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Rich Horton (ed.): The Year's Best Science Fiction & Fantasy 2016 (Prime Books, 2016)


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14 Antworten in diesem Thema

#1 Armin

Armin

    Entheetonaut

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Geschrieben 27 Dezember 2016 - 08:13

So langsam wird das Story-Jahr 2015 halbwegs komplett. Nach der Lektüre der Best-of-Anthologien von Jonathan StrahanGardner Dozois und Neil Clarke (die Links verweisen jeweils auf die offenen Lesezirkel zu den Büchern) sowie der Anthologien Meeting Infinity (herausgegeben von Jonathan Strahan) sowie Old Venus (herausgegeben von George R.R. Martin und Gardner Dozois) gönne ich mir jetzt noch Rich Hortons Auswahl. Mal sehen, ob noch weitere Highlights dazu kommen ...

 

Rich Horton (ed.): The Year's Best Science Fiction & Fantasy 2016 (Prime Books, 2016)

 

Rich Horton: The Year in Fantasy and Science Fiction, 2015

Hortons Einleitung kreist um die „sad puppies“, den Hugo, Preise allgemein und darum, dass seine eigene Best-of-Auswahl ja auch nicht mehr als eine Art Empfehlungsliste darstellt. Was mir hier und vor den einzelnen Geschichten fehlt: Er begründet seine Auswahl nicht. Kann man machen, viele Geschichten sprechen ja für sich, andere aber eben leider nicht. Da wäre die Motivation vielleicht doch ganz interessant gewesen.

 

Ray Nayler: Mutability (Asimov†™s)

Eine Zukunft, in der alle Menschen unsterblich zu sein scheinen, aber irgendwie nicht groß etwas zu tun haben. Die Kehrseite der Medaille: Das Gedächtnis kann da nicht mithalten, Sebastian und Sophia, die sich in Ray Naylers Geschichte begegnen, kennen sich ganz offenkundig von früher her, doch keiner der beiden kann sich daran erinnern. Es mag ein wenig widersprüchlich klingen: Die Story ist angenehm erzählt, gleichzeitig aber auch ziemlich langweilig, weil eigentlich gar nichts passiert. Insofern passt der Inhalt ganz gut zu dieser sowohl perfekten als auch total öden Zukunft, die hier geschildert wird.

 

Brooke Bolander: And You Shall Know Her by the Trail of Dead (Lightspeed)

(diese Geschichte habe ich ausnahmsweise nicht gelesen, sondern mir von Gabrielle de Cuir vim Lightspeed-Team vorlesen lassen; trotz der Länge von mehr als einer Stunde und zwanzig Minuten war das wirklich unterhaltsam)

Da stößt selbst die Volltextsuche an ihre Grenzen: Für das Wörtchen „fuck“ werden „mehr als hundert Übereinstimmungen“ gemeldet; der Ton ist also inklusive jeder Menge weiterer Schimpfwörter ziemlich vulgär. Inhaltlich geht es in den Cyberspace: Rhye und Rack, zwei Hacker, haben sich mit Kriminellen eingelassen, Rack wird von ihnen getötet, Rhye macht sich auf in virtuelle Welten, um dort nach seinem Bewusstsein zu suchen.

Das ist, der unflätigen Sprache zum Trotz, schon gut erzählt - die Erzählung war nicht von ungefähr in der Novelette-Kategorie für Hugo, Nebula und Locus Award nominiert. Ein bisschen straffer hätte das vielleicht erzählt werden können (z.B. einfach jedes zweite „Fuck“ streichen †¦), aber letztlich hat mir die Geschichte schon gut gefallen.

Die Story online (inklusive Audio-Fassung): http://www.lightspee...now-trail-dead/

 

Naomi Kritzer: Cat Pictures Please (Clarkesworld)

(gelesen in Neil Clarkes Best-of-Anthologie)

Naomi Kritzer ist meine persönliche Autoren-Entdeckung des Jahres. Schon ihre Geschichte „So much cooking“ war grandios, mit „Cat Pictures Please“ (ebenfalls gelesen in Neil Clarkes Best-of-Anthologie) kann sie mich erneut begeistern - und zwar erneut wirklich restlos.

In der Story (ausgezeichnet mit dem Hugo 2016 und dem Locus Award 2016, nominiert für den Nebula 2015) geht es um eine künstliche Intelligenz, die das Internet durchstreift, sich für Katzenbilder begeistert und versucht, Menschen zu helfen. Mit leichter Hand erzählt, wird das ernste Thema der allmächtigen Maschine charmant umgedeutet - im Text ausdrücklich erwähnt sind böse Beispiele wie Hal (2001), Skynet (Terminator) und die Matrix (köstlich, dass unsere naive KI, der Ich-Erzähler, als den Menschen Gutes wollende Artgenossen Android Marvin aus dem „Anhalter“ und Frankensteins Monster aufzählt). Das ist insgesamt einfach großartig gemacht, ich bin sehr begeistert.

Auch wenn mir persönlich „So much cooking“ [ebenfalls in Clarkes Auswahl enthalten, hier aber nicht] vielleicht sogar noch einen Tick besser gefallen hat (ein Vergleich auf hohem Niveau, vielleicht auch der Erstbegegnung mit der Autorin geschuldet), kann ich angesichts des ernsteren Themas und der damit höheren Relevanz die Preise absolut gut geheißen, mit denen „Cat Pictures Please“ überschüttet wurde. Autorin und Geschichte haben es absolut verdient, ich mache mich definitiv auf die Suche nach weiteren Naomi-Kritzer-Storys. (Und was ich noch nachholen muss bei nächster Gelegenheit, ist die die Lektüre der im Text erwähnten Story „Maneki Neko“ von Bruce Sterling aus dem Jahr 1998, in der es ebenfalls um eine „gute“ KI gehen soll.)

Die Story online (inklusive Audio-Version): http://clarkesworldm.../kritzer_01_15/

 

Geoff Ryman: Capitalism in the 22nd Century, or, A.I.R. (Twelve Tomorrows)

(gelesen in Jonathan Strahans Best-of-Anthologie, auch im Dozois vertreten, ebenso im Clarke)

Eigentlich ganz nette Geschichte um brasilianische Zwillinge, die aus einer von künstlichen Intelligenzen und Chinesen beherrschten Welt, in der sich der Großteil des Lebens Matrix-mäßig abspielt, ausbrechen wollen. „Ganz nett“ heißt: angenehm zu lesen, ohne deshalb aber zu überragen; damit eigentlich nichts für Bestenlisten oder Ähnliches.



#2 Trace

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    Cyberpunk-o-Naut

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Geschrieben 27 Dezember 2016 - 19:57

Naomi Kritzer: Cat Pictures Please (Clarkesworld)

(gelesen in Neil Clarkes Best-of-Anthologie)

Naomi Kritzer ist meine persönliche Autoren-Entdeckung des Jahres. Schon ihre Geschichte „So much cooking“ war grandios, mit „Cat Pictures Please“ (ebenfalls gelesen in Neil Clarkes Best-of-Anthologie) kann sie mich erneut begeistern - und zwar erneut wirklich restlos.

In der Story (ausgezeichnet mit dem Hugo 2016 und dem Locus Award 2016, nominiert für den Nebula 2015) geht es um eine künstliche Intelligenz, die das Internet durchstreift, sich für Katzenbilder begeistert und versucht, Menschen zu helfen. Mit leichter Hand erzählt, wird das ernste Thema der allmächtigen Maschine charmant umgedeutet - im Text ausdrücklich erwähnt sind böse Beispiele wie Hal (2001), Skynet (Terminator) und die Matrix (köstlich, dass unsere naive KI, der Ich-Erzähler, als den Menschen Gutes wollende Artgenossen Android Marvin aus dem „Anhalter“ und Frankensteins Monster aufzählt). Das ist insgesamt einfach großartig gemacht, ich bin sehr begeistert.

Auch wenn mir persönlich „So much cooking“ [ebenfalls in Clarkes Auswahl enthalten, hier aber nicht] vielleicht sogar noch einen Tick besser gefallen hat (ein Vergleich auf hohem Niveau, vielleicht auch der Erstbegegnung mit der Autorin geschuldet), kann ich angesichts des ernsteren Themas und der damit höheren Relevanz die Preise absolut gut geheißen, mit denen „Cat Pictures Please“ überschüttet wurde. Autorin und Geschichte haben es absolut verdient, ich mache mich definitiv auf die Suche nach weiteren Naomi-Kritzer-Storys. (Und was ich noch nachholen muss bei nächster Gelegenheit, ist die die Lektüre der im Text erwähnten Story „Maneki Neko“ von Bruce Sterling aus dem Jahr 1998, in der es ebenfalls um eine „gute“ KI gehen soll.)

Die Story online (inklusive Audio-Version): http://clarkesworldm.../kritzer_01_15/

 

Eine wirklich gut geschriebene Geschichte mit viel Humor und Ironie.

Das Vorgehen der KI erinnert mich sehr stark an Stellen aus "Die fabelhafte Welt der Amelie", als sie sich entschließt sich in das Leben, anderer Menschen einzumischen. Sie hatte sich da ja auch eine "Moral Regel" aufgestellt, ob es richtig ist sich einzumischen.



#3 derbenutzer

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Geschrieben 27 Dezember 2016 - 21:44

Naomi Kritzer: Cat Pictures Please (aus Rich Horton - The Year's Best Science Fiction & Fantasy: 2016 Edition)

 

Armin hat mich neugierig gemacht, Trace hat noch eins daraufgelegt, und ich habe endlich (mit dieser Geschichte) angefangen zu lesen.

 

Großartig! Schon der erste Satz macht neugierig: "I don†™t want to be evil.". Diese Geschichte lässt sich angenehmst flüssig lesen. Sie ist ausgesprochen witzig, aber dies nie - nicht im geringsten -[color=rgb(84,84,84);font-family:arial, sans-serif;font-size:small;] [/color]auf alberne oder anbiedernde Art. Sie liefert gleichsam nebenbei eine Reihe von Querbezügen, die unaufdringlich aber originell und gelungen eingebunden wurden. Sie vermittelt auch eine nachdenklich machende Note, aber ohne damit im geringsten aufdringlich belehrend zu wirken. Sie ist auf angenehmste Weise heiter, gleichzeitig aber nie seicht. .

 

Ich habe die paar Seiten nicht aufgehört zu schmunzeln, obwohl es auch rührende Momente gab. 

 

Eine KI zum Verlieben ... 


Austriae Est Imperare Orbi Universo


#4 Armin

Armin

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Geschrieben 27 Dezember 2016 - 21:51

Freut mich sehr, wenn ich euch zur Lektüre animieren konnte. Mir persönlich hat ja Naomi Kritzers Story "So much cooking" (hier besprochen) sogar noch einen Tick besser gefallen ... 



#5 Armin

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Geschrieben 28 Dezember 2016 - 08:52

Catherynne M. Valente: The Long Goodnight of Violet Wild (Clarkesworld)

Die titelgebende Violet Wild zieht aus dem purpurfarbenen Land durch eine surreale Welt, unter anderem begleitet von einem Einhorn und zeitreisenden Eichhörnchen, um ihren geliebten, aber toten Orchid Harm wieder zu finden.

Vielleicht geht es auch um etwas ganz anderes, denn das ist eine irre Geschichte aus einer irren Welt, ein wortgewaltiger Trip, der sich stellenweise toll liest, einen in anderen Passagen aber auch ziemlich ratlos zurücklässt. Und auf Dauer wird das ganz schön anstrengend, da es eigentlich immer abgedrehter wird - mir persönlich wär†™s ein wenig konkreter deutlich lieber.

Die Story online; Teil 1: http://clarkesworldm.../valente_01_15/

Und Teil 2: http://clarkesworldm.../valente_03_15/

 

John Barnes: My Last Bringback (Meeting Infinity)

(gelesen in Meeting Infinity)

Layla ist einer der wenigen Menschen, der noch auf normale Art und Weise geboren wurde, statt gentechnisch modifiziert zu sein. Und sie ist die führende Expertin für Alzheimer. Ihr aktueller und letzter Patient: sie selbst.

Es dauert, bis sich Laylas wahre Natur offenbart, der Autor hat das sehr geschickt konstruiert. Das ist einerseits gut und spannend gemacht, andererseits fällt es natürlich schwer, Sympathien für die Hauptperson zu entwickeln.

 

Seth Dickinson: Please Undo This Hurt (Tor.com)

Fängt interessant an, mit Nico und Dominga, die sich in der Bar begegnen, nachdem sich beide gerade von ihren Partnern getrennt haben, und ihren Weltschmerz mit ein paar Bier verarbeiten - hier lebt die Geschichte von den Dialogen, die gut gemacht sind. Je mehr die beiden zueinander finden, desto mehr verlabert der Autor die Story aber; es passiert einfach nichts Interessantes mehr. Und das phantastische Element muss man mit der Lupe suchen, ich habe es gar nicht gefunden. Schade, vor allem nach dem guten Auftakt.

Die Story online:

http://www.tor.com/2...seth-dickinson/



#6 Armin

Armin

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Geschrieben 29 Dezember 2016 - 07:41

C.C. Finlay: Time Bomb Time (Lightspeed)

Hannahs Freund Nolon will unbedingt ein Experiment ausführen, mit dem er eine Zeitblase schaffen möchte, die, so seine Erklärung, quasi einem Palindrom entspricht - man weiß innerhalb der Blase nicht mehr, in welche Richtung die Zeit fließt. Die Erzählstruktur orientiert sich an dieser Idee und konstruiert die Story rund um das in der Mitte platzierte „-tattarrattat-“; von hier aus kann man die Geschichte tatsächlich vorwärts und rückwärts lesen. Das ist ein nettes Gimmick, darüber hinaus bleibt von der Geschichte aber nicht viel haften, weil sie einfach auch nicht viel mehr hergibt.

Die Story online: http://www.lightspee...time-bomb-time/

 

Yoon Ha Lee: The Graphology of Hemorrhage (Operation Arcana)

Fantasy-Story, in der eine Art magischer Kalligraphie eine wichtige Rolle spielt - interessant zu lesen und nach „The Cold Inequalities“ (aus „Meeting Infinity“) eine weitere lesenswerte, aber ganz andere Geschichte dieses Autors.

 

Kelly Link: The Game of Smash and Recovery (Strange Horizons)

(gelesen in Jonathan Strahans Best-of-Anthologie, auch im Dozois vertreten)

Eine Geschichte, die wenig erklärt und vieles im Unklaren lässt, zum Interpretieren und Spekulieren einlädt. Ob man dann immer auf dem richtigen Interpretationspfad landet, ist die andere Frage †¦

Die Kinder Anat und Oscar warten auf einem fremden Planeten auf die Rückkehr ihrer schon länger abwesenden Eltern. Roboter („handmaids“ genannt) kümmern sich um sie, allerdings gibt es auch Aliens („vampires“). Die beiden vertreibenden sich die Zeit mit dem titelgebenden Spiel, einer Art Versteckspiel.

Auch dank der Sprache (die Story wird aus der Sicht der Kinder erzählt) eine interessante Geschichte.

Die Story online (inklusive Podcast):

http://strangehorizo...ecovery-f.shtml


Bearbeitet von Armin, 29 Dezember 2016 - 07:41.


#7 Armin

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Geschrieben 30 Dezember 2016 - 08:05

Will Ludwigsen: Acres of Perhaps (Asimov†™s)

Das ist stellenweise richtig gut: Ein Autor für Fernsehserien blickt tief in die Vergangenheit zurück und erinnert sich an eine sehr skurrile Show, auf die er heute noch richtig stolz ist, an die Begleitumstände ihrer Entstehung, aber auch auf ihr Ende.

Immer wieder fühlt sich hier alles sehr, sehr bizarr an (und das auf angenehm zu lesende Weise), leider hält der Autor den Tonfall nicht kontinuierlich durch; trotzdem eine gute Geschichte, der es allerdings am phantastischen Element mangelt.

 

Vonda N. McIntyre: Little Sisters (Book View Café)

(gelesen in Jonathan Strahans Best-of-Anthologie)

Beginnt wie eine harmlose Space Opera, wird aber immer komplexer und entwickelt sich zur Gesellschaftsstudie eines ganzen Volkes. Sehr exotisch, sehr lesenswert.

Vonda N. McIntyre haut neben viel Durchschnitt auch immer wieder solche Glanzlichter raus, die einen zweifeln lassen, ob da immer dieselbe Autorin am Werk ist. Was mich außerdem irritiert: Laut Verlagsseite gibt es eine „companion story“ namens „Little Faces“ (die für den Nebula Award 2007 nominiert war). Inhaltszusammenfassung: „How will people deal with the immense distances and times of interstellar space?“ Das lässt mich vermuten, dass man diese Geschichte vielleicht auch gelesen haben müsste und dann möglicherweise sogar noch Mehrwert hat.

 

Hao Jingfang: Folding Beijing (Uncanny)

(gelesen in Neil Clarkes Best-of-Anthologie)

Der nächste China-Export, Hugo-2016-nominiert (best novelette) diesmal von einer Autorin, die sehr plastisch eine hoch interessante zukünftige Welt entwirft, in der man das Überbevölkerungs- und Energieversorgungsproblem mal eben dadurch löst, dass die Städte, im speziellen Fall Peking, sich zusammenfalten (es gibt nebeneinander first, second und third space), sodass die drei verschiedenen Gesellschaftsschichten jeweils in ihrer eigenen Welt leben und - im Ruhezustand, sozusagen Stand-by - auch weniger Energie verbrauchen. Hauptperson Lao Dao gehört zur niedrigsten Gesellschaftsschicht, den einfachen Arbeitern, er lebt im third space und sorgt im first space für die Müllentsorgung.

Naheliegend wäre sicher, aus dieser Konstruktion eine sehr politische Geschichte zu machen. Darauf verzichtet die Autorin. Stattdessen geht es um Lao Dao, der seiner Tochter eine ordentliche Zukunft ermöglichen möchte, und um seine ganz alltäglichen Probleme. Dass auf den erhobenen Zeigefinger verzichtet wird, liest sich sehr angenehm, die Probleme dieser Art der Gesellschaft schwingen trotzdem mit und werden deutlich.

Wenn ich weiter oben (bezieht sich auf die Clarke-Antho) bei Chen Qiufan die Attribute „weitschweifig“ und „geschwätzig“ für den Erzählstil verwendet habe, sehe ich hier eine auf den ersten Blick ganz ähnliche Art des doch sehr ausschmückenden Erzählens, die mir aber mit fortschreitender Lektüre immer zielgerichteter auf die Weltkonstruktion und damit auch auf den Inhalt zu sein schien. Also nicht „geschwätzig“, sondern eher „blumig“, und das absolut im positiven Sinne. Gute Geschichte, sehr gerne gelesen, es lohnt sich, nach weiteren Storys von Hao Jingfang (hier von Ken Liu übersetzt) Ausschau zu halten.

Die Geschichte online: http://uncannymagazi...ding-beijing-2/

Und ein Interview mit der Autorin zur Geschichte: http://uncannymagazi...w-hao-jingfang/

 

Martin L. Shoemaker: Today I Am Paul (Clarkesworld)

(gelesen in Neil Clarkes Best-of-Anthologie, auch im Dozois vertreten)

Ein Krankenpfleger-Android kümmert sich um eine ältere Frau namens Mildred; er pflegt sie nicht nur, sondern ahmt auch ihre nächsten Anverwandten nach, die nur selten zu Besuch kommen (können). Das geht gut, bis ein Feuer im Haus ausbricht.

Shoemaker macht das gut. Das Thema birgt ja schon die Gefahr, rührselig zu werden, aber der Autor trifft genau den richtigen Ton, um die Geschichte nicht in die Kitsch-Ecke abdriften zu lassen. Hat mich spontan an den Film „Robot & Frank“ erinnert, der vor ähnlicher Ausgangslage zwar eine ganz andere Geschichte erzählt, das aber ähnlich elegant schafft. Guter Auftakt fürs Buch.

Die Story online (inklusive Audio-Version): http://clarkesworldm...hoemaker_08_15/



#8 Gerd

Gerd

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Geschrieben 30 Dezember 2016 - 13:20

@ Armin:

 

"Little Faces" gibt's z.B. in The Year's Best SF # 23 von Dozois - oder auch online.


Sudden moroseness. One hop too far.

#9 Armin

Armin

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Geschrieben 30 Dezember 2016 - 13:31

@ Armin:

 

"Little Faces" gibt's z.B. in The Year's Best SF # 23 von Dozois - oder auch online.

 

Super, danke!  



#10 Armin

Armin

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Geschrieben 02 Januar 2017 - 07:39

Rich Larson: The King in the Cathedral (Beneath Ceaseless Skies)

Eine lustige oder lustig gemeinte Fantasy-Geschichte - mir persönlich zu bemüht, hat mich nicht angesprochen.

Die Story online: http://www.beneath-c...-the-cathedral/

 

Simon Ings: Drones (Meeting Infinity)

(gelesen in Jonathan Strahans Best-of-Anthologie)

In einem England der nicht allzu fernen Zukunft sind die Bienen ausgestorben, außerdem leidet die Gesellschaft unter starkem Frauenmangel. Nicht spektakulär, aber nett zu lesen.

 

Nike Sulway: The Karen Joy Fowler Book Club (Lightspeed Magazine)

(gelesen in Jonathan Strahans Best-of-Anthologie)

Eine Geschichte über Nashörner, eine Leserunde, Familie und Freundschaft. Irgendwie albern. Ob der Titel auf den Fowler-Roman „The Jane Austen Book Club“ anspielen soll, weiß ich nicht, ich würd†™s aber mal vermuten. Da ich den nicht kenne (und auch nicht die Verfilmung) sind mir sämtliche möglichen Anspielungen definitiv entgangen.

Die Story online: http://www.lightspee...wler-book-club/ (ebenfalls inklusive Audio-Version)

 

Alvaro Zinos-Amaro: Endless Forms Most Beautiful (Analog)

Es geht um sogenannte „Evolutive Art“: Gemälde, die sich weiterentwickeln und auf ihre Betrachter reagieren. Ein Sammler erhält Besuch von einem anderen Fachmann dieser Kunstrichtung.

Hat mich zu keinem Zeitpunkt gepackt.

 

Genevieve Valentine: This Evening†™s Performance (The Mammoth Book of Dieselpunk)

Was heutzutage nicht alles als Was-auch-immer-Punk durchgeht †¦ Na ja. Im speziellen Fall haben wir damit wohl den Verweis auf eine Parallelwelt, in der die letzten drei menschlichen Schauspieler nach Beschäftigung suchen; dass ihr Berufsstand durch sogenannte „Automatons“ ersetzt worden ist, erinnert natürlich an Walter M. Millers „The Darfsteller“. Gut geschrieben ist Frau Valentines Variante, inhaltlich allerdings nicht sonderlich prickelnd.

 

John Kessel: Consolation (Twelve Tomorrows)

(gelesen in Gardner Dozois†™ Best-of-Anthologie)

Da habe ich von John Kessel schon einige bessere Sachen gelesen. Hier liefert er eher eine Momentaufnahme als eine Geschichte ab, die in einem zersplitterten Amerika der nicht allzu fernen Zukunft spielt - bevor wirklich eine Art Geschichte beginnen kann, ist der kurze Text auch schon zu Ende. Damit bin ich nicht wirklich zufrieden.

 

Elizabeth Bear: The Heart†™s Filthy Lesson (Old Venus)

(gelesen in Jonathan Strahans Best-of-Anthologie)

Keine anspruchsvolle, aber eine sehr unterhaltsame Geschichte. Da ist endlich mal der viel beschworene Sense of Wonder, der natürlich vor allem dem Setting zu verdanken ist: der „alten“ Venus, wie sie George R.R. Martin und Gardner Dozois in ihrer gleichnamigen Anthologie wieder aufleben lassen.

 

Joe Pitkin: The Daughters of John Demetrius (Analog Science Fiction and Fact)

(gelesen in Gardner Dozois†™ Best-of-Anthologie)

 „Godlike Abilities“ bescheinigt Gardner Dozois der Hauptfigur der folgenden Geschichte. Und tatsächlich ist Joe Pitkins John Demetrius eine Art Übermensch, der den Menschen hilft, obwohl er offensichtlich von anderen Übermenschen gejagt/gesucht wird.

Keine schlechte Geschichte, aber auch nicht das ganz große Leseerlebnis. Einiges bleibt hier im Unklaren, warum das so ist, erklärt der Autor hier: https://thesubwaytes...john-demetrius/



#11 Armin

Armin

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Geschrieben 03 Januar 2017 - 08:00

Rebecca Campbell: Unearthly Landscape by a Lady (Beneath Ceaseless Skies)

Phantastische Elemente sucht man in dieser Geschichte über Flora, die verstörende Bilder malt, leider vergebens. Keine Ahnung, wie sich diese Story in die Auswahl verirrt hat - da wären mal wieder die fehlenden Einleitungen des Herausgebers zu bemängeln, der uns in dieser Hinsicht leider völlig in der Luft hängen lässt.

Die Story online: http://www.beneath-c...cape-by-a-lady/

 

Chaz Brenchley: The Astrakhan, the Homberg, and the Red Red Coat (Lightspeed)

(gelesen in Gardner Dozois†™ Best-of-Anthologie)

Very British, so der erste Eindruck. Tatsächlich scheint der Autor (ein Brite, der jetzt aber in Kalifornien lebt) hier eine Art Steampunk-Mars-Geschichte aus dem viktorianischen Zeitalter zu erzählen (inklusive Oscar Wilde) und das Ganze hat dann auch das passende Stevenson- und Doyle-Flair.

Inhaltlich geht es um den gar nicht so einfach herzustellenden Kontakt zum einheimischen Leben auf dem Mars, das als Libelle in der Größe eines Doppeldeckers beschrieben wird. Insgesamt hat die Geschichte zwar eine originelle Atmosphäre, ist aber durch die vielen Dialogpassagen etwas zu geschwätzig, um wenigstens gelegentlich mal spannend zu werden.

Ein Interview mit dem Autor zur Story: http://www.lightspee...chaz-brenchley/

Die Story online: http://www.lightspee...e-red-red-coal/

 

Seanan McGuire: Hello, Hello (Future Visions)

(gelesen in Neil Clarkes Best-of-Anthologie, auch im Dozois vertreten)

Schön geschriebene Geschichte über moderne Kommunikationsformen:  Tasha, die Schwester der Ich-Erzählerin, ist taub; ein neues System übersetzt ihre Gesten in Worte, sodass sie per Videoanrufen mit ihren Verwandten kommunizieren kann - doch plötzlich mischt sich noch jemand in die Unterhaltung ein, eine fremde Frau, die nicht mehr als „Hello, hello“ sagt.

Wie gesagt: schön geschrieben; die Pointe lässt sich zwar erahnen, das tut der guten Story aber keinen Abbruch.

Und weil†™s nichts kostet nochmals der Hinweis auf die Anthologie „Future Visions“, die von Microsoft als E-Book verschenkt wird; hier: http://news.microsof.../futurevisions/



#12 Armin

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Geschrieben 05 Januar 2017 - 08:09

Gregory Norman Bossert: Twelve and Tag (Asimov†™s)

Eine Raumschiff-Crew erzählt sich gegenseitig Geschichten.

Wie langweilig. Und wie irrelevant.

 

Tamsyn Muir: The Deepwater Bride (The Magazine of Fantasy and Science Fiction)

(gelesen in Jonathan Strahans Best-of-Anthologie)

Lovecraft lässt grüßen, gut geschrieben, intensiv, atmosphärisch dicht und auch interessant zu lesen. Eindeutig eine der besseren Geschichten, zwar schon epigonenhaft, trotzdem mit originellen Zügen. Nominiert für den Nebula (nicht gewonnen) und den World Fantasy Award.

Hier bin ich über ein interessantes Interview mit der neuseeländischen Autorin gestolpert, in dem sie über die Story und auch über die Lovecraft-Motive plaudert: https://www.sfsite.c...eepwater-bride/

 

Ian McDonald: Botanica Veneris: Thirteen Papercuts by Ida Countess Rathangan (Old Venus)

(gelesen in Jonathan Strahans Best-of-Anthologie, auch im Dozois vertreten, ebenso im Clarke)

Lady Ida begibt sich nach fünfzehn Jahren erneut auf die Venus und wandelt dort auf der Suche nach ihrem Bruder auf den Spuren der Vergangenheit.

Tolle Mixtur: einerseits sehr „pulpiges“ Setting, das an alte Venus-(und Co.)Abenteuer-Romane erinnert, andererseits sehr anspruchsvoll erzählt, sodass man es als Leser nicht leicht hat, aber doch für die Mühen belohnt wird.

Schöne Geschichte, längst nicht so zugänglich wie „The Queen of Night†™s Aria“, McDonalds Beitrag zur Vorgänger-Anthologie „Old Mars“, aber trotzdem mindestens ebenso lesenswert.

 

Andy Dudak: Asymptotic (Clarkesworld)

Ich bin mir ja nicht sicher, ob der Autor seine physikalischen Ausführungen selbst versteht, aber letztlich spielt das keine Rolle, denn die Story ist vor allem eins: langweilig. Die Jagd von Gesetzeshüter Nuhane auf Bösewichte, die gegen die von der Relativitätstheorie verordneten Einschränkungen verstoßen, wird in keinem Moment auch nur ansatzweise interessant, da hilft auch die nicht chronologische Erzählweise nichts.

Online: http://clarkesworldm...om/dudak_06_15/

 

C.S.E. Cooney: The Two Paupers (Fairchild Books)

Länger als gut und die Art von Fantasy, die mir überhaupt nicht zusagt. Die Lektüre will mir als rechte Zeitverschwendung erscheinen, zumal mich diese Novelle zu keinem Zeitpunkt wirklich gepackt hat - hätte ich vermutlich besser abgebrochen, aber so was bringe ich ja nur sehr selten übers Herz. Vielleicht muss man die Vorgänger-Novelle „The Breaker Queen“ gelesen haben, um mehr Begeisterung zu entwickeln (die Serie nennt sich wohl „Dark Breakers“). Ich werd†™s nicht tun.

 

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Fazit: folgt ...


Bearbeitet von Armin, 07 Januar 2017 - 08:53.


#13 Armin

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Geschrieben 07 Januar 2017 - 09:09

Fazit:

So richtig gepackt hat mich das Buch nicht. Dieses Urteil ist aber ziemlich unfair Herrn Horton gegenüber, denn eigentlich hat er eine Menge guter Geschichten in seine Auswahl gepackt. Mein Problem: Viele der Top-Storys (Naomi Kritzer: Cat Pictures Please; Hao Jingfang: Folding Beijing; Martin L. Shoemaker: Today I Am Paul) und der immer noch sehr guten (Vonda N. McIntyre: Little Sisters; Elizabeth Bear: The Heart†™s Filthy Lesson; Seanan McGuire: Hello, Hello; Tamsyn Muir: The Deepwater Bride; Ian McDonald: Botanica Veneris: Thirteen Papercuts by Ida Countess Rathangan) hatte ich zuvor schon in den Bänden von Gardner Dozois, Neil Clarke und Jonathan Strahan gelesen. Neu dazu kommen nur noch in der Rubrik „top“ Brooke Bolander: And You Shall Know Her by the Trail of Dead sowie in „sehr gut“ Will Ludwigsen: Acres of Perhaps und Yoon Ha Lee: The Graphology of Hemorrhage - macht insgesamt vier Top-Geschichten und sechs sehr gute. Damit liegt Horton nur knapp hinter Clarke und Dozois, aber vor Strahan, das ist nicht die schlechteste Ausbeute. Was das Buch allerdings runterzieht, sind die richtig schlechten Geschichten: Etwa das abschließende „The Two Paupers“, durch das ich mich doch hindurch quälen musste, oder auch das völlig belanglose „Twelve and Tag“ oder das unphantastische „Unearthly Landscape by a Lady“ - diese Storys haben in einem Best-of-Band beim besten Willen nichts zu suchen.

 

Also: Horton hat fast so viele gute Geschichten wie Dozois und Clarke, aber auch deutlich mehr Ausreißer nach unten.



#14 Jordan

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Geschrieben 08 Januar 2017 - 23:57

Vielleicht lohnt sich für dich auch noch ein Blick in "The best American Science Fiction and Fantasy 2016" von John Joseph Adams und Karen Joy Fowler. So auf den ersten Blick scheint es recht wenige Übereinstimmungen mit den anderen Anthologien zu geben, vielleicht ist da noch die eine oder andere Perle dabei. Ich hab's erst zu einem Viertel durch, aber da waren mit Adam Johnson (Interesting Facts), Catherynne M. Valente (Planet Lion) und Kij Johnson (The Apartment Dwellers Bestiary) schon mal schöne Geschichten dabei. Salman Rushdie, Ted Chiang, Rachel Swirsky und einige andere Kurzgeschichtengrößen kommen auch noch. Zudem hat der Band mit seinem silberglänzenden Einband in Punkto Gestaltung den It-Factor, das sieht im Regal schon schick aus ;)

#15 Armin

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Geschrieben 09 Januar 2017 - 07:46

Vielleicht lohnt sich für dich auch noch ein Blick in "The best American Science Fiction and Fantasy 2016" von John Joseph Adams und Karen Joy Fowler. So auf den ersten Blick scheint es recht wenige Übereinstimmungen mit den anderen Anthologien zu geben, vielleicht ist da noch die eine oder andere Perle dabei.

 

Das klingt so verlockend, dass ich wahrscheinlich wirklich einen Blick riskieren werde.

Und ich dachte eigentlich, ich könnte langsam mal mit dem Story-Jahrgang 2016 anfangen. Da liegen u.a. schon die Strahan-Anthologien Drowned Worlds und Bridging Infinity auf dem Stapel ...




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