt, weich ich oftmals aus, wenn man mich in die Ecke drängt.Also, Simi, gibt mir ein bischen Zeit um meine innere Diva-bitch zu zügeln, damit ich mit mehr Geduld vernünftig argumentiere.Nichtsdestotrotz: zu Konrads Einwurf.Da kann die BibVonBabel als Beispiel dienen, denn Borges hat da einige Kriminalgeschichten reingeschmuggelt, in denen an sich überhauptnichts Übernatürlich, Irreales, Unrealistisches passiert (im Sinne von "Pegasus", nicht im Sinne von "tall tale"), z.B. von Chesterton. Dennoch kann ich verstehen, warum einer wie Borges sie mir als Phantastik reindrückt. Es geht um Verwandlungen, Täuschungen, Doppelgänger usw ... alles Dinge, die mit Schein, Vorstellung und Erscheinung zu tun haben und eben in den genannten Genres Krimi und Thriller ebenso verbreitete Themen sind, wie in den wundersamen Phantastikgenres.(Siehste Simi, ich glaub, ich hätt jetzt nicht wundersam geschrieben, ohne Deine Mentorenleistung! Früher hätt ich vielleicht arglos "magisch" oder so geschrieben ... stimmt zwar auch, ist aber nicht so extakt.)Soweit an Beruhigung bei mir, nach meinen schlampig-unfreundlichen Beiträgen oben (hab wahrscheinlich zu heftig "Sopranos"-DVDs geguckt nebenbei und war schlicht zu unaufmerksam).GrüßeAlex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 06 August 2007 - 23:04.

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#14 simifilm

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Geschrieben 07 August 2007 - 07:12

Ach Du liebe Zeit. Wir haben wieder ein "letztes Wort behalt"-Problem. Ums kurz zu machen: Gähn. Okey. Hast recht. Ich weiß zwar leider nicht, welchen Punkt Du genau meinst, aber mir solls recht sein. Ich bin zu radikal. Ich schäm mich auch jeden Tag dafür :devil: Grüße Alex / molo

Ich mein den Satz "durch die Geschichte hinweg ist die Hauptbedeutung von "Phantastik" schlicht "Vorstellung"". Unabhängig davon, ob man Todorovs Ansicht teilt oder nicht, ist diese Behauptung schlicht falsch (dass ich Todorovs Ansicht nicht teile, sollte Dir als Leser meines Buches ja eigentlich klar sein). Noch einmal: Bleib bei Deiner Maximalphantastik, wenn sie Dich glücklick macht, aber diese Behauptung wird deswegen nicht korrekter (es sei denn Du unterstellst allen, die bislang den Begriff der 'Phantastik' benutzt haben, Deine eigene Konzeption. Das aber wäre natürlich hochgradig unsauber).

Ich möchte ja keine zusätzliche Verwirrung stiften, aber mir ist auch nicht klar, warum Todorov auf dieser Grenzschicht herumreitet und mit viel Aufwand "unschlüssig nicht-Reales" von "dezidiert nicht-Realem" zu trennen. Die künstlerische Methode mit ambivalenten Deutungen zu spielen und die Entscheidung offen zu lassen findet man ja auch bei Kriminalromanen und anderen Erzählungen. Ich kann darin kein Spezifikum der Phantastik erkennen.

Da muss man Todorov doch zugute halten, dass die Unschlüssigkeit, wie er sie beschreibt, in Krimis nicht in dieser Form auftritt. In einer Sherlock-Holmes-Geschichte kann zu Beginn zwar eine scheinbar unmögliche Situation vorliegen, dem Leser ist aber jederzeit klar, dass es zu einer rationalen Lösung kommen wird. Wenn Holmes denn Fall am Ende mittels Geistern und Vampiren lösen würde, würden wir das als eindeutigen Regelverstoss wahrnehmen.

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#15 Theophagos

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Geschrieben 07 August 2007 - 09:42

Simi:
"Da muss man Todorov doch zugute halten, dass die Unschlüssigkeit, wie er sie beschreibt, in Krimis nicht in dieser Form auftritt. In einer Sherlock-Holmes-Geschichte kann zu Beginn zwar eine scheinbar unmögliche Situation vorliegen, dem Leser ist aber jederzeit klar, dass es zu einer rationalen Lösung kommen wird. Wenn Holmes denn Fall am Ende mittels Geistern und Vampiren lösen würde, würden wir das als eindeutigen Regelverstoss wahrnehmen."

Ganz richtig ist das nicht: Zwar gibt es keine Sherlock Holmes Geschichte, in der Übernatürliches möglich ist, aber es gibt ganz ähnliche Geschichten von Arthur Machen um den Hobbydetektiv Mr. Dyson (z.B. "Das innerste Licht"), wo es am Ende klar ein übernatürliches Element gibt.
Wenn Simi statt "Krimi" seine Bemerkung auf die frühen Krimis (Poe/Doyle/etc.) eingeschränkt hätte, gäbe ich ihm recht - in diesen Krimis geht es um den Triumph des rationalen Denkens über die irrationale Erscheinung.
Wer S.S. van Dines Regeln für den Krimi folgt, würde Simi auch zustimmen - allerdings, sobald Regeln postuliert werden, gibt es jemand, der gegen sie verstößt. ("Jedes neue Gesetz schafft neue Verbrecher.")
Dennoch ist die Stoßrichtung von Simi richtig: In einem Krimi geht es üblicherweise um die Aufklärung eines Verbrechens. Dieses mag den Tathergang, die soziale/psychische Situation des Täters/Ermittlers oder dergleichen handeln, aber im Allgemeinen gilt: zu Beginn gibt es eine unklare Situation, ein Rätsel, welches am Ende der Geschichte eindeutig gelöst wurde.
Aber es gibt natürlich einige Ausnahmen. Ich habe gerade von Marie Hermanson "Der Mann unter der Treppe" gelesen - da geht es um einen Psychopathen, der langsam in Gewalttätigkeit abgleitet; er selbst allerdings schreibt diese einem koboldhaften Wesen zu. Am Ende gibt es einen ungelösten Mord und einen scheinbar geheilten Psychopathen - und einige Hinweise, das es das Wesen möglicherweise wirklich gibt. Diese Unschlüssigkeit bleibt m.E. über das Romanende hinaus bestehen.

Konrad:
"Ich möchte ja keine zusätzliche Verwirrung stiften, aber mir ist auch nicht klar, warum Todorov auf dieser Grenzschicht herumreitet und mit viel Aufwand "unschlüssig nicht-Reales" von "dezidiert nicht-Realem" zu trennen.
Die künstlerische Methode mit ambivalenten Deutungen zu spielen und die Entscheidung offen zu lassen findet man ja auch bei Kriminalromanen und anderen Erzählungen.
Ich kann darin kein Spezifikum der Phantastik erkennen."

Ambivalenz gilt in der Literatur häfig als künstlerisch wertvoll - und kommt also ziemlich häufig vor. Ambivalenz Real/Wunderbar allerdings ist ziemlich selten - sonst könnte man Todorov kaum vorwerfen, eine zu kleine Textgruppe zu beschreiben.

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#16 simifilm

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Geschrieben 07 August 2007 - 09:53

Ganz richtig ist das nicht: Zwar gibt es keine Sherlock Holmes Geschichte, in der Übernatürliches möglich ist, aber es gibt ganz ähnliche Geschichten von Arthur Machen um den Hobbydetektiv Mr. Dyson (z.B. "Das innerste Licht"), wo es am Ende klar ein übernatürliches Element gibt.
Wenn Simi statt "Krimi" seine Bemerkung auf die frühen Krimis (Poe/Doyle/etc.) eingeschränkt hätte, gäbe ich ihm recht - in diesen Krimis geht es um den Triumph des rationalen Denkens über die irrationale Erscheinung.
Wer S.S. van Dines Regeln für den Krimi folgt, würde Simi auch zustimmen - allerdings, sobald Regeln postuliert werden, gibt es jemand, der gegen sie verstößt. ("Jedes neue Gesetz schafft neue Verbrecher.")
Dennoch ist die Stoßrichtung von Simi richtig: In einem Krimi geht es üblicherweise um die Aufklärung eines Verbrechens. Dieses mag den Tathergang, die soziale/psychische Situation des Täters/Ermittlers oder dergleichen handeln, aber im Allgemeinen gilt: zu Beginn gibt es eine unklare Situation, ein Rätsel, welches am Ende der Geschichte eindeutig gelöst wurde.
Aber es gibt natürlich einige Ausnahmen. Ich habe gerade von Marie Hermanson "Der Mann unter der Treppe" gelesen - da geht es um einen Psychopathen, der langsam in Gewalttätigkeit abgleitet; er selbst allerdings schreibt diese einem koboldhaften Wesen zu. Am Ende gibt es einen ungelösten Mord und einen scheinbar geheilten Psychopathen - und einige Hinweise, das es das Wesen möglicherweise wirklich gibt. Diese Unschlüssigkeit bleibt m.E. über das Romanende hinaus bestehen.

Ich kenne die genannten Beispiele nicht, aber es versteht sich von selbst, dass es in der Literatur immer Ausnahmen und Grenzfälle gibt. Entscheidend ist primär, was für eine Welt zu Beginn postuliert wird. Wenn von Anfang die Möglichkeit angedeutet wird, dass es eine übernatürliche Lösung geben könnte (die bei Doyle von Anfang an ausgeschlossen ist), ist das kein Problem. Es gibt auch genug Erzählungen, die allmählich in wunderbare Welten hinübergleiten. Das sind aber alles Fragen der entsprechenden Markierung. Wenn eine Erzählung nie andeutet, dass eine wunderbare Erklärung möglich sein könnte, das Rätsel dann doch wunderbar aufgelöst wird, dann handelt es sich meist um eine Satire oder um einen schlecht gemachten Text (resp. einen Text, den die meisten Leser als 'betrügerisch' empfinden werden, da er sich nicht an die Regeln hält). Dies würde übrigens auch Todorov keineswegs abstreiten, denn er geht ja von einer "Welt aus, die durchaus die unsere ist". Wenn ich eine Erzählung aber in einer Welt platziere, die von Anfang als eine 'nicht-unsrige' markiert ist (resp. sich bald als solche entpuppt), ist Todorovs Modell nicht mehr zuständig. Genau darin liegt meines Erachtens auch seine grosse Schwäche, viele - durchaus nicht exotische - Fälle werden von Todorovs Modell schlicht nicht erfasst, resp. in die nicht sehr aussagekräftigen Riesengruppen 'Unhemliches' und 'Wunderbares' abgeschoben.

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#17 Konrad

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Geschrieben 07 August 2007 - 10:59

Da muss man Todorov doch zugute halten, dass die Unschlüssigkeit, wie er sie beschreibt, in Krimis nicht in dieser Form auftritt. In einer Sherlock-Holmes-Geschichte kann zu Beginn zwar eine scheinbar unmögliche Situation vorliegen, dem Leser ist aber jederzeit klar, dass es zu einer rationalen Lösung kommen wird. Wenn Holmes denn Fall am Ende mittels Geistern und Vampiren lösen würde, würden wir das als eindeutigen Regelverstoss wahrnehmen.

Da vermischst du aber zwei Kategorien, die Todorov ja sehr säuberlich getrennt hat, das nicht-Reale und die Ambivalenz. Ich sprach nur von der Ambivalenz und hier kann ich nicht sehen, daß die Ambivalenz nicht-reales/reales Erklärungsmodell so viel anders ist als die Ambivalenz zwischen zwei realen Erklärungsmodellen.

Ambivalenz gilt in der Literatur häfig als künstlerisch wertvoll - und kommt also ziemlich häufig vor. Ambivalenz Real/Wunderbar allerdings ist ziemlich selten - sonst könnte man Todorov kaum vorwerfen, eine zu kleine Textgruppe zu beschreiben.

Das war nicht mein Vorwurf, sondern ich stelle das Spezifikum in Frage. Man käme ja auch nicht auf die Idee ambivalente Liebesgeschichten als eigenständige Kategorie zu definieren, obwohl die zwei unterschiedlichen Sichten der Partner häufig thematisiert werden. Gruß, Konrad

Bearbeitet von Konrad, 07 August 2007 - 11:25.


#18 Theophagos

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Geschrieben 07 August 2007 - 11:43

Konrad: "Ich sprach nur von der Ambivalenz und hier kann ich nicht sehen, daß die Ambivalenz nicht-reales/reales Erklärungsmodell so viel anders ist als die Ambivalenz zwischen zwei realen Erklärungsmodellen." und: "Das war nicht mein Vorwurf, sondern ich stelle das Spezifikum in Frage."

Die Ambivalenz eines rein wunderbaren Textes bzw. rein realen Textes unterscheidet sich in sofern von unschlüssigen wunderbaren/realen Texten, als dass in der reinen Form nur ein Modus/Fiktionstypus (man unterscheidet für gewöhnlich zwischen vier literarischen Modi: Realistisch - Phantastisch / Utopisch - Satirisch) verwendet wird, bei Todorovs Textgruppe aber zwei, dazu noch diametral verschiedene. Vergleichbar wäre ein Text, bei dem unklar ist, ob er Utopisch oder Satirischer ist. Spontan fällt mir da kein Beispiel zu ein.

Simi: "Wenn eine Erzählung nie andeutet, dass eine wunderbare Erklärung möglich sein könnte, das Rätsel dann doch wunderbar aufgelöst wird, dann handelt es sich meist um eine Satire oder um einen schlecht gemachten Text (resp. einen Text, den die meisten Leser als 'betrügerisch' empfinden werden, da er sich nicht an die Regeln hält)."

Ich stimme Simi zwar nicht völlig zu, glaube aber dass die Differenzen zu gering sind, als dass sich eine weitere Auseinandersetzung lohnen würde. Theophagos
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#19 simifilm

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Geschrieben 07 August 2007 - 12:02

Da vermischst du aber zwei Kategorien, die Todorov ja sehr säuberlich getrennt hat, das nicht-Reale und die Ambivalenz. Ich sprach nur von der Ambivalenz und hier kann ich nicht sehen, daß die Ambivalenz nicht-reales/reales Erklärungsmodell so viel anders ist als die Ambivalenz zwischen zwei realen Erklärungsmodellen.

Es kommt natürlich auch darauf an, worauf eine Geschichte ihren Fokus legt, aber grundsätzlich würde ich schon sagen, dass es einen grossen Unterschied macht, ob - um irgendein Beispiel zu nehmen - ein Mord vom Gärtner oder vom Schwiegersohn - klassischer Krimi - oder vom Gärtner oder einem Vampir - Phantastik - begangen wurde. Im einen Fall ist es eine Ambivalenz innerhalb eines mehr oder weniger realistischen Rahmens, im anderen Fall kommt ein komplett neues Weltenmodell hinzu.

Das war nicht mein Vorwurf, sondern ich stelle das Spezifikum in Frage. Man käme ja auch nicht auf die Idee ambivalente Liebesgeschichten als eigenständige Kategorie zu definieren, obwohl die zwei unterschiedlichen Sichten der Partner häufig thematisiert werden.

Wenn es Dir darum geht, dass Du meinst, dass es unsinnig ist, Phantastik nur durch die Ambivalenz zwischen 'Realem' und 'Nicht-Realem' zu definieren, bin ich grundsätzlich einig mit Dir, weil die daraus resultierende Gattung sehr klein ist und historisch gar nicht existiert. Das ist aber noch kein Grund, Todorov komplett zu ignorieren. Ich betrachte seine 'reine Phantastik' als interessanten Extremfall, dessen Analyse Aufschluss gibt über grundsätzlichere Fragen im Verhältnis 'Realistisches'/'Wunderbares'.

Die Ambivalenz eines rein wunderbaren Textes bzw. rein realen Textes unterscheidet sich in sofern von unschlüssigen wunderbaren/realen Texten, als dass in der reinen Form nur ein Modus/Fiktionstypus (man unterscheidet für gewöhnlich zwischen vier literarischen Modi: Realistisch - Phantastisch / Utopisch - Satirisch)

Kurze Zwischenfrage zur Information: Woher kommt diese Unterscheidung der vier Modi? Die ist mir nämlich nicht geläufig.

verwendet wird, bei Todorovs Textgruppe aber zwei, dazu noch diametral verschiedene. Vergleichbar wäre ein Text, bei dem unklar ist, ob er Utopisch oder Satirischer ist. Spontan fällt mir da kein Beispiel zu ein.

Wenn Du einen Text suchst, der Utopie und Satire mischst, kannst Du gleich zum Urtext zurückgehen. In Morus' 'Utopia' ist an vielen Stellen alles andere als klar, ob sie tatsächlich ernst oder satirisch gemeint sind. Entgegen der landläufigen Meinung ist 'Utopia' nämlich keineswegs ein Bauplan für eine perfekte Welt, den man einfach übernehmen soll. Viele Stellen sind eindeutig als Satire angelegt (schau Dir nur mal die Stelle zur Kriegsführung der Utopier an).

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#20 Konrad

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Geschrieben 07 August 2007 - 12:05

Die Ambivalenz eines rein wunderbaren Textes bzw. rein realen Textes unterscheidet sich in sofern von unschlüssigen wunderbaren/realen Texten, als dass in der reinen Form nur ein Modus/Fiktionstypus (man unterscheidet für gewöhnlich zwischen vier literarischen Modi: Realistisch - Phantastisch / Utopisch - Satirisch) verwendet wird, bei Todorovs Textgruppe aber zwei, dazu noch diametral verschiedene. Vergleichbar wäre ein Text, bei dem unklar ist, ob er Utopisch oder Satirischer ist. Spontan fällt mir da kein Beispiel zu ein.

Also diese Reinheit der Modi kann ich nicht erkennen, aber ich bin auch kein Literaturwissenschaftler. :devil: M.E. lebt eine gute Satire von der Ambivalenz zwischen Realem und Übertriebenem; das sind die besonderst gemeinen Satiren. :devil: Ambivalent utopisch/satirische Geschichten findest du beispielsweise bei Sheckley. Gruß, Konrad

#21 molosovsky

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Geschrieben 07 August 2007 - 12:14

Erstmal: freut mich, daß ich mit meinem Psychotum gestern, oder Neu-Thread-Schaffung niemanden hier verschreckt habe. Ganz ehrlich: im Augenblick will ich nicht so sehr bei Todorov bleiben; schlicht weils mich graust, seine "Einführung in die fantastische Literatur" wiederzulesen. Aber ich hab heut vormittag mit einer Materialsammlung zum Phantasie- und Phantastik-Begriff begonnen. Leider ist die Stadtbücherei in Ffm derzeit für einige Wochen wegen Umzug geschlossen und in die Uni- und Deutsche Bibliothek komme ich derzeit nicht vorbei (nehm mir aber vor, noch auf Recherche zu gehen). Hier meine erste notizenhafte Zusammenfassung des Eintrags "Phantasia" aus dem "Historischen Worterbuch der Philosophie". So, und jetzt genieße ich erstmal die neuen Beiträge hier. Grüße Alex / molo

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

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#22 simifilm

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Geschrieben 07 August 2007 - 12:25

Erstmal: freut mich, daß ich mit meinem Psychotum gestern, oder Neu-Thread-Schaffung niemanden hier verschreckt habe. Ganz ehrlich: im Augenblick will ich nicht so sehr bei Todorov bleiben; schlicht weils mich graust, seine "Einführung in die fantastische Literatur" wiederzulesen. Aber ich hab heut vormittag mit einer Materialsammlung zum Phantasie- und Phantastik-Begriff begonnen. Leider ist die Stadtbücherei in Ffm derzeit für einige Wochen wegen Umzug geschlossen und in die Uni- und Deutsche Bibliothek komme ich derzeit nicht vorbei (nehm mir aber vor, noch auf Recherche zu gehen). Hier meine erste notizenhafte Zusammenfassung des Eintrags "Phantasia" aus dem "Historischen Worterbuch der Philosophie". So, und jetzt genieße ich erstmal die neuen Beiträge hier. Grüße Alex / molo

'Phantasia' ungleich 'Phantastik' - wieso kommst Du immer wieder auf diese Gleichsetzung zurück? Ernsthaft: Was Du da machst ist philologisch einfach unsauber. Wenn schon, dann zitiere bitte aus einem Wörterbuch, in dem der Begriff 'Phantastik' auch tatsächlich aufgeführt ist und nicht ein Wörterbuch, das offensichtlich nicht auf Literatur und verwandte Gebiete ausgerichtet ist und in dem deshalb auch nichts Brauchbares zu Phantastik steht. Schau Dir mal den Eintrag im 'Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden. Stuttgart/Weimar 2002' an. Wenn Dich die Begriffsgeschichte von 'Phantastik' interessiert, empfehle ich Dir das Buch 'Erzählte Phantastik' von Renate Lachmann (Frankfurt a. M. 2002). Die dröselt die Geschichte des Begriffs sehr detailliert auf. EDIT: Wenn's nicht um Todorov gehen soll - ist mir auch recht -, was ist denn genau das Thema des Threads? Die Ethymologie des Begriffs? Da erübrigt sich ein Thread, den das wurde von Renate Lachmann und Marinne Wünsch schon ausführlich gemacht. Oder soll einfach jeder reinschreiben, was er oder sie unter Phantastik versteht? Scheint mir auch nur mässig sinnvoll. EDIT2: Um Deine Materialsuche zu vereinfachen, habe ich mal sämtliche Titel, die ich in meiner Literaturdatenbank mit dem Stichwort 'Phantastik' versehen habe, hier hochgeladen. Es sind 167 Einträge, vielleicht hilft's Dir ja.

Bearbeitet von simifilm, 07 August 2007 - 12:37.

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#23 Theophagos

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Geschrieben 07 August 2007 - 12:33

Nur kurz:Mit den vier Modi beziehe ich mich auf Hans-Dieter Gelfert (Prof. engl. Lit./FU Berlin) z.B. "Literaturwissen", bei Reclam, oder "Was ist gute Literatur?", in der beck'schen Reihe. Das sind die Sachen, die ich Hobbyphantast zu Hause habe - die Modi selbst sind mir so oder ähnlich aber schon öfters über den Weg gelaufen.Theophagos
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#24 † Christian Weis

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Geschrieben 07 August 2007 - 12:34

Das ist aber noch kein Grund, Todorov komplett zu ignorieren. Ich betrachte seine 'reine Phantastik' als interessanten Extremfall, dessen Analyse Aufschluss gibt über grundsätzlichere Fragen im Verhältnis 'Realistisches'/'Wunderbares'.

Für mich ist das "Todorov-Modell" ein Teilaspekt der Phantastik - hab allerdings schon mehrfach erlebt, dass solchen Geschichten das phantastische Element abgesprochen wird, weil letztlich nicht schlüssig wird, welche Teile der Story realen und welche wunderbaren Charakter haben. Ich hab für mich persönlich irgendwann mal entschieden, dass ich "meinen" Phantastikbegriff eher weiter fasse und es tatsächlich in erster Linie als Oberbegriff für einen großen Schrank sehe, in dem es viele Schubladen gibt, die aber nicht in sich noch mal alle unterteilt und wohlsortiert sein müssen. Ein bisschen Chaos (bzw. Grenzwertigkeiten und Grenzüberschreitungen) verträgt so ein Schrankfach schon, auch wenn mir natürlich klar ist, dass das bei dem Versuch nicht weiterhilft, eine möglichst allgemeingültige Begriffsdefinition zu finden (falls das überhaupt möglich ist). @ molosovsky & simifilm: Wenn ihr das alles zusammenfasst, hättet ihr einen wunderbaren Artikel zu dem Thema - durchaus in Form eines "Streitgespräches" -, für den ich mir das ein oder andere Phantastikmagazin als Abnehmer vorstellen könnte. :devil:

#25 simifilm

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Geschrieben 07 August 2007 - 12:38

@ molosovsky & simifilm: Wenn ihr das alles zusammenfasst, hättet ihr einen wunderbaren Artikel zu dem Thema - durchaus in Form eines "Streitgespräches" -, für den ich mir das ein oder andere Phantastikmagazin als Abnehmer vorstellen könnte. :devil:

Ne, die sollen lieber mein Buch kaufen. :devil:

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#26 Konrad

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Geschrieben 07 August 2007 - 12:38

Es kommt natürlich auch darauf an, worauf eine Geschichte ihren Fokus legt, aber grundsätzlich würde ich schon sagen, dass es einen grossen Unterschied macht, ob - um irgendein Beispiel zu nehmen - ein Mord vom Gärtner oder vom Schwiegersohn - klassischer Krimi - oder vom Gärtner oder einem Vampir - Phantastik - begangen wurde. Im einen Fall ist es eine Ambivalenz innerhalb eines mehr oder weniger realistischen Rahmens, im anderen Fall kommt ein komplett neues Weltenmodell hinzu.

Nimm z.B. die Erzählungen von Henry James, seine phantastischen Geschichten fallen nicht aus dem Rahmen seiner anderen Erzählungen. James zeichnet sich durch facettenreiche, psychologisch feinfühlige Beschreibungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln aus. Bei ihm ist das Phantastische lediglich eine weitere Deutungsfacette. BTW: "Die Aspern-Schriften" kann ich wärmstens empfehlen.

Wenn es Dir darum geht, dass Du meinst, dass es unsinnig ist, Phantastik nur durch die Ambivalenz zwischen 'Realem' und 'Nicht-Realem' zu definieren, bin ich grundsätzlich einig mit Dir, weil die daraus resultierende Gattung sehr klein ist und historisch gar nicht existiert. Das ist aber noch kein Grund, Todorov komplett zu ignorieren. Ich betrachte seine 'reine Phantastik' als interessanten Extremfall, dessen Analyse Aufschluss gibt über grundsätzlichere Fragen im Verhältnis 'Realistisches'/'Wunderbares'.

Dann sind wir uns einig. Ich finde auch, daß Todorovs zumindest als Anstoß gewürdigt werden muß. Gruß, Konrad Edit: Titelmix Englisch/Deutsch

Bearbeitet von Konrad, 07 August 2007 - 15:15.


#27 simifilm

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Geschrieben 07 August 2007 - 12:41

Nimm z.B. die Erzählungen von Henry James, seine phantastischen Geschichten fallen nicht aus dem Rahmen seiner anderen Erzählungen. James zeichnet sich durch facettenreiche, psychologisch feinfühlige Beschreibungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln aus. Bei ihm ist das Phantastische lediglich eine weitere Deutungsfacette.

Diesen Einwand verstehe ich nicht, ich glaube Du vermischst hier Narratologie - wie wird etwas erzählt - mit Fiktionstheorie - in was für einer Welt spielt das, was erzählt wird. Aber vielleicht irre ich mich auch. Wie gesagt: ich verstehe es nicht.

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#28 molosovsky

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Geschrieben 07 August 2007 - 12:56

Immer gleich diese Vorwürfe :devil:
Also: von welchem Begriff wurde "Phantastik" abgeleitet?
Entsprechend mach ich eine umfangreichere Materialsammlung, weil ich mich eben für die größeren Zusammenhänge interessiere.
Wiegesagt ist für mich von Bedeutung, daß "Phantasie" erstmal ein abstrakter Begriff ist, mit dem man in der Vergangenheit über Bewußtsein (nach belieben auch Seele, Geist) spekuliert hat. Heutzutage kommen da noch solche Vokabeln wie "Emphatie" und "Spiegelneuronen" ins Spiel.

Grimms Wörterbuch hab ich an anderer Stelle schon mal verlinkt. Ich will damit keine Beweisführung betreiben, sondern anbieten, sich eben mal das größere Begriffs-Feld anzuschauen.

In der Musik beispielsweise ist eine "Fantasie" ein Stück, das sich, obwohl komponiert und nicht improvisiert, frei entwickelt und nicht irgendwelchen strukturellen Regeln folgt.

Und als vom Alltagsgebrauch Fazinierter denk ich an solche Aussprüche wie "Das war ja phantastisch", womit eben nicht immer und hauptsächlich gemeint ist, das etwas nicht konform mit der tatsächlichen Wirklichkeit ist.

Danke aber für die Literatur-Tipps und die Links, simi!

Was nun den Genre-Begriff "Phantastik" betrifft: Ich bin bezogen auf die Erkenntnisfähigkeit des Menschen ein radikaler Maximalphantast (siehe, "Kulturelle Enzyklopädie" Wissen über die Welt, das zu geschätzten 90% auf indirekten Wissen, nicht selbst Erlebten beruht). Siehe die entsprechenden Stellen im oben verlinkten Philosophie-Begriffs-Überblick in Sachen "Phantasie ist Prinzip der Politik".

Wenn es aber um Medienwerke geht, trenne ich der Übersicht halber schon zwischen Tageschau, Bibel, "Jenseits von Eden" und "Herr der Ringe". Nur letzters gehört der pragmatischen Gepflogenheit entsprechend zur "Phantastik". Aber ich bin halt immer eifrig dabei, darauf hinzuweisen, daß Tageschau und Co auch nur Mittler/Medien sind, die von Absender/Autoren mit der Absicht in die Welt gesetzt wurden, beim Empfänger/Leser "Vorstellungen, Erscheinungen" zu zeitigen. Ob ich mir anhand von Sachreportagen z.B. das Leben in Kalkutta vorstelle, mich anhand eines Buches in einen Mensch des Mittelalters hineinversetzte oder den Reisen der Gefährten in Mittelerde folge ist für mich dabei ein kleinerer Unterschied.

Also nochmal: "Phantastik" ist DAS große Sammelbecken für die magischen, wundersamen, von der Echtweltwirklichkeit arg abweichenden Fiktionen, also Sammelbecken der bekannten "Genres" Mythos, Märchen, Horror, SF, Fantasy -- wobei oftmals die Satire oder die "romance" so manche Gesetzte der Wirklichkeit vernachlässigt, um mittels krasser Über- und Untertreibung aufregender, spektakulärer zu sein. Grad dieses Übertreiben/Untertreiben macht es knifflig. Klaro spricht man bei Autoren wie Hugo, Dumas, Scott und Co. kaum jemand von "Phantastik". Aber mir geht es wiegesagt weniger um kategoriersende, systematische Genre-Handhabung, sondern um eine Sicht auf Genre, die sich auf die Aspekte der Vorstellungstätigkeit, der Faszination und des Spektakulären/Grotesken/Erhabenen konzentriert.

Praktisches Alltagsbeispiel: ein Bekannter erzählt Länge mal Breite von seiner Krampfadern-Operation. Wenn man dabei Scheißausbrüche bekommt, war die Kraft der Phantasie im Spiel. Ohne Phantasie keine Faszination, keine Motivation zu Handlungen, keine Meinung über die Welt. "Sense of Wonder" kann immerhin genauso von Tatsachen ausgelöst werden, wie von der Realität widersprechenden Fiktionen (einerseits: Bilder der Wissenschaft, geboten durch Teleskop, Mikroskop, Gedankenexperimente; andererseits: Bilder der spielerischen Phantasie, z.B. Schlaraffenland, Himmel, Hölle, usw).

EDIT-Nachtrag: Simis Buch macht ausführlich auf den Unterschied zwischen Genre (Schwerpunkt: inhaltliche, thematische Eigenschaften) und Modus (Art und Weise der Präsentation) aufmerksam. Allein das zeitigt ganz schon komplexe Verwischungen klarer Abgrenzungen von "realistisch, objektiv" und "phantastisch, subjektiv".

Grüße
Alex / molo

EDIT-Nachtrag zum zwischendurch Dazugekommenen:
@Simi: Ich will Todorov nicht völlig wegstellen, nur im Augenblick geh ich nicht näher auf ihn ein, weil ich Muse haben will, wenn ich mir sein Buch nochmal vornehm (ist über 10 Jahre her, daß ich es zum ersten Mal geselen hab). Ich will niemanden dreinreden, hier über Todorov zu schreiben!

Derweil werd ich in diesem Thread zum einen meine Sicht versuchen zu umreissen, und dazu andererseits eben Materialsammlungen verlinken.

@Theophagos: "Was ist gute Literatur" hab ich auch. Hier bei SF-Netzwerk hab ich in Sachen "Qualität?" schon mal ausführlich daraus zusammengefasst. Nebenbei: obwohl das subjektive Empfinden und das eigene Wissen bei der Wertung von Medien natürlich maßgebend ist, "glaube" ich an objektive Kriterien für Qualitätsabgrenzungen. Literaturwissenschaft und Anthropologie müssen da halt noch weiter zudsammenzusammenwachsen.

@Christian W.: Danke für die Blumen. Aber ich rate auch, besser erstmal Simis Buch zu lesen!

@Konrad: Mittels Prosa den Leser "in den Kopf" oder "in die Gemütsverfassung" einer Figur versetzten ist für mich Phantastik (im weiteren Sinne; kann man aber eigentlich nicht einfach so in den Raum stellen ohne Ausführung ... siehe Simis Mahnung zur sauberen Begriffsverwendung). Aber anschaulich zu machen, wie es in anderer Leute Hirnkastel abgeht, ist nun mal ein erscheinen lassen von Vorstellungen.

Bearbeitet von molosovsky, 07 August 2007 - 13:15.

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.

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#29 † Christian Weis

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Geschrieben 07 August 2007 - 13:26

@Christian W.: Danke für die Blumen. Aber ich rate auch, besser erstmal Simis Buch zu lesen!

Euer Wunsch ist mir Befehl. :devil:

#30 Konrad

Konrad

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Geschrieben 07 August 2007 - 13:55

Diesen Einwand verstehe ich nicht...

Bei James entsteht die Welt aus der Sicht der Protagonisten. Es gibt keinen objektivierenden Erzähler, sondern nur subjektive Weltsichten. Wenn ein Protagonist ein phantastisches Weltbild hat, dann scheint das in den Erzählungen auf, man muß es sich als Leser aber nicht zu Eigen machen. Nimm z.B. "The Turn of the Screw" Man kann die Erklärungen der Gouvernante zum Beispiel als hysterisch überspannte Phantasiegespinste einer sexuell frustrierten Jungfer im viktorianischen England deuten, oder als Lebenslüge einer gescheiterten Erzieherin, oder aber als Zeugnis von phantastischen Ereignissen. Gruß, Konrad


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