Geschrieben 17 April 2011 - 16:49
Das Buch ist nach meiner Erinnerung einfach nur grauslich (Seifenoper meets Techno Babble):
Vor Wut habe ich mir damals sogar eine Rezi abgequält (ist nicht mehr online):
Bereits auf der ersten Seite wurde ich dann über die physikalischen Eigenschaften des Mars und vieles andere belehrt, das erinnerte mich ein wenig an "Lucky Starr im Asteroidengürtel", aber Asimov ist ja schließlich auch einer der ganz Großen des Genres, oder etwa nicht?
Dann ging's endlich los: Geschildert wird eine mehr oder weniger gelungene Studentenrevolte gegen den wachsenden Einfluß der "Zentralisten" auf die Marsgesellschaft, die vorwiegend in sogenannten "BG's" (bindende Gruppen, ein Art Familienclan) organisiert ist. Als die studentischen Störenfriede schließlich gewaltsam festgesetzt sind, löst sich der Konflikt ziemlich unmotiviert von selbst, und die Oberschurken werden "arm wie Kirchenmäuse" auf die Erde verbannt. Wir halten auf Seite 80, und ein neuer Spannungsbogen ist weit und breit nicht in Sicht. Casseia Majumdar, die Protagonistin, lernt Charles Franklin, einen reichlich exzentrischen Wissenschaftler kennen und lieben, ein Vorgang, den die Heldin mit Worten "... und es schaffte mir großes Vergnügen." der Nachwelt schildert. Überhaupt verdichtet sich während der Lektüre der Eindruck, daß die Schilderung von Gefühlen nicht gerade zu den Stärken des Autors gehört. Die Protagonisten staksen wie hölzerne Puppen durch eine hochtechnisierte Welt und widmen sich ihren Karrieren, was folgerichtig zur Trennung von Casseia und Charles führt. Schließlich, nach der ausführlichen Beschreibung von diversen politischen Intrigen, die genauso uninteressant sind wie die Aktivitäten der Protagonistin, verliebt sie Casseia in einen Menschen namens Ilya Rabinowitsch, den sie schließlich heiratet. Was sich sonst noch zwischen den Seiten 80 und 500 abspielt, kann man getrost vergessen, es sei denn, man steht auf pseudowissenschaftliche Belehrungen und weitschweifige Schilderungen gesellschaftlicher Entwicklungen. Casseia steigt - aus welchen Gründen auch immer - immer weiter auf der politischen Karriereleiter und wird zur engsten Beraterin der Präsidentin Ti Sandra. Die Beziehung der beiden Frauen beschreibt Bear mit zu Herzen gehenden Worten: "Inzwischen liebte ich Ti Sandra wie ein Mutter. Ich nickte, und wir tauschten einen festen Händedruck." Mir kamen regelrecht die Tränen.
Na ja, und als ich schließlich schon mit dem Gedanken spielte, das Buch halbgelesen der Hotelbibliothek anzuvertrauen (manchmal überkommen mich ziemlich sadistische Regungen), passiert überraschenderweise doch noch etwas. Es wird geradezu spannend. Die Gruppe um Charles Franklin macht eine bahnbrechende Entdeckung, und die eifersüchtige Kolonialmacht Erde fühlt sich herausgefordert. Ein dramatischer Konflikt nimmt seinen Lauf ...
Leider hat das Buch nicht 300, sondern 781 Seiten, von denen mindestens die Hälfte völlig unlesbar ist. Der Autor mag das ein oder andere über das "Bell-Kontinuum" oder biogenetische Entwicklungen der Zukunft wissen, aber das allein reicht meines Erachtens nicht aus, um ein fesselndes Buch zu schreiben. Das Schicksal der Protagonisten war mir von der ersten bis zur letzten Seite völlig gleichgültig, weil der Autor sie ausschließlich dazu benutzt, um seine Theorien zu transportieren. Keine von Bears Figuren lebt wirklich und fordert unsere Anteilnahme heraus. Ich habe mich selten so gelangweilt wie bei der Lektüre dieses Buches.
Und diese Langweile schlug sogar noch in Ärger um, als ich mir leichtfertigerweise das abschließende Interview von Uschi Kiausch Mit dem Autor zu Gemüte führte. Was da an Selbstgefälligkeit und politischer Ignoranz über den nichtsahnenden Leser hereinbricht, überschreitet m. E. jedes tolerierbare Maß. Ja, Greg Bear ist ein Name, den ich mir merken vermutlich werde ...
"Heimat Mars" erinnert stark an einige der weniger gelungenen Werke von Asimov und Heinlein und erscheint im Vergleich mit wirklich phantasievollen Büchern des Genres (z. B. Dan Simmons grandioser "Hyperion"-Saga) stockkonservativ und knochentrocken.